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  • 3 Fragen an Anna Laudere

    3 Fragen an Anna Laudere

    Anna Laudere hat als Erste Solistin in ihren 23 Jahren beim Hamburg Ballett viele große Hauptrollen getanzt und kreiert. Darunter unter anderem die Titelrolle in »Anna Karenina«, Marguerite Gautier in »Die Kameliendame« oder die Doppelrolle Hippolyta/Titania in »Ein Sommernachtstraum«. Beim Festival »The World of John Neumeier« in Baden-Baden 2024 verkörpert sie in den beiden Tennessee Williams-Balletten von John Neumeier eine der weiblichen Hauptcharaktere. Im Interview für unseren Blog verrät sie, was das Besondere an diesen Figuren ist und wie sie sich den künstlerischen Herausforderungen stellt.

    Anna Laudere bei ihrem Debüt als Amanda in »Die Glasmenagerie« © Kiran West

    Du tanzt bei »The World of John Neumeier« in Baden-Baden nicht nur die Hauptrolle der Blanche DuBois in »Endstation Sehnsucht«, sondern gibst auch dein Debüt als Amanda Wingfield in »Die Glasmenagerie«. Beides sind emotional intensive, komplexe Frauenfiguren, die aus der Feder von Tennessee Williams stammen. Was verbindet deiner Meinung nach diese beiden Figuren? Wo liegen ihre Unterschiede?

    Anna Laudere: „Ich denke, dass beide Frauen sehr starke Persönlichkeiten sind, die sich in einer schwierigen Situation befinden, in die das Leben sie gebracht hat. Sie gehen mit ihren Herausforderungen um, so gut sie es können, so gut sie es wissen. Beide Rollen sind sehr komplizierte und vielschichtige Charaktere, die viele verschiedene Emotionen in sich vereinen. Amanda habe ich noch nicht in ihrer Gänze kennengelernt, aber ich würde schon jetzt sagen, dass sie mir nahesteht. Ich freue mich also sehr auf die Zeit in Baden-Baden, auf die Proben und die Vorstellungen, um meine Reise mit Amanda zu vertiefen. Da wird Johns Unterstützung sicherlich eine große Hilfe sein, dass er mich anleitet, sie besser kennenzulernen um hoffentlich das Beste aus mir herauszuholen. Ich bin wirklich aufgeregt.“

    Anna Laudere als Blanche DuBois in »Endstation Sehnsucht« © Kiran West

    Sowohl die Rolle der Blanche, als auch die Rolle der Amanda erfordern nicht nur tänzerisches Können, sondern auch schauspielerisches Talent. Wie balancierst du diese beiden Aspekte während deiner Performance, und welche Techniken nutzt du?

    Anna Laudere: „Ich würde sagen, es ist Arbeit, Arbeit, Arbeit. Man muss viel proben, viel Zeit investieren. Denn man sollte die Schritte und die Musik so klar haben, dass man nicht darüber nachdenken muss. Sie müssen automatisch in deinem Körper sein. Außerdem sollte man wissen, was die einzelnen Schritte bedeuten, denn die meisten Schritte in Johns Balletten haben eine Bedeutung. Für die tiefe Darstellung der Emotionen ist es wichtig, immer mit vollem Einsatz zu proben. Sowohl körperlich als auch gefühlsmäßig. Nur so findet man über die Zeit hinweg den richtigen Weg. Johns Ballette sind meistens sehr komplex, weil die Figuren immer eine Menge Subtext haben. Es ist nicht notwendig, dass das Publikum diesen gesamten Subtext kennt, aber wenn man es selber richtig fühlt, dann kann auch das Publikum mitfühlen. Deshalb ist es so wichtig immer beide Seiten, also den Tanz und das Schauspielen zu kombinieren. Für mich ist Johns Anleitung in diesem Prozess absolut notwendig und schön. Denn er sieht jeden Künstler anders. Er sieht, wie er dich weiterentwickeln kann und führt dich in die richtige Richtung. Und auch wenn man eine Rolle schon oft getanzt hat, sollte man sich stetig reflektieren. Denn mit der Zeit verändert man sich und damit verändert sich auch die Rolle in einem selbst. Man kann immer etwas mehr in sie hineinlegen. Und ich denke, das ist das Wichtigste für uns Künstler: immer weiter zu wachsen.“

