Schlagwort: Hamburg Ballett in Zahlen

  • Der Stoff aus dem die Träume sind

    Der Stoff aus dem die Träume sind

    In unserer Reihe »Das Hamburg Ballett in Zahlen« veröffentlichen wir regelmäßig interessante Zahlen und Fakten rund um das Hamburg Ballett. Was verbirgt sich wohl hinter der heutigen Zahl?

    Als Inbegriff des klassischen Balletts verzaubert Peter I. Tschaikowskys »Schwanensee« seit der Inszenierung von Marius Petipa und Lew Ivanow 1895 in Sankt Petersburg ganze Zuschauergenerationen und inspiriert zahlreiche Interpretationen. John Neumeiers originelle an den bayerischen König Ludwig II. angelehnte Fassung unter dem Titel »Illusionen – wie Schwanensee« hat seit der Uraufführung 1976 in Hamburg selbst Kultstatus erlangt.

    Der König bezwungen vom Mann im Schatten © Kiran West

    Einer der Höhepunkte des träumerischen Werks und Sinnbild für klassische Ballettästhetik und Tanzkunst ist seit jeher der lyrische »weiße Schwanenakt«, der sich in der rekonstruierten Choreografie von Lew Ivanow als Zitat auch in John Neumeiers Version wiederfindet. Die überirdisch anmutende Schönheit der über die Bühne schwebenden Schwäne entsteht nicht nur durch die perfekt ausgeführte Choreografie, sondern auch durch die strahlend weißen, fedrigen Ballettkostüme, die im Zusammenspiel mit den flatternden Bewegungen die Tänzerinnen in einen prachtvollen Schwanenschwarm verwandeln.

    Der weiße Schwanenakt © Kiran West

    Doch haben die 47 Jahre und rund 170 Aufführungen, die unzähligen Sprünge, Hebungen und Pirouetten deutliche Spuren an den von Jürgen Rose entworfenen Original-Schwanenkostümen hinterlassen: Die Flügel und Tutus haben im wahrsten Sinne des Wortes »Federn gelassen« und die weißen bestickten Satin-Oberteile ihren Glanz verloren. Für die fünfte Wiederaufnahme des Publikumslieblings im Rahmen der 50. Jubiläumssaison des Hamburg Ballett hat die Kostümabteilung der Hamburgischen Staatsoper daher in Zusammenarbeit mit dem Gewandwerk Hamburg die Schwanen-Tutus für alle Damen des Ensembles neu angefertigt.

    Entstanden sind 40 aufwendig geschneiderte Haute Couture-Meisterwerke. Für jedes der 8-lagigen Tutus wurden 14 Meter Tüll und 10 Meter Federn verarbeitet. Die einzelnen Tülllagen sind miteinander durch viele separate Handstiche verbunden, die vor jeder Vorstellung kontrolliert und »nachgestichelt« werden müssen, sodass sie den schwebenden Eindruck der über die Bühne gleitenden Tänzerinnen verstärken und der »Illusion eines Schwanensees« nichts im Wege steht.

    Illusionen ‒ wie Schwanensee © Kiran West

    Eine Spende für die neuen Schwanen-Tutus kann über einen individuell gewünschten Betrag geleistet werden. Als Dankeschön vergibt die Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Staatsoper zusammen mit dem Hamburg Ballett exklusive Patenschaften für einzelne Kostüme. Mit einer Kostümspende von mind. 500 Euro kann beispielsweise die Patenschaft für das Schwanen-Tutu einer Gruppentänzerin übernommen werden, mit mind. 750 Euro die Patenschaft für das Kostüm einer Solotänzerin. Und mit einer Spende von mindestens 1500 Euro werden die Patenschaften eines Tutus der Hauptfiguren Odette oder Odile vergeben. Als Dank für die Spende werden alle Patinnen und Paten mit Namen im Kostüm verewigt. Um Spenderin/Spender oder Kostümpatin/Kostümpate zu werden, schreiben interessierte Personen eine E-Mail unter Angabe des Namens, der Anschrift und Telefonnummer sowie der Höhe der Spende an: info@opernstiftung-hamburg.de

  • Der Teppich wird ausgerollt

    Der Teppich wird ausgerollt

    In unserer Reihe »Das Hamburg Ballett in Zahlen« veröffentlichen wir regelmäßig interessante Zahlen und Fakten rund um das Hamburg Ballett. Was verbirgt sich wohl hinter der heutigen Zahl?

