Autor: Nathalia Schmidt

  • 3 Fragen an Ida Praetorius

    3 Fragen an Ida Praetorius

    Ida Praetorius ist seit Dezember Erste Solistin des Hamburg Ballett und tanzt übermorgen in »The Winter´s Tale« bereits zum zweiten Mal eine Premieren-Hauptrolle in der Hamburgischen Staatsoper. Dem Hamburger Publikum war die dänische Tänzerin, die zuvor beim Royal Danish Ballet engagiert war, bereits durch Auftritte in der Nijinsky-Gala oder zum 80. Geburtstag von John Neumeier bekannt. Ein Kurzinterview über die Arbeit mit John Neumeier und Christopher Wheeldon und ihre neue Heimatstadt Hamburg.

    Ida, wir sind sehr froh dich hier bei uns in Hamburg zu haben. Du hast sowohl in Kopenhagen als auch in Hamburg in vielen John Neumeier-Balletten getanzt. Wie würdest du die Erfahrung beschreiben, mit John Neumeier zu arbeiten?

    Ida Praetorius: Für mich ist John Neumeier einer der inspirierendsten Künstler, mit denen ich je gearbeitet habe. Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, was ihn so einzigartig macht, denn wenn ich mit ihm arbeite, vergesse ich alles andere. Es ist unglaublich, wie er dich in seine Welt einlässt, dich an seiner Vision teilhaben lässt und dich in die von ihm gewünschte Richtung führt.

    John Neumeier mit Ida Praetorius und dem Ensemble bei den Proben zu »Dornröschen« im Ballettstudio © Kiran West

    Was ist die Essenz der Bewegung, die Essenz dessen, was wir zu sagen versuchen? John Neumeier ist im Studio sehr präsent und sieht die Person, die vor ihm steht. Ich verliere mich in dem Moment und fühle mich gleichzeitig ganz ich selbst.

    Jetzt im Juni tanzt du eine der Hauptrollen in »The Winter´s Tale«, kein Stück von John Neumeier, sondern von dem ebenso sehr bekannten Choreografen Christopher Wheeldon. Hast du schon einmal in einem Stück von Wheeldon getanzt? Gibt es einen Unterschied zwischen beiden Choreografen in ihrem Bewegungsvokabular?

    Ja, ich habe Christopher Wheeldons »Alice’s Adventures in Wonderland« in Kopenhagen getanzt. Ich habe so wunderbare Erinnerungen an dieses Ballett und an die Arbeit mit Chris, dass es für mich etwas ganz Besonderes ist, ein weiteres seiner großen Werke mit dem Hamburg Ballett zu erleben.

    Ida Praetorius und Félix Paquet in Christopher Wheeldons »The Winter´s Tale« © Kiran West

    John Neumeier und Christopher Wheeldon haben beide eine sehr klare Vision für ihre Arbeit und nehmen uns auf außergewöhnliche Weise mit auf ihre künstlerische Reise. Sie haben eine sehr unterschiedliche Bewegungssprache und eine individuelle Art, Geschichten zu erzählen. Ich finde es sehr interessant zu sehen, wie ihre künstlerische Stimme auch durch die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne durchscheint.

    Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass ich sehr dankbar dafür bin, mit diesen unglaublichen Meistern arbeiten zu dürfen!

    Eine persönliche Frage zum Schluss: Hamburg war dir als Stadt schon vor deinem Umzug hierher bekannt – gefällt dir die Stadt und hast du dich mittlerweile gut eingelebt?

    Ich habe Hamburg schon immer sehr gemocht. Meine Familie hat eine Verbindung zu der Stadt, deshalb war ich schon oft zu Besuch. Aber jetzt, wo ich in Hamburg lebe, habe ich so viele weitere Seiten der Stadt gesehen. Ich liebe es, dass die verschiedenen Stadtteile so viele unterschiedliche Atmosphären zu bieten haben. Ich bin überrascht, wie schnell sich die Stadt wie ein Zuhause anfühlen kann.

    Vielen Dank für das Interview, liebe Ida, und ein herzliches Toi, toi, toi für die Premiere von »The Winter´s Tale«!

    Nathalia Schmidt

  • Marc Jubete über die »Matthäus-Passion«

    Marc Jubete über die »Matthäus-Passion«

    Am Osterwochenende kehrt John Neumeiers Ballettfassung zu Johann Sebastians Bachs »Matthäus-Passion« zurück auf die Bühne der Hamburgischen Staatsoper. Der Solist Marc Jubete, der seit der Wiederaufnahme des Stücks in 2016 die Rolle des Jesus Christus verkörpert, teilt mit uns seine persönlichen Gedanken zu diesem besonderen Ballett.

