Kategorie: Aus dem Ballettzentrum

  • Abschied von Jean-Jacques Defago

    Abschied von Jean-Jacques Defago

    Manchmal beginnt ein Lebensweg nicht mit einem lauten Paukenschlag, sondern mit einem stillen Zufall. So war es bei Jean-Jacques Defago, der seit 1979 ein fester Bestandteil des Hamburg Ballett ist. Bis 2000 tanzte er in John Neumeiers Compagnie, seitdem ist er Mitarbeiter der Abteilung Kommunikation und ist bis heute verantwortlich für die Webseite und digitale Inhalte. Nun ist es Zeit, Abschied von ihm zu nehmen.

    Wie alles begann? Jean-Jacques war bereits 18 Jahre alt, als er durch einen Zufall erfuhr, dass es in seinem Geburtstort Monthey, einer Gemeinde im Kanton Wallis in der Schweiz, eine Ballettschule gab. Zwei Stunden Unterricht pro Woche – das war sein Einstieg in eine Welt, die bald sein Leben verändern sollte. Ein Jahr später, mit 19, besuchte er einen Sommerkurs in Cannes am Centre de Danse International von Rosella Hightower. Dort traf er auf die ehemalige Direktorin der Schule, Rosella Hightower, und dann nahm alles Fahrt auf. Sie trat auf ihn zu, beeindruckt von dem, was sie gesehen hatte. Und fragte ihn, auf welcher Ballettakademie er sei. Und er antwortete wahrheitsgemäß, dass er auf eine kleine Schule in einem Schweizer Dorf unterrichtet werde, nicht an einer renommierten Akademie. Als sie ihn fragte, ob er Tänzer werden wollte, zögerte er nicht lange – und sagte dann, ja, das wäre ein Traum, aber es sei unmöglich, wie solle er seinen Eltern sagen, dass er professionell tanzen möchte? Doch Rosella Hightower lächelte nur und sagte: »Sag nichts. Ich werde ihnen schreiben und deinen Eltern versichern, dass du eines Tages einen Job als Tänzer erhalten wirst.« Sie hielt Wort. Drei Wochen später packte er seine Sachen – und zog für drei Jahre zum Tanzstudium an die Ballettschule nach Cannes.

    Pas de deux-Klasse beim Centre de danse international Rosella Hightower (Cannes) / Jean-Jacques Defago und Mylène Rathfelder

    Nach seiner Ausbildung folgten zahlreiche Vortanzen: Genf, Zürich, Düsseldorf, München, Frankfurt – er hatte überall ein Angebot für ein Engagement. Und doch wartete er auf eine bestimmte Zusage: Hamburg. Damals war das Hamburg Ballett unter John Neumeier der Ort, an den alle wollten. Nur Hamburg ließ sich Zeit. 205 Bewerber*innen kamen damals zum Vortanzen. Er ging zurück nach Genf – und wartete. Dann, drei Wochen später, kam die Antwort. In Form eines Telegramms: »Jean-Jacques Defago. Centre de Dance Cannes. Offer contract letter follows. John Neumeier.« Er war überglücklich. Und Rosella Hightower sollte mit ihrer Aussage Recht behalten.

    Telegramm (19.12.1978)

    Ein Leben in Bewegung

    In Hamburg begann ein neues Kapitel. Und er wollte nie wieder weg. Die Arbeit mit John Neumeier war einzigartig – kreativ, fordernd, inspirierend. Er sagt selbst, dass er nie der Tänzer mit der makellosen Technik war. Bei seinem Vortanzen in Hamburg sei es ihm zum ersten Mal gelungen, die double tours nach links auszuführen. Aber er konnte Geschichten erzählen, Rollen verkörpern, Emotionen auf die Bühne bringen. Und das tat er – über Jahre hinweg – auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper und auf Tourneen weltweit. In seinen 21 Jahren als aktiver Tänzer kreierte John Neumeier mit ihm mehrere Solorollen in seinen Balletten, darunter in »Requiem« und »Matthäus-Passion«.

    »Requiem« (Premiere in Salzburg, 1991) / Anna Grabka und Jean-Jacques Defago © Holger Badekow

    Zu seinem Repertoire gehörten u. a. eine Hauptrolle in »Tristan« und Soli in »Magnificat« sowie in der »Dritten« und »Fünften Sinfonie von Gustav Mahler«. Er war auch in Balletten von Jerome Robbins, José Limón, Antony Tudor und George Balanchine zu sehen. In späteren Jahren tanzte er häufig noch als Bruder Lorenzo in »Romeo und Julia« oder als Herzog in »Die Kameliendame«.

    Probe von »Tristan« (Hamburg, 1985) / Choreografie: John Neumeier / Gigi Hyatt und Jean-Jacques Defago © Holger Badekow

    Mit Anfang 40 wurde es auf der Bühne etwas ruhiger für ihn. Und er fand langsam seinen Weg in andere Bereiche der Compagnie. Zunächst half er in der Presseabteilung aus. Als der damalige Pressesprecher plötzlich zur Metropolitan Opera wechselte – mitten in der Spielzeit – übernahm er kurzerhand dessen Aufgaben. Und das direkt vor einer wichtigen Paris-Tournee im Jahr 2000, bei der die Compagnie John Neumeiers Ballett »Illusionen – wie Schwanensee« im Théâtre du Châtelet tanzte. Er übersetzte Teile des Programmheftes ins Französische. Ganz selbstverständlich. Er musste Yves Saint Laurent in der Vorstellung begleiten und dann auf der Bühne (er kam gleich zweimal zur Vorstellung). Der Modeschöpfer wollte mit John Neumeier sprechen, er war begeistert von seiner Arbeit und interessiert an einer Zusammenarbeit, leider kam es nie dazu. Später wurde Saint Laurent krank und starb 2008. Doch allein die Vorstellung dieser Zusammenarbeit lässt noch heute etwas in Jean-Jacques leuchten.

    Ausschnitt aus einem Artikel in »Die Welt« (4.12.1998) über die Hamburg Theater online: Wie sich Hamburger Bühnen im Internet präsentieren © Die Welt

    Erster im Netz

    Ende der 90er-Jahre, das Internet steckte noch in den Kinderschuhen, hielt er zum ersten Mal ein Computer in den Händen. Und sah, dass das American Ballet Theatre eine eigene Website hatte. Kein Profi, keine Agentur hatte sie gestaltet, sondern eine Tänzerin der Compagnie. Er war fasziniert – und wollte das auch. Er lieh sich einen Computer, brachte sich HTML und Webdesign autodidaktisch bei. Was er aufbauen wollte, war mehr als eine Seite mit einer Telefonnummer für den Ticketverkauf. Er wollte mehr: Stückinformationen sammeln, Spielpläne, Biografien der Tänzer*innen und Hintergründe – ein echtes digitales Archiv. 1998 ging der erste Online-Auftritt des Hamburg Ballett live. Komplett selbst erstellt. Nicht programmiert im klassischen Sinn, aber gestaltet, strukturiert, organisiert – aus dem Nichts. Vorlagen oder Templates gab es nicht. Alles war damals noch Handarbeit. Nach etwa 15 Jahren entschied er sich, die Ballettseite mit der Website der Staatsoper zu integrieren. Der Aufwand wurde größer, der Pflegebedarf stieg. Auch visuell war der ursprüngliche Auftritt nicht mehr zeitgemäß. Die Fusion war der logische Schritt. Doch bis zum Sommer 2025 pflegt er die Eingabe der Daten und Informationen selbst.

    Erste Premiere mit dem Hamburg Ballett: »Songfest« (1979) / Choreografie: John Neumeier / Jean-Jacques Defago und Jean-Christophe Maillot © Holger Badekow

    »Ich bin einfach stur«, sagt er heute. Und meint das als eine seiner größten Stärken. Er sei ohne klassische Ausbildung und vom Alter her recht spät Tänzer geworden, und er habe ohne Vorkenntnisse eine professionelle Website aufgebaut. Was ihn dabei stets begleitet hat: ein Auge für das Visuelle. In Hamburg erlebte er die enge Zusammenarbeit zwischen John Neumeier und dem Designer Peter Schmidt – und lernte viel durch bloßes Beobachten. Warum machte Peter Schmidt etwas so und nicht anders? Dieses Gefühl für Gestaltung hat er sich im Laufe der Jahre angeeignet.

    »Matthäus-Passion« (vor dem Salzburger Dom, 1984) / Ivan Liska, John Neumeier und Jean-Jacques Defago © Schaffler

    Und jetzt, ein Leben im Dolce Vita? Nicht nur! Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs ist er zwar gerade in Nervi, einem Stadtteil in Genau, wo gerade das Nervi International Ballet Festival stattfindet unter der neuen künstlerischen Leitung von Jacopo Bellussi – ehemaliger Erster Solist des Hamburg Ballett. Aber ein neues Projekt wartet schon: Die Pflege bzw. der Aufbau der Webseite der John Neumeier Stiftung. Dort finden sich bislang nur ein Werkverzeichnis mit Titeln und Jahreszahlen der über 170 Ballette des Choreografen. Er arbeitet daran, die Seite zu erweitern, mit Kontexten, Bildern und Hintergrundinformationen. Weil es wichtig ist und diese Arbeit ihm schon immer großen Spaß gemacht hat.

    Lieber Jean-Jacques, danke, dass du über 45 Jahre lang Teil des Hamburg Ballett warst, wir werden dich hier sehr vermissen!

    Nathalia Schmidt

  • Grazie, Alessandro!

    Grazie, Alessandro!