    Unsere Tänzerinnen und Tänzer sind in Baden-Baden angekommen und freuen sich auf die allererste Ausgabe des Festivals »The World of John Neumeier«. Im Festspielhaus tanzt unsere Compagnie John Neumeiers Ballette »Beethoven-Projekt II« (1.-3.10.) und »Hamlet 21« (7.-9.10.). In den kommenden Tagen wird auf der Bühne des Festspielhauses fleißig geprobt. Unsere Technik-Crew ist bereits seit ein paar Tagen vor Ort und hat im Voraus alles für die Ankunft unserer Tänzerinnen und Tänzer vorbereitet: Die LKW, voll mit Kostümen, Bühnenbild und Requisiten, entladen, die Kulissen aufgebaut und den Tanzboden ausgelegt. Insgesamt 400 Quadratmeter Schwingboden und zwei Sätze PVC (etwa 800 Quadratmeter) wurden aus Hamburg mitgenommen und vor Ort verlegt.

    Die Tänzerinnen und Tänzer trainieren im Festspielhaus auf einem speziellen Tanzteppich © Kiran West

    Ein Tanzboden besteht in der Regel aus einem Unterboden und einem Deckbelag, auch Tanzteppich genannt. Die Eigenschaften des Deckbelags richten sich nach den stilrichtungsabhängigen Bedürfnissen der einzelnen Institutionen. Bei uns besteht der Tanzteppich aus PVC. Er darf nicht glatt sein, damit unsere Tänzerinnen und Tänzer nicht ausrutschen. Er sollte aber auch nicht stumpf sein, denn dann bleiben die Tänzer »kleben«, was wiederum zu Verletzungen wie Bänderrissen führen kann. Unter dem Tanzteppich ist ein sogenannter Schwingboden unumgänglich. Der etwas nachgiebige Boden, bestehend aus »schwingenden« Platten, schont die Gelenke unserer Tänzerinnen und Tänzer und reduziert Verletzungsrisiken. Ein professioneller Tanzboden ist somit eines der wichtigsten Utensilien und darf bei keiner unserer Tourneen fehlen! 

    Nathalia Schmidt

  • A new LED wall for „Bernstein Dances“

    A new LED wall for „Bernstein Dances“

    In our series „The Hamburg Ballet in Figures“ we regularly publish interesting facts and figures about the Hamburg Ballet. What do you think is behind today’s number?

    Greetings from Los Angeles! Our dancers have arrived in the California metropolis. This week the company will rehearse on the stage of the Dorothy Chandler Pavilion for two elaborate productions. John Neumeier’s ballets „Bernstein Dances“ and „St. Matthew Passion“ will premiere in Los Angeles on March 11 and March 12, respectively, and will be performed several times in rotation. In order for this to be successful, the stage technology must be installed right at the beginning in such a way that it can function for the entire guest performance period. Due to that, our technical stage crew flew to Los Angeles one week before the company.

    In „Bernstein Dances“ there will be an innovation that has not been seen before, and which presented an additional challenge for the colleagues in the area of sound and stage technology. Right at the beginning of the ballet we hear the rousing sounds of Bernstein’s „Candide Overture“. On the right half of the stage, three large-format photos of Leonard Bernstein alternately light up on an LED wall.

    At the end of the overture, a video of a historic video recording of Bernstein is projected on this wall, giving the viewer the illusion that he is conducting the live music. One could also think that Bernstein himself is dancing when he conducts, so energetic and expressive are his facial expressions and gestures – „Bernstein dances“.

    Photo: Setting up the LED wall with historic Bernstein photos on the stage of the Dorothy Chandler Pavilion © Matthias Kieslich

    In the run-up to the LA tour, John Neumeier expressed the wish that the individual picture motifs should alternate much more quickly. „John wanted it to really pop: candy-colored – like on Broadway!“ says our sound engineer Matthias Kieslich, who was still in Hamburg looking for more historical Bernstein photos. The photos were adapted to the special image format for the LED wall. In addition, the new photo sequence results in not just one video, but three Bernstein videos played at the same time.