    Das Hamburg Ballett gastiert in diesem Jahr zum 27. Mal in Baden-Baden. Du bist bereits seit 2001 mit dabei, also zum 24. Mal! Wie hast die Kurstadt im Laufe der Jahre empfunden und gibt es Lieblingsorte von dir?

    „Ich muss ganz ehrlich sagen, dass Baden-Baden einer meiner absoluten Lieblingsorte ist. Wirklich. Es ist die Atmosphäre, die Natur, die Menschen, und auch das Festspielhaus ist einfach wunderbar. Jeder hier ist so freundlich, so offen und bereit zu helfen. Und das ist meiner Meinung nach alles, was für die Kreativität notwendig ist. Baden-Baden inspiriert mich als Künstlerin jedes Jahr aufs Neue. Und wir haben hier so schöne Ballette aufgeführt. Jedes einzelne Jahr war eine wunderbare Erfahrung. Es ist wirklich einer meiner Lieblingsorte.“

  • 3 Fragen an Artem Prokopchuk

    3 Fragen an Artem Prokopchuk

    Seit 2019 tanzt der gebürtige Ukrainer Artem Prokopchuk beim Hamburg Ballett und verkörperte seitdem viele verschiedene Rollen wie zum Beispiel Tybalt in »Romeo und Julia« und Der Goldene Sklave und Der Faun in »Nijinsky«. Im Rahmen des Gastspiels des Hamburg Ballett beim Festival »The World of John Neumeier« in Baden-Baden debütiert er in diesem Jahr nun in der Rolle des Stanley Kowalski in John Neumeiers Literaturballett »Endstation Sehnsucht«. Wir haben mit ihm über sein Debüt und seine Vorbereitungen auf die Rolle gesprochen.

    Herzlichen Glückwunsch, lieber Artem, zu deinem Debüt in Baden-Baden! Die Rolle des Stanley Kowalski aus Tennessee Williams‘ Drama »Endstation Sehnsucht« ist eine sehr komplexe Figur mit vielen Facetten. Was bedeutet es für Dich, diese Rolle zum ersten Mal zu tanzen und wie bereitest Du Dich auf die emotionalen Herausforderungen vor, die mit dieser Darstellung verbunden sind?

    Artem Prokopchuk: „Es fasziniert mich, in diese Rolle schlüpfen zu können und all das zu erleben, was Stanley zu bieten hat. Dabei ist es eine besondere Ehre und Hilfe, von so vielen Tänzer*innen umgeben zu sein, die ihre Rollen in »Endstation Sehnsucht« schon oft getanzt und tief erkundet haben. Ihre Erfahrungen geben mir Zuversicht. Sie sind zu einem wichtigen Teil der Vorbereitung auf diese Aufführung geworden, und ihr Wissen und Vertrauen haben uns zusammengeschweißt. Derzeit bin ich noch dabei herauszufinden, wie es sich schlussendlich anfühlen wird, Stanley zu verkörpern. Aber ich bin gespannt – und auch ein wenig ängstlich – es zu erfahren!“

    © Kiran West

    John Neumeiers Choreografie ist bekannt für ihre Ausdruckstiefe und musikalische Komplexität. Was ist für dich in Bezug auf die Figur des Stanley besonders wichtig?