    Der Erste Solist Alessandro Frola verabschiedet sich vom Hamburg Ballett

    Alessandro Frola und Madoka Sugai in „Die Kameliendame“ c) Kiran West

    Die Nachfrage von Bahntickets von Hamburg nach Wien dürfte in der nächsten Saison rasant ansteigen, wenn der Erste Solist Alessandro Frola mit dem Beginn der neuen Spielzeit 2025/26 Hamburg den Rücken kehrt und ans Wiener Staatsballett wechselt. Ein wahrlich schmerzlicher Verlust für die Hamburger Ballettszene, verliert sie doch einen ihrer Topstars, aber ein spannender neuer Karriereschritt für dich, lieber Alessandro! 

    Alessandro Frola als Puck in „Ein Sommernachtstraum“ c) Kiran West

    Geboren wurde Alessandro Frola in Parma, Italien, und erhielt seine Ausbildung in Profession Dance Parma, Fomento Artístico Cordobés im mexikanischen Córdoba. 2017 hatte er die Möglichkeit durch die Teilnahme am Finale des renommierten Ballettwettbewerb Prix de Lausanne, eine Ballettschule seiner Wahl zur Fortführung seiner Ausbildung auszusuchen und seine Wahl fiel glücklicherweise auf die Ballettschule des Hamburg Ballett. Zwei Jahre später, 2019, wurde er in die Compagnie aufgenommen.

    Alessandro Frola in „Dornröschen“ c) Kiran West

    John Neumeier gab ihm früh die Möglichkeit Solorollen zu tanzen. So war er der jüngste Tänzer, der jemals die Rolle des Lysander in „Ein Sommernachtstraum“ tanzen durfte. Auch andere große Solorollen wie Prinz Desirée in „Dornröschen“ und Wolf Beifeld in „Liliom“ stärkten sein Profil als vielversprechender Nachwuchskünstler. 2022 wurde er zum Solisten befördert und bereits im Jahr darauf zum Ersten Solisten. John Neumeier lobte in seiner Laudatio zur Vergabe des Dr. Wilhelm Oberdörffer-Preis 2023 neben Alessandro Frolas enorm starker Technik vor allem seine einnehmende Präsenz und Persönlichkeit auf der Bühne. Noch im selben Jahr folgte die Ernennung zum Ersten Solisten.

    Alessandro Frola als Drosselmeier in „Der Nussknacker“ c) Kiran West

    Seine einzigartige Ausstrahlung und feine Schauspielkunst bewies er als Mercutio in „Romeo und Julia“, Drosselmeier in „Der Nussknacker“, Armand in „Die Kameliendame“, Love in „Bernstein Dances“, Ein Freier / Der Krieg in „Odyssee“ und zog als Allan Gray in „Endstation Sehnsucht“ und Verwirrung stiftender Puck in „Ein Sommernachtstraum“ das Publikum in seinen Bann. Er interpretierte Solopartien in „Matthäus-Passion“, „Dritte Sinfonie von Gustav Mahler“ und „Préludes CV“.

    Alessandro Frola mit John Neumeier in Proben zu „Dona Nobis Pacem“ c) Kiran West

    John Neumeier kreierte für ihn Der Schatten in „Dona Nobis Pacem“ und Soli in „Epilog“ und in „Peter und Igor“, mit dem er an der Seite von Jacopo Bellussi 2021 in Italien (Rom, Genua und Ravenna) gastierte. In der laufenden Saison war er unter anderem in „Variations for Two Couples“ von Hans van Manen und „Blake Works V – The Barre Project“ von William Forsythe zu sehen.

    Alessandro Frola und Jacopo Bellussi in „Igor und Peter“ c) Kiran West

    Im Rahmen der 50. Hamburger Ballett-Tage tanzte Alessandro Frola noch einmal seine Paraderolle des Mercutio in „Romeo und Julia“ sowie Friedrich, der Große in „Tod in Venedig“. Darüber hinaus ist er in den Ballettabenden „THE TIMES ARE RACING“ (17. Juli) und „SLOW BURN“ (19. Juli) und natürlich beim festlichen Saisonabschluss mit der Nijinsky-Gala L (20. Juli) zu erleben.

    Alessandro Frola als Mercutio mit Artem Prokopchuk als Tybalt in „Romeo und Julia“ c) Kiran West

    Mit erst 24 Jahren nun schließt sich Alessandro Frola dem Wiener Staatsballett an, das ab der kommenden Saison von seiner Landsmännin Alessandra Ferri geleitet wird. Für diesen neuen Schritt wünschen wir Dir nur das Beste, lieber Alessandro, viel Erfolg, Inspiration und neue Impulse! Ein herzliches Toi, Toi, Toi für dieses neue Kapitel!

  • Madoka Sugai verabschiedet sich vom Hamburg Ballett

    Madoka Sugai verabschiedet sich vom Hamburg Ballett

    Madoka Sugai in „Nijinsky“ c) Kiran West

    2012 war sie für das Bundesjugendballett nach Hamburg gekommen. In unzähligen Rollen begeisterte sie durch ihre makellose Technik und natürliche Ausstrahlung. Zum Ende der Saison 2024/25 verabschiedet sich die Erste Solistin Madoka Sugai nun vom Hamburg Ballett. Hamburg wird dich schmerzlich vermissen, liebe Madoka!

    Madoka Sugai in „Don Quixote“ c) Kiran West

    Die gebürtige Japanerin erhielt ihre Ausbildung an der Sasaki Mika Ballettakademie in Yamato. Nachdem sie 2012 beim Prix de Lausanne gewann, wählte sie ganz bewusst das Bundesjugendballett als erste Station ihrer weiteren Karriere. Dort habe sie gelernt, flexibel und kreativ auf unterschiedlichste Situationen, Räume und Umgebungen zu reagieren, was sie als ganz besonders wertvoll für ihren weiteren Werdegang empfand. 2014 engagierte John Neumeier sie ins Ensemble des Hamburg Ballett, wo sie 2017 zur Solistin und 2019 zur Ersten Solistin avancierte.

    Madoka Sugai in „Sylvia“

    Madoka Sugai überzeugte in klassischen, neoklassischen sowie zeitgenössischen Werken durch ihre gefühlvollen Interpretationen in Verbindung mit exzellenter klassischer Technik. So begeisterte sie das Publikum als Kitri oder Dulcinea in „Don Quixote“ (Rudolf Nurejew), Marguerite Gautier in „Die Kameliendame“, Prinzessin Natalia in „Illusionen – wie Schwanensee“, Prinzessin Aurora oder Florine in „Dornröschen“, „Cinderella“ in „A Cinderella Story“, Luise in „Der Nussknacker“ oder in der Titelrolle in Cathy Marstons „Jane Eyre“. Sie verzauberte als kämpferische Sylvia, willensstarke Hermia in „Ein Sommernachtstraum“, fesselte ihr Publikum als Nijinskys Schwester Bronislava, und verdrehte als Kirke nicht nur Odysseus in „Odyssee“ den Kopf.

    Madoka Sugai und Jacopo Bellussi in „Ein Sommernachtstraum“ c) Kiran West

    John Neumeier kreierte für sie unter anderem die Rollen der jungen Frau und der Geistlichen in „Dona Nobis Pacem“ und zahlreiche Soli, u.a. in „Beethoven-Projekt I & II“, „Ghost Light“ und „Epilog“. Auch in Aszure Bartons Neukreation „Slow Burn” (2024), das sich weisen und starken Frauen widmet, tanzte sie eine der beiden weiblichen Hauptrollen an der Seite von Silvia Azzoni.

    Madoka Sugai mit Alexandr Trusch in „Der Nussknacker“ c) Kiran West

    2018 wurde sie mit dem Dr. Wilhelm Oberdörffer-Preis ausgezeichnet, der alljährlich vielversprechende Nachwuchskünstler*innen aus den Bereichen Tanz, Musik und Gesang kürt.

    Madoka Sugai in „Die Kameliendame“ c) Kiran West

    Madoka Sugai ist gern gesehener Gast auf zahlreichen internationalen Ballett-Galas. So war sie beispielsweise Gast des World Ballet Festival in Tokyo 2024 – u. a. mit „Sinatra Suite“ von Twyla Tharp – und trat auf renommierten internationalen Galas in Japan und Europa auf, wo ihre Darbietungen von einer großen Schar internationaler Fans gefeiert werden.

    Madoda Sugai und Alexandr Trusch in „Variations for Two Couples“ von Hans van Manen c) Kiran West

    Bevor sie sich von Hamburg verabschiedet, ist Madoka Sugai noch einige Male im Rahmen der 50. Hamburger Ballett-Tage zu erleben. Als Bronislava Nijinsky tanzt sie am 15. Juli in »Nijinsky«. Darüber hinaus ebenso in den beiden mehrteiligen Ballettabenden »THE TIMES ARE RACING« (17. Juli) und »SLOW BURN« (19. Juli), sowie in der Nijinsky-Gala L (20. Juli), dem feierlichen Abschluss der Festtage und der Spielzeit 2024/25.

    Liebe Madoka, wir wünschen dir von Herzen alles Gute für die Zukunft und weiterhin viele glorreiche Momente auf den Bühnen dieser Welt und sagen danke für dein Feuer, deine Präzision und die unzähligen unvergesslichen Bühnenmomente, die uns alle tief berührt haben!

  • Abschied eines Ausnahmetänzers: Alexandr Trusch verlässt das Hamburg Ballett

    Abschied eines Ausnahmetänzers: Alexandr Trusch verlässt das Hamburg Ballett

    Nach fast zwei Jahrzehnten voller unvergesslicher Bühnenmomente nimmt das Hamburg Ballett Abschied von einem seiner herausragendsten Tänzer: Alexandr Trusch, Erster Solist seit 2014, verlässt zum Ende dieser Spielzeit die Compagnie.

    Geboren am 26. Juni 1989 im ukrainischen Dnipropetrowsk, kam Alexandr Trusch bereits in jungen Jahren nach Hamburg, wo er seine Ausbildung an der Ballettschule des Hamburg Ballett absolvierte. Geprägt von seinen Lehrer*innen Kevin Haigen, Marianne Kruuse, Christian Schön und Irina Jacobson entwickelte er früh eine tänzerische Ausdrucksstärke, die ihn bald zum Publikumsliebling machen sollte.