    In Los Angeles, new Bernstein photos and videos will be on display for the first time in rapid succession © Matthias Kieslich

    But there was a catch: the in-house LED wall had to stay in Hamburg, as it had long since been scheduled for other opera productions. A new LED wall was needed, as cost-effectively as possible.

    A total of 72 high-quality LED panels were procured within a very short time. The white squares, the so-called panels, are each 50 x 50 centimeters in size. The fully assembled LED wall is 3 meters wide and 6 meters high.

    „This offers a new dimension of color, even razor sharp at a distance,“ Matthias said. The American public will be the first to marvel at the new photos and videos in this high resolution.

    Photo: The new LED wall consists of 72 high-quality panels that provide sharp resolution © Matthias Kieslich

    The 72 panels were packed securely in individual crates that were shipped in a container once across the ocean to Los Angeles. Matthias and his colleagues unpacked the boxes on site and set up the LED wall on the stage of the Dorothy Chandler Pavilion.

    Six steel cables, each 7 meters long, drive the LED wall all the way up above the stage – as soon as the „Candide Overture“ sounds in the ballet, the LED wall is lowered to the desired position on the stage.

    Photo: A look upwards is worthwhile. The LED wall is supported by 6 steel cables. Before it is used, the LED wall must not be seen from the auditorium. © Matthias Kieslich

    Can you guess how heavy such an LED wall is? The steel cables must be able to withstand quite a bit of weight, because the wall weighs around 850 kilograms!

    We are already very excited and look forward to the very first use of the new LED wall at the LA premiere of John Neumeier „Bernstein Dances“ on March 11!

    Nathalia Schmidt

  • Eine neue LED-Wand für »Bernstein Dances«

    Eine neue LED-Wand für »Bernstein Dances«

    In unserer Reihe »Das Hamburg Ballett in Zahlen« veröffentlichen wir regelmäßig interessante Zahlen und Fakten rund um das Hamburg Ballett. Was verbirgt sich wohl hinter der heutigen Zahl?

    Grüße aus Los Angeles! Unsere Tänzer*innen sind in der kalifornischen Großstadt angekommen. In dieser Woche wird die Compagnie auf der Bühne des Dorothy Chandler Pavilion proben, und das für zwei aufwendige Produktionen. John Neumeiers Ballette »Bernstein Dances« und »Matthäus-Passion« feiern am 11. März und am 12. März Premiere in Los Angeles und werden mehrfach im Wechsel gespielt. Damit das gelingen kann, muss gleich zu Beginn die Bühnentechnik für den gesamten Gastspielzeitraum funktionsfähig eingebaut werden. Unsere technische Bühnencrew ist dafür eine Woche vor der Compagnie nach Los Angeles geflogen.

    In »Bernstein Dances« wird es eine Neuerung geben, die so noch nicht zu sehen war, und die für die Kolleg*innen im Bereich Ton und Bühnentechnik eine zusätzliche Herausforderung darstellte. Gleich zu Beginn des Balletts hören wir die mitreißenden Klänge von Bernsteins »Candide-Ouvertüre«. Auf der rechten Bühnenhälfte sieht man auf einer LED-Wand drei großformatige Fotos von Leonard Bernstein abwechselnd aufleuchten. Zum Ende der Ouvertüre wird auf dieser Wand das Video einer historischen Video-Einspielung Bernsteins projiziert, das dem Zuschauer die Illusion gibt, er würde die live erklingende Musik dirigieren. Man könnte auch meinen, dass Bernstein selbst tanzt, wenn er dirigiert, so energisch und ausdrucksstark sind seine Mimik und Gestik – »Bernstein dances«, Bernstein tanzt.

    Foto: Einrichtung der LED-Wand mit historischen Bernstein-Fotos auf der Bühne des Dorothy Chandler Pavilion © Matthias Kieslich

    Im Vorfeld der LA-Tournee hat John Neumeier den Wunsch geäußert, dass sich die einzelnen Bildmotive viel schneller abwechseln sollten. »John wollte, dass es richtig knallt: bonbonbunt – wie am Broadway!«, sagt unser Tonmeister Matthias Kieslich und hat noch in Hamburg nach weiteren historischen Bernstein-Fotos gesucht. Die Fotos wurden an das spezielle Bildformat für die LED-Wand angepasst. Außerdem mündet die neue Fotofolge in nicht nur einem Video, sondern in drei zeitgleich eingespielten Bernstein-Videos.