    »Danke für die Gelegenheit, einige Worte für den Blog des Hamburg Ballett zu schreiben. Es ist eine wirklich schwierige Aufgabe, über eine solche Produktion zu sprechen, der ich mich unglaublich verbunden fühle und bei der ich weiß, dass es meine letzte »Matthäus-Passion«-Aufführung sein wird, da ich zum Ende dieser Spielzeit das Hamburg Ballett verlassen werde.

    Marc Jubete, Florian Pohl, Pablo Polo und Ensemble bei den Proben zur »Matthäus-Passion« in Los Angeles © Kiran West

    Zunächst einmal war es für mich ein kostbares Geschenk, dieses Stück wiederaufzuführen, sowohl persönlich als auch beruflich. Es ist ein sehr tiefgründiges und komplexes Werk, eines meiner Lieblingsstücke aus dem Repertoire John Neumeiers, weil jeder Einzelne in seiner Einzigartigkeit voll zur Geltung kommen und sich gleichzeitig als Teil einer Gruppe fühlen kann. Das ist für mich schon ein Ausdruck dessen, was es bedeutet, in einer Gesellschaft zu leben. Es ist keine Fantasie oder Magie, es ist die reine Realität, was man darin finden kann, unverhüllt, wahr.

    Da es scheint, dass die Menschheit nie frei von Menschen ist, die nach Zerstörung streben, um Macht zu erlangen oder um kranken, etablierten Ideologien zu folgen, nehme ich diese Rolle als meine Verantwortung an – mit einem gegenwärtigen Publikum und einer Welt in Not all die Liebe zu teilen, die ich in mir trage. Hoffentlich kann ich andere dazu inspirieren, dasselbe zu tun.

    Marc Jubete und Viktoria Bodahl in der »Matthäus-Passion« in Los Angeles © Kiran West

    Ich identifiziere mich mit keiner der bestehenden Religionen. Ich komme aus Spanien, wo das Christentum sehr präsent ist, aber ich bin nie getauft worden und habe auch nicht die Absicht, dies zu tun, da ich viele Aspekte nicht teile. Das war jedoch nie ein Problem für mich, mich mit dieser Rolle in der »Matthäus-Passion« voll und ganz zu verbinden, denn aus meiner Sicht handelt das Ballett nicht von einer konkreten Religion, sondern von Menschen in einer Gemeinschaft, die versuchen, so gut wie möglich zu koexistieren, wobei wir alle wissen, dass es manchmal nicht leicht ist, die Tatsache zu akzeptieren, dass das Einzige, was wir vielleicht über unsere Existenz wissen, ist, dass wir vielleicht nichts davon wissen und es auch nie wissen werden.

    Wer sind wir? Woher kommen wir? Warum sind wir hier? Diese großen Fragen haben viele unserer Überzeugungen geprägt, die Bevölkerung in verschiedene Gruppen gespalten und sogar Kriege ausgelöst… Die Tatsache, dass wir vielleicht nie eine Antwort auf diese Fragen finden werden, kann eine Menge Unsicherheit erzeugen.

    Marc Jubete und Xue Lin in John Neumeiers »Matthäus-Passion« © Kiran West

    Das Menschsein ist nicht einfach, nicht wahr? Ich habe manchmal Schwierigkeiten, gesund zu bleiben, und ich schätze, Ihr alle habt das auch. Wurdet Ihr jemals betrogen? Habt Ihr schon einmal einen geliebten Menschen verloren oder standet Ihr jemandem nahe, dem dies passiert ist? Habt Ihr jemals etwas oder jemanden, der größer ist als ihr selbst, um Hilfe angefleht (»gebetet«?), als Ihr Euch in Gefahr befandet habt? Bitte denkt daran, dass Ihr nicht allein seid, dass wir alle zusammen in dieser Realität leben, dass das Leiden Teil unserer Wirklichkeit ist und wir es akzeptieren sollten. Und dass wir alle, ALLE, es verdienen zu lieben und geliebt zu werden.

    Ab der nächsten Saison werde ich nicht mehr mit der Compagnie auf der Bühne stehen. Aber ich werde Euch immer lieben und mich an Eure Liebe zu mir erinnern.«

    Marc Jubete (Solist beim Hamburg Ballett John Neumeier)

  • A new LED wall for „Bernstein Dances“

    A new LED wall for „Bernstein Dances“

    In our series „The Hamburg Ballet in Figures“ we regularly publish interesting facts and figures about the Hamburg Ballet. What do you think is behind today’s number?

