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  • Anna Laudere zu Anna Karenina

    Anna Laudere zu Anna Karenina

    Im Mai 2019 haben wir ein »Anna Karenina«-Festival in Hamburg gefeiert. Zum ersten Mal seit der Uraufführung im Juli 2017 hat unser Hamburg-Publikum die Gelegenheit gehabt, John Neumeiers jüngstes Handlungsballett in gleich vier verschiedenen Besetzungen zu erleben! Neben der ursprünglichen Hamburg-Besetzung mit Anna Laudere und Edvin Revazov als Anna Karenina und Alexej Wronski gab es ein Debüt von Xue Lin und Jacopo Bellussi und auch Svetlana Lunkina und Harrison James vom National Ballet of Canada sowie Olga Smirnova und Artem Ovcharenko vom Ballett des Bolschoi-Theaters waren als Besetzungen der Koproduktionspartner zu Gast in Hamburg.
    Am 19. Juni steht »Anna Karenina« noch einmal während der 45. Hamburger Ballett-Tage auf dem Programm. Wir haben mit Anna Laudere gesprochen, die die Rolle Anna Karenina für die Uraufführung mit John Neumeier kreiert hat. Im dritten Teil der Reihe »3 Fragen an Anna Karenina« erzählt sie uns, wie sie die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Besetzungen während des »Anna Karenina«-Festivals erlebt hat und wie es war, als sie im Mai das Ballett zum allerersten Mal aus dem Zuschauerraum gesehen hat.

    Anna, du hast die Rolle Anna Karenina zusammen mit John Neumeier für sein Ballett kreiert. Du bist quasi Anna Karenina! Wie hast du dich gefühlt, als du das Ballett zum ersten Mal aus der Perspektive des Publikums gesehen hast?

    Anna Laudere: Zuallererst möchte ich gerne John Neumeier Danke sagen, für das Vertrauen, das er mir entgegengebracht hat, indem er mich für diese Kreation, für die Rolle Anna Karenina ausgewählt hat. Denn ein Jahr lang habe ich wirklich einen Traum gelebt! Es war ein unglaublicher Prozess für mich!

    Und ich muss sagen, ich war wirklich sehr beeindruckt, als ich das Ballett zum ersten Mal gesehen habe! Ich finde, es ist wunderschön – das Licht, die Musik, einfach alles. Ich glaube, niemand hat die Geschichte besser erzählt als John. Es ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle und obwohl das Buch ja wirklich sehr dick ist, hat John alles auf den Punkt gebracht, jeden einzelnen Charakter.
    Schon als ich das Ballett getanzt habe, war es eine Achterbahnfahrt für mich, aber als ich es aus dem Zuschauerraum gesehen habe, wurde mir bewusst, wie vielschichtig jeder Charakter ist. Es war eine unglaubliche Erfahrung. Am Ende habe ich vor Rührung geweint und konnte gar nicht mehr aufhören. Ich war wirklich sehr berührt von der Performance, von den Tänzern, von dem ganzen Abend. Es war wundervoll anzusehen.

    Außerdem war es interessant, drei verschiedene Anna Kareninas zu sehen, denn jede von ihnen war unterschiedlich. Es war eine tolle Idee von John so ein Festival zu machen, damit wir und das Publikum das erleben können. Denn es ist immer spannend zu sehen, dass bei jeder Tänzerin die Arbeit mit John etwas anderes entstehen lässt – jeder hat seine eigene Art es zu zeigen. Deshalb war es für mich eine tolle Erfahrung, die drei Besetzungen zu sehen!

    Anna Laudere als Anna Karenina © Kiran West

    Xue und Jacopo sind deine Kollegen und ihr kennt euch gut. Svetlana Lunkina hast du zum ersten Mal getroffen. Xue und Svetlana haben uns schon von eurer Zusammenarbeit erzählt, aber wie hast du es erlebt, mit den verschiedenen Tänzerinnen zu arbeiten?