    In Los Angeles werden erstmals neue Bernstein-Fotos und Videos in einem schnellen Wechsel zu sehen sein © Matthias Kieslich

    Doch einen Haken gab es: Die hauseigene LED-Wand musste in Hamburg bleiben, da sie schon längst für andere Opernproduktionen verplant war. Eine neue LED-Wand musste her, und das möglichst kostengünstig.

    Insgesamt 72 hochwertige LED-Panels wurden innerhalb kürzester Zeit beschafft. Die weißen Vierecke, die sogenannten Panels, sind jeweils 50 x 50 Zentimeter groß. Die vollständig zusammengesetzte LED-Wand ist 3 Meter breit und 6 Meter hoch.

    »Das bietet eine neue Dimension an Farben, auch auf die Entfernung gestochen scharf«, so Matthias. Das amerikanische Publikum wird als Erstes die neuen Fotos und Videos in dieser hohen Auflösung bestaunen können.

    Foto: Die neue LED-Wand besteht aus 72 hochwertigen Panels, die für eine scharfe Auflösung sorgen © Matthias Kieslich  

    Die 72 Panels wurden transportsicher in einzelne Kisten verpackt, die in einem Container einmal quer über den Ozean nach Los Angeles verschifft worden sind. Matthias und seine Kolleg*innen haben die Kisten vor Ort ausgepackt und die LED-Wand auf der Bühne des Dorothy Chandler Pavilion eingerichtet.

    Sechs Stahlseile, jeweils 7 Meter lang, fahren die LED-Wand bis ganz nach oben über die Bühne – sobald die »Candide-Ouvertüre« im Ballett erklingt, wird die LED-Wand an die gewünschte Position auf die Bühne hinuntergefahren.

    Foto: Ein Blick nach oben lohnt sich. Die LED-Wand wird von 6 Stahlseilen getragen. Bevor sie zum Einsatz kommt, darf die LED-Wand vom Zuschauersaal aus nicht gesehen werden. © Matthias Kieslich

    Könnt Ihr erraten, wie schwer eine solche LED-Wand ist? Die Stahlseile müssen einiges an Gewicht aushalten können, denn die Wand wiegt um die 850 Kilogramm!

    Wir sind schon ganz gespannt und freuen uns auf den allerersten Einsatz der neuen LED-Wand bei der LA-Premiere von John Neumeier »Bernstein Dances« am 11. März!

    Nathalia Schmidt

  • Hippolytas Brautschleppe

    Hippolytas Brautschleppe

    In unserer Reihe »Das Hamburg Ballett in Zahlen« veröffentlichen wir regelmäßig interessante Zahlen und Fakten rund um das Hamburg Ballett. Was verbirgt sich wohl hinter der heutigen Zahl?

    Voller Vorfreude blicken wir auf die kommende Wiederaufnahme von John Neumeiers »Ein Sommernachtstraum« diesen Sonntag. Wenn sich der Vorhang zum ersten Mal hebt, erhaschen wir einen Blick in Hippolytas Zimmer. Die Königin der Amazonen ist die zukünftige Braut von Theseus, Herzog von Athen. Es bleibt noch ein Tag bis zur Hochzeit. Ganz langsam schreitet Hippolyta auf einen Spiegel zu und zieht beim Gang eine imposante Schleppe hinter sich her. Diese wird sie bei ihrer Hochzeit tragen. Näherinnen stürmen in ihr Zimmer, die schnell noch letzte Verzierungen an der Schleppe anbringen. Alles soll perfekt sein für ihren ersten großen Auftritt als Braut!

    Näherinnen stellen die Brautschleppe fertig © Kiran West

    Schleppen dienten damals als Statussymbol. Da sie beim Schleifen über den Boden oft verschmutzt und beschädigt wurden, das heißt wertvoller Stoff vernichtet wurde, eignete sich eine Schleppe zur Zurschaustellung von Reichtum. Am Hofe galt: Je höher der Adelsrang, desto länger die Schleppe! Hippolyta trägt eine 8,5 Meter lange Schleppe. Der Oberstoff ist aus reinem Seidensatin und der türkise Futterstoff, den man sehen kann, wenn die Näherinnen die Schleppe anheben, ist aus Dupionseide. Die Schleppe ist mit einer goldenen Malerei verziert, auf die goldene Pailletten geklebt sind. Am Stoffrand ist eine Goldlitze und eine Goldtresse angenäht. Durch diese Materialauswahl wirkt Hippolytas Brautschleppe sehr edel und elegant. Diese Schleppe ist einer Königin absolut würdig!

