Zurück zur Startseite

BallettTester*innen »The Times Are Racing«

Als BallettTester*innen durften Lale, Franziska und Sehri unsere Ballettpremiere bereits in der Hauptprobe erleben. Hier erzählen sie von ihren Erlebnissen und Eindrücken.

Der Ballettabend beginnt mit »Adagio« von Pina Bausch. Ohne Bühnenbild, ohne Requisiten und ohne eindeutige Handlung. Dafür mit wehenden Haaren und – einem Stuhl. Im Fokus scheinen stattdessen die Beziehungen zu stehen, die sich auf der Bühne vor unseren Augen entfalten. Und obwohl es keine klare Handlung gibt, vermittelt das Stück eine unglaubliche Emotionalität. Dadurch, dass keine Geschichte vorgegeben wird, konnte ich mich selbst in dem, was auf der Bühne passiert, wiederfinden. Beziehungen sind ja schließlich etwas, das wir alle erleben. Wir alle erleben Nähe, Distanz, Versuchung, Trauer – all das konnte ich auf der Bühne wiederfinden. Für mich war das das Schöne an dem Stück: Irgendwie versteht man es. Man versteht es eben im Kontext seines eigenen Lebens, seiner eigenen Erfahrungen. Man versteht es vermutlich anders als seine Sitznachbar*innen, aber man versteht es.

Ebenfalls reduziert, aber doch ganz anders wirkt das zweite Stück von Hans van Manen. In »Variations for Two Couples« scheinen zwei Paare tänzerisch miteinander zu wetteifern – kraftvoll, ausdrucksstark und poetisch zugleich. Die Tänzer*innen tragen schlichte Balletttrikots als Kostüme, auch hier gibt es kein Bühnenbild. Stattdessen stehen die Bewegungssprache und die Körper im Vordergrund, durch die die Tänzer*innen so viel zu vermitteln vermögen. Hier war ich vor allem beeindruckt von dem puren tänzerischen Können, das so völlig ohne Ablenkung durch Kostüme oder Bühnenbild präsentiert wurde.

Jack Bruce und Alessandro Frola in Demis Volpis »The thing with feathers«, Foto (c) Kiran West

»The thing with feathers« ist das dritte Stück, dessen Name eine Anspielung auf das Gedicht von Emily Dickinson ist, in dem sie die Hoffnung mit einem Vogel vergleicht. Genau wie das Gedicht hat mich auch das Stück von Demis Volpi sehr gerührt. Das Stück sah für mich aus, wie sich das Gedicht anfühlt: voller Schwere, Wissen und Hoffnung. In dem Stück kommt es immer wieder vor, dass die Tänzer*innen sich in die Arme fallen. Dabei kam mir der Gedanke an eine spezifische Komponente von Hoffnung: andere Menschen. „Die Hölle, das sind die Anderen“, wusste Sartre – die Hoffnung aber eben auch. Für mich war dieses Stück ein Zeugnis davon, dass wir füreinander die größte Quelle von Hoffnung sind. Davon, dass wir uns trotz aller Schwierigkeiten gegenseitig haben und halten können, uns auffangen und stützen, so wie die Tänzer*innen auf der Bühne.

Meine Melancholie wurde dann durch das letzte Stück von Justin Peck gebrochen. Das Stück »The Times Are Racing« ist so mitreißend wie unkonventionell. In Sneakers und Straßenkleidung, mit Elementen von Stepptanz und Breakdance, nehmen uns die Tänzer*innen mit auf eine Reise durch … was eigentlich? So ganz weiß ich es auch nicht, aber es fühlt sich wie eine Reise an. Auch hier ist wieder jede Menge Raum, seine eigenen Themen in dem zu finden, was auf der Bühne passiert. Ich konnte beim Zuschauen nicht mehr aufhören zu lächeln und wollte einfach nicht, dass es vorbei geht (was ich am Ende von so manchem dreistündigen Handlungsballett nicht behaupten kann). Ich habe den Zuschauerraum gerührt, euphorisiert und beeindruckt verlassen.

Dadurch, dass vier sehr unterschiedliche Stücke gezeigt wurden, war der Abend für mich ungewöhnlich kurzweilig. Es mag ein Problem meiner Generation sein, die sich durch Instagram und Co. ihre Aufmerksamkeitsspanne zerschossen hat, dass so ein Ballettabend oder ein Theaterstück zwischendurch seine Längen hat. Das war an diesem Abend zu keinem Zeitpunkt der Fall. Im Gegenteil, es hätte von mir aus noch ewig so weitergehen können!

Insgesamt werden also vier Stücke gezeigt, die in sehr unterschiedliche Richtungen gehen. Für mich ist dieser neue Ballettabend eine Demonstration dessen, was Tanz alles sein kann: Theater, sportliche Höchstleistung, poetisch und mitreißend zugleich.