    Zu den Gasttänzerinnen kann ich sagen, dass sie natürlich bereits sehr gut vorbereitet waren. Sie wussten schon alles. Mit ein paar Dingen konnten Edvin und ich aber doch ein bisschen helfen – gerade bei anspruchsvolleren Teilen. Wenn man eine Rolle kreiert hat, dann weiß man genau, wie man an welcher Stelle fühlt. Aber das war wirklich nur ein kleiner Teil.

    Von Xue und Jacopo war ich total beeindruckt, denn sie mussten alles in einer Woche vorbereiten. Die Arbeit, die sie geleistet haben, war wirklich toll! Ich konnte in fast jeder Probe dabei sein und sie waren gut vorbereitet. Sie kannten ihre Schritte und die Musik und sie wurden nicht müde, es wieder und wieder zu probieren, damit es gelingt und genau so wird, wie es sein soll.

    Wir probten zunächst die anspruchsvollen Schritte und natürlich habe ich Xue alle Informationen gegeben, die mir John auch gegeben hatte, und ihr von den Partien, in denen er mich geleitet hat, erzählt. Den Rest habe ich ihr überlassen, denn ich denke, dass jeder seinen eigenen Charakter in der Rolle finden muss. Ich habe ihr manchmal erzählt, was ich darüber denke, aber ihr die Freiheit gegeben, selbst zu entscheiden. Das Ballett ist so toll gemacht, dass man beinahe die einzelnen Sätze aus dem Buch auf der Bühne sehen kann. Also habe ich sie einfach hier und da ein bisschen an die Hand genommen, aber eigentlich habe ich ihr hauptsächlich weitergegeben, was John mir gesagt hatte.

    Alle vier Hauptpaar-Besetzungen und Gäste mit John Neumeier während des
    »Anna Karenina«-Festivals © Kiran West

    In John Neumeiers »Anna Karenina« haben die Szenen teilweise sehr unterschiedlichen Settings. Auch die Musik ist vielseitig– es gibt drei Komponisten. Welche Szene ist deine Liebste im Ballett und warum?

    Ich kann nicht sagen, dass ich eine Lieblingsszene habe. Einmal angefangen durchlebe ich einfach die Geschichte. Jede Szene ist anders für mich und jedes Mal, wenn man sie tanzt, ist es wieder neu. Es gibt keinen Moment, den ich mehr oder weniger mag. Es ist einfach ein wunderbarer Trip!
    Das Besondere an dem Ballett ist für mich, dass sich jede Person darin selbst finden kann. Das ist der Grund, warum es so nah an jedem ist. Wenn man ehrlich zu sich ist, dann kann sich jeder in den Charakteren wiederfinden.

    Karen Azatyan, Anna Laudere und Edvin Revazov in »Anna Karenina« © Kiran West

    Ihr wollt mehr über Anna Laudere erfahren? Schaut euch ihren Steckbrief an!

    Lisa Zillessen

    Im ersten Teil der Serie »3 Fragen an Anna Karenina« haben wir mit unserer Solistin Xue Lin über ihr Debüt als Anna Karenina gesprochen. Im zweiten Teil der Serie »3 Fragen an Anna Karenina« hat Svetlana Lunkina vom National Ballet of Canada ihre Eindrücke zur Rolle Anna Karenina mit uns geteilt.

  • Svetlana Lunkina zu Anna Karenina

    Svetlana Lunkina zu Anna Karenina

    John Neumeiers »Anna Karenina« entstand als Koproduktion zwischen dem Hamburg Ballett, dem Ballett des Bolschoi Theaters und dem National Ballet of Canada. Die russische Startänzerin Svetlana Lunkina war die Premierenbesetzung der Anna Karenina beim National Ballet of Canada. Am 11. Mai ist sie gemeinsam mit ihren kanadischen Kollegen Harrison James als Alexej Wronski und Félix Paquet als Lewin zu Gast in der Hamburgischen Staatsoper. In einem Gespräch erzählt sie uns von ihren Eindrücken zur Rolle Anna Karenina.