    Artem Prokopchuk: „Ich fühle eine enorme Verantwortung, mit dieser Figur sorgsam umzugehen. Ich muss im Grunde in die Schuhe von jemandem schlüpfen, der zu ungeheurem Schaden, ungeheurer Gewalt fähig ist. Stanleys Gewalt ist nicht nur physisch; sie ist gleichzeitig auch psychologisch und emotional, und ich hoffe, dass ich das in jedem Blick und jeder Bewegung vermitteln kann. Es ist aufregend, mit einer so komplexen Figur betraut zu werden, und ich bin mit einer Mischung aus Nervosität und Aufregung erfüllt, während ich all die Emotionen durchlebe, die mit der Darstellung von Stanley einhergehen.“

    © Kiran West

    Verrätst Du uns dein persönliches Ritual, bevor Du auf die Bühne gehst?

    Artem Prokopchuk: „Bevor sich der Vorhang hebt und das Publikum eintrifft, verbringe ich gerne einen ruhigen Moment auf der Bühne nur für mich selbst. Ich schaue mir die Kulissen an, die mich umgeben, und das Kostüm, das ich trage, versuche die Energie zu spüren, die all das besitzt. Ich danke diesen Kulissen und Kostümen dafür, dass sie mir den Zugang zu einer anderen Seite von mir ermöglichen. Für mich bedeutet das Tanzen von solchen Balletten auch immer in der Zeit zu reisen. Ich versetze mich in eine andere Zeit im Raum, um andere Menschen zu treffen und in manchen Fällen ein anderer Mensch zu sein. Es ist eine Reise, für die ich sehr dankbar bin.“

    Vielen Dank für das Gespräch, Artem und TOI TOI TOI!

  • Die Ahnengalerie in »Dornröschen«

    Die Ahnengalerie in »Dornröschen«

    John Neumeiers Ballette sind voller Details. Während man als Zuschauer*in vorrangig auf Bühnenbild, Kostüme, die Musik und die Choreografie achtet, werden einzelne Requisiten und Kulissenteile erst auf dem zweiten Blick wahrgenommen. Kennt Ihr in »Dornröschen« die sechsköpfige Ahnengalerie? 

    »Dornröschen«, Erster Teil. Während Prinz Désiré immer tiefer in sein rätselhaftes Erlebnis eintaucht, beobachtet er Szenen aus Auroras Kindheit und Jugend. Im Hintergrund ist eine sechsköpfige Ahnengalerie sichtbar. Aber wer sind die abgebildeten Portraitierten? Natürlich sind hier keine zufälligen Personen zu sehen, sondern sechs Abbildungen von historischen Persönlichkeiten des Tanzes, die eng verknüpft sind mit dem Ballett »Dornröschen« und dessen Schöpfer Marius Petipa. 

    Wir blicken zuerst von links oben nach unten: Das Gesicht der ersten Dame ist Olga Preobrajenska (1871-1962) zuzuordnen. Sie war Primaballerina am Mariinski Theater in St. Petersburg und wichtige Lehrerin zahlloser Tänzerinnen von Weltruf, darunter Margot Fonteyn. Ausgebildet wurde sie an der kaiserlichen Ballettschule in St. Petersburg, zu ihren Lehrer*innen gehörte u.a. Marius Petipa, der Choreograf von »Dornröschen«. Ihr wurde übrigens auch schon in einem anderen John-Neumeier Ballett eine Hommage gesetzt: Eine der Solo-Ballerinen im Ballets Russes Teil in »Nijinsky« ist inspiriert von Preobrajenska, im Besetzungszettel zur Uraufführung des Balletts im Jahr 2000 wurde sie zudem namentlich aufgeführt. Aber auch wenn wir ihren Namen auf den Programmzetteln nicht mehr finden, ihr Geist bleibt weiterhin auf der Bühne präsent. Und das hat auch einen guten Grund: Preobrajenska hatte eine enge Verbindung zu den Ballets Russes: Ihre Schülerinnen Tamara Toumanova, Tatiana Riabouchinska und Irina Baronova wurden im Alter von nur 13 Jahren zu Stars der Ballets Russes-Compagnie; als sogenannte »Baby-Ballerinas« begann ihre aufsteigende Karriere.