    Greetings from Los Angeles! Our dancers have arrived in the California metropolis. This week the company will rehearse on the stage of the Dorothy Chandler Pavilion for two elaborate productions. John Neumeier’s ballets „Bernstein Dances“ and „St. Matthew Passion“ will premiere in Los Angeles on March 11 and March 12, respectively, and will be performed several times in rotation. In order for this to be successful, the stage technology must be installed right at the beginning in such a way that it can function for the entire guest performance period. Due to that, our technical stage crew flew to Los Angeles one week before the company.

    In „Bernstein Dances“ there will be an innovation that has not been seen before, and which presented an additional challenge for the colleagues in the area of sound and stage technology. Right at the beginning of the ballet we hear the rousing sounds of Bernstein’s „Candide Overture“. On the right half of the stage, three large-format photos of Leonard Bernstein alternately light up on an LED wall.

    At the end of the overture, a video of a historic video recording of Bernstein is projected on this wall, giving the viewer the illusion that he is conducting the live music. One could also think that Bernstein himself is dancing when he conducts, so energetic and expressive are his facial expressions and gestures – „Bernstein dances“.

    Photo: Setting up the LED wall with historic Bernstein photos on the stage of the Dorothy Chandler Pavilion © Matthias Kieslich

    In the run-up to the LA tour, John Neumeier expressed the wish that the individual picture motifs should alternate much more quickly. „John wanted it to really pop: candy-colored – like on Broadway!“ says our sound engineer Matthias Kieslich, who was still in Hamburg looking for more historical Bernstein photos. The photos were adapted to the special image format for the LED wall. In addition, the new photo sequence results in not just one video, but three Bernstein videos played at the same time.

    In Los Angeles, new Bernstein photos and videos will be on display for the first time in rapid succession © Matthias Kieslich

    But there was a catch: the in-house LED wall had to stay in Hamburg, as it had long since been scheduled for other opera productions. A new LED wall was needed, as cost-effectively as possible.

    A total of 72 high-quality LED panels were procured within a very short time. The white squares, the so-called panels, are each 50 x 50 centimeters in size. The fully assembled LED wall is 3 meters wide and 6 meters high.

    „This offers a new dimension of color, even razor sharp at a distance,“ Matthias said. The American public will be the first to marvel at the new photos and videos in this high resolution.

    Photo: The new LED wall consists of 72 high-quality panels that provide sharp resolution © Matthias Kieslich

    The 72 panels were packed securely in individual crates that were shipped in a container once across the ocean to Los Angeles. Matthias and his colleagues unpacked the boxes on site and set up the LED wall on the stage of the Dorothy Chandler Pavilion.

    Six steel cables, each 7 meters long, drive the LED wall all the way up above the stage – as soon as the „Candide Overture“ sounds in the ballet, the LED wall is lowered to the desired position on the stage.

    Photo: A look upwards is worthwhile. The LED wall is supported by 6 steel cables. Before it is used, the LED wall must not be seen from the auditorium. © Matthias Kieslich

    Can you guess how heavy such an LED wall is? The steel cables must be able to withstand quite a bit of weight, because the wall weighs around 850 kilograms!

    We are already very excited and look forward to the very first use of the new LED wall at the LA premiere of John Neumeier „Bernstein Dances“ on March 11!

    Nathalia Schmidt

  • Eine neue LED-Wand für »Bernstein Dances«

    Eine neue LED-Wand für »Bernstein Dances«

    In unserer Reihe »Das Hamburg Ballett in Zahlen« veröffentlichen wir regelmäßig interessante Zahlen und Fakten rund um das Hamburg Ballett. Was verbirgt sich wohl hinter der heutigen Zahl?

    Grüße aus Los Angeles! Unsere Tänzer*innen sind in der kalifornischen Großstadt angekommen. In dieser Woche wird die Compagnie auf der Bühne des Dorothy Chandler Pavilion proben, und das für zwei aufwendige Produktionen. John Neumeiers Ballette »Bernstein Dances« und »Matthäus-Passion« feiern am 11. März und am 12. März Premiere in Los Angeles und werden mehrfach im Wechsel gespielt. Damit das gelingen kann, muss gleich zu Beginn die Bühnentechnik für den gesamten Gastspielzeitraum funktionsfähig eingebaut werden. Unsere technische Bühnencrew ist dafür eine Woche vor der Compagnie nach Los Angeles geflogen.