    Seine enge künstlerische Beziehung zu John Neumeier begann bereits während der Schulzeit, als dieser eine Schulversion von »Romeo und Julia« choreographierte – Alexandr Trusch tanzte darin die Rolle des Romeo. Später interpretierte er dieselbe Rolle in der Compagnie – der Beginn einer intensiven und langjährigen Zusammenarbeit.

    Als Romeo an der Seite von Florencia Chinellato in John Neumeiers »Romeo und Julia«
    Foto: Holger Badekow

    2007 trat er dem Ensemble des Hamburg Ballett bei, wurde 2010 Solist und 2014 zum Ersten Solisten befördert. In diesen Jahren interpretierte Trusch zahlreiche Rollen und formte seinen unverwechselbaren Stil – eine eindrucksvolle Verbindung aus technischer Präzision und emotionaler Ausdruckskraft. Bereits 2010 wurde er mit dem Dr. Wilhelm Oberdörffer-Preis ausgezeichnet – eine frühe Anerkennung und ein Zeichen seines großen Potenzials, das er in den folgenden Jahren weiter ausbaute.

    Mit Hélène Bouchet als Der Prinz in John Neumeiers »A Cinderella Story« Foto: Holger Badekow

    Ein besonderer Schwerpunkt seines Schaffens lag in der Zusammenarbeit mit John Neumeier. Neben bedeutenden Kreationen wie Vladimir Lensky in »Tatjana«, einem Engel im »Weihnachtsoratorium I–VI« sowie Prinz Désiré in der Neufassung von »Dornröschen« (2021) verkörperte Trusch zahlreiche Hauptrollen in Wiederaufnahmen des Hamburg Ballett. Unvergessen bleibt er als der labile König in »Illusionen – wie Schwanensee«, der ambivalente Herzog Albert in »Giselle« und der melancholische Prinz in »A Cinderella Story«. Ebenso prägend war er als der charismatische und zugleich in sich gespaltene Vaslaw Nijinsky in »Nijinsky«, der aristokratische Armand Duval in »Die Kameliendame«, der listige Odysseus in »Odyssee« sowie der schelmische Puck in »Ein Sommernachtstraum«.

    Als Puck in John Neumeiers »Ein Sommernachtstraum« Foto: Kiran West
    In der Titelrolle von John Neumeiers »Odyssee« Foto: Kiran West

    Seine unverkennbare Virtuosität und Vielseitigkeit kamen in klassischen, neoklassischen sowie zeitgenössischen Kreationen zum Ausdruck – etwa als Basil in Rudolf Nurejews »Don Quixote«, Gennaro in August Bournonvilles »Napoli«, als George Balanchines »Der verlorene Sohn« oder Prinz Florizel in Christopher Wheeldons »The Winter’s Tale«. In der noch laufenden Spielzeit brillierte er in Hauptrollen von Hans van Manens »Variations for Two Couples«, William Forsythes »Blake Works V (The Barre Project)«, Justin Pecks »THE TIMES ARE RACING«, Demis’ Volpis »The thing with feathers« sowie in der jüngsten Kreation »Silentium« von Edvin Revazov, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Leon Gurvitch Ensemble, für das Hamburger Kammerballett.

    Mit Madoka Sugai in Hans van Manens »Variations for Two Couples« Foto: Kiran West

    Im Rahmen der 50. Hamburger Ballett-Tage ist Alexandr Trusch zum letzten Mal in der Titelpartie von John Neumeiers »Nijinsky« (15. Juli) zu erleben. Darüber hinaus tanzt er am 17. Juli und 19. Juli in den beiden erfolgreichen Premierenproduktionen der Spielzeit, »THE TIMES ARE RACING« (17. Juli) und »SLOW BURN« (19. Juli), sowie in der Nijinsky-Gala L (20. Juli), dem feierlichen Abschluss der Festtage und der Spielzeit 2024/25.

    Lieber Sascha, wir sagen Danke für die Inspiration und die Schönheit, die Du uns mit Deinem Tanz geschenkt hast! Für Deinen weiteren Weg wünschen wir Dir alles Gute!

  • Ein letzter Tanz für Christopher Evans mit dem Hamburg Ballett

    Ein letzter Tanz für Christopher Evans mit dem Hamburg Ballett

    Nach über zwölf Jahren auf Hamburger Bühnen geht für Christopher Evans eine bedeutende Etappe zu Ende: Mit Ende der Spielzeit 2024/25 verabschiedet sich der Erste Solist vom Hamburg Ballett – ein Tänzer, dessen Vielseitigkeit, Bühnenpräsenz und künstlerische Klarheit das Ensemble über ein Jahrzehnt lang bereichert haben. Am 13. Juli 2025 tanzt er im Rahmen der 50. Hamburger Ballett-Tage ein letztes Mal mit der Compagnie auf der Bühne die tiefsinnige Rolle des Gustav von Aschenbach in John Neumeiers »Tod in Venedig«.

    Christopher Evans wurde 1994 in Loveland, Colorado geboren. Seine tänzerische Ausbildung führte ihn von der BalletMet Dance Academy über Canada’s National Ballet School schließlich an die Ballettschule des Hamburg Ballett. Hier wurde er – unter anderem von Kevin Haigen – geprägt und begleitet. Bereits 2012 trat er ins Ensemble des Hamburg Ballett ein, wurde 2015 Solist, drei Jahre später Erster Solist.

    Christopher Evans als Man I in »Bernstein Dances« Foto: Kiran West

    Mit der Compagnie entwickelte sich Christopher Evans zu einem der prägenden Gesichter des Repertoires: unter anderem als Gustav von Aschenbach in »Tod in Venedig«, als Odysseus in der »Odyssee«, als Günther in »Der Nussknacker« oder als Theseus/Oberon in »Ein Sommernachtstraum«. Er war Man I in »Bernstein Dances«, Catalabutte in »Dornröschen«, Harlequin und Geist der Rose in »Nijinsky«, Herzog Albert in »Giselle« – Figuren, in denen er nicht nur technische Präzision, sondern auch psychologischen Tiefgang zeigte.

    Christopher Evans als Oberon, Alina Cojocaru als Hippolyta in »Ein Sommernachtstraum« Foto: Kiran West

    Neben seinen Hauptrollen tanzte Evans Soli in u.a. »Matthäus-Passion«, »Weihnachtsoratorium I-VI« oder »Préludes CV« ebenso wie in international gefeierten Stücken anderer Choreograf*innen: George Balanchines »Brahms-Schoenberg Quartet«, Jerome Robbins’ »Dances at a Gathering«, Rudolf Nurejews »Don Quixote« (als Basil), Cathy Marstons »Jane Eyre« (als St. John Rivers), Justin Pecks »The Times Are Racing« oder William Forsythes »Blake Works V – The Barre Project« sowie zuletzt in Edvin Revazovs »Silentium« für das Hamburger Kammerballett.

    Christopher Evans als Jim O’Connor, Alina Cojocaru als Laura Rose Wingfield in »Die Glasmenagerie«
    Foto: Kiran West

    John Neumeier schuf für ihn u. a. die Figur des lebenslustigen Jim O’Connor in »Die Glasmenagerie« sowie einen Geistlichen in »Dona Nobis Pacem« und eine der führenden Rollen in seinem sinfonischen Ballett »Turangalîla«. Er kreierte zahlreiche Soli in John Neumeiers Spätwerken wie »Beethoven-Projekt I & II«, »Ghost Light« und »Epilog«.  Es sind Rollen, die Christopher Evans mit seiner klaren Körpersprache, seinem differenzierten Ausdruck und einem besonderen Gespür für Atmosphäre prägte.

    Christopher Evans als Catalabutte und Xue Lin als Prinzessin Florine in »Dornröschen« Foto: Kiran West

    Auch als Choreograf machte er erste Schritte: 2016 zeigte er im Rahmen von »Junge Choreografen« das Solo »Soul Sketch«, gefolgt von »A Cosmic Second« ein Jahr später. Seine tänzerischen Leistungen wurden mehrfach ausgezeichnet – 2010 erhielt er den renommierten Prix de Lausanne und wurde 2015 mit dem Dr. Wilhelm Oberdörffer-Preis ausgezeichnet.

    Christopher Evans in »Turangalîla« Foto: Kiran West

    Bei den 50. Hamburger Ballett-Tage ist Christopher Evans zum letzten Mal als Gustav von Aschenbach von John Neumeiers »Tod in Venedig« (13. Juli) zu erleben. Darüber hinaus tanzt er als als Harlequin und Geist der Rose am 15. Juli in John Neumeiers »Nijinsky« und am 17. Juli in der erfolgreichen Eröffnungsproduktion der Spielzeit, »THE TIMES ARE RACING«. Im Rahmen der feierlichen Nijinsky-Gala L (20. Juli), die den krönenden Abschluss der Spielzeit 2024/25 markiert, steht er ein letztes Mal auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper.

    Danach schlägt Christopher Evans ein neues Kapitel auf: Ab der kommenden Spielzeit ist er Mitglied des Badischen Staatsballetts in Karlsruhe – dort trifft er auf Kristina Paulin, einst selbst Tänzerin beim Hamburg Ballett unter John Neumeier. Heute wirkt sie als stellvertretende Ballettdirektorin, Ballettmeisterin und Hauschoreografin. In Karlsruhe wird Christopher Evans seine Karriere fortsetzen.

    Lieber Christopher, wir wünschen Dir für alles, was kommt, viel Erfolg, Inspiration und Freude auf Deinem Weg!

