Zurück zur Startseite

David Fray – der renommierte Schubert-Interpret tritt erstmals mit dem Hamburg Ballett auf

Die Schubert-Einspielungen von David Fray haben John Neumeier zu seiner Musikauswahl für sein jüngstes Ballett »Ghost Light« angeregt. Nach zwei Probentagen im Ballettzentrum Hamburg betritt der in Fachkreisen hochgehandelte Pianist erstmals eine Ballettbühne und spielt im Festspielhaus Baden-Baden die Soloklaviermusik zu diesem »Ballett in Zeiten von Corona«. Beim Gespräch vor der Premiere wird sofort deutlich: Dieser Künstler sucht den Dialog, auch mit anderen Kunstformen, um dem Publikum einmalige und unverwechselbare Erlebnisse zu vermitteln.

Wann haben Sie zum ersten Mal von der Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit dem Hamburg Ballett gehört?

David Fray: Soll ich wirklich nachschauen? Das würde mich auch interessieren (lacht). Der Vorschlag kam ungefähr Ende Juni. Eine Ballett-Aufführung zu spielen, ist für uns Musiker interessant – und auch ein wenig unheimlich. Als Künstler glaube ich an die Kraft der Musik, an eine Kraft, die nichts Anderes benötigt. Etwas Visuelles zu begleiten, kann störend sein. Man könnte meinen, die Musik wäre nicht mehr die Hauptsache, reduziert auf eine Vorlage für Ballett.

Aber als die Anfrage von John Neumeier kam, hatte ich keine Bedenken. Ich kannte Johns Werke. Ich wusste: Alles, was er der Musik hinzufügt, würde dem Wesen dieser Musik sehr entsprechen. Auch die Tatsache, dass er einen Konzertpianisten fragte, war ein Zeichen dafür, dass er der Musik einen Eigenwert zuschrieb. Bei John konnte ich darauf vertrauen, dass Musik und Bewegungen eine tiefe Symbiose eingehen.

John Neumeier wurde von einer Ihrer Einspielungen angeregt, sein Ballett mit Musik von Franz Schubert zu kreieren. Kommt Ihnen das entgegen?

John hat Musik gewählt, die mir persönlich sehr am Herzen liegt. Zwar ist ein Großteil seiner Musik nicht zum Tanzen gedacht. Aber während der Arbeit mit John wurde mir neu bewusst, wie viele Aspekte trotzdem mit Tanz verbunden sind, auch jenseits seiner Deutschen Tänze und Walzer. Manchmal sind es nur unauffällige Anklänge, so wie hier im 1. Satz der G-Dur-Sonate (spielt einen Auszug mit tänzerisch punktiertem Rhythmus).

Ich fühle mich auch vom Ballett-Titel »Ghost Light« angesprochen. Schon lange vor diesem Projekt hatte ich das Gefühl: Schuberts Musik ist eine Musik von Geistern. Es ist die Musik eines Zwischenreichs: nicht von unserer Welt, nicht aus dem Jenseits.

Wie war Ihr Eindruck von den ersten Proben mit dem Hamburg Ballett? Zunächst haben Sie einen Durchlauf im Ballettsaal mit Ihrer Einspielung erlebt, erst danach Szene für Szene am Klavier begleitet.

Es war keine leichte Aufgabe. Einerseits muss man wie in einem Konzert spielen: projizieren, wie man selbst die Musik in diesem Augenblick empfindet. Andererseits ist genau das im Ballett unmöglich, denn ich muss immer in Verbindung bleiben mit dem, was die Choreografie vorgibt – auch wenn ich nicht in jedem Moment die Tänzer beobachte.

Johns Repertoire-Auswahl ist anspruchsvoll. Es ist ein Großteil der Schubert-Stücke, die ich jemals eingespielt habe. Das alles ohne Pause zu spielen, ohne dass Konzentration und Fokussierung nachlassen, ist sehr schwer. Es erfordert so viel Hingabe! Ich kann diese Werke nicht spielen, ohne innerlich beteiligt zu sein.

Was denken Sie: Wird es weitere Projekte mit Ihnen und dem Hamburg Ballett in der Zukunft geben?

Natürlich muss ich zunächst die Aufführungen abwarten. Aber es wäre interessant, »Ghost Light« auch in anderen Städten aufzuführen. Wenn unsere noch junge Zusammenarbeit sich weiter so positiv entwickelt, ist das eine Idee, die ich gerne unterstütze. Sicher werden sich Gespräche mit John anschließen und man wird sehen, ob gemeinsame Projekte entstehen. Diese Art der Begegnung mit großen Künstlern ist faszinierend. Oft bleibt es bei einem netten Abend, aber manchmal entsteht etwas wirklich Neues, das sehr weit trägt.

Jörn Rieckhoff