    Vor der Ahnengalerie wird getanzt – hier verkleidet sich die 11-jährige Aurora als Königinmutter © Kiran West

    Weiter geht es mit dem mittleren Portrait auf der linken Seite der Ahnengalerie: Nicht viel schreiben muss man über Peter Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893), der unvergessliche Ballettmusik komponiert hat, unter anderem zu »Dornröschen«, »Der Nussknacker« und »Schwanensee«, drei Ballettklassiker in der Choreografie von Marius Petipa.

    Die dritte Portraitierte links unten ist Carlotta Brianza (1867-1930). Sie war eine italienische Primaballerina aus Mailand mit internationaler Karriere, gefeiert wurde sie für ihre virtuose italienische Technik. Berühmtheit erlangte sie, weil sie 1890 von Marius Petipa ausgewählt wurde, um in der Uraufführung von »Dornröschen« die Hauptrolle der Prinzessin Aurora zu tanzen.

    Foto: Stiftung John Neumeier (c) Theater Museum, St. Petersburg

    Während ihres Engagements am kaiserlichen Mariinski-Theater in St. Petersburg tanzte sie weitere führende Rollen in Balletten von Petipa. 1891 verließ sie Russland und setzte ihre Karriere in Italien, Wien, Paris und London fort. Wie auch Olga Preobrajenska unterrichtete sie nach ihrem Rückzug von der Bühne als Ballettpädagogin.  

    Drei Portraits sind noch unbekannt? Wir blicken nach rechts oben zu einem Mann, der lange an der Seite von Marius Petipa gearbeitet hat: Lew Iwanow (1834-1901). Er war ein außerordentlicher Tänzer, später Ballettmeister, Choreograf und Assistent von Petipa in Sankt Petersburg am Mariinski Theater. Als langjähriger Assistent übernahm er 1892 von dem erkrankten Petipa die Arbeit an »Der Nussknacker«, der berühmte Schneeflockenwalzer gilt als typisch für seinen lyrischen Stil. Für eine Neufassung von »Schwanensee«, die er gemeinsam mit Petipa erarbeitete, schuf er eine neue Choreografie für den zweiten Akt. Der sogenannte »Weiße Akt«, den John Neumeier in seiner Version »Illusionen – wie Schwanensee« rekonstruiert, beruft sich auf Iwanows Choreografie.

    v.l.o.n.r.u.: Olga Preobrajenska, Peter I. Tschaikowsky, Carlotta Brianza, Lew Iwanow, Pierina Legnani, Marius Petipa © M. Reidemeister

    In der Mitte der rechten Spalte ist Pierina Legnani (1868-1930) zu sehen, Primaballerina assoluta der Mailänder Scala, später im Mariinski-Theater in St. Petersburg, dessen Ballettdirektor Marius Petipa war. Sie ging in die Ballettgeschichte als beste Tänzerin ihrer Zeit ein, Petipa selbst ließ sich mehrmals von ihr inspirieren und kreierte für sie wichtige Rollen oder änderte Choreografien so um, dass sie ihre technischen Fähigkeiten zeigen konnte. So wurden zum Beispiel im Coda-Teil des Grand Pas de deux im dritten Akt von »Schwanensee« 32 fouettés en tournant eingefügt, zu diesem Zeitpunkt beherrschte nur sie diese Drehungen.

    Der Name des letzten Portraitierten auf der Ahnengalerie fiel des Öfteren: Marius Petipa (1818-1910). Ein bedeutender Choreograf, aus Marseille kommend, der 1847 als Tänzer nach St. Petersburg ging und blieb. Er wurde zum Ersten Ballettmeister ernannt, was bedeutete, dass er für jede Spielzeit des Mariinski Theaters einige neue Ballette kreieren sollte. Über 50 Jahre lang war Petipa in Russland tätig. Mit über 70 Jahren schuf er, gemeinsam mit dem Komponisten Peter Tschaikowksy, seine vielleicht besten Ballette, darunter »Dornröschen«.