    Die Brautschleppe von Hippolyta © Kiran West

    Am Tag der Hochzeit kommt die Schleppe noch einmal in aller ihrer Pracht zum Vorschein. Wenn Hippolyta den Festsaal im Schloss von Theseus betritt, sind alle Augen auf sie und ihre Schleppe gerichtet, die von zehn Kindern der Ballettschule des Hamburg Ballett getragen wird! Ist diese Schleppe wirklich so schwer oder wirkt sie nur sehr wuchtig? Wir haben die KollegInnen der Kostümabteilung gefragt, die die Schleppe extra für uns vermessen und gewogen haben. Ihre Antwort: Die Schleppe wiegt ganze 7 Kilo! Das ist vielleicht nicht ganz so schwer, wie wir vermutet hatten, aber doch zu schwer, um darin zu tanzen. Nachdem das Königspaar eingetroffen ist, legt Hippolyta dann auch ihre Schleppe ab und macht sich bereit für das Grand Pas de deux mit ihrem Gatten Theseus.

    Nathalia Schmidt

  • Alessandra Ferri in »L´Heure Exquise«

    Alessandra Ferri in »L´Heure Exquise«

    In unserer Reihe »Das Hamburg Ballett in Zahlen« veröffentlichen wir regelmäßig interessante Zahlen und Fakten rund um das Hamburg Ballett. Was verbirgt sich wohl hinter der heutigen Zahl?

    Während unseres Gastspiels in Baden-Baden gibt es ein Wiedersehen mit zwei in Hamburg bestens bekannten Tänzerinnen und Tänzern: Star-Ballerina Alessandra Ferri, für die John Neumeier die Rolle der Eleonora Duse in seinem Ballett »Duse« kreiert hat, sowie Carsten Jung, ehemaliger Erster Solist des Hamburg Ballett. Beide sind in Baden-Baden zu Gast und präsentieren heute Maurice Béjarts Ballett »L´Heure Exquise« im Theater Baden-Baden.

    Maurice Béjarts Ballett basiert auf dem Theaterstück »Glückliche Tage« von Samuel Beckett. Bei Beckett ist die Protagonistin zu Beginn bis zur Hüfte eingegraben. Bei Béjart ist die Protagonistin eine betagte Ballerina, die sich, in einen Berg ausgebleichter Spitzenschuhe gehüllt, an ihre großen Zeiten erinnert. Alessandra Ferri verkörpert diese Tänzerin, die unter über 2000 Spitzenschuhen begraben liegt.

    Foto: Alessandra Ferri in »L´Heure Exquise«.
    Copyright © Silvia Lelli.

    Fun Fact: Die Spitzenschuhe wurden vom La Scala Ballett, dem English National Ballet, dem Royal Ballet London und dem Hamburg Ballett gesammelt.

    Nathalia Schmidt

  • »Beethoven-Projekt« als Film

    »Beethoven-Projekt« als Film

    In unserer Reihe »Das Hamburg Ballett in Zahlen« veröffentlichen wir regelmäßig interessante Zahlen und Fakten rund um das Hamburg Ballett. Was verbirgt sich wohl hinter der heutigen Zahl?

    2020 feiert die ganze Welt den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven. John Neumeier würdigte den Jubilar schon 2018 mit der Kreation des »Beethoven-Projekt«, sein erstes abendfüllendes Ballett zur Musik von Beethoven. Bei unserem Gastspiel im Festspielhaus Baden-Baden zu Beginn dieser Spielzeit wurden die beiden Vorstellungen des »Beethoven-Projekt« vom SWR für eine Filmfassung aufgezeichnet. Insgesamt 9 Kameras waren dafür im Einsatz!