    Svetlana, John Neumeier hat dir die Titelrolle seiner Ballettadaption von »Anna Karenina« für die Premiere am National Ballet of Canada im November letzten Jahres in Toronto anvertraut. Wie hast du die Zusammenarbeit mit John Neumeier erlebt?

    Svetlana Lunkina: Mit John zusammenzuarbeiten ist auf so viele Arten sehr besonders. Jedes Mal kann ich es kaum erwarten, dass er in das Studio kommt und ich mit ihm arbeiten kann. »Anna Karenina« war ja nicht die erste Zusammenarbeit mit ihm. Ich habe davor »Nijinsky« und »Endstation Sehnsucht« mit ihm gemacht. Es ist immer wieder herausfordernd, sehr interessant und emotional. Mit John erlebe ich alle Emotionen, die ich aus meinem Leben kenne, an einem Tag. Wenn man mit ihm arbeitet, dann muss man lernen, natürlich, emotional und menschlich zu sein, aber trotzdem in der Rolle zu bleiben.

    Wenn ich dann nach den Proben alleine bin, fühlt es sich so an, als wäre er immer noch bei mir. Ich denke weiter darüber nach, was er gesagt hat, über jedes Detail. Wenn ich mit John zusammenarbeite, dann gibt es nichts anderes mehr. Unterwegs auf der Straße oder zuhause im Bett denke ich: »Was haben wir heute gemacht? Was kann ich morgen besser machen? Wie kann ich wachsen? Wie kann ich mich noch besser ausdrücken?«
    Ich weiß jedes Mal, dass es nicht einfach wird. Es ist eine Herausforderung – im positivsten Sinne! Es ist wichtig, offen zu bleiben und fähig zu sein, selbst wenn man die Schritte kann, jedes Mal mehr zu wagen, Tag für Tag. Ich liebe es einfach, mit John zu arbeiten!

    Svetlana Lunkina und Harrison James tanzen Anna Karenina und Alexej Wronski am 11. Mai in Hamburg © Kiran West

    Es gibt verschiedene Film-, Theater- und choreografische Adaptionen des Romans von Leo Tolstoi. Darunter ist ein Ballett, das 1974 vom Ballett des Bolschoi-Theaters mit Maya Plisetskaya und Alexander Godunov in den Hauptrollen gezeigt wurde. Die Rolle der Anna Karenina ist sehr komplex und facettenreich – emotional und physisch. Wie bist du an diese Rolle herangegangen und worin liegt für dich die Herausforderung in der Interpretation der Figur?

    Wir haben uns natürlich die Filme, die unterschiedlichen Ballette und das Buch angesehen. Aber das Interessante an Johns Ballett ist, dass er nicht einfach das Buch in ein Ballett verwandelt hat. Leo Tolstoi war zwar seine Inspiration, aber das Ballett ist seine Interpretation, es sind Johns Gefühle.

    John konnte nicht jedes Detail über jeden Charakter in seinem Ballett ausarbeiten. Er hat immer wieder gesagt: »Ich habe keine fünf oder sechs Stunden Zeit!« Das Ballett ist sein Blick auf die Charaktere und erzählt die Geschichte sehr kompakt. Daher hat er mir klargemacht, dass ich in jeder Szene sehr anders sein muss. Weil keine Übergänge oder Entwicklungen auf der Bühne dargestellt werden, gibt es in jeder Szene eine neue Anna mit neuen Gefühlen in neuen Situationen. Das war am Anfang wirklich nicht einfach für mich, denn Anna ist fast immer auf der Bühne.

