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  • FBO-Intendant Hans-Georg Kaiser – inspirierende Projekte mit dem Hamburg Ballett

    FBO-Intendant Hans-Georg Kaiser – inspirierende Projekte mit dem Hamburg Ballett

    »Dona Nobis Pacem« ist John Neumeiers jüngstes Ballett zur Musik der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach. Im Festspielhaus Baden-Baden wird die Produktion erstmals mit dem Freiburger Barockorchester (FBO) aufgeführt, einem international renommierten Ensemble in der Tradition der historisch informierten Aufführungspraxis. Im Vorfeld der Festspielhaus-Premiere sprach Hamburg Ballett-Kommunikationsdirektor Dr. Jörn Rieckhoff über das aktuelle Projekt mit Hans-Georg Kaiser, dem Intendanten und Geschäftsführer des Orchesters.

    Welche Farbe bringt das Freiburger Barockorchester in die Baden-Badener Aufführungen ein? Kurz gesagt: Wie klingt der FBO-Bach?

    Hans-Georg Kaiser: Ich glaube sehr daran, dass man Aufführungen mit unserem und ohne unser Orchester unterscheiden kann. Es wird Johann Sebastian Bach in besonderer Weise gerecht, seine Musik auf historischen Instrumenten zu spielen. Unsere Streicher musizieren auf Darmsaiten, die Holz- und Blechbläser verwenden Instrumente ohne Klappen und Ventile. Als Hörer erlebt man auf diese Weise eine viel größere Palette an Klangfarben.

    Speziell zur h-Moll-Messe haben wir eine enge Verbindung, seit wir vor vielen Jahren eine szenische Produktion mit Achim Freyer realisierten. Es ist eines unserer Lieblingsstücke.

    Die Musikerinnen und Musiker des FBO bei einer Bühnenprobe im Festspielhaus © Kiran West

    Das Freiburger Barockorchester ist ein international präsentes Ensemble. Wie oft kannst Du als Intendant Musiktheater- und Tanzproduktionen einplanen?

    Ich freue mich jedes Mal, wenn wir von Opernhäusern oder jetzt vom Hamburg Ballett John Neumeier für derartige Produktionen angefragt werden. Bei unseren üblichen Tourneen sind wir heute in Paris, morgen in Brüssel, dann in Freiburg und Berlin – jeden Tag an einem anderen Ort. Natürlich ist es toll, dasselbe Programm in den großen Konzerthäusern aufzuführen. Ein noch tieferes Erlebnis aber stellt sich ein, wenn man ein Werk mehrfach auf einer Bühne und mit denselben künstlerischen Partnern musiziert. Im November etwa realisieren wir mit Simon Rattle die Charpentier-Oper »Médée« – solche Gelegenheiten nimmt unser Orchester gerne wahr.

    Welche Verbindung hat das FBO zum Publikum in Baden-Baden? Von Hamburg aus gesehen habt Ihr hier ein Heimspiel.

    Seit der Hauseröffnung kommen wir regelmäßig ins Festspielhaus. Ich erinnere mich an unvergessliche Konzerte, beispielsweise im Juni 2004 mit Cecilia Bartoli am Abend ihres Geburtstags. Ein anderes Mal haben wir Mozarts »Don Giovanni« mit René Jacobs szenisch aufgeführt. Jeder Auftritt hier ist ein besonderes Erlebnis, weil das Haus mit allen Abteilungen hinter der Veranstaltung steht und schaut, dass sie zu einem großen Erfolg für ein treues Publikum wird.

    Das FBO mit den Tänzern Aleix Martínez und Lennard Giesenberg bei Proben zu »Dona Nobis Pacem« © Kiran West

    Zuletzt haben Hamburg Ballett und FBO vor vier Jahren mit Glucks Oper »Orphée et Eurydice« gemeinsam die Intendanz von Benedikt Stampa eingeläutet. Wie hat sich das Orchester in den vier turbulenten Jahren seitdem entwickelt?

    Aktuell fühlen wir uns ganz hervorragend. Die Vielzahl unserer Konzerte lässt uns spüren, dass der Hunger nach Kultur ungebrochen groß ist. Auch haben wir die Möglichkeit, unsere vielfältige Arbeit von der Kammermusik bis zur Romantik umfassend zu dokumentieren, vor allem bei den Labels harmonia mundi und Deutsche Grammophon.

    Natürlich hat die Pandemie auch uns als freies Orchester hart getroffen. Aber wir haben die Zeit genutzt, um unsere Position im internationalen Kulturbetrieb und den allmählichen Generationswechsel unter unseren Mitgliedern zu reflektieren. Auch haben wir neue Wege der Kommunikation beschritten, um unser Publikum noch enger an uns zu binden. Uns ist sehr bewusst geworden, dass Live-Erlebnisse, bei dem das Orchester mit dem Publikum im Saal gemeinsam atmet, unersetzlich sind.

    Insofern sehe ich es als positives Zeichen, dass unsere Vorstellungen mit dem Hamburg Ballett John Neumeier und den jungen Sängerinnen und Sängern des Vokalensemble Rastatt in den kommenden Tagen ausverkauft sind. Übrigens übernimmt mit Cecilia Bernardini unsere neue Künstlerische Ko-Leiterin die Position als Konzertmeisterin. Sie und der Dirigent Holger Speck erweisen sich hierbei als hervorragende Partner. Gemeinsam bieten wir dem Festspielhaus-Publikum in der hochkarätigen Interpretation von Tanz und Musik einzigartige Erlebnisse. Daran sollten wir in der Zukunft anknüpfen – in Baden-Baden, gerne aber auch in Hamburg.

