Marc Bouchkov spielt Bernsteins Serenade
John Neumeiers »Bernstein Dances« sind zurück im Repertoire. Ein besonderes Highlight ist, dass Marc Bouchkov den Part der Solovioline übernehmen wird. Erst kürzlich gewann er den 2. Preis und die Silbermedaille beim renommierten Tschaikowsky Wettbewerb in Moskau. Für den Blog hat er meine persönlichen drei Fragen beantwortet:
Leonard Bernstein wäre 2018 100 Jahre alt geworden. Was macht aus deiner Sicht Bernsteins Musik so besonders?
Marc Bouchkov: Mich hat schon immer sehr beeindruckt, wie Bernstein dirigiert. Man sieht nicht häufig einen Komponisten, der viele seiner Werke selbst dirigiert. Wenn man dies hört und sieht, versteht man sehr viel von seinem Charakter und dem Spaß, den er dabei hatte. Ich denke, dass lässt sich auch auf das Komponieren übertragen. Bernstein hatte auch daran viel Spaß. Seine Musik ist immer auch ein Fest, es gibt so viele Sachen, die passieren; rhythmisch, harmonisch und melodisch. Meiner Meinung nach hat er einen perfekten klassischen Musikstil gefunden; Musik mit Bildern. Jedes Stück, das er komponiert hat, erzählt uns eine Geschichte. Man könnte seine Werke sofort als Film, als Musical oder auch als Tanz auf die Bühne bringen. In seiner Musik steckt aber auch viel Gefühl, wie beispielsweise in der Serenade nach Platons Symposion. Bernsteins Musik zeichnet eine Genialität aus, die man sehen, hören und verstehen kann. Als Person war er eher extravagant und sehr offen, für Viele war er ein Vorbild, auch für uns Musiker. Ich habe sehr viel Respekt vor ihm!
Leonard Bernstein bezeichnete einst seine Serenade für Violine, Streichorchester, Harfe und Schlaginstrumente nach Platons Symposion als sein bestes Werk. Was macht dieses Werk so besonders?
Isaac Stern hat diese Serenade einfach genial gespielt! Bei der Uraufführung dirigierte Bernstein selbst, zwei Genies zusammen auf einer Bühne, das muss unglaublich gewesen sein. Die Serenade ist das Resultat von Bernsteins besten Qualitäten. Eine unglaublich melodische Linie, dazu sehr viel Rhythmus und Energie, das Stück ist sehr tänzerisch. Die Harmonien erkennt man sofort wieder; wenn man sie hört, weiß man, das ist Bernstein! Manchmal höre ich eine Inspiration von Strawinsky heraus, trotzdem bleibt Bernstein seinem ganz eigenen Stil treu. Von der analytischen Seite her ist die Serenade geradezu perfekt.
Etwas Anderes macht die Serenade auch so besonders: Es ist das Thema, das Bernstein wählte: Eine Serenade nach Platons Symposion, das ist meiner Meinung nach ein Statement. Alle wissen, dass Bernstein ein unglaubliches Herz hatte. Liebe ist für ihn alles. In der Serenade präsentiert er ganz unterschiedliche Facetten von Liebe, sie kann verrückt sein, introvertiert, extrovertiert, sehr geschlossen… Ohne Liebe sind wir Menschen keine Menschen mehr. In seinem fünfsätzigen Werk hat Bernstein die bei einem Gastmahl gehaltenen erfundenen Reden zum Thema Liebe musikalisch perfekt wiedergegeben; wenn man Platons Symposion liest, dann kann man es musikalisch nur auf Bernsteins Weise spielen. Meine Verbindung zu diesem Stück ist sehr stark.
Wann wurde dir klar, dass die Musik zu deinem Beruf wird? Welche Rolle spielt Hamburg für deine Entwicklung?
Eigentlich haben alle in meiner Familie Violine gespielt. Die Violine ist meine Muttersprache.
Ich habe einige Jahre in Hamburg gelebt und mit dem NDR-Sinfonieorchester gespielt. Immer wenn ich nach Hamburg komme, fühlt es sich wie ein nach Hause kommen an. Aus Hamburg bin ich als Student weggegangen und nun komme ich als Künstler wieder zurück. Auch wenn ich weit weg wohne, ist das Gefühl für diese Stadt immer noch sehr stark. Übrigens scheint jedes Mal, wenn ich nach Hamburg komme, die Sonne – ein schöner Willkommensgruß!
Vielen Dank für das Interview, lieber Marc und herzlich willkommen in Hamburg!
Aufmacherbild: Marc Bouchkov (c) Nikolaj Lund
Nathalia Schmidt