  • Ein letzter Vorhang: Jacopo Bellussi verabschiedet sich vom Hamburg Ballett

    Ein letzter Vorhang: Jacopo Bellussi verabschiedet sich vom Hamburg Ballett

    Als stürmischer Romeo, leidenschaftlicher Armand oder verführerischer Wronski – Jacopo Bellussi hat zahlreichen Figuren mit darstellerischer Tiefe und technischer Brillanz Leben eingehaucht. Nach über einem Jahrzehnt am Hamburg Ballett verabschiedet sich der italienische Tänzer nun von der Compagnie: Am 1. Juni 2025 wird er in einer seiner Paraderollen – als Romeo in John Neumeiers »Romeo und Julia« – ein letztes Mal mit dem Hamburg Ballett auf der Bühne stehen.

    Jacopo Bellussi und Ana Torrequebrada als »Romeo und Julia«

    1993 in Genua geboren, wurde Bellussi an der Accademia Teatro alla Scala in Mailand und an der Royal Ballet School in London ausgebildet. Nach einem Engagement beim Bayerischen Staatsballett II wechselte er 2012 zum Hamburg Ballett, wo er 2017 zum Solisten und 2019 zum Ersten Solisten avancierte.

    Jacopo Bellussi und Ida Praetorius in John Neumeiers »Die Kameliendame«

    Für das Ballett »Tatjana« schuf John Neumeier für Jacopo Bellussi eigens eine Figur, die wiederum an eine Romanfigur angelehnt ist, wie sie in den von Tatjana gelesenen Romanen vorkommt. Darüber hinaus kreierte Neumeier für ihn den Freund des Soldaten (Annunzio Cervi) in »Duse« und Ein Geistlicher in »Dona Nobis Pacem«, sowie Soli in »Ghost Light«, »Beethoven-Projekt I und II«, »Peter und Igor« und »Epilog«.

    Jacopo Bellussi und Aleix Martínez in »Beethoven-Projekt II«

    Sein umfangreiches Repertoire umfasst Hauptrollen in Balletten von John Neumeier, darunter Romeo und Graf Paris in »Romeo und Julia«, Armand Duval, Gaston Rieux und Des Grieux in »Die Kameliendame«, Graf Alexej Wronski in »Anna Karenina«, Ihr Mann in »Weihnachtsoratorium I-VI« und Prinz Désiré in »Dornröschen« (Neufassung 2021) sowie Lysander in »Ein Sommernachtstraum«. Darüber hinaus tanzte er führende Solorollen in Werken von wegweisenden Choreograf*innen wie George Balanchines »Brahms-Schoenberg Quartet« , Hans van Manens »Variations for Two Couples«, Jerome Robbins‘ »Dances at a Gathering« und Pina Bauschs »Adagio«.

    Jacopo Bellussi und Xue Lin in »Anna Karenina«

    Neben seinem Wirken am Hamburg Ballett zeichnete er sich durch zahlreiche internationale Gastauftritte und ein starkes gesellschaftliches Engagement aus. In seiner Heimatstadt Genua organisierte er mehrfach Wohltätigkeitsgalas deren Erlöse lokalen sozialen Projekten zugutekamen. 2024 wurde er für seinen kulturellen und gesellschaftlichen Beitrag zur Stadt mit dem Titel »Botschafter Genuas in der Welt« ausgezeichnet.

    Jacopo Bellussi und Alessandro Frola in »Peter und Igor«

    Für seine künstlerischen Leistungen wurde er vielfach ausgezeichnet – mit dem Premio Danza&Danza 2016 als bester italienischer Tänzer im Ausland, dem Konstanze-Vernon-Preis 2019, dem Premio Nazionale Sfera d’Oro per la Danza 2021, dem Premio Positano Léonide Massine 2022 und zuletzt mit dem Premio Internazionale per la Danza Città di Foligno 2024.

    Jacopo Bellussi und Edvin Revazov in John Neumeiers »Dritte Sinfonie von Gustav Mahler«

    Im Sommer 2025 kuratiert er das Nervi International Ballet Festival als Künstlerischer Leiter und wird Tanz und Kultur an der italienischen Riviera mit derselben Leidenschaft, künstlerischen Integrität und Hingabe gestalten, die ihn auf der Bühne stets ausgezeichnet haben. Seine aktive Tänzerkarriere setzt Jacopo Bellussi unter anderem als Gast-Principal beim Ballet de l’Opéra national du Capitole in Toulouse fort, wo er seit September 2024 unter Vertrag ist.

    Ein herzliches Toi, Toi, Toi, lieber Jacopo, für Deine kommenden künstlerischen Pfade!

  • Jahresrückblick 2024: Ein Tanz zwischen Abschied und Neuanfang

    Jahresrückblick 2024: Ein Tanz zwischen Abschied und Neuanfang

    Das Jahr neigt sich dem Ende zu ‒ Zeit, innenzuhalten und das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen; Zeit, uns an seine großen Momente zu erinnern. Für das Hamburg Ballett war das Jahr 2024 ein besonders bewegendes, ereignisreiches und emotionsgeladenes, denn es markierte das Ende der 51-jährigen Ära von John Neumeier als Intendant und Chefchoreograf des Hamburg Ballett und den Beginn einer neuen Zeit mit Demis Volpi an der Spitze der 63-köpfigen Compagnie und der angeschlossenen Ballettschule des Hamburg Ballett.

    Januar 2024

    Der Beginn des Jahres wurde mit einer repräsentativen Auswahl an Balletten aus John Neumeiers über 170 Werke umfassenden Oeuvre eingeläutet: Neben dem Allzeitklassiker »Der Nussknacker« standen Signaturstücke wie »Die Kameliendame« und »Illusionen – wie Schwanensee« sowie neuere Werke wie das intime, während der Pandemie entstandene und mit dem Opus Klassik ausgezeichnete Ballett »Ghost Light« auf dem Programm.

    »Die Kameliendame« Foto: Kiran West
    »Ghost Light« Foto: Kiran West

    Ende des Monats hatte die Ballettschule des Hamburg Ballett allen Grund zu feiern: Der Amerikaner Quinn Bates, Schüler der Abschlussklasse XIII, wurde am 31. Januar für seine Choreografie »Groovin« als einer der beiden Gewinner*innen des Young Creation Award des internationalen Ballettwettbewerbs Prix de Lausanne 2024 gekürt. Es war das dritte Mal in den vier Jahren des Bestehens des choreografischen Wettbewerbs, dass ein Mitglied der Ballettschule des Hamburg Ballett den renommierten Preis erhielt!

    Miguel Artur Alves Oliveira in Quinn Bates Gewinner-Choreografie »Groovin« Foto: Silvano Ballone

    Februar 2024

    Anlässlich seines 85. Geburtstags am 24. Februar brachte John Neumeier sein fast 30 Jahre altes, vom Homerischen Epos inspiriertes Werk »Odyssee« auf die Bühne der Hamburgischen Staatsoper zurück – als letzte Wiederaufnahme seiner Amtszeit. Das Ballett zur 10-jährigen Irrfahrt des mythischen Helden wurde 1995 auf Einladung des Athener Opern- und Konzerthauses Megaron zur Auftragsmusik des griechischen Komponisten George Couroupos und der Ausstattung von Yannis Kokkos kreiert.

    »Odyssee« von John Neumeier

    Am nächsten Tag wurde der Zuschauersaal der Staatsoper in ein Kino verwandelt: Das Publikum konnte bei freiem Eintritt die ARTE-Dokumentation »John Neumeier – ein Leben für den Tanz« als exklusive Preview erleben. In der einfühlsamen Dokumentation blickt John Neumeier auf über 60 Jahre in der Welt des Tanzes zurück, erst als Balletttänzer, dann als Choreograf und später als Intendant des Hamburg Ballett und international agierender Tanzschaffender. Das zeitlose Filmporträt wurde beim 61. Golden Prague Festival mit dem Czech Television Prize ausgezeichnet.

    John Neumeier bei der Neueinstudierung von »Vaslaw« in Paris Foto: Thomas Frischhut

    März und April 2024

    Der Frühling stand im Zeichen jugendlicher Kreativität: Anfang März hob sich im Ernst Deutsch Theater der Vorhang für die »Werkstatt der Kreativität XIV« der Absolvent*innen der Ballettschule des Hamburg Ballett, die 33 umfassend gestaltete Tanzkompositionen vorstellten. Im April präsentierten 17 »Junge Choreograf*innen« des Hamburg Ballett ihre Kreationen im LichtWark in Bergedorf.

    »Werkstatt der Kreativität XIV« Foto: Silvano Ballone
    »Junge Choreografen« 2024 Foto: Kiran West

    Am 13. April wurde die Solistin Ana Torrequebrada von der Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Staatsoper im Rahmen des Operndinners mit dem Dr. Wilhelm Oberdörffer-Preis für ihre außergewöhnlichen tänzerischen und darstellerischen Leistungen geehrt.

    Ana Torrequebrada in John Neumeiers Ballett »Epilog« Foto: Kiran West

    Mai 2024

    Der Mai war ein Monat glänzender Gastauftritte: Die Starsolistinnen Olga Smirnova und Alina Cojocaru gastierten jeweils in der Titelrolle von »Anna Karenina« und in der Hauptrolle von Laura Rose Wingfield in »Die Glasmenagerie«.

    Olga Smirnova in »Anna Karenina« Foto: Kiran West
    Alina Cojocaru in »Die Glasmenagerie« Foto: Kiran West

    Hamburg Ballett selbst wiederum war in der Tivoli Concert Hall in Kopenhagen zu Gast mit dem Galaprogramm »The World of John Neumeier«.

    »The World of John Neumeier« in Kopenhagen. Foto: Kiran West
    Finale von »The World of John Neumeier« in Kopenhagen. Foto: Kiran West

    Juni und Juli 2024

    Die beiden letzten Monate der Saison 2023/24 waren geprägt von John Neumeiers Abschied nach 51 Jahren als Chefchoreograf und Ballettintendant des Hamburg Ballett.