    Und weil die Bewegungen natürlich sein sollen, kann man die verschiedenen Reaktionen und Gefühle nicht einfach »spielen«, ich muss die Emotionen wirklich fühlen. Das hat seine Zeit gebraucht und diese Entwicklung hört nicht auf. Ich muss immer wieder einen neuen Weg finden, um das, was Anna erlebt, auszudrücken. Besonders wenn John dabei ist, ist es unglaublich: Seine Anwesenheit und auch eine neue Compagnie verändert alles. Ich kann manche Dinge nicht genau gleich machen wie zuvor, weil die unterschiedlichen Tänzer neue Impulse geben. Jeder ist in seinem Charakter und man reagiert aufeinander. Weil jeder Tänzer einzigartig ist, führt das zu neuen Reaktionen – auch bei mir. Ich denke mir dann: »Wow, du hast gerade total anders reagiert!«

    John sagt: »Ich will nicht das sehen, was ich gestern gesehen habe. Ich will mehr!« Man muss sich immer weiterentwickeln, jeden Tag sein Bestes geben. Selbst wenn du heute das Beste gegeben hast, sieht dein Bestes von morgen vielleicht anders aus.

    Eine Szene aus »Anna Karenina« mit Svetlana Lunkina und Harrison James als Hauptpaar © Kiran West

    John Neumeier überträgt die Geschichte der Figur Anna Karenina aus dem 19. Jahrhundert in die Gegenwart. Worin liegt deiner Meinung nach die moderne Relevanz und Zeitlosigkeit von »Anna Karenina«?

    Jeden Moment aus »Anna Karenina« können wir in irgendeiner Form in unserem eigenen Leben finden – so geht es auf jeden Fall mir. Als ich das Ballett zum ersten Mal getanzt habe, musste ich an mein eigenes Leben denken und wie ich auf Dinge, die mir passiert sind – gut und schlecht – reagiert habe. Die Emotionen, die in der Geschichte vorkommen, kennt jeder, egal in welcher Zeit – sie sind zeitlos. Ich mag es, dass John das Ballett in unserer Zeit angelegt hat. Man muss als Tänzer nicht über historische Kostüme oder sowas nachdenken. Es ist so viel näher an einem selber dran, näher an dem eigenen Leben, am eigenen Herz, näher an dem, was man ist. Dadurch kann man die Gefühle stärker transportieren.

    Lisa Zillessen und Katerina Kordatou

    Im ersten Teil der Serie »3 Fragen an Anna Karenina« haben wir mit unserer Solistin Xue Lin über ihr Debüt als Anna Karenina gesprochen.

  • Xue Lin zu Anna Karenina

    Xue Lin zu Anna Karenina

    Seit dem 29. April und noch bis zum 11. Mai 2019 feiern wir ein regelrechtes »Anna Karenina«-Festival. Zum ersten Mal seit der Hamburg-Premiere im Juli 2017 hat unser Publikum die Gelegenheit John Neumeiers jüngstes Handlungsballett in gleich vier verschiedenen Besetzungen zu erleben! Neben der ursprünglichen Hamburg-Besetzung mit Anna Laudere und Edvin Revazov als Anna Karenina/Alexej Wronski, werden auch die Besetzungen der Koproduktionspartner aus Kanada und Russland zu Gast in der Hamburgischen Staatsoper sein.
    Sehr gelungen ist bereits das Debüt der neuen Besetzung aus unserer Compagnie: am 1. und 2. Mai tanzten unsere Solisten Xue Lin und Jacopo Bellussi das Hauptpaar und ernteten dafür gebührenden Applaus! Im ersten Teil der Reihe »3 Fragen an Anna Karenina« haben wir mit Xue Lin über ihr Debüt und die Rolle der Anna Karenina gesprochen.

    Xue, Anna Karenina ist die tragische Titelfigur in Leo Tolstois Roman und John Neumeiers Ballettadaption. Sie ist eine Figur, die in den unterschiedlichsten Medien interpretiert wurde und kulturübergreifende literarische Bedeutung hat. Wie setzt man sich als Tänzerin mit solchen Charakteren auseinander und wie hast du dich auf die Rolle der Anna Karenina vorbereitet?