    Seine Bedeutung für die Balletthistorie kann an dieser Stelle nur angerissen werden: Petipa kreierte das klassische Repertoire für die Zukunft, alles was wir aus dem 19. Jahrhundert kennen – mit Ausnahme der Inszenierungen von August Bournonville, der in Dänemark tätig war – kennen wir durch seine Augen, er hat das klassische Ballett kodifiziert. Die Tänzer*innen trainieren jeden Vormittag noch dieselben Exercises wie die Tänzer*innen im 19. Jahrhundert, sie bedienen sich quasi derselben Codes. Natürlich hat sich einiges geändert, aber im Kern ist das immer noch die Sprache des klassischen Balletts. Petipas Choreografien sind in der Ausbildung klassischer Tänzer*innen auf der ganzen Welt nach wie vor gängig. Und auch Choreograf*innen setzen sich immer wieder mit seinen Stücken auseinander. So auch John Neumeier, der mit seinem »Dornröschen«-Ballett das Erbe Marius Petipas aufs Sorgsamste integriert und gleichzeitig ein eigenes Werk geschaffen hat, das sich bis heute größter Beliebtheit erfreut.

    Am 6., 7., 8. und 10. Oktober kann John Neumeiers »Dornröschen« im Festspielhaus Baden-Baden erlebt werden – die Ahnengalerie selbstverständlich auch.

    Nathalia Schmidt

  • 3 Fragen an Matias Oberlin

    3 Fragen an Matias Oberlin

    Matias Oberlin ist seit Beginn der Saison 2023-24 neuer Erster Solist beim Hamburg Ballett. Für unseren Blog spricht er über die Rollen eines Bösewichts, die er aktuell in Hamburg (Stanley in »Endstation Sehnsucht«) und auf Gastspiel in Baden-Baden (Der Dorn in »Dornröschen«) verkörpert.

    Matias, erst einmal gratuliere ich dir sehr herzlich zu deiner Beförderung zum Ersten Solisten, wohlverdient! Als neuer Erster Solist hast du dich Anfang dieser Spielzeit in Hamburg in der Rolle des Stanley Kowalski in »Endstation Sehnsucht« präsentiert. Was sind die besonderen Herausforderungen an dieser Rolle? Wie schaffst du es nach einer Vorstellung aus dieser Rolle des Bösewichts wieder herauszukommen?

    Matias Oberlin: Eine der Herausforderungen der Rolle besteht darin, dass ich mich nicht persönlich davon beeinflussen lasse. Ich liebe es jedoch, diese Art von Rollen zu interpretieren, und ich hatte in letzter Zeit mehrfach Gelegenheit, sie zu erkunden. Deshalb versetze ich mich auch sehr stark in sie hinein, denn als Künstler möchte ich Teile von mir entdecken, die ich noch nicht kenne. Ich glaube, dass wir alle eine »böse« Seite in uns verborgen haben, warum sollten wir sie also nicht ergründen, und wo könnte man das besser tun als in einer Rolle wie Stanley.

    Zu Beginn des Arbeitsprozesses für diese Rolle hat mich diese dunkle Seite sehr belastet, und ich habe mit meiner Mutter darüber gesprochen. Sie sagte, dass ich nach den Aufführungen oder Proben einfach mal kräftig durchatmen sollte, damit diese Facette wieder verschwindet. Und das hat wirklich gut funktioniert. Die Unterstützung meiner Freunde und Familie war eine große Hilfe.

    Matias Oberlin als Stanley Kowalski mit Anna Laudere als Blanche DuBois in »Endstation Sehnsucht« © Kiran West

    Jetzt sind wir hier in Baden-Baden und tanzen in unserer zweiten Gastspielwoche »Dornröschen« im Festspielhaus. Die Rolle des Dorns, die du bereits in Hamburg verkörpert hast, kann man auch zu den »bösen« Rollen in deinem Repertoire zählen. Wer ist der Dorn und welche Rolle spielt er in John Neumeiers Ballett?