    Am 9. Juni erhielt John Neumeier den Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste im Konzerthaus Berlin. Nach Pina Bausch ist er der zweite Vertreter der Tanzkunst in der traditionsreichen Geschichte des Ordens. Im Rahmen der Verleihung interpretieren Ida Praetorius und Alexandr Trusch John Neumeiers Beethoven-Pas de deux »Persistent Persuasion« und das Bundesjugendballett »Opus 67« von Raymond Hilbert. Neben zahlreichen prominenten Gästen nahm auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als »Protektor« des Ordens am Festakt teil.

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) und der Kanzler des Ordens Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hermann Parzinger (links) zusammen mit den aufgenommenen Mitgliedern Prof. Dr. h. c. John Neumeier und Prof. Dr. h. c. Heinrich Detering
    Foto: Andreas Amann
    »Persistent Persuasion« Foto: Kiran West

    Am 30. Juni wurden die 49. Hamburger Ballett-Tage mit der Uraufführung von John Neumeiers Ballett »Epilog« eingeläutet ‒ ein intimes, kammermusikalisch angelegtes Werk für das Ensemble, das er jahrzehntelang geprägt und zu Weltruhm geführt hat, und ein bewegender Abschluss seiner Schaffenszeit in Hamburg.

    »Epilog« von John Neumeier

    Zu Ehren des Endes von John Neumeiers Ballettintendanz luden der Erste Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher und der Senator für Kultur und Medien Dr. Carsten Brosda am 4. Juli zu einem Senatsfrühstück ein.

    Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher, John Neumeier und Senator für Kultur und Medien Dr. Carsten Brosda Foto: Kiran West

    Der letzte Vorhang nach der glanzvollen Nijinsky-Gala XLIX am 14. Juli markierte auch das große Finale von John Neumeiers 51-jähriger Ära als Chefchoreograf und Ballettintendant des Hamburg Ballett. Es war der Höhepunkt und Abschluss seiner letzten Spielzeit und der 49. Hamburger Ballett-Tage mit zwei Wochen unvergesslicher Momente: 11 Vorstellungen des Hamburg Ballett, zwei Gastaufführungen des Birmingham Royal Ballet, »Die Unsichtbaren« des Bundesjugendballett im Ernst Deutsch Theater und ein Gesprächsabend mit Bischöfin Kirsten Fehrs und John Neumeier im Hamburger Michel.

    John Neumeier inmitten seiner Tänzer*innen nach der Nijinsky-Gala XLIX Foto: Kiran West

    Nach dem bewegenden Saisonabschluss in Hamburg fand das letzte Gastspiel unter der Intendanz von John Neumeier statt. Auf über 1000 Gastspiele kann das Hamburg Ballett in den fünf Jahrzehnten zurückblicken! Am 19. und 20. Juli tanzte die Compagnie im Open-Air-Theater in Nervi, nahe der italienischen Stadt Genua, John Neumeiers Erfolgsballett »Ein Sommernachtstraum«.

    »Ein Sommernachtstraum« in Nervi Foto: Kiran West
    Beim Schlussapplaus Foto: Kiran West

    August 2024

    Am 1. August 2024 trat der deutsch-argentinische Choreograf Demis Volpi die Nachfolge John Neumeiers als Intendant des Hamburg Ballett und Direktor der Ballettschule des Hamburg Ballett an. Demis Volpi war von 2020 bis 2024 Ballettdirektor und Chefchoreograf des Ballett am Rhein und begeisterte das dortige Publikum durch ein abwechslungsreiches Repertoire aus Handlungsballetten und mehrteiligen Abenden sowie zahlreichen Neukreationen. Als neuer Intendant wird er dem Publikum und der Compagnie neue künstlerische Impulse anbieten, Choreograf*innen mit anderen Tanzperspektiven präsentieren und zugleich die Tradition und beeindruckende Bandbreite von John Neumeiers Werk gegenwärtig halten. Zudem wird die Kunstform des Tanzes durch die Etablierung neuer Vermittlungsformate über die Bühne hinaus für alle Menschen erreichbar und erlebbar gemacht.

    Am 26. August war der erste Arbeitstag der Spielzeit 2024/25 für das Hamburg Ballett. Der neue Intendant Demis Volpi begrüßte die Tänzer*innen und Mitarbeiter*innen im Ballettsaal Petipa im Ballettzentrum.

    26. August 2024: Erster Tag der Spielzeit 2024/25 Foto: Kiran West

    September 2024

    Der September war der Monat der großen Anfänge: Am Auftaktwochenende des 14. und 15. Septembers stellte sich Demis Volpi gleich zweimal dem Hamburger Publikum vor: Im Rahmen der 20. Hamburger Theaternacht waren Solist*innen des Hamburg Ballett auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper mit Demis Volpis Stücken »Winter«, »Surrogate Cities« und »Allure« zu sehen. Die Ballettschule des Hamburg Ballett öffnete die Türen des Ballettzentrums und empfing die zahlreichen Gäste mit einem kontrast- und umfangreichen Programm. Ein Highlight der diesjährigen Theaternacht war die Premiere der neuen interaktiven Vermittlungsprogramme »Tanz für Mich« und »Inside Out«, die zum Mittanzen animierten und für große Begeisterung beim Publikum sorgten.

    Anna Laudere und Edvin Revazov in Demis Volpis »Winter« Foto: Kiran West
    »Tanz für Mich« Foto: Melanie Dreysse

    Am 15. September fand die erste Ballett-Werkstatt der neuen Saison und neuen Intendanz statt. Demis Volpi begrüßte das Publikum und gab gemeinsam mit den Mitwirkenden spannende Einblicke in den Arbeitsprozess zur Premiere »The Times Are Racing«. Mit den insgesamt vier Ballett-Werkstätten, die im Laufe der Spielzeit stattfinden, knüpft Demis Volpi an die beliebte Tradition der Ballett-Werkstätten an, die 1973 von John Neumeier ins Leben gerufen wurden.

    Demis Volpi bei der Ballett-Werkstatt I Foto: Kiran West

    Am 28. September eröffnete Demis Volpi seine erste Spielzeit in der Hamburgischen Staatsoper mit der umjubelten Premiere von »The Times Are Racing«. Der vierteilige Ballettabend, bestehend aus Pina Bauschs »Adagio«, Hans van Manens »Variations for Two Couples«, Demis‘ Volpis »The thing with feathers« und Justin Pecks »The Times Are Racing«, nahm das Publikum mit auf einen Streifzug durch 50 Jahre Ballettgeschichte. Die Premierenserie wurde enthusiastisch aufgenommen und stimmte auf eine erfolgreiche erste Saison des neuen Intendanten ein.

    »The thing with feathers« von Demis Volpi

    Oktober 2024

    Vom 3. bis zum 13. Oktober fand das erste Gastspiel der Saison unter der neuen Intendanz von Demis Volpi im Rahmen des Festivals „The World of John Neumeier“ in Baden-Baden statt. Das Programm umfasste Aufführungen von John Neumeiers Balletten »Endstation Sehnsucht« und »Die Glasmenagerie«, die Vorstellung der Ballettschule »Absprung IV« sowie die Uraufführung »The Hills We Climb« des Ersten Solisten Edvin Revazov mit dem Bundesjugendballett und dem Hamburger Kammerballett. Diese Produktion entstand im Rahmen der Förderung durch den von der Hapag-Lloyd Stiftung finanzierten John-Neumeier-Preis für Choreografie, der 2023 an Edvin Revazov verliehen wurde.

    »Endstation Sehnsucht« Foto: Kiran West
    »The Hills We Climb« Foto: Kiran West

    November 2024

    Am 10. November fand die zweite Ballett-Werkstatt der Saison unter der Intendanz von Demis Volpi als Benefizveranstaltung zugunsten der Organisation Hamburg Leuchtfeuer statt. Die zweistündige Werkschau widmete sich thematisch der Premiere des zweiteiligen Ballettabends »Slow Burn«.

    Demis Volpi mit der Solistin Futaba Ishizaki bei der Ballett-Werkstatt II Foto: Kiran West

    Dezember 2024

    Am 8. Dezember feierte das Hamburg Ballett die zweite Premiere der Spielzeit. Mit dem zweiteiligen Ballettabend »Slow Burn«, bestehend aus der titelgebenden Uraufführung »Slow Burn« von Aszure Barton und der Deutschlandpremiere von William Forsythes »Blake Works V (The Barre Project)«, präsentierte das Hamburg Ballett zwei sehr unterschiedliche, aber gleichermaßen tiefgehende Auseinandersetzungen mit der emotionalen Ausdruckskraft des Tanzes.

    »Slow Burn« von Aszure Barton

    Der Premierenapplaus war noch nicht verhallt, da fand bereits einen Tag später zum ersten Mal auf der großen Bühne der Staatsoper die traditionelle Weihnachtsfeier der Ballettschule des Hamburg Ballett statt. Die gesamte Ballettschule – von den Jüngsten der Vorschule über die Ausbildungsklassen bis zu den Absolvent*innen der Theaterklassen – stimmten mit einem bunten Tanzkaleidoskop auf die Festtage ein.

    Szene aus der Weihnachtsfeier der Ballettschule des Hamburg Ballett Foto: Kiran West

    Für das Hamburg Ballett geht ein besonders aufregendes, ein einschneidendes Jahr zu Ende ‒ ein Jahr, das uns große Veränderungen und außerordentlich mitreißende Momente beschert hat. Nun blicken wir mit Spannung und voller Vorfreude auf ein ebenso erfüllendes und spektakuläres neues Jahr 2025!