    Jörn Rieckhoff

  • Aleix Martínez ist »ER«

    Aleix Martínez ist »ER«

    Im Dezember 2022 feierte John Neumeiers jüngste Kreation »Dona Nobis Pacem« ihre Uraufführung in Hamburg. Nun ist das Ballett im Rahmen von John Neumeiers Festival »The World of John Neumeier« zum ersten Mal in der Kurstadt Baden-Baden zu erleben. Aleix Martínez beantwortet drei Fragen über die Musik von Johann Sebastian Bach, seine Rolle »ER« und den Kreationsprozess mit John Neumeier.

    John Neumeier hat sich für sein Ballett »Dona Nobis Pacem« für die h-Moll Messe von Johann Sebastian Bach entschieden. Was für einen Bezug hast du zu dieser Musik?

    Aleix Martínez: Ich denke, dass die Musik von Johann Sebastian Bach etwas wirklich Tiefes in jedem Menschen berührt. Für mich geht es nicht primär um das Verstehen, sondern eher mehr um das Gefühl und die universelle Idee seiner Musik. Für mich persönlich steht auch nicht die Religion im Fokus, obwohl ich natürlich weiß, dass es sich um eine Messe handelt und ich empfinde, dass es ein riesiges, gehaltvolles Werk ist. Aber ich versuche eher die Essenz der Musik zu finden, mich loszulösen von allen Interpretationen und Fakten, die es auch im wissenschaftlichen Kontext über dieses Werk gibt. Und auch wenn John Neumeier die Musik vielleicht aus einer anderen Perspektive anhört, sehe ich darin – und das ist meine persönliche Meinung – die Suche nach dem Unbekannten oder den Versuch, einen gewissen Sinn im Unbekannten zu finden. Antworten auf die vielen Fragen zu finden, die wir nicht wirklich beantworten können. Ich würde also sagen, für mich hat die Musik fast den gegenteiligen Effekt. Ich hinterfrage durch die Musik eher, was vielleicht der Glaube ist. (lacht) Das ist für mich auch eine Stärke dieser Musik: es gibt kein richtig und kein falsch, es gibt nur die persönliche Emotion, die die Musik in jedem Menschen auslöst.

    Aleix Martínez als »ER« und Ida Praetorius als »SIE« © Kiran West

    Du hast bereits mehrere große Rollen für Ballette wie »Anna Karenina«, »Beethoven-Projekt I« und »Beethoven-Projekt II« mit John Neumeier kreiert. Was ist das Besondere an deiner Rolle »ER« in »Dona Nobis Pacem«?

    Aleix Martínez: Es ist schwer zu sagen, was besser oder schlechter ist, denn es ist immer anders. Jede Kreation, jede Produktion ist anders. Manchmal gibt es bei Balletten wie zum Beispiel »Anna Karenina« eine sehr starke Dramaturgie oder eine vorgeschriebene Handlung, auf der die Geschichte und Choreografie aufbaut. Das ist dann eine andere Herangehensweise und in der Hinsicht habe ich bei der Kreation von DNP eine große Freiheit empfunden. DNP berührt für mich Themen, die universell sind. Ich fühle, dass ich in der Choreografie sowohl über die Gegenwart, die Vergangenheit und vielleicht auch die Zukunft spreche. Und die Kraft dieser Arbeit – was ich erlebe, während ich auf der Bühne stehe oder auch schon in der Kreation erlebt habe – ist die Möglichkeit, mich immer wieder zu hinterfragen. Immer wieder zu hinterfragen, was wir als Menschheit im Allgemeinen tun. Woran wir glauben. Worum wir bitten und wen wir um Hilfe bitten. Ich kann also keine klare Antwort auf die Frage geben, was das Besondere an der Rolle ER ist. Denn es hat viel damit zu tun, was ich fühle.

    Aleix Martínez und Ensemble im Schlusssatz von »Dona Nobis Pacem« © Kiran West

    Wie kann man sich den Kreationsprozess eines neuen Balletts von John Neumeier vorstellen?

    Aleix Martínez: Nun, es gibt immer eine gewisse Aufregung, wenn man etwas Neues beginnt. Besonders bei der Arbeit mit einem so großartigen Künstler wie John. Als Choreograf hat John sein Vokabular über viele Jahre hinweg entwickelt und ich darf nun Teil eines dieser Kapitel sein. Mittlerweile würde ich sagen haben wir eine künstlerische Beziehung aufgebaut und ich fühle mich sehr frei, auch im Studio mit ihm zu forschen. Das ist für mich das Interessanteste, dass ich nicht nur ein Instrument bin, sondern aktiver Teil des Prozesses. Ich versuche jedes Mal herauszufinden, was er will, und in welche Richtung wir gehen können. Manchmal wissen wir das beide nicht und das ist auch ok, denn dann entwickelt sich etwas zwischen dem Schöpfer und dem Tänzer. Und wenn man kreiert, gibt es nichts Richtiges, nichts Falsches. Es geht immer um das, was in dem Moment passiert, und daraus können viele Dinge entstehen. Im Prozess ist es für mich wichtig, mich genau wie bei der Musik von Bach von allem, was ich über John weiß, frei zu machen. Wenn ich mich vollkommen in den Künstler hineinversetzen kann, mich wirklich mit der Essenz seiner Arbeit verbinden kann, ist das für mich das Wesentliche.

    Friederike Adolph