Leider können wir aufgrund des Coronavirus derzeit nicht auftreten. Wir vermissen es, auch wenn wir es für die richtige Entscheidung halten. Um Euch trotz allem diese häusliche Zeit angenehmer zu gestalten, haben wir ein exklusives Online-Programm zusammengestellt, das wir hier direkt auf unserem Blog aber auch auf unserer Webseite, in unserem Instagram-TV und auf Facebook veröffentlichen:
In unserer Reihe »Das Hamburg Ballett in Zahlen« veröffentlichen wir regelmäßig interessante Zahlen und Fakten rund um das Hamburg Ballett. Was verbirgt sich wohl hinter der heutigen Zahl?
2020 feiert die ganze Welt den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven. John Neumeier würdigte den Jubilar schon 2018 mit der Kreation des »Beethoven-Projekt«, sein erstes abendfüllendes Ballett zur Musik von Beethoven. Bei unserem Gastspiel im Festspielhaus Baden-Baden zu Beginn dieser Spielzeit wurden die beiden Vorstellungen des »Beethoven-Projekt« vom SWR für eine Filmfassung aufgezeichnet. Insgesamt 9 Kameras waren dafür im Einsatz!
Zwei Kameras standen zu beiden Seiten dicht an der Bühne, um das Orchester und den Bühnenboden einzufangen. »Das ergibt tolle Bilder für Aktionen auf dem Boden, wie zum Beispiel das Close-up vom Kopfstand des Hauptdarstellers Aleix Martínez zu Beginn des Balletts«, erklärt Myriam Hoyer, die die Regie für die Filmfassung führte.
Zwei weitere Kameras verfolgten die TänzerInnen von Kopf bis Fuß mit genug Luft darüber, um erhobene Arme oder Hebefiguren im Bild zu haben. »Dafür braucht man balletterfahrene Kameraleute. In diesem Fall waren das Isabelle Audigé und Marina Poole aus Frankreich. Sie haben schon mehrere Ballette von John Neumeier gefilmt und studieren die Choreografie vorher sehr genau, meistens mithilfe von Arbeitsvideos«, sagt Myriam Hoyer.
Wieder zwei Kameras filmten mit halbnaher Einstellung, also die Oberkörper der TänzerInnen inklusive Hände, um ein detaillierteres Bild zu haben, wenn die Füße in der Choreografie pausieren.
Eine Kamera filmte eigenständig, ohne Kameraführung, vom Balkon aus die etwas aufsichtige Bühnentotale, d.h. die ganze Bühne von schräg oben. Diese Einstellung sieht man öfter gegen Ende der »Eroica«.
Eine weitere Kamera wurde für die geführte Totale genutzt. Sie wurde der Szene angepasst, indem sie mitschwenkte oder -zoomte. Der Kameramann Gerry Kaul, der sie bediente, war auch für die neunte Kamera verantwortlich, die eine ganz besondere Aufgabe hatte: »Am Ende des Streichquartetts schlich er aus dem Saal, um in der Szene mit dem offenen Bühnenumbau die mobile Schulterkamera zu bedienen. Er wurde somit zum Darsteller! John Neumeier gab ihm genaue Anweisungen, wie er sich bewegen und was er dabei filmen sollte. Das Publikum ist also nur wegen der Filmaufnahmen in den Genuss gekommen, einen echten Kameramann auf der Bühne zu erleben!«, verrät Myriam Hoyer.
Wie schon bei vorherigen Aufzeichnungen seiner Ballette, hat sich John Neumeier aktiv in die Entstehung des Films eingebracht. Während der Aufzeichnung saß er im Übertragungswagen direkt neben Myriam Hoyer. Auch die Retake-Session am Ende der zweiten Vorstellung hat John Neumeier persönlich geleitet. Nachdem Myriam Hoyer den ersten Rohschnitt erstellt hatte, ist der Choreograf erneut nach Baden-Baden gereist, um zusammen mit der Regisseurin dem Film den letzten Feinschliff zu verleihen.
Das Ergebnis kann einmalig am kommenden Montag, den 20. Januar auf Großleinwand in der Hamburgischen Staatsoper gesehen werden: Tickets gibt es zum Kinopreis von 10 €. Die DVD/Blu-ray kann man vor Ort zum Sonderpreis von 15 € kaufen und auch gleich von John Neumeier signieren lassen!
Sonja Tinnes ist Choreologin des Hamburg Ballett. Seit 25 Jahren begleitet sie die Kreationsphasen der Ballette von John Neumeier und verwandelt die Bewegungen im Raum in lesbare Zeichen auf Papier. Sie notiert die Schritte, Sprünge, Drehungen, Hebungen, aber auch die Intention, Gefühle und Hintergründe, die John Neumeier seinen TänzerInnen bei der Kreation in Worten erklärt. Anlässlich der Uraufführung von »Die Glasmenagerie« hat sie mit mir über ihre Arbeit gesprochen.
Mit der Uraufführung von »Die Glasmenagerie« am 1. Dezember blickt Sonja auf 25 Jahre Zusammenarbeit mit John Neumeier zurück: 1994 kam sie zum ersten Mal zum Hamburg Ballett, um im Rahmen ihrer Ausbildung den 2. und 3. Satz der Kreation von John Neumeier zur 9. Sinfonie von Gustav Mahler zu notieren – eine Winterpremiere, wie »Die Glasmenagerie«.