  • »Wir sind da, um den Tanz zu unterstützen – und im Zusammenspiel die Kunstformen zu verbinden.«

    »Wir sind da, um den Tanz zu unterstützen – und im Zusammenspiel die Kunstformen zu verbinden.«

    In diesem Jahr ist das Bundejugendballett zum ersten Mal Teil der jährlichen Herbstresidenz des Hamburg Ballett in Baden-Baden. Auf der Akademiebühne feiert die junge Compagnie die Premiere des neuen Stücks »John’s-BJB-Bach«, das Ausschnitte aus John Neumeiers Balletten »Matthäus-Passion«, »Magnificat«, »Bach Suite 2« und »Bach Suite 3« enthält. Wir haben mit Marshall McDaniel, dem Musikalischen Leiter des Bundesjugendballett, über seine Arbeit und die musikalische Seite des Bundesjugendballett gesprochen.

    Die Musik von Johann Sebastian Bach sind zumeist große orchestrale Werke für große Besetzungen und Chöre. Deshalb hast du für die Premiere von »John’s-BJB-Bach« in Baden-Baden die Musikstücke für die Bedürfnisse des Bundesjugendballett »arrangiert«. Vielleicht erklärst du einmal, was genau das bedeutet und wie du dabei vorgehst?

    Marshall McDaniel: Arrangieren bedeutet die Musik umzuschreiben für die Instrumente, die wir für die Inszenierung des jeweiligen Stücks brauchen. Beim Bundesjugendballett bedeutet das meistens ein Streichquartett plus Klavier plus Flöte und Klarinette. Für die Inszenierung von »John’s-BJB-Bach« musste ich deshalb die Stimme der Klarinette hinzuerfinden. Denn zu Lebzeiten von Johann Sebastian Bach gab es ja noch keine Klarinetten. Da musste ich dieses Instrument irgendwie reinschieben. Ansonsten muss man aber auch sagen, dass manche Stücke funktionieren, ohne etwas zu arrangieren. Im Grunde genommen ist Bachs Musik sehr universell. Es ist möglich, seine Musik ganz unterschiedlich zu spielen: ob mit Synthesizer oder nur mit zwei Musikern – es klingt immer noch nach Bach. Von daher ist es nicht so schlimm, wenn man seine Musik reduziert oder expandiert.

    Marshall McDaniel studierte Cello und Englische Literatur an der California State University © Silvano Ballone

    Worauf muss man insbesondere achten, wenn man Musik für Tanz arrangiert?

    Ja, das ist eine gute Frage. Also meistens geht es vor allem darum, die Musiker für den Tanz zu sensibilisieren. Die Meisten wollen immer direkt loslegen und losspielen und verstehen anfangs nicht die Symbiose aus Musik und Tanz und was das wirklich bedeutet. Denn wenn wir proben und der Tanz dazukommt, dann ist das wie eine neue Stimme in der Partitur beziehungsweise meistens sogar mehrere zusätzliche Stimmen. Am Anfang fällt es den Musikern oft schwer, diese andere Stimme zu lesen. Die steht ja auch nirgends aufgeschrieben und ist einfach dazugekommen. Von daher muss man wirklich aufpassen, dass man nicht zu schnell oder zu langsam spielt. Die Bewegungen der Tänzer hängen ja davon ab, was und wie wir spielen. Wenn wir nicht »tanzgerecht« spielen, gehen die Bewegungen manchmal nicht mehr oder sind nicht so wie gedacht. Wir sind letztendlich da, um den Tanz zu unterstützen – und im Zusammenspiel die Kunstformen zu verbinden.

    Musik und Tanz sind beim Bundesjugendballett gleichberechtigte Künste. Oft sind die Musiker*innen Teil der Inszenierung © Kiran West

    Ist das denn eine Herausforderung für die Musiker*innen, sich in meist kurz bemessener Probenzeit auf den Tanz einzulassen?

    Also die Arbeit beim und mit dem Bundesjugendballett ist sowieso ganz anders, als es viele gewohnt sind (lacht). Nicht nur, dass die Musiker bei uns oft selber ein aktiver Teil auf der Bühne sind und zum Beispiel über die Bühne laufen, während sie spielen, auch die Proben sind ganz anders. Denn selbst wenn ich es schaffe vor den Proben fertige Partituren zu schreiben, wird dann meistens eh alles komplett anders oder geändert, wenn wir erstmal in den Proben sind. Kevin Haigen hat eine tolle Empfindung für Musik und gibt häufig Impulse, was passt und was nicht passt. Deshalb muss ich auch oft Dinge mündlich erklären oder selber kurz vorspielen. Andere Musiker würden sich wahrscheinlich erschrecken, wenn sie mit uns proben würden. Aber wir suchen gezielt Musiker, die Lust auf diese freie Arbeitsweise haben und da gerne mitmachen: Gerne improvisieren und sich ausprobieren. Und zum Glück finden wir auch immer tolle Musiker, die das schnell verstehen!

    Würdest du das als eine besondere Stärke des Bundesjugendballett bezeichnen, dass es auch in Bezug auf die Musik so kreativ arbeitet und so viel mit den verschiedenen Kunstformen experimentiert?

    Auf jeden Fall! Das ist wirklich etwas ganz Besonderes. Mir hat das beim Musikstudium auch sehr gefehlt: Diese Art der Improvisation, des Miteinanders und etwas zu spielen, was nicht in den Noten steht. Meiner Meinung nach sollte man sowieso immer so spielen, als würde man die Musik gerade im Moment neu erfinden. Auch wenn man die Noten vor sich hat. Das stärkt das kreative, improvisierte Spiel. Und das ist eben ein großer Vorteil beim Bundesjugendballett.

    Improvisation und Flexibilität werden beim Bundejugendballett großgeschrieben. Die Noten werden häufig auch handschriftlich ergänzt. © Silvano Ballone

    Würdest du sagen, dass du bzw. auch das Bundesjugendballett besonderen Wert darauf legt mit Nachwuchs-Musiker*innen zusammenzuarbeiten? Liegt das an dieser Spiel- und Experimentierfreude?

    Ich glaube, dass das in dieser Art nur mit jungen Leuten geht (lacht). Nein, wahrscheinlich geht es auch mit anderen Musikern. Aber viele erfahrenere Musiker, die schon länger in dem Beruf arbeiten, haben ihre eigene Routine und sind darin vielleicht ein bisschen festgefahren. Die wollen dann gerne alles vorbereitet haben und sind schnell genervt, wenn in den Proben nicht alles vorgeplant ist. Aber bei Tanz und Theater, zumindest so wie wir es machen, geht das leider nicht immer. Ich persönlich finde das auch besser so. Dass man bei jeder Show etwas Neues kreiert und weiterentwickelt. Selbst noch nach unseren Auftritten verändern wir, also Kevin Haigen oder ich, einzelne Stellen. Mal ein anderer Akkord, mal wird eine Stelle etwas länger oder kürzer. Ich glaube, dass das wirklich nur mit jungen, kreativen und flexiblen Leuten geht.

    Als Musikalischer Leiter des Bundesjugendballett arrangierst du nicht nur die Stücke und bist für die Einstudierung der Musik und die Leitung der Musiker*innen zuständig, du spielst außerdem selber auf der Bühne Cello. Ist das eine zusätzliche Doppelbelastung oder gefällt es dir, selbst Teil der Inszenierung zu sein?

    Also allen voran liebe ich es, Musik zu machen. Deshalb macht es mir auch wahnsinnig Spaß selber mitzuspielen. Aber natürlich hat die Medaille auch immer zwei Seiten. Denn wenn ich selber mitspiele, fehlt mir manchmal auch der Blick von außen beziehungsweise die Ohren. Ich muss mich ja dann selber auf meine Finger und meine Stimme konzentrieren und kann schwieriger beurteilen, ob alles klappt oder zusammenpasst. Aber trotzdem gefällt es mir besser mitzumusizieren.

    Friederike Adolph

  • Abschied von Ulrike Schmidt

    Abschied von Ulrike Schmidt

    Nach 30 Jahren verabschieden wir uns von einer ganz besonderen Person: unserer langjährigen Ballettbetriebsdirektorin Ulrike Schmidt. Dreißig Jahre lang leitete sie die Planungen und Geschäfte des Hamburg Ballett und hielt hinter der Bühne die Fäden zusammen. Sie überzeugte mit ihrer einzigartigen Mischung aus Menschlichkeit gepaart mit ihrem scharfen Blick fürs Praktische. Sie hat mit ihrer Art das Hamburg Ballett geprägt und geformt. Im Interview spricht sie über ihren ersten Arbeitstag, besondere Herausforderungen und ihre schönsten Erinnerungen.

    Frau Schmidt, erinnern Sie sich an Ihren ersten Arbeitstag beim Hamburg Ballett?

    Ulrike Schmidt: Jein. Mein erster Arbeitstag war der 15. September 1991. Der Übergang zwischen meiner vorherigen Tätigkeit bei den Salzburger Festspielen und meiner neuen in Hamburg gestaltete sich nahtlos. Ende August wurde ich in Salzburg verabschiedet, mir blieben also knapp zwei Wochen für den Umzug nach Hamburg. Eine Wohnung hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, also lagerten meine Sachen in Salzburg. Ich bin mit dem Auto nach Hamburg, mit einem kurzen Zwischenstopp am Fuschlsee für eine Abschiedsparty. Ich erinnere mich auch, dass ich noch in Mailand eine von Sir Georg Solti geleitete Aufführung erleben konnte. Schön war, dass ich meine Mitarbeiterin aus den Salzburger Festspielen mit nach Hamburg genommen habe, Cornelia Berger. Wir kamen als Team hierher.

    Anna Grabka und Jean-Jacques Defago in »Requiem« © Holger Badekow

    Mich hat sehr erstaunt, dass alle Besucher, die ich in Hamburg getroffen habe, so viel mehr wussten als ich! Und das, obwohl ich mit dem Hamburg Ballett bereits mehrmals zusammengearbeitet hatte: 1991 gab es zum Beispiel ein gemeinsames Projekt in Salzburg, die Uraufführung von John Neumeiers »Requiem« in der Felsenreitschule. John und das Hamburg Ballett waren da, dazu der Chor aus Dresden, wo mein Vorgänger beim Hamburg Ballett hingegangen ist und ich – dieses Projekt war eine Zusammenführung von allen und hat die Veränderung schon eingeläutet.