    Xue Lin: Ich hatte schon zu Beginn der Saison angefangen die Schritte zu lernen und bevor wir zur Tournee nach China gereist sind, bestätigte John Neumeier, dass ich auf jeden Fall zwei Vorstellungen tanzen werde. Das führte dazu, dass ich mir viele Gedanken über die Geschichte machte. Ich habe das Buch von Leo Tolstoi mit nach China genommen und es gelesen. Außerdem habe ich mir den »Anna Karenina«-Film mit Keira Knightley gleich zwei Mal angeschaut.

    Die Schritte zu können ist nicht so schwer wie zu lernen, die Geschichte zu erzählen. Also musste ich irgendwie eine Idee davon bekommen, wie ich den Charakter spiele. Nachdem ich mir viele Videos angesehen hatte, bekam ich ein Bild von Anna Karenina. Aber als ich tanzte, habe ich gemerkt, dass es mir am leichtesten fällt sie zu verkörpern, indem ich ich selbst bin. Ich habe nicht daran gedacht »In diesem Moment muss ich dies tun, jetzt das spielen.« – Ich musste nichts spielen. Auch unsere Ballettmeister sagen immer: »Lass dich von der Geschichte leiten und spreche mit deinem Herzen, tanze mit deiner Seele!« Das habe ich versucht.

    Xue Lin und Carsten Jung als Anna Karenina und Alexej Karenin © Kiran West

    Anna Karenina ist ein vielseitiger und emotionaler Charakter. Wie bringst du die Emotionen auf die Bühne und was war die größte Herausforderung für dich?

    Ich versuchte mich in Anna Kareninas Situation hineinzuversetzen – das hat mir geholfen, die Geschichte zu verstehen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich in den Situationen fühlen würde. Ich bin der Meinung, dass man mit den Erfahrungen, die man in seinem eigenen Leben macht, sich manches vorstellen kann. Zum Beispiel ein Kind zu vermissen – ich habe zwar selbst kein Kind – aber ich versuchte mir vorzustellen, wie es sich anfühlen würde das Kind zu verlassen oder von der Person, die man am meisten liebt, verlassen zu werden. Ich stellte mir vor, wie ich mich verhalten würde, wenn mein ganzes Leben zusammenbricht.

    Was mich herausforderte, war vor allem der Anfang des Balletts. Ich hatte Bedenken, dass ich nicht wie eine Mutter oder Ehefrau oder ›Frau‹ aussehe. Aber durch die Proben lernte ich, wie ich stehen und mich positionieren muss. Das fiel mir anfangs nicht leicht, aber am Ende habe ich mich wohl gefühlt.

    Anna Karenina (Xue Lin) besucht ihren Sohn Serjoscha (Marià Huguet) © Kiran West

    Für das Hamburger Publikum warst du die erste Neubesetzung der Anna Karenina. Du folgst auf Anna Laudere, die an der Kreation der Anna Karenina beteiligt war. Wie war das für dich und warst du dadurch nervöser als sonst?

    Tatsächlich habe ich nicht so viel darüber nachgedacht, dass Anna Laudere bisher die einzige Anna Karenina in Hamburg war. Ich hatte aber auch keinen Druck, denn die Ballettmeister und Anna selbst haben mir ihr vollstes Vertrauen gegeben und mir sehr geholfen! Anna war in fast jeder Probe dabei – sie hat mir so viel Selbstvertrauen gegeben! Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass es schlecht laufen könnte. Ich sagte mir, dass ich ich selbst sein muss und mit meiner Seele tanzen muss, denn das ist das Wichtigste! Ich hatte die beste Unterstützung von Anna und bin so dankbar, dass sie da war! Sie war so nett und hat mir von Anfang bis zum Ende mit Allem geholfen. Sie hat bei der Vorstellung zugesehen und ich habe zu ihr gesagt, dass es mir Ruhe und Selbstvertrauen gibt, dass sie da ist. Auch Anna sagte, dass sie da sei um mich zu unterstützen.