Das Handlungsballett nach Tennessee Williams‘ Schauspiel ist die 40. Kreation von John Neumeier, die Sonja begleitet und notiert. Sie sitzt im Ballettsaal neben dem Choreografen und versucht alles aufzuschreiben, was in dem Moment entsteht. Dabei achtet sie besonders darauf, an welcher Stelle in der Musik die Schritte und Bewegungen liegen. »Für John ist im Prozess der Kreation besonders wichtig, dass da jemand ist, der ihm sagen kann, wo wir gerade musikalisch gesehen sind.« Damit bei Wiederholungen nicht immer von vorne angefangen werden muss, schreibt Sonja Ankerpunkte in Choreografie und Musik auf, an denen man sich orientieren kann.
Es kommt auch vor, dass John Neumeier bestimmten Schrittfolgen einen erfundenen assoziativen Namen gibt. In Sonjas Notation zu einer Szene in »Die Glasmenagerie« stehen dann Begriffe wie »Sausage Roll«. »Das ist eine gute Gedankenstütze für mich und die Ballettmeister«, erklärt sie mir.
Manche Sequenzen könne sie im Moment der Kreation gut minimalistisch mitschreiben. So beispielsweise die sogenannte »Crossfire-Sequenz« in der Schuhfabrik-Szene aus »Die Glasmenagerie«, in der die Tänzer Schuhkartons hin und her werfen. Für die Kreations- und Probenphase reicht es, dass Sonja die Formation skizziert und mit Hilfe von Pfeilen aufzeichnet, wie die Kartons und Schuhe innerhalb der Formation geworfen werden: »Ich habe die einzelnen Elemente, die in dieser Sequenz vorkommen und schreibe dann nur noch auf, in welcher Reihenfolge sie passieren.«
Nach der Uraufführung wird sich Sonja an den Schreibtisch setzen und die fertige Choreografie als Partitur »schön schreiben«. Zur Hilfe nimmt sie dann auch die Filmaufnahmen, die sie vor allem während der Endproben angefertigt hat. »Wenn ich die Partitur schreibe, dann schreibe ich alle Systeme – jede einzelne Bewegung von jedem einzelnen Tänzer – von vorne bis hinten auf die Musik, also immer zum dazugehörigen Takt.« Ihre Tanzpartitur sieht am Ende aus wie eine Orchesterpartitur: Jede/r TänzerIn bekommt eine eigene Zeile, diese stehen übereinander und sind in die entsprechenden Takte der dazugehörigen Musik gegliedert. Gruppenszenen, wie die »Crossfire-Sequenz«, in denen viele Tänzer gleichzeitig unterschiedliche Schritte tanzen, sind in der Partitur daher sehr aufwendig zu notieren und nehmen viel Platz ein.
Obwohl sie nach 25 Jahren und 42 geschriebenen Tanzpartituren schon reichlich Erfahrung gesammelt hat, wird ihr die Aufgabe nie langweilig: »Es ist ein wirklich toller und interessanter Job! Man lernt immer etwas Neues über Musik und Theater. Gerade bei der ›Glasmenagerie‹: Es ist für John ein wichtiges Stück und er hat sehr lange darauf hingearbeitet. Er hat zwar eine persönliche Choreografie-Handschrift, aber auch für dieses Ballett wieder eine ganze eigene Tanz-Sprache für die Charaktere gefunden.«
Vielen Dank für den interessanten Einblick in deine Arbeit als Choreologin, liebe Sonja!
Zum elften Mal haben die Schülerinnen und Schüler der aktuellen Theaterklassen der Ballettschule des Hamburg Ballett eigene Choreografien entwickelt, die im Ernst Deutsch Theater aufgeführt werden – dieses Jahr etwas früher als sonst: Statt im Februar/März 2020 findet die »Werkstatt der Kreativität« schon im November 2019 statt.
Woher kommt eigentlich der Name »Werkstatt
der Kreativität« und was erwartet uns dieses Jahr im Ernst Deutsch Theater?
Der Begriff »Werkstatt der Kreativität« setzt sich aus den Bestandteilen »Werkstatt« und »Kreativität« zusammen. Unter einer Werkstatt wird der »Arbeitsraum eines Handwerkers mit den für seine Arbeit benötigten Geräten« (Duden) verstanden. Die ›Handwerker‹ sind in diesem Falle die Schülerinnen und Schüler der Theaterklassen VII und VIII. Die ›Arbeit‹ der Schülerinnen und Schüler der Klasse VIII besteht darin, eine Choreografie für ihre Abschlussprüfung im Fach Tanzkomposition zu entwickeln und umzusetzen, während die Schülerinnen und Schüler der Klasse VII freiwillig eine Choreografie entwickeln dürfen, um z. B. für ihre Abschlussprüfung in einem Jahr zu üben und/oder sich choreografisch auszudrücken. Als ›Arbeitsraum‹ nutzen sie die Ballettsäle des Ballettzentrums Hamburg John Neumeier, in denen sie täglich unterrichtet werden und trainieren. Die Abschlussarbeit besteht aus der Entwicklung und Aufführung einer eigenen Choreografie. Die dafür benötigten ›Geräte‹ sind Musik, Kostüme, Requisiten, Licht und natürlich Tänzerinnen und Tänzer, also die Schülerinnen und Schüler aus den Klassen VII und VIII. In Kombination mit dem Begriff »Kreativität«, der die individuelle »schöpferische Kraft« (Duden) bezeichnet, bedeutet »Werkstatt«, dass die Schülerinnen und Schüler in ihrem ›Arbeitsraum‹ neue Choreografien entwickeln.