    Der Dorn ist der Widersacher der Rose, die Aurora beschützt. Er stellt das Hindernis dar, gegen das der Prinz kämpfen muss, um den Zauber zu brechen und seine Liebe zu treffen, die 100 Jahre lang geschlafen hat. Er spielt eine sehr wichtige Rolle in der Geschichte, denn natürlich kann es das Gute nicht ohne das Böse geben.

    Der Dorn (Matias Oberlin in der Mitte) versucht mithilfe der Dornengestalten den Prinzen von seinem Weg abzubringen © Kiran West

    Baden-Baden hat für das Hamburg Ballett eine lange Tradition. Was gefällt dir besonders an der Stadt? Gibt es einen Lieblingsort, den du neben Proben und Vorstellungen im Theater immer wieder aufsuchst? 

    Baden-Baden ist für mich wie eine zweite Heimat. Seit ich vor 10 Jahren in der Compagnie anfing, komme ich immer wieder hierher, und so gibt es viele Orte, die ich Jahr für Jahr immer wieder gerne besuche. Ich bin ein bescheidener Mensch, daher finde ich, dass das Schönste an der Stadt die Stadt selbst ist. Ich liebe es, durch die Straßen zu ziehen und die schöne Natur zu genießen, die Baden-Baden umgibt.

    Vielen Dank für das Interview, lieber Matias, und viel Erfolg weiterhin in Baden-Baden!

    Hier kannst du mehr über Matias erfahren.

  • 3 Fragen an Ilya Ram

    3 Fragen an Ilya Ram

    Das Bundesjugendballett tanzt beim Festival »The World of John Neumeier« zwei Vorstellungen im Kurhaus Baden-Baden und kooperiert dabei erstmalig mit der jungen norddeutschen philharmonie. Der junge israelisch-amerikanische Dirigent Ilya Ram ist derzeit als musikalischer Leiter des Leipziger Univesitätsorchesters und des Akademische Philharmonie Heidelberg tätig und dirigiert bei den Auftritten des BJB die jnp. In drei Fragen beantwortet er wie es ist, die junge norddeutsche philharmonie zu dirigieren, warum er gerne mit Tänzer*innen arbeitet und was das Besondere an der Baden-Badener Fassung von »Der Bürger als Edelmann« ist.

    Die junge norddeutsche philharmonie ist ein Jugendorchester, das hauptsächlich aus Studierenden deutscher Musikhochschulen besteht und weitgehend ehrenamtlich organisiert wird. Wie ist es für dich dieses Orchester zu dirigieren? Ist es dein erstes Mal?

    Iyla Ram: Ich freue mich sehr, die junge norddeutsche philharmonie zu dirigieren! Das Projekt mit dem Bundesjugendballett ist tatsächlich mein erstes Mal und ich bin mehr oder weniger durch einen glücklichen Zufall dazugekommen: Eine Kollegin hat mir empfohlen, die jnp zu kontaktieren und just genau an diesem Tag hatte der Dirigent, der ursprünglich für dieses Projekt angedacht war, abgesagt. Ich finde die Arbeit der jnp extrem wichtig! Sie ermöglicht jungen begabten Musiker*innen Erfahrung zu sammeln und in vielen verschiedenen, interessanten Projekten zu spielen, wie zum Beispiel diese Kooperation mit dem BJB. Das ganze Team und auch alle Musiker*innen sind so gut und professionell, dass mir die Arbeit ganz viel Freude bringt.

    Almudena Izquierdo und Giuseppe Conte vom Bundesjugendballett in »Der Bürger als Edelmann« © Kiran West

    Worauf musst du insbesondere achten, wenn du für Tanz dirigierst? Hast du darin Erfahrung?

