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4 Fragen an vier »Puck«

John Neumeiers Ballett »Ein Sommernachtstraum« erlebte seine Uraufführung vor über 44 Jahren und ist bis heute ein beliebter Klassiker im Repertoire des Hamburg Ballett. In all der Zeit haben unterschiedliche Tänzergenerationen das Ballett getanzt. Eine der zentralsten Figuren des Stücks ist der schelmische Elf »Puck«, der mit einer Zauberrose alles gehörig durcheinander bringt. Wir haben vier verschiedene Tänzer des »Puck« über die Rolle, deren Verständnis und Erlebnisse mit dem Fabelwesen gefragt.

Kevin Haigen: Im Jahr 1977 kam das Ballett »Ein Sommernachtstraum« zur Uraufführung. Sie waren damals als Tänzer maßgeblich an der Produktion beteiligt und haben zusammen mit John Neumeier die Rolle des schelmischen Elfen »Puck« kreiert. Können Sie von dieser Kreation erzählen? Was ist aus Ihrer Sicht die Essenz der Rolle?

Kevin Haigen: Es war eine meiner ersten Kreationen mit John und sie war sehr interessant! Ich denke an Puck als Robin Goodfellow. Für mich repräsentiert er das Licht. Und was ist Licht? Licht ist Güte, Reinheit und Liebe. Für mich geht es darum, rein, wahrhaftig und nicht berechnend zu sein. Ich weiß, dass viele Pucks in der Kunst und in Theaterstücken von vielen Schauspielern auf eine diabolische Art gespielt werden, aber ich glaube nicht, dass Puck ein Faun ist! Er ist eine Fee! Und was er tut, das tut er alles aus Unschuld. Es ist sehr wichtig, dass der Tänzer das Bewegungsvokabular von Puck als das einer Fee interpretiert: er ist kein Clown! Außerdem muss man sehr darauf achten, dass es nie langweilig, nie »programmiert« aussieht. Dass es für den Moment ist, im Moment ist, aber auch innerhalb des Stücks. Puck tanzt nicht für das Publikum, sondern mit dem Publikum.

Kevin Haigen in der Rolle des »Puck« im Jahr 1977 © Gert von Bassewitz

Lloyd Riggins: Sie haben über viele Jahre hinweg den »Puck« in »Ein Sommernachtstraum« getanzt und ihn damals selbst mit »dem allerersten Puck« Kevin Haigen einstudiert. Nun bringen Sie als Ballettmeister selber neuen Tänzergenerationen des Hamburg Ballett diese Rolle bei. Wie gehen Sie die Vermittlung der Rolle an und was ist wichtig dabei?

Lloyd Riggins: Wir haben beim Hamburg Ballett das große Glück, dass der ursprüngliche Schöpfer der Rolle noch mit uns zusammenarbeitet. Normalerweise fange ich bei einem neuen Puck damit an, das erste Solo in der Feenwelt zu unterrichten und bitte dann so schnell wie möglich Kevin Haigen zu kommen und den Tänzer zu coachen. Es gibt wirklich keinen Ersatz für diese Erfahrung, dass das »Original« das gesamte Konzept einer Rolle an die nächste Generation weitergibt. Der Tänzer erfährt, wo jede Bewegung beginnt und was Johns Absicht war und ist. Und auch, wie die Rolle in das größere Schema des Stücks als Ganzes passt. Ich habe viele Jahre lang Puck getanzt, und nach jeder Aufführung war Kevin mit einer neuen Korrektur oder Anregung, mit Nuancen und Schattierungen zur Klärung und Vertiefung meiner Interpretation zur Stelle. Die Arbeit ist nie zu Ende – und das ist unsere Wahrheit: Die Reise ist alles! Mit Kevin (und natürlich mit John) versuche ich weiterhin, alles über die Rolle und das ganze Ballett zu lernen, was ich kann. Als Ballettmeister sorge ich dafür, dass eine neue Inszenierung kreativ bleibt. Unser Ziel ist es nicht, zu wiederholen, was war, sondern die Essenz und den Geist des Balletts mit den Tänzern von heute NEU zu erschaffen. Mit den Kenntnissen und mit großem Respekt vor dem, woher wir kommen, schaffen wir ein tiefes Fundament, aus dem das Stück neu geboren wird – im Jetzt. Man sagt, »nur wenn wir unsere Wurzeln kennen, können wir wirklich weiter wachsen«.

Alexandr Trusch versteckt sich als »Puck« bei den Filmaufzeichnungen vor den Handwerkern © Kiran West

Alexandr Trusch: Sie tanzen nun seit einigen Jahren sehr erfolgreich die Rolle des »Puck« und sind sogar in dem 2021 entstandenen Ballettfilm und dementsprechend auch auf der DVD/Blu-Ray zu sehen. Was genau mögen Sie besonders an dieser Rolle? Mit welchen Aspekten identifizieren Sie sich?

Meiner Meinung nach erfordert jede Rolle eine gewisse Selbstidentifikation. Das Tolle an Puck ist, dass man auf der Bühne »richtig die Sau rauslassen kann«. Sie ist voll von kleinen (manchmal auch geheimen) Witzen, sei es auf der technischen oder auch theatralischen Ebene. Die Rolle erfordert viel Kreativität und ein Vermögen, sich den Tänzern und ihren Reaktionen anzupassen. Da ich das Stück in all der Zeit glücklicherweise mit so vielen tollen Besetzungen getanzt habe, konnte ich mir eine gewisse Flexibilität als Tänzer aneignen. Dafür bin ich sehr dankbar. 

Atte Kilpinen bei seinem Puck-Debüt mit der Zauberrose © Kiran West

Atte Kilpinen: Sie debütieren beim Gastspiel in Baden-Baden in der Rolle des »Puck« und treten dabei in die Fußstapfen von großen Tänzern wie Kevin Haigen oder Lloyd Riggins. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet und wie fühlt es sich an, diese zu tanzen?

Ich erinnere mich noch sehr gut an meine erste Probe. Lloyd Riggins begann mir die Schritte des Puck beizubringen und ziemlich schnell kam auch Kevin Haigen dazu und gab mir verschiedene Ideen und Impulse. Später kam dann sogar noch John Neumeier zu der Probe, sodass alle drei dabei waren. Ich hatte also einen tollen Start in meine Puck-Reise und es ist sehr wertvoll, gleich am Anfang schon so viele Perspektiven zu bekommen. Es ist schön, dass es so großartige Tänzer wie Lloyd, Sasha und Kevin gibt, die den Puck schon getanzt haben und von denen ich so viele Informationen bekommen kann. Diese Informationen versuche ich zu nutzen und sie mir zu eigen zu machen. Meine Art der Herangehensweise für Puck ist, nicht zu viel zu planen. Natürlich sind die Schritte und alles choreografiert, aber es muss immer authentisch sein. Deshalb gehe ich hin und fühle, wie für mich und für Puck alles neu ist. Darauf freue ich mich schon!