    Fangen wir noch einmal, für unsere Leser, ganz einfach an. Was macht eine Betriebsdirektorin genau?

    Wenn das so einfach zu beantworten wäre! Ich habe sehr oft Situationen erlebt, wo ich gedacht habe, dass glaubt kein Mensch, dass ich das jetzt mache! Letzte Woche zum Beispiel: Wir bekommen für jede Nijinsky-Gala tolle Blumensträuße von Home flowers, gestiftet von Uta Herz, die wir den Tänzerinnen und Tänzern nach der Gala auf der Bühne überreichen. Bei der Gala-Vorstellung letzten Sonntag haben die beteiligten Musikerinnen und Musiker spontan entschieden, dass sie zum Schlussapplaus doch mit auf die Bühne kommen möchten. Aber dafür haben wir nicht genügend Blumensträuße gehabt! Die Kolleginnen und Kollegen der Requisite haben die Sträuße, die wirklich sehr groß waren, halbiert, sodass es dann am Ende ausging. Aber irgendwie gab es dann Schwierigkeiten mit der Zählung, sodass Nicolas Hartmann, mein Nachfolger, Konstantin Tselikov, Ballettmeister der Ballettschule, und ich spontan mit anpacken mussten. Wir haben sicher eine halbe Stunde gezählt und arrangiert!

    Backstage im Anschluss an die Nijinsky-Gala 2021: Alle Beteiligten haben einen Blumenstrauß überreicht bekommen © Kiran West  

    Was eine Betriebsdirektorin macht? 100% meiner Arbeit hat mit Kreativität zu tun, da letztendlich alle meine Gedanken und Ansätze durch die Kreativität geprägt sind. Ich bin ganz nah dran an den Ideen und Gedanken von John Neumeier, die ich dann versuche umzusetzen in der Planung, ins Personal, in das Budget. Man hat ja alles zu verantworten!

    Ich habe Sie immer als jemanden erlebt, der dabei ganz nah an den Menschen ist, der zum Beispiel auf Ballettreisen den direkten Austausch sucht und zwischen den Welten vermittelt.

    Mein ganzes Leben galt mein Interesse den Menschen! Gleichzeitig war mein Anspruch an mir selbst immer sehr groß, ich wollte etwas schaffen, etwas vorantreiben. 

    Welches ist Ihre schönste Erinnerung mit dem Hamburg Ballett?

    Ich habe so viele Erinnerungen aus den letzten 30 Jahren! Es gab viele emotionale Momente, zum Beispiel die Kreation von »Nijinsky«, die John Neumeier als eine große Aufgabe empfunden hat. Sein Wissen um diese zentrale Figur – er hat eine der größten privaten Sammlungen um Nijinsky und konnte gerade erst persönliche Dinge aus Nijinskys Nachlass erwerben – dieses Wissen ist auch eine Bürde. Wird man dem gerecht? Wie geht man das überhaupt an? John hat sein »Nijinsky«-Ballett quasi in einem Rutsch kreiert. Wenn er das Gefühl hat, dass er auf dem richtigen Weg ist, dann spricht er das nicht einfach aus, nein, er lächelt dann leise. Als ich dieses Lächeln während der Kreation von »Nijinsky« bei ihm gesehen habe, da wusste ich, dieses Ballett wird fertig werden! Mit »Nijinsky« sind wir sehr viel gereist, wir haben Johns Ballett in die Welt gebracht – mit riesigem Erfolg.

    Ein Blick auf »Nijinsky« von der Seitenbühne des Festspielhaus Baden-Baden © Kiran West  

    Wenn man sich das Ballett von der Seitenbühne aus anschaut und quasi hautnah miterlebt, wie die Tänzerinnen und Tänzer den Geist der Ballets Russes auf die Bühne bringen, dann hat man selbst das Gefühl, die Compagnie der Ballets Russes sei wiederauferstanden und wir seien die Nachfolge-Compagnie.

    Mit der »Nijinsky«-Kreation verbinde ich wunderbare tiefe Empfindungsmomente, wie überhaupt wenn ein Ballett neu geschaffen wird. Tolle Erinnerungen habe ich auch an unsere Tourneen, an unsere Kooperation mit dem Festspielhaus Baden-Baden. Auf Tourneen ist man mit den Menschen eng zusammen, man erlebt das Ensemble, aber auch die Kolleginnen und Kollegen ganz anders als hier im Ballettzentrum, wo alle in Büroarbeit vertieft sind. Die Menschen auf und hinter der Bühne waren mir immer wichtig, deswegen habe ich auch die Führungen im Ballettzentrum so gerne gemacht: Ich gehe mit den Teilnehmenden dann in den Ballettsaal, denn nur dort kriegt man direkt mit, was einem beglückt, wofür man arbeitet. Ich bin ein Team-Mensch und kann mich glücklich schätzen, ein so wunderbares Team um mich herum gehabt zu haben. 14 Jahre lang habe ich mit meinem Assistenten Nicolas Hartmann zusammengearbeitet, der nun mein Nachfolger wird, und mit meiner Assistentin Birgit Paulsen; mein Dank gilt ihnen und allen anderen Kolleginnen und Kollegen.

    Was war Ihre größte Herausforderung?

    Mit einer der größten Herausforderungen war die Bewältigung und das Verstehen der Corona-Pandemie. Ich habe zwei Wochen gebraucht, um zu verstehen, was sie ist, und dann noch einmal zwei Wochen, um mich selbst zu fassen und für die Anderen da sein zu können. Ich bin schon immer ein positiv gestimmter Mensch gewesen, und habe an allem Freude. Diese Freude war erst einmal weg, ich habe nur grau gesehen und konnte am Anfang nur ganz schlecht mit der Pandemie umgehen. Meine Positivität musste ich wiederfinden, und das habe ich, und dann habe ich sie nicht wieder verloren.

    John hat sehr darum gekämpft, dass die Compagnie wieder zurück ins Ballettzentrum durfte. Ich erinnere mich an ein Meeting der Administration im Garten des Ballettzentrums, das muss im April 2020 gewesen sein, wo die Tänzer noch von zuhause aus trainieren mussten. John sah uns im Garten und war ganz beglückt darüber, Leben im Ballettzentrum zu sehen. Und dann hat er sich persönlich eingesetzt und dank eines gut ausgearbeiteten Hygienekonzepts hat er es geschafft, dass die Tänzer wieder im Ballettsaal trainieren und proben durften. Für mich war nicht nur extrem herausfordernd persönlich mit der Krise umzugehen, sondern auch mit der Verantwortung für die Menschen im Ballettzentrum. Ich bin dankbar und unglaublich froh, dass wir hier keine schweren Corona-Fälle hatten, und dass in so einem großen Betrieb mit eigener Ballettschule und Internat! So viele Menschen arbeiten hier. Andere Compagnien hatten es da schwerer…

    Und ganz privat: Wie haben Sie die Corona-Pandemie erlebt? Gibt es auch positive Dinge, die Sie aus dieser Zeit ziehen?

    Für mich war diese Zeit eine gute Vorbereitung auf meinen Abschied, weil ich noch nie so viel zuhause war. Ich habe erlebt, wie Vögel in meinem Garten brüten und die Jungen gefüttert. Das habe ich nie so wirklich wahrnehmen können, da ich beruflich viel unterwegs war. Ich hatte Zeit, um nachzudenken, Bücher zu lesen, Musik zu hören, Theaterstreams anzusehen. Zeit für sich selbst zu haben, das ist in meinem Beruf nicht möglich – es hat mir nicht gefehlt, ich liebe meinen Beruf, aber ich habe es trotzdem genossen. Und ich konnte in dieser Zeit mit vielen Menschen sprechen, und dann ging es eben nicht nur um Nebensächlichkeiten, sondern immer um Tiefe und Inhalt, das fand ich toll!

    Wenn ich jungen Menschen vermitteln könnte, was ich in der Pandemie gelernt habe, dann das: Man muss und sollte Dinge tun, wenn man die Chance dazu hat und nicht verschieben. Das habe ich in meinem Leben immer getan, beruflich und privat. Ich habe dadurch kostbare Erfahrungen sammeln dürfen, zum Beispiel durch das viele Reisen. Diese Erfahrungen und Erlebnisse haben mich durch die Pandemie getragen.

    Gibt es das Lieblingsballett?

    Ich war sehr froh, als ich bei der diesjährigen Nijinsky-Gala ein Pas de deux aus »Othello« noch einmal sehen durfte, weil es eines meiner Lieblingsballette von John ist. »Nijinsky« ist für mich ein Meisterwerk. Auch Klassiker wie »Die Kameliendame« sind wunderschön. In all den 30 Jahren beim Hamburg Ballett und auch schon davor, durfte ich so viele unterschiedliche Besetzungen erleben, die die Ballette immer wieder haben neu aufleben lassen.

    Foto: Astrid Elbo und Ryan Tomash (Königliches Ballett Dänemark) tanzen ein Pas de deux aus »Othello« in der Nijinsky-Gala 2021 © Kiran West  

    Das Tolle bei John ist, dass er auch ganz jungen Tänzern die Chance gibt, führende Rollen zu übernehmen. Ich denke da zum Beispiel an Alessandro Frola, der gerade von der Ballettschule in die Compagnie übernommen wurde und dann als jüngster Lysander überhaupt im Sommernachtstraum tanzen durfte. So etwas vergisst man nicht, vor allem nicht als Tänzer!

    Das Traurige ist, dass man sich nach jeder Saison auch von einzelnen Tänzern verabschieden muss. Abschied nehmen ist immer hart, weil man viele liebgewonnen hat und ich beobachte die Tänzerinnen und Tänzer im Laufe der vielen Vorstellungen, die ich miterlebe. Ich kenne die wahrscheinlich alle viel besser als die mich kennen!