    Iyla Ram: Ich liebe es, mit und für Tänzer*innen zu musizieren. Ich hatte schon die Gelegenheit, ein paar Ballett Vorstellungen von »Schwanensee« in Chemnitz vom Graben aus zu dirigieren und das war eine wirklich besondere Erfahrung für mich – bester Platz im ganzen Haus! Ich kann natürlich nur aus meiner Erfahrung sprechen, aber ich glaube, dass viele Menschen denken, dass es im Zusammenspiel von Musik und Tanz nur um ein spezielles »Tempo-Halten« geht. Ich finde es aber viel wichtiger, musikalisch und vor allem durch die Phrasierung die Tänzer*innen zu unterstützen. Es geht immer um den Flow der Musik. Natürlich sollte man eine Idee haben, wie die Choreografie funktioniert und nach welchen Tempovorstellungen diese entstanden ist. Aber gute Tänzer*innen, wie zum Beispiel die des BJB, sind wirklich musikalisch und dadurch wird das, was auf der Bühne passiert zu einer spannenden, herausfordernden und besonderen Aufgabe für mich.

    Ilya Ram © Haim Kimchi

    Für die Aufführungen mit dem Bundesjugendballett wurde Richard Strauss »Der Bürger als Edelmann« extra von Esin Aydingoz und Emre Ozer für eine kleinere Besetzung arrangiert. Was ist das Besondere an dieser Fassung?

    Iyla Ram: Das Arrangement ist wirklich grandios! Die Originalfassung von Richard Strauss ist eine besondere Komposition von ihm, weil sie viel mehr in der Richtung des Neoklassizismus geht, als andere Stücke, die wir sonst von Richard Strauss kennen. Ich finde es wirklich traumhaft, wie Esin und Emre das Stück für eine kleinere Besetzung von dreizehn Musiker*innen arrangiert haben. Das bringt diese Besonderheit viel mehr raus. Es ist im Kern ein Kammerstück, und durch die Bearbeitung hört man das jetzt auch. Obwohl das Arrangement für die musizierenden Musiker*innen durch die kleinere Besetzung sehr herausfordernd ist, wird das Publikum das nicht merken, weil die Musiker*innen so gut sind.  

  • FBO-Intendant Hans-Georg Kaiser – inspirierende Projekte mit dem Hamburg Ballett

    FBO-Intendant Hans-Georg Kaiser – inspirierende Projekte mit dem Hamburg Ballett

    »Dona Nobis Pacem« ist John Neumeiers jüngstes Ballett zur Musik der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach. Im Festspielhaus Baden-Baden wird die Produktion erstmals mit dem Freiburger Barockorchester (FBO) aufgeführt, einem international renommierten Ensemble in der Tradition der historisch informierten Aufführungspraxis. Im Vorfeld der Festspielhaus-Premiere sprach Hamburg Ballett-Kommunikationsdirektor Dr. Jörn Rieckhoff über das aktuelle Projekt mit Hans-Georg Kaiser, dem Intendanten und Geschäftsführer des Orchesters.

    Welche Farbe bringt das Freiburger Barockorchester in die Baden-Badener Aufführungen ein? Kurz gesagt: Wie klingt der FBO-Bach?

    Hans-Georg Kaiser: Ich glaube sehr daran, dass man Aufführungen mit unserem und ohne unser Orchester unterscheiden kann. Es wird Johann Sebastian Bach in besonderer Weise gerecht, seine Musik auf historischen Instrumenten zu spielen. Unsere Streicher musizieren auf Darmsaiten, die Holz- und Blechbläser verwenden Instrumente ohne Klappen und Ventile. Als Hörer erlebt man auf diese Weise eine viel größere Palette an Klangfarben.

    Speziell zur h-Moll-Messe haben wir eine enge Verbindung, seit wir vor vielen Jahren eine szenische Produktion mit Achim Freyer realisierten. Es ist eines unserer Lieblingsstücke.