Impression aus der »Werkstatt der Kreativität« im letzten Jahr (c) Silvano Ballone
Die Ergebnisse dieses schöpferischen Prozesses werden in diesem Jahr als »Werkstatt der Kreativität XI« im Ernst Deutsch Theater präsentiert. Dafür haben die Theaterklässlerinnen und Theaterklässler seit Schuljahresbeginn im August intensive Vorbereitungen getroffen, die mit der Planung der Choreografien begonnen haben. Sie haben verschriftlicht, welche ›Geräte‹ sie während ihrer ›Arbeit‹ in ihrem ›Arbeitsraum‹ wie einsetzen: Welche Musik haben sie ausgewählt? Welche Mitschülerinnen und Mitschüler tanzen ihre Choreografie? Welche Kostüme und Requisiten werden wie verwendet, um die Aussage ihres Tanzes zu unterstützen? Es fanden intensive Proben statt; in dieser Zeit stand das ein oder andere Mal »Proben für Kompo« im Stundenplan.
Impression aus der »Werkstatt der Kreativität« im letzten Jahr (c) Silvano Ballone
Anhand der näheren Informationen zu ihren ›Geräten‹ wurde das Programm für die Abschlussprüfung zusammengestellt. Nach der Prüfung waren alle sehr zufrieden und haben sich über einen gelungenen Prüfungsabend gefreut. John Neumeier hat, nachdem er an diesem Abend alle Choreografien gesehen hatte, das Programm für das Ernst Deutsch Theater zusammengestellt. Die Zuschauer erwartet ein bunter Mix: Von Pas de deux über Pas de quatre bis hin zu Choreografien mit bis zu siebzehn Tänzern. Von Stücken mit drei Minuten Länge bis hin zu zehnminütigen Tänzen. Von klassischer Musik bis hin zu Musik mit Gesang, von Ludovico Einaudi über Avicii bis hin zu Pink Floyd und Sequenzen ganz ohne Musik.
Viel Spaß beim Zuschauen im Ernst Deutsch Theater!
Marlena Patyna
Einen kleinen Rückblick und Vorgeschmack auf die
nächste »Werkstatt der Kreativität« findet ihr hier:
In unserer Reihe »Das Hamburg Ballett in Zahlen« veröffentlichen wir regelmäßig interessante Zahlen und Fakten rund um das Hamburg Ballett. Was verbirgt sich wohl hinter der heutigen Zahl?
Gustav Mahlers Werke faszinieren Choreografinnen und
Choreografen seit Jahrzehnten. Die Poesie seiner Sinfonien und Lieder verlangt geradezu
nach Gesten und Bewegungen. Auch für John Neumeier ist die Musik des
österreichischen Komponisten eine große Inspiration. Insgesamt 15 Ballette zu
Musik von Gustav Mahler hat er bis heute kreiert. Das ist eine ganze Menge!
Aber warum eigentlich Mahler?
»Vielleicht ist es die Gegensätzlichkeit, die mich an der Musik Mahlers reizt. Dieses Prinzip scheint mit ähnlich dem Grundprinzip des Tanzes. Mahler führt uns mit seiner Musik in Bereiche, die uns im tiefsten Inneren bekannt sind. Er verführt uns manchmal zuerst durch Trivialitäten (Walzer, Ländler usw.), die wir mögen, aber er benutzt sie wie Brücken, um auf eine metaphysische Ebene zu gelangen. Das ist es, was mich an Mahler fasziniert«, so John Neumeier.
Aufzeichnungen nach einem Gespräch, abgedruckt im Programmheft zu »Dritte Sinfonie von Gustav Mahler«
John Neumeiers Begeisterung für die Musik von Mahler begann 1965, als der Choreograf Kenneth McMillan mit dem Stuttgart Ballett »Das Lied von der Erde« kreierte. John Neumeier war damals noch Tänzer in Stuttgart, er tanzte in der Gruppe und wusste: Mahler ist meiner!
Wirklich los mit Mahler ging es 1974 mit einem Pas de Trois auf den vierten Satz aus der »Dritten Sinfonie«, als Erinnerung an John Cranko in Stuttgart. Nur ein Jahr später, John Neumeier war bereits Direktor in Hamburg, feierte seine Choreografie zur ganzen »Dritten Sinfonie von Gustav Mahler« Uraufführung. Mit der »Dritten Sinfonie« schuf John Neumeier eine neue Form des abendfüllenden Balletts, das sinfonische Ballett. Ein sinfonisches Ballett orientiert sich an einem Orchesterwerk und erzählt keine Geschichte; es sind Bewegungen zur Musik, die im Vordergrund stehen; John Neumeiers Gedanken, Emotionen und Assoziationen beim Hören der Musik von Mahler fließt in diese Kreationen mit ein.