    In »Bernstein Dances« wird es eine Neuerung geben, die so noch nicht zu sehen war, und die für die Kolleg*innen im Bereich Ton und Bühnentechnik eine zusätzliche Herausforderung darstellte. Gleich zu Beginn des Balletts hören wir die mitreißenden Klänge von Bernsteins »Candide-Ouvertüre«. Auf der rechten Bühnenhälfte sieht man auf einer LED-Wand drei großformatige Fotos von Leonard Bernstein abwechselnd aufleuchten. Zum Ende der Ouvertüre wird auf dieser Wand das Video einer historischen Video-Einspielung Bernsteins projiziert, das dem Zuschauer die Illusion gibt, er würde die live erklingende Musik dirigieren. Man könnte auch meinen, dass Bernstein selbst tanzt, wenn er dirigiert, so energisch und ausdrucksstark sind seine Mimik und Gestik – »Bernstein dances«, Bernstein tanzt.

    Foto: Einrichtung der LED-Wand mit historischen Bernstein-Fotos auf der Bühne des Dorothy Chandler Pavilion © Matthias Kieslich

    Im Vorfeld der LA-Tournee hat John Neumeier den Wunsch geäußert, dass sich die einzelnen Bildmotive viel schneller abwechseln sollten. »John wollte, dass es richtig knallt: bonbonbunt – wie am Broadway!«, sagt unser Tonmeister Matthias Kieslich und hat noch in Hamburg nach weiteren historischen Bernstein-Fotos gesucht. Die Fotos wurden an das spezielle Bildformat für die LED-Wand angepasst. Außerdem mündet die neue Fotofolge in nicht nur einem Video, sondern in drei zeitgleich eingespielten Bernstein-Videos.

    In Los Angeles werden erstmals neue Bernstein-Fotos und Videos in einem schnellen Wechsel zu sehen sein © Matthias Kieslich

    Doch einen Haken gab es: Die hauseigene LED-Wand musste in Hamburg bleiben, da sie schon längst für andere Opernproduktionen verplant war. Eine neue LED-Wand musste her, und das möglichst kostengünstig.

    Insgesamt 72 hochwertige LED-Panels wurden innerhalb kürzester Zeit beschafft. Die weißen Vierecke, die sogenannten Panels, sind jeweils 50 x 50 Zentimeter groß. Die vollständig zusammengesetzte LED-Wand ist 3 Meter breit und 6 Meter hoch.

    »Das bietet eine neue Dimension an Farben, auch auf die Entfernung gestochen scharf«, so Matthias. Das amerikanische Publikum wird als Erstes die neuen Fotos und Videos in dieser hohen Auflösung bestaunen können.

    Foto: Die neue LED-Wand besteht aus 72 hochwertigen Panels, die für eine scharfe Auflösung sorgen © Matthias Kieslich  

    Die 72 Panels wurden transportsicher in einzelne Kisten verpackt, die in einem Container einmal quer über den Ozean nach Los Angeles verschifft worden sind. Matthias und seine Kolleg*innen haben die Kisten vor Ort ausgepackt und die LED-Wand auf der Bühne des Dorothy Chandler Pavilion eingerichtet.

    Sechs Stahlseile, jeweils 7 Meter lang, fahren die LED-Wand bis ganz nach oben über die Bühne – sobald die »Candide-Ouvertüre« im Ballett erklingt, wird die LED-Wand an die gewünschte Position auf die Bühne hinuntergefahren.

    Foto: Ein Blick nach oben lohnt sich. Die LED-Wand wird von 6 Stahlseilen getragen. Bevor sie zum Einsatz kommt, darf die LED-Wand vom Zuschauersaal aus nicht gesehen werden. © Matthias Kieslich

    Könnt Ihr erraten, wie schwer eine solche LED-Wand ist? Die Stahlseile müssen einiges an Gewicht aushalten können, denn die Wand wiegt um die 850 Kilogramm!

    Wir sind schon ganz gespannt und freuen uns auf den allerersten Einsatz der neuen LED-Wand bei der LA-Premiere von John Neumeier »Bernstein Dances« am 11. März!

    Nathalia Schmidt

  • Backstage in der Requisite der Hamburgischen Staatsoper

    Backstage in der Requisite der Hamburgischen Staatsoper

    Das Hamburg Ballett feiert am 19. Dezember die neu überarbeitete Fassung von John Neumeiers Ballett »Dornröschen«. Der Bühnen- und Kostümbildner Jürgen Rose und der Requisitenmeister Jürgen Tessmann arbeiten hinter den Kulissen, und sorgen für eine mitreißende und glaubwürdige Stimmung des Ballettstückes. Ich habe die beiden einen ganzen Tag lang begleiten dürfen. Lesen Sie hier meine Eindrücke:

    Die Werkstatt der Hamburgischen Staatsoper wird für die Requisiteur*innen auch als Aufenthalts- und Besprechungsraum genutzt. Dort wird geplant und Verbesserungsvorschläge eingebracht, um an den Requisiten zu schleifen, damit diese die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen können, beispielsweise mit leuchtenden Farben.

