Mit Pfeil und Bogen – Madoka Sugai ist Sylvia
Am 5. September kehrt John Neumeiers Ballett »Sylvia« nach über 10 Jahren als neu einstudierte Wiederaufnahme zurück auf den Spielplan. Die Erste Solistin Madoka Sugai wird zum ersten Mal die Titelrolle tanzen. Für John Neumeier die »beste Sylvia aller Zeiten«.
Diesen Sonntag sehen wir dich zum ersten Mal in der Titelrolle bei der Wiederaufnahme von John Neumeiers »Sylvia«, einem Ballett mit langer Tradition. Die Rolle der Sylvia in John Neumeiers Version wurde von Monique Loudières in Paris kreiert und in weiteren Jahren in Hamburg von Heather Jurgensen und Silvia Azzoni maßgebend geprägt. Wie fühlt es sich an in ihre Fußstapfen zu treten?
Madoka Sugai: Ich habe wirklich Respekt vor allen Tänzerinnen, die die Rolle der Sylvia getanzt haben, sie sind wunderbar. Es ist so schade, dass ich sie nicht live erleben konnte. Aber ich habe mir die Interpretation von Silvia Azzoni ansehen können. Über unser Probenvideosystem, die Dancing Cloud, konnte ich mir Aufnahmen von ihr ansehen. Silvia Azzoni ist eine starke und beeindruckende Sylvia.
John Neumeiers »Sylvia« wurde sehr lange nicht mehr in Hamburg gezeigt, ganze zehn Jahre. Ich glaube, die Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen haben dieses Ballett noch nie getanzt. Es ist eine neue Generation, die zu sehen sein wird, und das ist gut. Ein kompletter Neuanfang!
Neulich hat mir John Neumeier einen tollen Rat gegeben, der simpel klingt, aber viel verändert. Er sagte mir, dass ich die Sylvia auf meine ganz eigene Art interpretieren und nicht die Interpretation von anderen Tänzerinnen als Maßstab nehmen soll. Natürlich ist da Johns Choreografie, seine Schritte, die ich befolgen muss. Aber Sylvia wird nur lebendig, wenn ich etwas von mir hineingebe. Gestern hatten wir eine Bühnenprobe in der Staatsoper und ich fühlte mich großartig. Noch ist es ein »work in progress« und ich arbeite daran, die Sylvia zu werden, die ich sein will. Ich will dem Publikum eine neue Sylvia zeigen und ich hoffe, dass mir das am Sonntag gelingen wird. Dass das Publikum meine Interpretation genießt und ich das gesamte Ensemble zusammenbringen kann, während ich die Sylvia tanze. Ich bin wirklich aufgeregt!
Wie bereitest du dich auf die technisch wie darstellerisch anspruchsvolle Titelrolle vor?
Mir geht es darum, Sylvia auf meine ganz eigene Art und Weise zu verkörpern. Ich genieße die Entwicklung meines Charakters, wie ich von Probe zu Probe immer mehr in die Rolle der Sylvia hineinwachse.
Ein anderer wichtiger Teil für mich ist die Musik. Ich liebe die Musik von Léo Delibes, die Partitur hat wunderschöne Melodien! Die Musik bringt mich immer wieder dazu, jede Art von Rolle zu tanzen. Ohne zu denken, bewegt sich mein Körper einfach nach der Musik, er hört der Musik zu. Manchmal überrascht es mich selbst, wie ich einfach loslassen kann und ich mich automatisch zur Musik bewege. Ich denke dabei nicht explizit an die Schritte oder zähle Takte, es passiert ganz automatisch und mein Körper erinnert sich.
Im Ballett »Sylvia« sticht ein Requisit besonders ins Auge, der Bogen. Wie schwer ist es mit einem Bogen zu tanzen?
Ich liebe den Bogen! Ich fühle mich mit ihm sehr stark. Es ist tatsächlich nicht ganz einfach, mit dem Bogen in den Händen zu springen. Normalerweise nutze ich meine Arme als Stütze für Sprünge, sie helfen mir dabei hoch zu springen. Da ich aber mit meinen beiden Armen den Bogen halte, bei Sprüngen teilweise über meinen Kopf, geht das nicht mehr. Ich muss das richtige Timing finden, um gleichzeitig hoch, aber auch kraftvoll und mit dem Bogen zu springen.
Der Bogen unterstützt mich und die anderen Nymphen darin stark rüberzukommen. Letztendlich verkörpern wir auf der Bühne ja genau das: starke, unabhängige Frauen. Gleich in der ersten Szene wird das deutlich. Ich, Diana und einige andere Nymphen stehen am Bühnenrand und zielen auf die Zielscheibe auf der anderen Bühnenhälfte. Die Position, wie wir den Bogen halten, wie wir stark und zielstrebig auf die Zielscheibe zielen und dabei auch treffen… ich liebe es!
Vielen Dank für das Interview, liebe Madoka und Toi, toi, toi!
Nathalia Schmidt