Fast alle Sinfonien wurden von John Neumeier choreografiert, die 1., 3., 4., 5., 6., 7., 9. und 10, um genau zu sein. Immer wieder werden die vergleichsweise kurzen sinfonischen Ballette mit anderen Werken aus seinem Oeuvre kombiniert. Zum Beispiel »All Our Yesterdays«: John Neumeiers »Soldatenlieder (Des Knaben Wunderhorn)«, ebenso zu Musik von Mahler, trifft auf die »Fünfte Sinfonie.«
Dieser Ballettabend ist etwas Besonderes: Er wurde angeregt durch die schönen, hellen Räume des neuen Ballettzentrums, in welches das Hamburg Ballett und die angegliederte Ballettschule 1989 eingezogen sind. Die durchaus sehr anspruchsvolle Kreation war John Neumeiers Geschenk an seine Compagnie zur Einweihung. Immer wieder bestätigt sich, dass gerade die »Fünfte Sinfonie« ein Stück ist, das die Qualität und Kompetenz des gesamten Ensembles zum Strahlen bringt. Und gerade deshalb sollte man sich den Ballettabend »All Our Yesterdays« nicht entgehen lassen. Ein weiterer Grund ist das wunderbare Zusammenspiel von Musik und Tanz, Tanz und Musik. Dieser Eindruck wird zusätzlich verstärkt durch die beiden Sängerinnen und Sänger, die in »Soldatenlieder (Des Knaben Wunderhorn)« gemeinsam mit den Tänzerinnen und Tänzern auf der Bühne stehen und eine Auswahl an Mahlers Liedern aus der Volksliedsammlung »Des Knaben Wunderhorn« zum Klingen bringen. Der Abend ist poetisch und lyrisch, mal melancholisch und traurig, mal humorvoll, optimistisch und hoffnungsvoll. Und vor allem: Ein tänzerischer und musikalischer Hochgenuss!
Bella Italia! Ulrike Schmidt, Betriebsdirektorin des Hamburg Ballett und Stellvertreterin des Ballettintendanten John Neumeier, begleitet derzeit zusammen mit Reiseleiter Richard Eckstein eine von Studiosus veranstaltete Kulturreise für Abonnenten und Freunde der Hamburgischen Staatsoper. Für unseren Blog schickt sie sonnige Grüße aus dem schönen Italien und gewährt Einblicke in das spannende Reiseprogramm.
Buongiorno
San Carlo!
Das Spannende an Neapel ist, dass es vom Altertum über Mittelalter bis hin zu Renaissance und Barock alle Zeitalter zu bewundern gibt. Die Dynastien in Neapel waren u.a. die Normannen, Stauffer und Anjous. Mit Alexander dem Sechsten erhielt Spanien die Vorherrschaft in Europa und bis zum Jahr 1707 wurde Neapel von Vizekönigen aus Spanien regiert. Danach kamen für 30 Jahre die Österreicher, 1734 folgte der bourbonische König Karl III., der u.a. das Teatro San Carlo erbauen ließ.
Über
700 Kirchen sind in Neapel zu finden. Der Dom geht auf Carl von Anjou zurück.
Unsere Gruppe fand eine sehr schöne Basilika im Dom – also eine Kirche in einer
Kirche! Die Neapolitaner sind immer noch sehr gläubig (und abergläubisch)!
Neapel ist mit unterirdischen Gängen, also Katakomben, ausgestattet, die Teile der Altstadt durchziehen. Die Stadt steht derzeit unter großem Wandel, das zeigt sich u.a. an der großen Bautätigkeit. Teile der Altstadt sind bereits erneuert worden, andere Teile noch nicht. In der Altstadt besichtigen wir u.a. die Spaccanapoli, die sogenannte Krippenstraße, in der viele Geschäfte mit handgefertigten Krippenfiguren zu finden sind.
Im
Kloster Santa Chiara, das mit wunderschönen Majolika aus dem 18. Jahrhundert im
Kreuzgang ausgestattet ist, beenden wir unseren Rundgang und essen eine
neapolitanische Pizza – der Teig ist dicker und weicher als wir es aus
Deutschland kennen, einfach köstlich!
Dann folgt die Besichtigung des wunderschönen Teatro San Carlo. Ein Logentheater mit 184 Logen, sechs Rängen und 1400 Plätzen. Es stammt aus dem Jahr 1737 und wurde von den Architekten Giovanni Antonio Medrano und Angelo Carasale konzipiert und errichtet. 1816 brannte das Opernhaus aus, wurde aber sehr schnell wieder aufgebaut. Ricardo Muti hat im letzten Jahr die Akustik geprüft und ganze drei Stunden lang einen Ton spielen lassen, den er von verschiedenen Plätzen im Zuschauerraum aus erkundet hat. Am Ende hat er gesagt, dass dieses Theater nicht nur das Schönste, sondern auch das mit der besten Akustik sei! Viele Komponisten haben hier gewirkt, u.a. Cimarosa, Scarlatti, Donizetti und Verdi. Das Teatro di San Carlo in Neapel ist das älteste Opernhaus der Welt und wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Da ich
gesehen habe, dass Alessandro De Marchi, ein Dirigent, der bei uns in Hamburg
u.a. das »Weihnachtsoratorium« und die Ballett-Oper »Orphée et Eurydice«
dirigiert hat, im Teatro San Carlo Rossinis Oper »Ermione« probt, hatten wir
nachmittags die Gelegenheit in die Probe zu gehen. So trafen wir auch auf
unsere Eurydice aus Baden-Baden Arianna Venditelli – die Welt ist klein!
