Benedikt Stampa – der Festspielhaus-Intendant blickt auf das beginnende Gastspiel des Hamburg Ballett unter Corona-Bedingungen
Es ist das erste Gastspiel des Hamburg Ballett seit dem Lockdown. Das Programm musste angepasst werden: John Neumeiers vor wenigen Wochen uraufgeführtes Ballett »Ghost Light« ersetzt »Die Kameliendame«. In dichter Folge sind vier Vorstellungen und eine Ballett-Werkstatt angesetzt. Festspielhaus-Intendant Benedikt Stampa strahlt Zuversicht aus. Endlich öffnet sich das Haus wieder für seine Künstler – und sein Publikum.
Das Hamburg Ballett gestaltet zum zweiten Mal in Folge das Programm der Saisoneröffnung im Festspielhaus Baden-Baden. Hat dieser Umstand etwas mit der Künstlerpersönlichkeit von John Neumeier zu tun?
Benedikt Stampa: Auf jeden Fall. Als Intendant darf ich John noch einmal neu erleben, nach meiner Hamburger Zeit. Als Chef der Laeiszhalle habe ich die Ära Ingo Metzmacher erlebt. Schon da war John eine Konstante. Unser Kontakt blieb aber eher auf der gesellschaftlichen Ebene, etwa bei Empfängen oder Premierenfeiern. Das Wiedersehen mit ihm in Baden-Baden war daher schon spannend. Ich bin komplett geflasht!
Wann haben Sie zum ersten Mal in Ihrer Funktion als Festspielhaus-Intendant mit John Kontakt aufgenommen?
Als die Berufung nach Baden-Baden klar wurde, habe ich überlegt: Mit welchen der Künstler, die seit Jahren das Profil vom Festspielhaus geprägt haben, spreche ich zuerst? Und da war John ganz vorne mit auf der Shortlist.
Ich habe ihn dann in Hamburg getroffen, wir saßen zusammen im Italiener an der Dammtorstraße und haben uns quasi beschnuppert. Bei mir ist der Funke sofort übergesprungen. Zugleich habe ich gespürt: Da ist noch Platz und Raum für neue Dinge.
Das Festspielhaus erwacht gerade aus einer Art Dornröschenschlaf. Wie ist die Stimmung, auch unter Ihren Kollegen?
Auch wenn wir alle lange Routine in unserem Job haben, hat noch keiner eine so lange Durststrecke erlebt. Alle haben professionell reagiert. Selbstverständlich auch unsicher: Wie lange dauert das? Man hat sich in eine Rolle der Improvisation begeben, aber auch der neu auferlegten Flexibilität. Trotz aller Frustration haben wir uns die Zeit genommen, nach vorne zu schauen. Wir wollen die Zukunft selbst gestalten.
Wie wichtig sind Förderer, auch für das Gastspiel einer Ballettcompagnie wie das Hamburg Ballett?
Für unser Haus: existentiell. Hella und Klaus Janson sind seit Jahrzehnten dem Haus eng verbunden: als treue Stifter und Förderer, die regelmäßig zu den John Neumeier-Festspielen anreisen. Diese Art der Verzahnung von Festspielhaus und Hamburg Ballett ist über Jahrzehnte gewachsen. John Neumeier hat mit seiner Compagnie viel investiert. Man nimmt den Tänzerinnen und Tänzern einfach ab, dass Baden-Baden nicht nur eine beliebige Tournee-Station ist. Man spürt: Es ist Teil ihrer Identität.
Diese Art gewachsener Identifikation ist für unsere Aufführungen in Hamburg wesentlich dafür verantwortlich, dass auch in der Corona-Krise eine ungebrochene Ticket-Nachfrage besteht.
Das ist bei uns auch so. Wenn ich mir die Verkaufszahlen anschaue, liegt John an der Spitze. Das Besondere ist: Seine treue Fangemeinde verjüngt sich sogar.
Bei »Ghost Light« sind insgesamt 55 Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne. Wie schwer war es, für dieses künstlerische Programm ein Hygienekonzept genehmigt zu bekommen?
Wir haben viele Festivals und müssen für jedes einzelne ein eigenes Hygienekonzept erstellen: jetzt gerade für John Neumeier, im November kommt Thomas Hengelbrock mit seinem Ensemble, dann Cecilia Bartoli mit ihrer Opernproduktion. Die Diskussionen reichen von mobilen Test-Stationen, Quarantäne-Maßnahmen und Absprachen mit dem Ordnungsamt – bis hin zur Frage: Wer darf wann in die Kantine?
Ich sehe schon: Wir müssen wiederkommen. Haben Sie eine Vision, mit welchem Programm?
Ja! (lacht) Darüber spreche ich nachher mit John. Natürlich habe ich einen Plan fürs Festspielhaus, auch wenn sich durch Corona Verzögerungen ergeben. Kulturinstitutionen müssen sich verändern. Wir als Festspielhaus und auch unser Programm dürfen nicht austauschbar sein. Es geht um Bindungen zum Publikum und zu den Künstlern. In dieser Hinsicht ist John ein großes Vorbild, das belohnt wird: mit Ewigkeitswerten.
Jörn Rieckhoff