Zurück zur Startseite

Aus den Proben: »Beethoven-Projekt«

Zwei Klassen der Erika Klütz Schule für Tanzpädagogik besuchten in dieser Woche Bühnenproben zur Premiere von John Neumeiers »Beethoven-Projekt«. Für unseren Blog haben Sophia, Eileen und Sarah ihre Eindrücke aufgeschrieben.

Am 19. Juni 2018 hatte die erste Klasse der Erika Klütz Schule die Möglichkeit, bei einer Probe des »Beethoven-Projekts« zuzuschauen. Als wir unsere Plätze auf dem Balkon des 1. Ranges einnehmen, die eine gute Sicht auf das Geschehen zulassen, herrscht noch reges Treiben auf der Bühne. Die Tänzer wärmen sich auf, das Orchester spielt sich ein, Bühnentechniker überprüfen die Aufzüge und Assistenten huschen mit Klemmbrettern über die Bühne. Bei der heutigen Probe treffen Orchestermusik und Tanz das erste Mal aufeinander, weshalb es immer wieder zu Unterbrechungen kommt, bei dem das Orchester unerwartet stark im Vordergrund steht.

Wir sehen den zweiten Teil des Balletts, der von der Musik aus »Die Geschöpfe des Prometheus« und der 3. Sinfonie »Eroica« geprägt ist. Obwohl John Neumeier angibt, keine konkreten Handlungen oder Charaktere darstellen zu wollen, können wir uns im Part des Prometheus an einige Elemente aus der Handlung von »Geschöpfe des Prometheus« erinnern. Wir erkennen zwei Geschöpfe, die etwas unkoordiniert und ein wenig verwirrt tanzen, die sich zudem von einer dritten Person beeinflussen lassen. Es scheint so, als würden sich die Geschöpfe gegenseitig Leben einhauchen. Nach kurzer Zeit treten weitere Tänzer auf, in denen wir die Rollen der Musen erkennen. Die Musen, die der Sage zufolge den Geschöpfen das Tanzen beibringen und sie in die Künste einführen.

Beethoven-Projekt © Kiran West

Es ist nicht schwer, sich voll und ganz auf den Tanz und die Handlung zu konzentrieren, da das Bühnenbild minimalistisch gehalten ist und auch die taghelle Lichteinstellung nicht verändert wird. Außer des in schwarz und weiß diagonal geteilten Fußbodens und einem verwaschenen Bild in Blau- und Grautönen von Wolken und Meer, gibt es lediglich einen schwarzen Rahmen, der die Bühne kleiner erscheinen lässt.

Dieser wird für die »Eroica« allerdings durch eine schief in der Luft hängende Glasscheibe ersetzt. Die »Eroica« wird eingeleitet durch ein Männerensemble, der sehr ausdrucksstark und mit vielen akrobatischen und modernen Elementen getanzt wird. Der folgende Auftritt der Frauen bringt zusätzlichen Schwung auf die Bühne und die sichtbare Freude der Tänzer lädt zum Tanz ein, bevor sich die Stimmung zum Pas de deux drastisch verändert. Kontraste scheinen eine wichtige Rolle zu spielen. Diese zeigen sich im farblich getrennten Fußboden, der räumlichen Trennung durch eine Glaswand mitten auf der Bühne und in der Musik. Der Wechsel aus abstrakten Hebungen und intensiver Bodenarbeit erzeugt eine Spannung, die durch die Reflektionen auf der Glasscheibe intensiviert wird. Die düstere und dramatische Endzeitstimmung spitzt sich zu, als ein Ensemble aus Männern hinter der Glasscheibe auftritt. Das Finale der »Eroica« wird durch ein beeindruckendes Auftreten aller Tänzerinnen und Tänzer eingeleitet.

Während des gesamten Stückes arbeitet der Choreograf wiederholt mit Kanons, hier kommt es nun aber zu einem wahren Höhepunkt: Eine kurze Folge an Schritten wird in derartig viele Kanon-Einsätze aufgeteilt, dass auf der Bühne ein regelrechtes Chaos entsteht, jedoch ein wohlgeordnetes Chaos, das einen energiereichen Abschluss bildet. Unser Lob geht zuletzt besonders an die Tänzer, die durch ihren authentischen Auftritt und ihre offensichtliche Freude am Tanz eine mitreißende Stimmung erzeugt haben. Wir danken dem Hamburg Ballett für die Möglichkeit, einen kleinen Einblick in die Choreografie und die Proben gehabt haben zu dürfen!

Bericht vom 19.06.2018 von Sophia und Eileen, Schülerinnen der 1. Ausbildungsklasse der Erika Klütz Schule, staatlich anerkannte Berufsfachschule für Tanzpädagogik

Beethoven-Projekt © Kiran West

Es ist 9.45 Uhr, meine Klasse und ich warten gespannt, dass wir abgeholt werden. Ich bin wahrscheinlich diejenige, die am meisten aufgeregt ist. Ich habe mich sehr gefreut, dass wir die Möglichkeit bekommen, bei dieser Bühnenprobe des Hamburg Balletts dabei zu sein. Für mich ist die Staatsoper ein ganz besonderer Ort. Ich habe schon so einige Stücke gesehen, vor allem von John Neumeier. Eigentlich kenne ich die Staatsoper nur gefüllt, mit viel Trubel und Gemurmel. Es war am heutigen Tag etwas Neues, die Oper komplett leer und so leise zu erleben. Türen stehen offen oder Menschen sind unterwegs, die man sonst nie zu Gesicht bekommt.