Am
Abend genießen wir in San Carlo den von dem Ballett wunderbar getanzten »Sommernachtstraum«
in der Choreografie von Paul Chalmer. Wir sitzen sehr fürstlich in der Royal
Box und da entdecke ich einen ehemaligen Schüler aus unserer Ballettschule:
Nicola del Freo, der an diesem Abend als Gast den Oberon tanzte!
Ein
Ausflug nach Caserta und dem Museum Capodimonete mit einer herrlichen
Kunstsammlung sowie am letzten Tag eine Besichtigung des Herculaneum
komplettierten eine unglaublich schöne Reise. Bereits auf dem Weg zum Flughafen
sind wir dem Vesuv sehr nahegekommen und haben erfahren, dass die Gegend rund
um den Ercolano früher eine sehr begehrte Wohngegend war. Der europäische
Hochadel hatte sich hier in vielen Villen angesiedelt, zugleich war diese Gegend
auch ein Weinanbaugebiet. Der bis zu 3000 Meter hohe Vesuv war früher
einkegelig und ist 79 nach Christus ausgebrochen. Er hat das schlimme Erdbeben
1980 erlebt.
Die
beeindruckende Ausgrabungsstätte Herculaneum beherbergt das erste griechische
Theater, welches gegen Ende des 18. Jahrhunderts wiederentdeckt worden ist. Wir
sehen wunderschöne Mosaiken, Atriumhäuser und Badetempel, Kantinen… es gab
sogar einen Weinhandel und Graffiti!
Wir sind unserer exzellenten Reiseführerin Esther nicht nur für ihre Restaurant-Tipps, sondern auch für die Organisation sehr dankbar. Danken müssen wir auch unserem Reiseleiter Richard Eckstein für seine Ideen und die perfekte Reiseplanung. Das Wetter war unbeschreiblich schön und so verlängerten wir den Sommer um ganze 5 Tage!
Leider sind wir am Abend am Frankfurter Flughafen
hängengeblieben, doch die tollen Mitreisenden haben es mit viel Humor genommen,
auch dass wir erst am nächsten Morgen in Hamburg angekommen sind.
Bella Italia! Ulrike Schmidt, Betriebsdirektorin des Hamburg Ballett und Stellvertreterin des Ballettintendanten John Neumeier, begleitet derzeit zusammen mit Reiseleiter Richard Eckstein eine von Studiosus veranstaltete Kulturreise für Abonnenten und Freunde der Hamburgischen Staatsoper. Für unseren Blog schickt sie sonnige Grüße aus dem schönen Italien und gewährt Einblicke in das spannende Reiseprogramm.
Tag 1: Buongiorno Napoli! Vom regnerischen Hamburg über das gräuliche München bis hin ins sonnige Neapel – das war unsere Reiseroute. In München ist auch unser Reiseleiter Richard Eckstein dazugestoßen. Im Flugzeug wurde unsere Gruppe sogar aufs Herzlichste begrüßt.
Nach dem Flug freuten wir uns alle auf das erste Programm-Highlight: Eine Stadtrundfahrt mit unserer lokalen Reiseführerin Esther Kohl. Neapel ist die »ungrünste« Stadt in Europa, es gibt sehr viele enge Gassen, durch die wir gehen. Die Stadt selbst ist in starkem Umbruch. Im 8. Jahrhundert vor Christus von den Griechen gegründet – sie landeten zunächst auf Ischia – hat die Stadt Neapel eine bewegende Geschichte hinter sich. Die erste staatliche Universität wurde durch Federico Secondo gegründet. Er schuf auch den imposanten, dem Vesuv gegenüberliegenden Königspalast! Genau dort bringt uns unser Busfahrer Luigi hin und wir genießen unseren ersten Cappuccino im traditionellen Café Gambrinus an der Piazza gegenüber dem berühmten Teatro San Carlo.
Bei der anschließenden Besichtigung des Archäologischen Nationalmuseums entdecken wir viele Schätze und staunen über Mosaike, die wir alle so noch nie gesehen haben – mit den kleinsten Steinen sind unfassbare Kunstwerke kreiert worden. Wir werfen auch einen Blick auf das »cabinetto secreto«, ein Geheimes Kabinett mit Fundstücken aus der römischen Antike, die allesamt erotische Motive darstellen. Wir wissen jetzt auch, wie man in Neapel den sogenannten »bösen Blick« abwendet: Viele Neapolitaner schützen sich vor ihm mit einem roten Hörnchen, dem »corno«. Dieser hängt meist über Haustüren, so kann der böse Blick nicht ins eigene Haus eindringen.
Nach
dieser spannenden und sehr wissensreichen Führung durch das Nationalmuseum
beziehen wir unser schönes und modernes Hotel im alten Palazzo. Den Tag lassen
wir mit einem gemeinsamen neapolitanischen Abendessen im Hotel ausklingen.
Tag 2: Buongiorno Capri, bella Italia! Nach einem fantastischen Frühstück geht es für uns auf die Fähre, die uns in einer Dreiviertelstunde nach Capri fährt! Im Hafen von Capri steigen wir für eine Inselumfahrung auf ein kleineres Boot um. Die Sonne strahlt und wir erleben spektakuläre Blicke auf die Insel und in die Grotten. Dann erkundigen wir die Orte Annacapri und Capri.