    Die Musikerinnen und Musiker des FBO bei einer Bühnenprobe im Festspielhaus © Kiran West

    Das Freiburger Barockorchester ist ein international präsentes Ensemble. Wie oft kannst Du als Intendant Musiktheater- und Tanzproduktionen einplanen?

    Ich freue mich jedes Mal, wenn wir von Opernhäusern oder jetzt vom Hamburg Ballett John Neumeier für derartige Produktionen angefragt werden. Bei unseren üblichen Tourneen sind wir heute in Paris, morgen in Brüssel, dann in Freiburg und Berlin – jeden Tag an einem anderen Ort. Natürlich ist es toll, dasselbe Programm in den großen Konzerthäusern aufzuführen. Ein noch tieferes Erlebnis aber stellt sich ein, wenn man ein Werk mehrfach auf einer Bühne und mit denselben künstlerischen Partnern musiziert. Im November etwa realisieren wir mit Simon Rattle die Charpentier-Oper »Médée« – solche Gelegenheiten nimmt unser Orchester gerne wahr.

    Welche Verbindung hat das FBO zum Publikum in Baden-Baden? Von Hamburg aus gesehen habt Ihr hier ein Heimspiel.

    Seit der Hauseröffnung kommen wir regelmäßig ins Festspielhaus. Ich erinnere mich an unvergessliche Konzerte, beispielsweise im Juni 2004 mit Cecilia Bartoli am Abend ihres Geburtstags. Ein anderes Mal haben wir Mozarts »Don Giovanni« mit René Jacobs szenisch aufgeführt. Jeder Auftritt hier ist ein besonderes Erlebnis, weil das Haus mit allen Abteilungen hinter der Veranstaltung steht und schaut, dass sie zu einem großen Erfolg für ein treues Publikum wird.

    Das FBO mit den Tänzern Aleix Martínez und Lennard Giesenberg bei Proben zu »Dona Nobis Pacem« © Kiran West

    Zuletzt haben Hamburg Ballett und FBO vor vier Jahren mit Glucks Oper »Orphée et Eurydice« gemeinsam die Intendanz von Benedikt Stampa eingeläutet. Wie hat sich das Orchester in den vier turbulenten Jahren seitdem entwickelt?

    Aktuell fühlen wir uns ganz hervorragend. Die Vielzahl unserer Konzerte lässt uns spüren, dass der Hunger nach Kultur ungebrochen groß ist. Auch haben wir die Möglichkeit, unsere vielfältige Arbeit von der Kammermusik bis zur Romantik umfassend zu dokumentieren, vor allem bei den Labels harmonia mundi und Deutsche Grammophon.

    Natürlich hat die Pandemie auch uns als freies Orchester hart getroffen. Aber wir haben die Zeit genutzt, um unsere Position im internationalen Kulturbetrieb und den allmählichen Generationswechsel unter unseren Mitgliedern zu reflektieren. Auch haben wir neue Wege der Kommunikation beschritten, um unser Publikum noch enger an uns zu binden. Uns ist sehr bewusst geworden, dass Live-Erlebnisse, bei dem das Orchester mit dem Publikum im Saal gemeinsam atmet, unersetzlich sind.

    Insofern sehe ich es als positives Zeichen, dass unsere Vorstellungen mit dem Hamburg Ballett John Neumeier und den jungen Sängerinnen und Sängern des Vokalensemble Rastatt in den kommenden Tagen ausverkauft sind. Übrigens übernimmt mit Cecilia Bernardini unsere neue Künstlerische Ko-Leiterin die Position als Konzertmeisterin. Sie und der Dirigent Holger Speck erweisen sich hierbei als hervorragende Partner. Gemeinsam bieten wir dem Festspielhaus-Publikum in der hochkarätigen Interpretation von Tanz und Musik einzigartige Erlebnisse. Daran sollten wir in der Zukunft anknüpfen – in Baden-Baden, gerne aber auch in Hamburg.

    Jörn Rieckhoff