    Nachdem alles besprochen ist, geht es hinter die Kulissen der Bühne. Hier ist stets etwas los, es wird hier und da getüftelt und alles für die am Nachmittag kommende Klaviertechnik-Probe aufgestellt. Jürgen Tessmann und Jürgen Rose stimmen sich noch über die letzten Details ab und packen selbst mit Hand an.

    Das Innenleben des Schlosses von Dornröschen © Jan-Moritz Reidemeister

    Der Aufbau für die Nachmittagsprobe ist in vollem Gange, dabei erkennt der Kostüm- und Bühnenbildner Jürgen Rose, dass die Babypuppe »Aurora« ein neues Kleid benötigt und der Baldachin neu aufgekrempelt werden muss.

    Der Dornenwald muss beweglich sein, deshalb steht er auf Rädern. Der Bühnenwagen wird während der Aufführung auf die Bühne rauf und schließlich raus geschoben. Der Wald wird so positioniert, dass es so aussieht, als rage er um das Schloss herum.

    Die Dornenranken bestehen aus Metall, welche mit Hitze so verformt wurden, dass sie wie krumme Dornenzweige aussehen. Das Material ist Metall, da es stabil genug sein muss, um das Gewicht der Tänzer*innen auszuhalten.

    Foto: Der Dornenwald mit einem gestorbenen Opfer © Jan-Moritz Reidemeister

    Während nach und nach die Tänzer*innen sowie John Neumeier und die Ballettmeister*innen in der Staatsoper zur Probe eintreffen, werden alle Requisiten und auch die Kostüme bereitgelegt und auf ihre jeweilige Position gebracht. Bevor die Klaviertechnik-Probe losgeht, werden alle Funkgeräte auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft, damit das gesamte Team miteinander verknüpft ist.

    Die Requisiten warten hinter der Bühne auf ihren großen Einsatz. Kleinere Requisiten, die von den Tänzer*innen in die Hand genommen werden, werden vor der Vorstellung auf einem Tisch auf der Seitenbühne bereitgestellt.

    Foto: Requisiten für »Dornröschen« im Backstage-Bereich © Jan-Moritz Reidemeister

    Die Tänzer*innen sind mitten in der Probe. Während John Neumeier ihnen Korrekturen gibt, ist das gesamte Bühnenteam hellwach dabei. Die Bühnentechniker*innen sorgen für die Spezialeffekte, wie z.B. den Einsatz von Nebel, das Licht und sind für den Auf- und Abbau von dem Bühnenbild verantwortlich, beispielsweise das Raus- und Reinschieben des Dornenwaldes.

    Nach drei Stunden proben gibt es eine 20- bis 30-minütige Pause. In der Pause wird umgebaut und die Tänzer*innen können einmal durchatmen. Um 22.30 Uhr ist die Klaviertechnik-Probe beendet. Die Bühnenarbeiter*innen lassen den großen Vorhang vor dem Bühnenbild fallen. »Das war´s«.

    Jan-Moritz Reidemeister (Praktikant im Künstlerischen Betriebsbüro des Hamburg Ballett)

  • 3 Fragen an 2 »Maries«

    3 Fragen an 2 »Maries«

    Heute beginnt die »Nussknacker«-Saison an der Hamburgischen Staatsoper mit einem besonderen Jubiläum: John Neumeiers beliebte Ballettfassung wird 50 Jahre alt! Die Rolle der Marie wird in diesem Jahr von zwei Tänzerinnen verkörpert: Giorgia Giani und Emilie Mazoń. Im Interview sprechen sie über die Magie des »Nussknackers«-Balletts, die Rolle der Marie und ihre schönsten Weihnachtstraditionen.

    »Der Nussknacker« ist für viele Familien eine alljährliche Weihnachtstradition, und er scheint nicht alt zu werden. Was glaubst du, warum das Ballett die Fantasie der Menschen so sehr anregt?

    Emilie Mazoń: Ich denke, dass das Ballett »Der Nussknacker« eine so beliebte Familientradition ist, weil es das Publikum an die Faszination, Freude, Unschuld und Ausgelassenheit der Jugend erinnert. Ich glaube, dass jeder einen Teil von Marie in sich trägt und sich daher mit ihrer Reise identifizieren kann. Es ist eine wunderbare Erinnerung für alle, die Welt so zu sehen, wie wir sie als Kinder gesehen haben. Eine ehrliche und aufregende Welt, die man oft vergisst, wenn man an Erfahrung und Reife gewinnt.