In der Spätantike war Capri das Zentrum der Welt, danach verfiel es. Erst mit der Entdeckung der blauen Grotte erwachte die Insel wieder zum Leben! Mit dem Besuch der Villa von Axel Munthe, einem schwedischen Arzt, Autor und Bariton, tauchen wir ein ins mondäne Inselleben. Er hat einen Bestseller über die Villa San Michele geschrieben, die Ende des 18. Jahrhunderts gebaut wurde. Heute ist die Villa im Besitz des schwedischen Staates. Wir sind beeindruckt von den Ausblicken und dem prächtigen Garten inklusive Kapelle. Während eines Mittagessens kann ich den anderen die freudige Nachricht aus Hamburg verkünden: Kevin Haigen, der Künstlerische Leiter des Bundesjugendballett, erhält den Theaterpreis Hamburg Rolf Mares in der Kategorie herausragende Inszenierung. Sein Tanztheater »Bundesjugendballett trifft Shakespeare« überzeugte die Jury – die Mitreisenden gratulieren ihm alle herzlich!
Trotz
der vielen Touristen lohnt sich ein Bummel durch die Gassen Capris; wir haben
Mitbringsel eingekauft und den besten Limoncello getrunken. Leider müssen wir
am Ende des Tages Capri wieder verlassen, aber ich bin mir sicher, dass wir
bald wiederkommen werden…
… Und das werden wir, dieses Mal mit der gesamten Compagnie des Hamburg Ballett! Es geht zwar nicht nach Capri, stattdessen aber ins schöne Venedig: Im Februar 2020 gastieren wir im Teatro La Fenice und werden John Neumeiers Ballett »Duse« zeigen. Darauf freuen wir uns schon sehr!
Zu
Beginn des ersten abendfüllenden Balletts von John Neumeier zur Musik von
Ludwig van Beethoven steht ein Flügel auf der Bühne. Davor – mittendrin und als
Teil der Choreographie – sitzt Pianist Michal Bialk. Er interpretiert zunächst
solo die »Eroica-Variationen«,
fusioniert dann mit zwei Streichern zum »Geistertrio«
und lässt den Flügel mit dem 2. Satz der
Klaviersonate in D-Dur op. 10 Nr 3 ausklingen.
Seit der Uraufführung im Juni 2018 in Hamburg ist Michal Bialk Teil des »Beethoven-Projekt«, hat die Compagnie im März 2019 nach Hongkong begleitet und war auch beim saisoneröffnenden Gastspiel im Festspielhaus Baden-Baden dabei. Für unseren Blog hat er mir drei Fragen beantwortet.
Warum und seit wann ist
das Klavier dein Instrument und wie stehst du zu Beethovens Musik?
Michal Bialk: Es ist ein tolles
Instrument und die Literatur für das Klavier grandios. Natürlich gibt es viele
fantastische Instrumente, aber die Komponisten mehrerer Jahrhunderte haben sich
große Mühe gegeben, damit ich auf diesem
gut zu tun habe. Kurz gesagt: Ich liebe das Klavier sowie die geniale Musik,
die dafür geschrieben wurde und möchte sie spielen! Das habe ich eigentlich
erst als Teenager gespürt – ohne dass Eltern, Großeltern oder Freunde ihre
Finger im Spiel hatten.
Würde
man Musiker generell – aber vor allem Pianisten – fragen, was das Universellste
in der gestandenen alten, traditionsreichen Musik seit der Barockzeit ist, das
alle möglichen Emotionen des 21. Jahrhunderts wiederspiegelt, dann wäre die
Antwort »Beethoven«.
Er ist sehr modern! Ich denke, wenn wir seine Musik spielen, dann spielen wir sie heute. Das ist das ›Coole‹ an Beethoven.
Wie hast du die Kreation des »Beethoven-Projekt« erlebt?
Es
war die erste Kreation, in die ich intensiv eingebunden war und daher sehr
spannend. Es ist unfassbar interessant mit John zu arbeiten und im Studio zu sehen,
wie Ballett zu Musik entsteht. Ich durfte in eine eigene Welt eintauchen!
Als besonders habe ich die Interaktion zwischen John und seinen Tänzern erlebt. Nicht in der Beziehung Choreograf/Ballettdirektor mit seiner Compagnie/Solisten, sondern als Charaktere, die so sind, wie sie sind. Dazu kam Beethovens Musik, die so ist, wie sie ist und nicht angepasst werden sollte. Die ehrliche Arbeit mit der Musik bleibt unvergesslich.
Wie ist es mit dem Hamburg Ballett auf Tour zu sein?
Es
ist sehr schön, kreativ und immer als Prozess zu sehen: Für Hongkong wurde die
Hamburg-Fassung von John ein wenig geändert. Das war auch für meinen Teil spürbar.
Zuletzt in Baden-Baden gab es wieder zwei kleine Änderungen, die auch mich
betreffen.
Deren
Ursprung liegt in den unterschiedlichen Bühnen. Es geht um die Dimensionen und die
Position des Flügels. Das beeinflusst ganz stark die Akustik des Instruments.
Dementsprechend muss der Flügel auf jeder Bühne individuell platziert werden,
damit die Kraft und Botschaft, die in den Variationen liegt, im Zuschauerraum
auch Johns Vorstellung entsprechend ankommt.