Lale, 23 Jahre
Ensemble des Hamburg Ballett in Justin Pecks »The Times Are Racing«, Foto (c) Kiran West

Als Ballett-Neuling freute ich mich riesig über die Möglichkeit, bei der Hauptprobe von „The Times Are Racing“ dabei zu sein.

Anfangs beeindruckte mich die Anzahl aller Beteiligten. Von Tänzer*innen über Techniker*innen bis hin zum Orchester – es war faszinierend zu sehen, wie viele Menschen zusammenarbeiten, um solch einen Ballettabend zu ermöglichen. Umgeben von allen Mitwirkenden konnte ich dann ganz in die Proben eintauchen.

Mit vier unterschiedlichen Werken von Pina Bausch, Hans van Manen, Demis Volpi und Justin Peck war der Abend wahnsinnig beeindruckend. Ob Spitzenschuhe, Sneakers oder barfuß – die Werke verdeutlichten eindrucksvoll die Vielfalt und Ausdruckskraft der einzelnen Stücke und weckten unterschiedliche Gefühle.

Den krönenden Abschluss bildete Pecks modernes Werk »The Times Are Racing«. Die Energie und die Lebendigkeit hinterließen bei mir ein Gefühl voller Freude und Begeisterung. Mit genau diesem Gefühl erinnere ich mich an den großartigen Probenabend.

Der Ballettabend „The Times Are Racing“ ist definitiv ein Must-See … auch für Neulinge!

Franziska, 27 Jahre
Charlotte Kragh, Lennard Giesenberg, Lormaigne Bockmühl, Olivia Betteridge und Ensemble in Pina Bauschs »Adagio«, Foto (c) Kiran West

Vom Ballett in Sneakers bis hin zu einem wunderschönen Pas de Deux zwischen zwei Paaren, all das bietet uns der Ballettabend »The Times Are Racing«, den uns der neue Intendant des Hamburg Ballett in seiner ersten Spielzeit präsentiert. Doch bei diesem Ballettabend werden nicht nur Volpis eigene Stücke präsentiert, sondern auch drei andere sorgfältig ausgewählte Stücke von verschiedensten Choreograf*innen. Jedes Stück hatte einen eigenen Fokus und ein eigenes Thema, das wunderschön getanzt wurde. Genau das macht es auch so unmöglich zu sagen, welches Stück mir am besten gefallen hat; eins kann ich aber sagen: Jedes war unglaublich schön zu sehen.

Fangen wir bei Pina Bauschs »Adagio« an: Für mich hat sich »Adagio« sehr mit dem Übernatürlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt, da es teilweise so aussah, als würde der in der Mitte liegende Tänzer tot sein und nur zum Tanzen „aufwachen“. Vielleicht ist es aber auch gerade das, was das Stück so eindrucksvoll macht. Die Bühne war, abgesehen von einem Stuhl, vollkommen leer, aber trotzdem füllte der Tanz die ganze Bühne, sodass ein Bühnenbild fast schon überflüssig war.

Als Nächstes möchte ich gerne über »Variations for Two Couples« von Hans van Manen schreiben. Dieses Pas de Deux wurde von zwei Paaren getanzt und war wie eine Art Wettbewerb zwischen den beiden. Jedes Paar übertrumpfte das andere immer wieder mit noch beeindruckenderen Schritten, zwischen beiden Paaren lag eine Art Spannung in der Luft, ich war vom Pas de Deux völlig mitgerissen.

Madoka Sugai, Alexandr Trusch, Ida Praetorius und Matias Oberlin in »Variations for Two Couples« von Hans van Manen, Foto (c) Kiran West

Das vorletzte Stück war »The thing with feathers« von Demis Volpi. Auf dieses Stück war ich schon die ganze Zeit gespannt, weil es von Emily Dickinsons Gedicht »Hope is the thing with feathers« inspiriert ist, und ich das Gedicht sehr gerne mag. Um es kurz zu fassen: Dieses Stück hat mich keinesfalls enttäuscht! Es war wunderschön und befasste sich meiner Meinung nach mit der Hoffnung. Man sieht die Tänzer*innen als eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig in Liebe, Trauer und Freude unterstützen und es gemeinsam schaffen, aus der Trauer Hoffnung zu gewinnen.

Auch »The Times Are Racing« von Justin Peck befasst sich mit dem Thema Zusammenhalt, aber eher in dem Sinne, gemeinsam etwas zum Guten zu verändern. Die Kostüme waren für mich das Beste aus all den Stücken, weil sie die Botschaft der Choreografie stark unterstützt haben. Dieses Stück war alles andere als klassisch, aber so schön anzusehen und ein gelungener Abschluss für einen wunderbaren Ballettabend.

Sehri, 14 Jahre