    Auf diesem Screenshot während »Die Geschöpfe des Prometheus« sind die Einstellungen der 8 Saalkameras sowie das ausgewählte Kamerabild zu sehen – hier war Kamera 5 ›on-air‹ © Myriam Hoyer

    Zwei Kameras standen zu beiden Seiten dicht an der Bühne, um das Orchester und den Bühnenboden einzufangen. »Das ergibt tolle Bilder für Aktionen auf dem Boden, wie zum Beispiel das Close-up vom Kopfstand des Hauptdarstellers Aleix Martínez zu Beginn des Balletts«, erklärt Myriam Hoyer, die die Regie für die Filmfassung führte.

    Zwei weitere Kameras verfolgten die TänzerInnen von Kopf bis Fuß mit genug Luft darüber, um erhobene Arme oder Hebefiguren im Bild zu haben. »Dafür braucht man balletterfahrene Kameraleute. In diesem Fall waren das Isabelle Audigé und Marina Poole aus Frankreich. Sie haben schon mehrere Ballette von John Neumeier gefilmt und studieren die Choreografie vorher sehr genau, meistens mithilfe von Arbeitsvideos«, sagt Myriam Hoyer.

    Wieder zwei Kameras filmten mit halbnaher Einstellung, also die Oberkörper der TänzerInnen inklusive Hände, um ein detaillierteres Bild zu haben, wenn die Füße in der Choreografie pausieren.

    Eine Kamera filmte eigenständig, ohne Kameraführung, vom Balkon aus die etwas aufsichtige Bühnentotale, d.h. die ganze Bühne von schräg oben. Diese Einstellung sieht man öfter gegen Ende der »Eroica«.

    Eine weitere Kamera wurde für die geführte Totale genutzt. Sie wurde der Szene angepasst, indem sie mitschwenkte oder -zoomte. Der Kameramann Gerry Kaul, der sie bediente, war auch für die neunte Kamera verantwortlich, die eine ganz besondere Aufgabe hatte: »Am Ende des Streichquartetts schlich er aus dem Saal, um in der Szene mit dem offenen Bühnenumbau die mobile Schulterkamera zu bedienen. Er wurde somit zum Darsteller! John Neumeier gab ihm genaue Anweisungen, wie er sich bewegen und was er dabei filmen sollte. Das Publikum ist also nur wegen der Filmaufnahmen in den Genuss gekommen, einen echten Kameramann auf der Bühne zu erleben!«, verrät Myriam Hoyer.

    Im Film ist die Umbau-Szene mit dem Kameramann auf der Bühne in schwarz-weiß umgesetzt!
    (oben: Fotos © Kiran West / unten: Screenshots beim Schnitt © Myriam Hoyer)

    Wie schon bei vorherigen Aufzeichnungen seiner Ballette, hat sich John Neumeier aktiv in die Entstehung des Films eingebracht. Während der Aufzeichnung saß er im Übertragungswagen direkt neben Myriam Hoyer. Auch die Retake-Session am Ende der zweiten Vorstellung hat John Neumeier persönlich geleitet. Nachdem Myriam Hoyer den ersten Rohschnitt erstellt hatte, ist der Choreograf erneut nach Baden-Baden gereist, um zusammen mit der Regisseurin dem Film den letzten Feinschliff zu verleihen.

    John Neumeier im Schnittraum des SWR Baden-Baden © Kiran West

    Das Ergebnis kann einmalig am kommenden Montag, den 20. Januar auf Großleinwand in der Hamburgischen Staatsoper gesehen werden: Tickets gibt es zum Kinopreis von 10 €. Die DVD/Blu-ray kann man vor Ort zum Sonderpreis von 15 € kaufen und auch gleich von John Neumeier signieren lassen!

    Lisa Zillessen

    Mehr zur Filmfassung des »Beethoven-Projekt« erfahrt ihr im Beitrag der Reihe »3 Fragen an«: Dr. Wolfgang Gushurst zur SWR-Fernsehaufzeichnung von John Neumeiers »Beethoven-Projekt«.

  • John Neumeier und Gustav Mahler

    John Neumeier und Gustav Mahler

    In unserer Reihe »Das Hamburg Ballett in Zahlen« veröffentlichen wir regelmäßig interessante Zahlen und Fakten rund um das Hamburg Ballett. Was verbirgt sich wohl hinter der heutigen Zahl?