Es wird nie langweilig, ist ein Work-in-Progress und einfach ›super toll‹!
Petra Müller ist Spielleiterin an der Hamburgischen Staatsoper. Zwischen den Endproben und der ersten Vorstellung im Festspielhaus Baden-Baden erzählt sie mir von ihrem Job, von der Probenarbeit zu »Orphée et Eurydice« und den Besonderheiten einer Ballett-Oper.
Sie sind die guten Geister
des Repertoires. An Opernhäusern und Theatern sorgen die Spielleiter dafür,
dass die Stücke immer lebendig bleiben, auch wenn sie schon seit vielen Jahren
auf dem Spielplan stehen. Petra Müller ist seit 20 Jahren an der Hamburgischen
Staatsoper angestellt und hat schon viele Generationen von Sängern in die
Ideenwelt diverser Inszenierungen eingearbeitet. Unter anderem ist sie bei der
Einstudierung der Ballett-Oper »Orphée et Eurydice« beteiligt, inszeniert und
choreografiert von John Neumeier. Die Produktion feierte im Jahr 2017
Uraufführung in Chicago, wurde anschließend in Los Angeles gezeigt. Beide Male
hat das Joffrey Ballet die tänzerischen Parts übernommen. Im Februar 2019
folgte die Hamburg-Premiere unter Beteiligung des Hamburg Ballett. »Sobald die
Proben in Hamburg begonnen haben, war ich als Spielleiterin voll im Einsatz,
als Assistentin begleite und unterstütze ich den Regisseur«. Eine Inszenierung,
die Petra von Anfang begleitet hat, betreut sie in der Regel auch später. Und
so sehen wir sie bei der Vorstellungsserie in Baden-Baden wieder.
An jeder Neueinstudierung an der Hamburgischen Staatsoper sind ein, manchmal auch zwei Spielleiter beteiligt. Diese sind dann für die an der Produktion beteiligten Sänger verantwortlich, aber auch für die Statisten und den Chor, wenn dieser eine Szene auf der Bühne hat. Als Spielleiterin bei »Orphée et Eurydice« ist Petra für insgesamt drei Sänger zuständig. Von Anfang an ist sie in die Ideen des Regisseurs John Neumeier involviert. Während der Proben schreibt sie alles auf – ähnlich wie es bei einer Ballettproduktion der Choreologe macht. Im sogenannten Regiebuch sind alle Anweisungen der Regie vermerkt. Das Regiebuch ist ein Klavierauszug, in dem zwischen zwei Notenseiten immer eine leere Blankoseite eingeklebt wird, auf der die Spielleiterin wichtige Gedanken des Regisseurs, Auf- und Abgänge der Sänger, Blickrichtungen, technische Ereignisse und vieles mehr festhält. »Ich notiere mir auch, welche Kostüme die Sänger anhaben oder ob sie mit speziellen Requisiten spielen«.
Wichtig ist, dass man genau erkennen kann, wie die Inszenierung abläuft, sodass man sie später eigenständig einstudieren kann. »In der Oper ist es üblich, dass ein Regisseur nach der Premiere seine Arbeit beendet«, erklärt mir Petra. »Dann sind wir als Spielleiter gefragt, wir können dank unserer Regiebücher ein Stück selbstständig über viele Jahre hinweg immer wieder aufnehmen. Wir allein sind dafür verantwortlich die Ideen des Regisseurs weiterzugeben und die gesamte Umsetzung so gut wie möglich zu erhalten«. Das erklärt auch die Bezeichnung Spielleiter, die an vielen Opernhäusern geläufig ist. Bei einer neuen Besetzung kann ein Spielleiter mithilfe des Regiebuchs die neuen Sänger präzise einarbeiten. »Jeder Sänger arbeitet anders. Bei einer Operninszenierung darf es kleinere Änderungen geben, ein Sänger macht vielleicht noch einen Schritt, bevor seine Phrase beginnt. Das geht natürlich bei einer Ballett-Oper nicht. Die Sänger, die sich zwischen den Tänzern bewegen, müssen alles minutiös richtig machen, sozusagen auf der richtigen Zählzeit. Alles muss miteinander passieren. Bei Orphée ist alles sehr viel präziser vom Timing als es in einer Oper wäre. Das macht es aber auch so faszinierend!«.
Schwieriger wird es immer,
wenn ein Sänger bei einer Oper kurzfristig einspringt. Dann muss ein
Spielleiter eine Art Gastfassung erstellen. Der Sänger braucht die wesentlichen
Informationen, aber nicht zu viele. »Das muss alles sehr schnell gehen. Der »Einspringer«
kommt ja meist ein paar Stunden vor Beginn der Vorstellung angereist. Mit der
Kurzfassung müssen wir es schaffen, diesen Sänger in die Produktion zu bringen.
Wir geben ihm eine Art Stichwortzettel in die Hand, in der das Wichtigste
draufsteht. Geh nach links, nimm das Buch in die Hand, bleibe in der Mitte
stehen. Ich bin in solchen Momenten dann hinter der Bühne. Zwischen seinen
Auftritten gehen wir die nächsten Regieanweisungen durch. Szene für Szene.« Im
Notfall springt die Spielleiterin selbst ein. Dies ist bei »Orphée et Eurydice«
zum Glück nicht der Fall. Dennoch schaut Petra lieber von der Seitenbühne auf
die Inszenierung. Für die Auftritte der Sänger ist dann aber der Inspizient
verantwortlich.