    Verabschieden müssen wir uns nach 30 Jahren auch von Ihnen. Wie fühlen Sie sich?

    Ich bin froh, dass wieder Leben auf die Bühne zurückkehren und ich gemeinsam mit der Compagnie die Hamburger Ballett-Tage miterleben konnte! Ich bin beruhigt, denn ich glaube, dass wir nach den Theaterferien so weitermachen können. Sicherlich wird es noch Einschränkungen im Herbst geben, aber es wird etwas stattfinden, mit Publikum.

    Ich wurde auf eine so tolle und persönliche Art und Weise verabschiedet. Das Bundesjugendballett hat eine Vorstellung nur für mich, meine Freunde und Familie gegeben. Dafür bin ich Kevin Haigen sehr dankbar. Kevin war für mich ein besonderer Wegbegleiter, ich habe schon immer die Fähigkeit an ihn geschätzt, den Menschen zu sehen. Er hat mir damit ein großes Geschenk gemacht, das ich nie vergessen werde!  

    Backstage nach der Nijinsky-Gala 2021: Wir verabschieden uns nach 30 wunderbaren Jahren von unserer Betriebsdirektorin Ulrike Schmidt © Kiran West  

    Und auch die kleinen Gesten waren besonders und rührend. So haben sich zum Beispiel viele ehemalige Tänzer bei mir gemeldet und sich für Dinge bedankt, die ich teilweise gar nicht mehr erinnere, die aber für diesen bestimmten Tänzer wichtig waren. Ich habe immer versucht für die Menschen zu denken und zu sehen, wie dieser Dank zurückkommt, ist rührend.

    Deswegen habe ich mich an meinem letzten Tag, dem Tag der beiden Nijinsky-Galas, sehr leicht gefühlt. Ich weiß, warum ich das tue, ich finde es wichtig, dass die jungen Leute eine Chance bekommen, sich zu beweisen. Natürlich ist nach 30 Jahren so ein Wechsel schwer, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir leichtfällt loszulassen. Dieser Job hat mein Leben ausgemacht! Es ist nicht einfach, aber ich fühle mich leicht und dankbar.

    Nur ausruhen wird sich Ulrike Schmidt nicht. Ab dem 1. November 2021 übernimmt Sie die Geschäftsführung der Opernstiftung © Nicolas Hartmann

    Und jetzt, wie geht es weiter? Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

    Erst einmal: Büro aufräumen und dann Ferien! Ich fliege nach Italien, werde auch die Bregenzer und die Salzburger Festspiele besuchen. Dann fahre ich nach Wien, wo das Hamburg Ballett Ende August gastieren wird. Und dann bin ich natürlich zur Saisoneröffnung wieder in Hamburg, weil ich schon jetzt im Amt bin als Kuratorin der Opernstiftung, ab dem 1. November übernehme ich die Geschäftsführung. Ich freue mich auf diese tolle Aufgabe. Sie nimmt zeitlich nicht so viel Anspruch, ich bekomme Unterstützung durch eine Assistenz, und sie gibt mir freie Gestaltung. Ich muss nicht immer im Büro oder in Hamburg sein, ich kann das letztendlich von überall aus machen. Mein Wissen um diese Institution, um die Oper und das Ballett, darf ich in meiner neuen Aufgabe einbringen. Ich werde eine Vermittlerin sein, und so habe ich mich schon immer gesehen. Ich bleibe weiterhin im Vorstand der Stiftung TANZ – Transition Zentrum Deutschland, die gerade erst ihr 10-jähriges Jubiläum feierte. In der kommenden Saison organisiert das Hamburg Ballett zu diesem Jubiläum eine Benefiz-Ballett-Werkstatt, die Spenden gehen an die Stiftung TANZ, die Tanzschaffende ideell und materiell bei ihren beruflichen Übergangsprozessen unterstützt.

    Die Opernstiftung existiert seit über 60 Jahren und hat eine tolle Arbeit geleistet. Übrigens, meine allererste Aufgabe hier in Hamburg war, bei einem Gastspiel mit der »Matthäus-Passion« in Dresden, Herrn Dr. Körber anzusprechen, der ehemalige Vorsitzende der Opernstiftung. Ich sollte ihn um Unterstützung bitten für eine Publikation, die anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Hamburg Ballett erscheinen sollte. Jemand Kluges hatte mir noch gesagt, dass ich eine Zahl parat haben sollte, da Herr Körber mich sofort nach einer Zahl fragen würde. Und so war es: Ich habe ihn zum Dinner getroffen und eine der ersten Fragen war: Frau Schmidt, was kostet das? Gott sei Dank war ich darauf vorbereitet! Von Anfang an war die Opernstiftung ein wichtiger Teil und ich freue mich sehr, dass ich noch weiter in diesem Umfeld bleiben und helfen kann, was bestimmt nicht einfach sein wird, denn die Pandemie hat auch finanziell große Lücken hervorgebracht.

    Gibt es Hobbys außerhalb der Kunst? Oder Dinge, die Sie in Ihrem neuen Lebensabschnitt machen wollen?

    Toll in der Pandemie war, dass man sich den Tag anders einteilen konnte, weil man ja viel zuhause war. Ich habe angefangen täglich Yoga zu machen. Es war schön, sich mehr auf sich zu konzentrieren, zu atmen und den Tag positiv zu beginnen. Ich wohne nahe der Elbe und habe es genossen, an der Elbe zu walken. Ich freue mich auch wieder mehr Fahrrad fahren zu können. Diese Dinge in meinen neuen Alltag zu holen, das ist schön.

    Ulrike Schmidt mit einer Studiosus-Reisegruppe beim Gastspiel des Hamburg Ballett in Moskau 2017 © Kiran West  

    Ehrlich gesagt hatte ich noch keine Zeit zu überlegen, was ich in dieser neuen Zeit unbedingt machen möchte. Sicherlich werde ich viel reisen! Das möchte ich auch mit der Opernstiftung – ich möchte weiterhin Ballett- und Opernreisen initiieren, um die Menschen zu binden und ihnen Einblicke zu geben, die man sonst nicht hat. Eine tolle Reise wäre zum Beispiel nächstes Jahr nach Los Angeles, wo das Hamburg Ballett gastieren wird. Diese Reisen sind für uns alle besonders, denn dass, was man auf einer Tournee erlebt, so ganz anders ist. Manchmal sind Kultursenatoren da und erleben, wie die Compagnie von ganz anderen Menschen, in einem ganz anderen Land, geliebt und verehrt wird. Auf Reisen beantworte ich auch Fragen aller Art. Nicht alle kennen sich aus, einmal fragte man mich zum Beispiel, was ein Tänzer tagsüber denn so macht, wenn er abends Vorstellung hat. Die Menschen können nicht wissen, welch harte Arbeit dahintersteckt und ich vermittele dieses Wissen gerne. Letztendlich bindet es die Menschen an uns und das Hamburg Ballett, ich konnte auf diese Weise schon viele Sponsoren gewinnen.

    Vielen Dank für das Interview, liebe Frau Schmidt, wir werden Sie hier sehr vermissen!

    Nathalia Schmidt

  • Proben trotz Aufführungsverbot

    Proben trotz Aufführungsverbot

    Was kann ein großes Ballettensemble tun, wenn im Zuge der Corona-Pandemie die eigene Staatsoper und auch alle anderen Bühnen im Land für das Publikum geschlossen sind? John Neumeier hat es sich zur Aufgabe gemacht, in der Zeit des Lockdowns wenigstens die Probenbedingungen für das Hamburg Ballett soweit wie möglich an einen Normalzustand heranzuführen.
    John Neumeier bei den Proben zu »Beethoven-Projekt II« im Ballettzentrum Hamburg © Kiran West

    Voraussetzungen
    Seit Mitte Oktober gilt im Ballettzentrum ein strenges Hygienekonzept. Es schließt die AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken) ebenso ein wie regelmäßiges Lüften durch die großen Fensterfronten des Schumacher-Baus.

    Zusätzlich werden die Tänzerinnen und Tänzer regelmäßig auf Covid-19 getestet. Sie dürfen einander berühren – allerdings nur innerhalb festgelegter und nachvollziehbarer Sequenzen im Rahmen der Choreografie.

    linkes Bild: Hélène Bouchet, Edvin Revazov und Karen Azatyan proben »Tod in Venedig« © Kiran West

    Die Probenarbeit
    Seit Beginn der Corona-Krise hat John Neumeier sich ganz auf das Management und die künstlerische Entwicklung des Hamburg Ballett konzentriert. Im zweiten Lockdown seit November 2020 plädiert er für eine möglichst schnelle Rückkehr zur Live-Aufführung – sobald das politisch und im Hinblick auf den Gesundheitsschutz vertretbar ist. Aus dieser Haltung heraus gewinnen die täglichen Proben im Ballettzentrum Hamburg eine besondere Bedeutung, die er mehr als üblich persönlich leitet.

    Künstlerische Ideen
    John Neumeier nutzt die zusätzliche Probenzeit während des Lockdowns für gründliche Proben. Das Hygienekonzept des Hamburg Ballett erlaubt auch Durchläufe abendfüllender Ballette, einschließlich großer Ensembleszenen.

    Das Ensemble probt die Handwerkerszene in »Ein Sommernachtstraum« © Kiran West

    Neben »Beethoven-Projekt II«, das weiterhin auf seine Uraufführung wartet, probt John Neumeier mit besonderer Sorgfalt »Ein Sommernachtstraum« und »Tod in Venedig«.

    Puck (Alexandr Trusch) wartet sehnsuchtsvoll auf die Öffnung der Theater © Kiran West

    Alle drei Ballette sollen nach der Wiedereröffnung der Hamburgischen Staatsoper in mehreren Besetzungen auf die Bühne kommen.

    Jörn Rieckhoff