    Marie (Emilie Mazoń) feiert ihren 12. Geburtstag © Kiran West

    Giorgia Giani: John Neumeiers »Der Nussknacker« ist ein Ballett ist, das jedermanns Fantasie anregt, weil es leicht nachzuvollziehen ist. Es geht um die Aufregung, etwas zum ersten Mal zu sehen und auszuprobieren! Die unschuldige Neugier eines Kindes, die Schönheit des Verliebtseins und die Magie des Träumens. Es geht darum, sich etwas von ganzem Herzen zu wünschen. Es geht um harte Arbeit und Hingabe und es geht um Fantasie und Bewunderung. Jeder kann sich in diesen grundlegenden menschlichen Themen wiedererkennen. Ich denke, das ist der Grund, warum John Neumeiers »Nussknacker« nie alt werden wird.

    Wie ist es für dich die Rolle der Marie in John Neumeiers »Nussknacker«-Ballett zu tanzen und hat sich die Rolle verändert, seit du sie verkörperst?

    Giorgia: Für mich ist die Rolle der Marie eine ziemliche Herausforderung, sie zu interpretieren. Sie erfordert, dass man so rein, ehrlich und impulsiv ist wie ein Kind. Wenn man erwachsen wird, läuft man Gefahr, das impulsive Denken und Handeln zu verlieren. Kinder hingegen sehen die Welt mit Augen voller Faszination und Neugier, ohne die Angst, verurteilt zu werden. Die Rolle der Marie zu tanzen, bringt mich dazu, mein inneres Kind ganz neu zu entdecken.

    Marie ist, seit ich sie das letzte Mal getanzt habe, ein anderes Mädchen für mich. Jedes Jahr und bei jeder Aufführung versuche ich mir vorzustellen, dass ich alles zum ersten Mal erlebe. Wie aufregend es ist, mein erstes Paar Spitzenschuhe anzuziehen, wie erstaunlich es ist, sich zum ersten Mal zu verlieben und wie magisch es ist, zu träumen. Marie ist authentisch, deshalb ist jede Vorstellung anders, ich muss jeden Moment spüren und nicht versuchen, etwas zu reproduzieren.

    Marie (Giorgia Giani) tanzt zum ersten Mal mit Günther (Christopher Evans) und verliebt sich in ihn © Kiran West

    Emilie: Die Rolle der Marie hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. Sie war eine der ersten Rollen, die ich hier in Hamburg getanzt habe, und dies ist nun meine neunte Spielzeit in der Compagnie. Es ist also die Rolle, die ich am meisten erlebt und am längsten getanzt habe. Das schafft eine besondere Situation für mich, da ich diese Gelegenheit nutzen kann, um damit zu experimentieren, wer Marie in einer bestimmten Aufführung sein kann. Die Schritte sind ein Teil von mir geworden, was mir die Freiheit gibt, mich zu entspannen und jeden Abend neue Situationen zu entdecken.

    Zahlreiche Gäste kommen zu Maries Geburtstagsparty, darunter der exzentrische Ballettmeister Drosselmeier (Alexandre Riabko) © Kiran West

    Ein wunderbarer Teil von Marie ist, dass sie fast den ganzen Abend auf der Bühne steht und sich mit allen anderen Figuren auf der Bühne auseinandersetzt. Ich liebe es zu entdecken, wie die Energie und die Aktionen meiner Kolleginnen und Kollegen mich inspirieren, bei jeder Aufführung anders zu reagieren. Marie lässt auch die Freude daran wiederaufleben, wie wir das Tanzen gelernt haben und was für ein heiliger Ort die Bühne für uns Künstler ist. Wir dürfen nie die ersten Schritte vergessen, die wir auf einer Bühne gemacht haben …

    Was ist deine liebste Weihnachtstradition?

    Emilie: Meine liebste Weihnachtstradition ist es, mit meiner Familie zusammen zu sein und die Weihnachtsfreude mit ihnen zu teilen. Für mich ist das der wichtigste Aspekt dieser Zeit des Jahres – die Möglichkeit, mit den Menschen, die wir lieben, zusammen zu sein und darüber nachzudenken, was im Leben am wichtigsten ist.

    Marie (Emilie Mazoń) ist fasziniert von den farbenfrohen Tänzen im 2. Akt, sie mischt sich unter die Narren, um mit ihnen zu tanzen © Kiran West

    Giorgia: Ich LIEBE Weihnachten, ich liebe einfach alles, was mit Weihnachten zu tun hat.

    Die Lichter, die Musik, den Baum, das Essen. Es ist die perfekte Gelegenheit, um den Menschen, die man liebt, zu sagen, dass man sie liebt, um Geschenke für sie zu finden und Zeit mit ihnen zu verbringen.

    Ich glaube, meine liebste und obligatorische Weihnachtstradition ist genau das: mich mit den Menschen zu umgeben, die ich liebe. Familie und enge Freunde. Panettone essen, Brettspiele spielen und quatschen, bis es Nacht wird!