Bei der Ballett-Oper »Orphée
et Eurydice« ist alles etwas anders, denn hier gibt es einen Regisseur, der
nach der Premiere nicht geht, sondern jede weitere Vorstellungsserie leitet. Änderungen,
auch nach der Premiere, sind immer möglich. So auch in Baden-Baden: »John
Neumeier ist sehr kreativ und entwickelt seine Stücke immer weiter. So bleiben
seine Stücke lebendig. Das ist anders als bei einer Oper, die meist nach der
Premiere fertig ist. Es ist eher selten, dass ein Opernregisseur noch einmal
wiederkommt und nachträglich neue Anweisungen gibt«, so Petra. In Baden-Baden
herrscht schon immer eine kreative Atmosphäre für John Neumeier. Viele seiner
Ballette verändern sich bei den Proben auf der großen Bühne des
Festspielhauses. Das kann Lichteinstellungen betreffen, aber auch die
Choreografie oder – wie im Fall der Ballett-Oper – die Inszenierung. Nur einen
Tag vor der Baden-Baden Premiere von »Orphée et Eurydice« gibt es eine
wesentliche Änderung, die vor allem die Sänger betrifft. Für Petra ist dies
keine stressige Situation, sondern etwas sehr Erfreuliches: »Ich bin total
begeistert, John Neumeier hat immer sehr gute Ideen; das was er sieht und
verändert, ist wunderbar. Der zusätzliche Schlussauftritt von Eurydice ist wirklich
eine Steigerung gegenüber der letzten Vorstellungsserie«! Und was genau hat er
verändert? »Ganz am Ende des Stücks kommt Eurydice noch einmal auf die Bühne,
quasi wie eine Erscheinung. Orphée geht für das Schlussbild mit ihrem Schleier
nach vorne raus und er hat das Gefühl, dass sie da ist, dass sie bei ihm ist.
Wenn der Vorhang fällt, sehen wir alle drei Sänger auf der Bühne: Orphée,
Eurydice und Amor. Ein berührendes Schlussbild!«
Für Petra geht mit der Arbeit an der Ballett-Oper »Orphée et Eurydice« ein Wunsch in Erfüllung. Bevor sie als Spielleiterin nach Hamburg ging, war sie mit nur 18 Jahren und noch vor dem Studium als Regieassistentin am Theater in Altenburg angestellt. »Das Theater bot Oper, Operette und Ballett an. Ich war meistens beim Ballett, da die Operette für mich als 18-jährige noch nicht so interessant war. Die Tänzer waren alle jung, in meinem Alter und so fand man mich immer wieder in einer Ballettprobe«. Mit »Orphée et Eurydice« schließt sich nun der Kreis. »Als Regieassistentin habe ich praktisch das gemacht, was ich jetzt auch in Hamburg mache. Durch die Ballettproduktionen, die ich damals am Theater Altenburg betreut habe, kenne ich mich im Ballett ein wenig aus. Ich weiß beispielsweise, was eine Arabeske ist oder eine Pirouette. Eine Sache habe ich vorher tatsächlich noch nie gemacht: Für »Orphée« suche ich die Spitzenschuhe für die Sängerin der Eurydice aus. Eine sehr exotische Aufgabe!«. Ohnehin übernimmt Petra auf dieser Tournee auch andere, neue Aufgaben, die sie als Spielleiterin in Hamburg sonst nicht machen würde: »Ich bin hier in Baden-Baden quasi für alles zuständig, wo die Musik live ist. Wenn zum Beispiel der Chor Chormappen braucht, dann kümmere ich mich darum. In Hamburg wäre es Aufgabe des Orchesterwarts. Ich übernehme hier gerne diese anderen Aufgaben, ich arbeite gerne so!«.
Die Begeisterung für ihren Beruf ist spürbar. Trotz kurzfristiger Änderungen, die jederzeit möglich sind und immer wieder neuen Herausforderungen, findet sie die Arbeit an der Staatsoper absolut erfüllend. »Die Arbeit an der Ballett-Oper ist nicht nur für mich, sondern auch für die Künstler etwas ganz Besonderes«, fügt sie noch hinzu. »Ich merke, wie zwei Künstlergruppen hier aufeinandertreffen und sich gegenseitig beflügeln. Die Sänger sind fasziniert von der Tänzerwelt, von dieser Präzision und Hingabe. Auch die Tänzer blicken fasziniert auf die Sänger, wenn sie ihre Stimme hören. Dieses gemeinsame Projekt ist ein einmaliges Erlebnis für alle Beteiligten!«
In knapp zwei Stunden
beginnt die erste Vorstellung von »Orphée«. Petra möchte nachsehen, ob die
Sänger schon da sind und ob sie etwas brauchen. Bevor sie geht, hat sie noch
eine letzte Anekdote für mich: »Bei einer Probe hier in Baden-Baden hat der
Sänger, der Orphée verkörpert, bei der Furienszene aufgehört zu singen, weil er
die Harfe nicht richtig hören konnte. Die Tänzer, als Furien, haben die Melodie
einfach weiter gesungen.« Das ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie Tänzer
und Sänger im Laufe der Zeit zusammengewachsen sind!