Als ich den Saal betrete, werde ich mit Klängen der Musiker, dem Gemurmel der Techniker und dem Gewusel der restlichen Mitwirkenden empfangen. Für mich ist dies ein tolles Bild. Ich bin selber in einem Theater groß geworden und kann mich sehr gut an die Probenzeiten erinnern. Es liegt immer eine gewisse Anspannung und hohe Konzentration in der Luft. Ich setze mich und bin sehr gespannt, was als nächstes passiert. Und da war es auch schon so weit, das bekommt man nur in Proben zu sehen: Aleix Martínez kommt auf die Bühne, begrüßt den Pianisten, winkt jemandem im Saal zu und versucht auf einmal, sich in dem Klavier zu verstecken. Ich grinse – erst später bemerke ich, dass es eine Übung war, da es ein Teil des Stückes ist. Ich blicke auf das Bühnenbild und bemerke, dass die schwarzen Samtvorhänge noch nicht an Ort und Stelle sind und ich die Möglichkeit habe, eine winzige Ecke von den hinteren Kulissen zu sehen. Es sind einige bekannte Gesichter zu erkennen, die sich aufwärmen, etwas besprechen oder sich kurz noch einmal strecken. Ich musste auflachen, als ich einen Spitzenschuh hervorlugen sah, der wahrscheinlich zu Florencia Chinellato gehörte, die auf ihren Einsatz wartet.

Der Dirigent betritt den Orchestergraben und macht dem Orchester eine Ansage, wie die Probe verlaufen soll. Es gab ein Problem, doch es wurde schnell gelöst, alle lachen auf. Der Dirigent entschuldigt sich und John Neumeier wechselt noch ein paar Sätze mit dem Orchester. Bis es auf einmal etwas hektischer wird. Ich weiß aus eigener Erfahrung, die Zeit drängt; alle Musiker nehmen ihren Platz ein, der Inspizient, der Choreograf und die Ballettmeister nehmen am Regiepult Platz. Das Licht wurde gedimmt. Die Probe beginnt. Doch dann ertönt von Herrn Neumeier die Frage, wo denn der Vorhang bleibe. Von dem Inspizienten bekommt er zu hören, dass der momentan nicht zu Verfügung stehe. John Neumeier macht die Ansage, dass es losgeht. Alle auf Position und die ersten Klavierklänge erfüllen den Raum.

Beethoven-Projekt © Kiran West

Ab da versinke ich in den Klängen und den Bewegungen von Aleix Martínez. Ich versuche, die einzelnen Tänzer rauszufrimeln, wer wen in dem Stück darstellt. Da kommt mir der Gedanke, wie wichtig Kostüme doch sind, um den Zuschauer verständlich zu machen, wer wen in dem Stück darstellt. Es ist eine Bühnenprobe, daher haben die Tänzer ihre eignen Trainingsklamotten an. Außer hier und da war mal ein Requisit oder eine Toga zusehen. Ich folge den Bewegungen der Tänzer und bin gespannt wie es weitergeht, auf einmal stürzen gefühlte 100 Menschen auf die Bühne, die allesamt nicht wie Tänzer aussehen. Ich begriff, das sind Techniker und Musiker, die ihre Position einnehmen, um einen schnellen Bühnenbildwechsel vorzunehmen. Der Ton ist rau. »Das muss schneller gehen.« Der Techniker entschuldigt sich und gibt Bescheid, dass erst bestimmte Haken gelöst werden müssen. Ach schön – Szenen, die ein Zuschauer im Normalfall, in der Vorstellung, nie mitbekommen würde. Ich merke, dass Theater nur funktioniert, wenn ein Rad in das andere greift, jeder weiß, was er zu tun hat und was untersagt ist. Und ebenso bin ich immer wieder fasziniert, wie viele Menschen auf, neben, hinter und seitlich von der Bühne beschäftigt sind, damit alles funktioniert und der Zuschauer einen schönen Abend hat.

Nach dem Umbau war ich verwirrt und wusste nicht, wie ich die Szene einordnen soll, weil das Publikum begrüßt wird – später finden wir heraus, dass es genauso so zu ein hat. Vom zweiten Teil war ich sehr angetan. Es passiert viel und schöne Formationen entstehen, an denen wahrscheinlich noch etwas gearbeitet werden muss, da sie noch nicht perfekt synchron waren. Der Vorhang geht runter, die Stimme von John Neumeier ertönt. Er gibt die Anweisung, dass jetzt die Pause ist und sie sich in wenigen Minuten wieder treffen. Da kam auch unsere Koordinatorin, sie meinte: »… für uns war‘s das leider schon.« Ich habe mir gedacht »neeeiinnn, jetzt kommt doch der spannendste Teil, wo besprochen wird, was gut gelaufen ist, voran gearbeitet werden muss und ob noch bestimmte Licht-, Musik- oder andere Einstellungen vorgenommen werden müssen.« Naja, man kann nicht alles haben. Auf jeden Fall war es ein gelungenes Vormittagsprogramm und ich bin sehr auf die kommenden Vorstellungen gespannt. Vielen Dank an dieser Stelle, das es einer großen Ballettliebhaberin ermöglicht wurde, bei solch einer großen Produktion zuschauen zu dürfen.

Bericht vom 20.06.2018 von Sarah Edna, Schülerinnen der 2. Ausbildungsklasse der Erika Klütz Schule, staatlich anerkannte Berufsfachschule für Tanzpädagogik