    Gustav Mahlers Werke faszinieren Choreografinnen und Choreografen seit Jahrzehnten. Die Poesie seiner Sinfonien und Lieder verlangt geradezu nach Gesten und Bewegungen. Auch für John Neumeier ist die Musik des österreichischen Komponisten eine große Inspiration. Insgesamt 15 Ballette zu Musik von Gustav Mahler hat er bis heute kreiert. Das ist eine ganze Menge! Aber warum eigentlich Mahler?

    »Vielleicht ist es die Gegensätzlichkeit, die mich an der Musik Mahlers reizt. Dieses Prinzip scheint mit ähnlich dem Grundprinzip des Tanzes. Mahler führt uns mit seiner Musik in Bereiche, die uns im tiefsten Inneren bekannt sind. Er verführt uns manchmal zuerst durch Trivialitäten (Walzer, Ländler usw.), die wir mögen, aber er benutzt sie wie Brücken, um auf eine metaphysische Ebene zu gelangen. Das ist es, was mich an Mahler fasziniert«, so John Neumeier.

    Aufzeichnungen nach einem Gespräch, abgedruckt im Programmheft zu »Dritte Sinfonie von Gustav Mahler«
    Hélène Bouchet und Alexandr Trusch in John Neumeiers Version von »Das Lied von der Erde« © Kiran West

    John Neumeiers Begeisterung für die Musik von Mahler begann 1965, als der Choreograf Kenneth McMillan mit dem Stuttgart Ballett »Das Lied von der Erde« kreierte. John Neumeier war damals noch Tänzer in Stuttgart, er tanzte in der Gruppe und wusste: Mahler ist meiner!

    Wirklich los mit Mahler ging es 1974 mit einem Pas de Trois auf den vierten Satz aus der »Dritten Sinfonie«, als Erinnerung an John Cranko in Stuttgart. Nur ein Jahr später, John Neumeier war bereits Direktor in Hamburg, feierte seine Choreografie zur ganzen »Dritten Sinfonie von Gustav Mahler« Uraufführung. Mit der »Dritten Sinfonie« schuf John Neumeier eine neue Form des abendfüllenden Balletts, das sinfonische Ballett. Ein sinfonisches Ballett orientiert sich an einem Orchesterwerk und erzählt keine Geschichte; es sind Bewegungen zur Musik, die im Vordergrund stehen; John Neumeiers Gedanken, Emotionen und Assoziationen beim Hören der Musik von Mahler fließt in diese Kreationen mit ein.

    Fast alle Sinfonien wurden von John Neumeier choreografiert, die 1., 3., 4., 5., 6., 7., 9. und 10, um genau zu sein. Immer wieder werden die vergleichsweise kurzen sinfonischen Ballette mit anderen Werken aus seinem Oeuvre kombiniert. Zum Beispiel »All Our Yesterdays«: John Neumeiers »Soldatenlieder (Des Knaben Wunderhorn)«, ebenso zu Musik von Mahler, trifft auf die »Fünfte Sinfonie.«

    Dieser Ballettabend ist etwas Besonderes: Er wurde angeregt durch die schönen, hellen Räume des neuen Ballettzentrums, in welches das Hamburg Ballett und die angegliederte Ballettschule 1989 eingezogen sind. Die durchaus sehr anspruchsvolle Kreation war John Neumeiers Geschenk an seine Compagnie zur Einweihung. Immer wieder bestätigt sich, dass gerade die »Fünfte Sinfonie« ein Stück ist, das die Qualität und Kompetenz des gesamten Ensembles zum Strahlen bringt. Und gerade deshalb sollte man sich den Ballettabend »All Our Yesterdays« nicht entgehen lassen. Ein weiterer Grund ist das wunderbare Zusammenspiel von Musik und Tanz, Tanz und Musik. Dieser Eindruck wird zusätzlich verstärkt durch die beiden Sängerinnen und Sänger, die in »Soldatenlieder (Des Knaben Wunderhorn)« gemeinsam mit den Tänzerinnen und Tänzern auf der Bühne stehen und eine Auswahl an Mahlers Liedern aus der Volksliedsammlung »Des Knaben Wunderhorn« zum Klingen bringen. Der Abend ist poetisch und lyrisch, mal melancholisch und traurig, mal humorvoll, optimistisch und hoffnungsvoll. Und vor allem: Ein tänzerischer und musikalischer Hochgenuss!

    Nathalia Schmidt