    … Und natürlich ist der Baum ein Muss! Ich habe ihn schon seit Anfang November aufgestellt und geschmückt, und wenn es nach mir ginge, könnte er das ganze Jahr über dort stehen bleiben!

    Nathalia Schmidt

  • BallettTester »Ein Sommernachtstraum«

    BallettTester »Ein Sommernachtstraum«

    Als BallettTester durften Paula, Elise und Ole unsere Wiederaufnahme bereits in der Hauptprobe erleben. Hier erzählen sie von ihren Erlebnissen und Eindrücken.

    »Seid ihr denn des Wachens auch gewiss? Mir scheint’s wir schlafen, wir träumen noch.« (Ein Sommernachtstraum, IV Akt, I Szene)

    Am Freitagabend ging für mich ein Traum in Erfüllung. Im wahrsten Sinne des Wortes: Denn ich durfte mir zusammen mit zwei weiteren BallettTestern die Hauptprobe von »Ein Sommernachtstraum«, eine Wiederaufnahme des Hamburg Ballett, in der Staatsoper Hamburg ansehen. Nachdem wir sehr freundlich im Foyer der Staatsoper begrüßt wurden, öffnete sich pünktlich um 17:00 Uhr der Vorhang und der Prolog des Stückes begann.

    Das Stück beginnt mit den Hochzeitsvorbereitungen der Vermählung von Hippolyta (Alina Cojocaru) und Theseus (Christopher Evans). Hier bleibt vor allem die 8,5 meterlange Schleppe im Gedächtnis, die Hippolyta trägt, als sie sich, mit dem Rücken gewandt zum Publikum, im Spiegel betrachtet. Nachdem alle Vorbereitungen für die Hochzeit beendet sind, schläft Hippolyta auf einem Sofa ein und beginnt zu träumen.

    Demetrius, Helena, Puck, Lysander und Hermia im Feenwald © Kiran West

    Nach dieser schön inszenierten Einleitung, verwandelt sich das Bühnenbild in einen düsteren Feenwald, in dem sich Elfenkönig Oberon (Christopher Evans), Feenkönigin Titania (Alina Cojocaru) und der Elf Puck (Alexandr Trusch) aufhalten. Auch wenn das Bühnenbild im ersten Moment vielleicht schlicht wirkt, bleibt es nicht lange so. Durch die Tänzer wird der Wald zum Leben erweckt. Zudem bekommt alles durch die glitzernden Kostüme von Oberon und Titania etwas Magisches.

    In diesem Wald trifft sich das junge Paar Hermia (Madoka Sugai) und Lysander (Matias Oberlin). Hermia wird allerdings von Demetrius (Alexandre Riabko) verfolgt, der ebenfalls in sie verliebt ist. Demetrius wird wiederum von Helena (Leslie Heylmann) verfolgt, die in diesen verliebt ist. Elfenkönig Oberon bekommt das alles mit und beauftragt Puck damit Demetrius mit einer Blume zu verzaubern, damit dieser sich in Helena verliebt. Doch anstelle von Demetrius trifft Puck Lysander, der nun zu Hermias Leidwesen nur noch Augen für Helena hat. Ein riesiges Liebeschaos beginnt, das choreografisch sehr charmant dargestellt wird.

    Die Handwerkergruppe in »Ein Sommernachtstraum« © Kiran West

    Ab und zu zieht auch noch eine Gruppe von Männern mit einer Drehorgel durch den Wald, die zu Ehren von Hippolytas und Theseus Hochzeit ein Theaterstück aufführen wollen und im Wald einen Platz zum Proben suchen. Aus Spaß verwandelt Puck den Kopf von dem Anführer der Gruppe Zettel (Marc Jubete) in den eines Esels und Titania verliebt sich, ebenfalls durch Pucks Zauberblume, in diesen.

    Auch wenn der Titel des Stücks nach einem Traum verlauten lässt, ist die Handlung alles andere als einschläfernd! Enden tut das Stück mit einer riesigen Hochzeit, die durch wunderschöne Tänze, dem Grand Pas de deux von Hippolyta und Theseus und dem humorvollen Stück von Zettel und seiner Handwerkergruppe zum wahren Spektakel wird.

    Alles in allem ist die Inszenierung einfach ein (Sommernachts-) Traum! Meiner Meinung nach wird Shakespeares Komödie sehr liebevoll und mit viel Witz und Charme in Szene umgesetzt. Es lohnt sich also auf jeden Fall nicht nur für Shakespeare- und Ballettliebhaber sich von diesem Stück verzaubern zu lassen!

    Paula Wegner, 22 Jahre

    Ich bin Elise, 11 Jahre alt. Ich habe mir das Ballettstück »Ein Sommernachtstraum« angesehen und das ist meine Meinung dazu:

    Am Anfang war es etwas schwierig der Handlung zu folgen, weil die wichtigen Szenen oft gleichzeitig oder ganz schnell hintereinander stattfanden. Der Traum und die Wirklichkeit waren gut voneinander zu unterscheiden, gingen aber auch gut ineinander über. Am Ende wurde es etwas schleppend, da sich circa 40 Minuten nur um die Hochzeit drehten. Trotz dieser Kritik würde ich mir das Ballettstück auch noch einmal ansehen, weil es viel zu sehen und hören gibt.

    Das Ensemble als Feen und Elfen in »Ein Sommernachtstraum« © Kiran West

    Um auf das Hören zurückzukommen: das Orchester, das vor der Bühne im Graben spielte, hörte sich toll an. Die Musik passte perfekt zu der jeweiligen Stelle und weckte immer die gefragte Emotion. Das »Sehen« war auf die Tänzer, die eine tolle Leistung gebracht haben, zurückzuführen. Was mich am meisten beeindruckte: Die Kostüme und die Bühnenbilder, die fantastisch zu der jeweiligen Stelle passten. Immer wieder habe ich mich gefragt, wann die Tänzer den Baum u.a. weggeschoben haben, weil die ganze Zeit etwas passiert ist und man das gar nicht mitgekriegt hat. Außerdem kam mir die Bühne riesig vor, weil sie nicht zu vollgestellt war. Ich war überrascht, dass die Tänzerinnen und Tänzer in solchen Kleidern, besonders dem mit der langen Schleppe, tanzen konnten und es hat mir sehr viel Spaß gemacht dieses Ballett zu sehen. Wie schon gesagt, ich würde das Ballett gerne noch einmal erleben, um alles zu sehen und zu verstehen und vor allem aus Spaß. Ein großes Lob an die Tänzerinnen und Tänzer und an die Organisatoren und Macher dieses Stückes. Danke, dass ich das hier schreiben konnte!

    Elise Weber, 11 Jahre

    Die Neugier hat mich hierhergeführt.

    Es ist mein erstes Mal im Ballett überhaupt und dann gleich zu so einem Hochkaräter. »Ein Sommernachtstraum« kenne ich sehr gut, ich habe selbst schon Lysander im Theater gespielt und weiß, wie verwirrend dieses Stück von Shakespeare sein kann.

    Ich hoffe, dass ich dem Stück gut folgen kann, auch ohne den Gebrauch von Sprache. Auf der Bühne passiert viel zur selben Zeit und ich habe anfangs Orientierungsschwierigkeiten und versuche zu verstehen, wo die wirkliche Handlung stattfindet. Mit meinen Augen probiere ich überall gleichzeitig zu sein; was mich anfangs irritiert, wird zunehmend verständlicher, ich lasse es einfach auf mich wirken. Die beeindruckenden Tanzszenen kann ich noch nicht selbst erkennen, sondern merke es erst in dem Moment, wo die Fotografen wie verrückt auf den Abzug drücken und das Klackern der Kameras von allen Seiten kommt. Ich sitze mittendrin.

    Alina Cojocaru und Christopher Evans als Titania und Oberon © Kiran West

    Dennoch merke ich, wie viel ich wiedererkenne und verstehe. Es sind wirklich beeindruckende Szenen, die sich da abspielen; vor allem die Szenen von Oberon, Titania und dem frechen Puck. Sie haben etwas Mystisches im Vergleich zu den pompösen Szenen der anderen Akteure. Eine ganz andere Facette der Inszenierung sind die Handwerker, die es schaffen dem Ballett auch etwas Witziges zu verleihen. Nach dem langen und großartigen Finale bin ich sprachlos und weiß nicht so recht, was ich darüber sagen soll. Es wirkt ein bisschen so, als hätte ich drei ganz unterschiedliche Arten von Ballett gesehen, die aber am Ende in der Hochzeitsszene zusammengeführt werden.

    Es hat mich überrascht, wie man Shakespeare auch ohne seine beeindruckenden Texte auf die Bühne bringen und wie viel allein der Tanz an Emotionen und auch an Handlung rüberbringen kann.  Das Ballett im Allgemeinen wird es nicht schaffen den Platz des Theaters in meinem Herzen einzunehmen, aber die vielen Inszenierungen von John Neumeier, die ihren Ursprung bei Shakespeare haben, haben mein Interesse geweckt und es wird nicht mein letzter Besuch im Ballett gewesen sein!

    Ole Feldvoss, 20 Jahre