    Es war auch schön mit Jacopo zu arbeiten. Er lernt so schnell und ist ein guter Freund. Dadurch waren wir sehr entspannt und nicht nervös. Dann kam der erste Durchlauf mit John: Es war eine Herausforderung für uns, denn wir hatten plötzlich so viele Dinge im Kopf – der explodierte fast durch die ganzen Informationen und den Input. Aber dennoch blieben wir beide sehr entspannt, denn am Ende ist das, was zählt, am Abend die Geschichte zu erzählen!

    Xue Lin und Jacopo Bellussi debütierten als Anna Karenina und Alexej Wronski © Kiran West

    Ihr wollt mehr über Xue Lin erfahren? Schaut euch ihren Steckbrief an!

    Lisa Zillessen

    Im zweiten Teil der Serie »3 Fragen an Anna Karenina« sprechen wir mit Gasttänzerin Svetlana Lunkina vom National Ballet of Canada über die Rolle Anna Karenina und ihre Zusammenarbeit mit John Neumeier.

  • Vladimir Kocić zu »Anna Karenina« auf Reisen

    Vladimir Kocić zu »Anna Karenina« auf Reisen

    Das erste Gastspiel des Balletts »Anna Karenina« hat die bühnentechnischen Mitarbeiter vor einige Herausforderungen gestellt. Im Kurzinterview erzählt der technische Produktionsleiter des Hamburg Ballett, Vladimir Kocić, wie man ein Ballett auf eine andere Bühne bringt und warum Klebeband dabei eine wichtige Rolle spielt.

    Vladimir, Freitagbend wurde »Anna Karenina« zum ersten Mal in Baden-Baden aufgeführt. Wie geht die technische Abteilung an das erste Gastspiel eines Balletts heran?

    Vladimir Kocić: Man überlegt natürlich bereits bevor das Gastspiel anbricht, was die neue Bühnensituation für das Stück bedeutet. In Baden-Baden sind wir bereits seit 20 Jahren zu Gast – wir kennen die Bühne dementsprechend gut und wissen, was auf uns zukommt. Für mich beginnt die eigentliche Arbeit aber erst, wenn man vor Ort ist und seine Ideen in die Tat umsetzt. Was hier anders ist als in Hamburg: Die Bühne des Festspielhauses hat ein etwas breiteres Portal und nur eine Seite, die für die ›Verwandlung‹, also für den Wechsel von Bühnenbild und größeren Requisiten, genutzt werden kann. Die andere Seite ist so schmal, dass dort nur die Tänzer auf- und abgehen können. Alle Abläufe wie z.B. der Wechsel des Bühnenbilds, müssen an diese andere Bühnensituation angepasst werden.

    »Anna Karenina« verlangt nach absoluter Präzision und Disziplin. Es gibt so viele Verwandlungen des Bühnenbilds, die nahtlos funktionieren müssen. Doch, wenn man gut plant, probt und mit so tollen, engagierten Leuten, wie wir sie haben, zusammenarbeitet, lässt sich alles umsetzen. Wir überlegen ja im Vorhinein nicht, welches Stück sich in Baden-Baden gut aufbauen und zeigen lassen könnte, und fällen so die Entscheidung. Im Vordergrund steht immer die künstlerische Wahl: Welches Stück möchte das Hamburg Ballett mit nach Baden-Baden bringen? Und wir, die technischen Mitarbeiter, finden dann zusammen mit Herrn Neumeier Wege, dies möglich zu machen. Alles ist eine Frage der Vorbereitung und des Timings. Schwierig ist relativ – man muss flexibel sein.

    Ein Ballettschüler als ›House-Mover‹ und Emilie Mazoń © Kiran West

    In »Anna Karenina« bewegt sich auch das Bühnenbild auf der Bühne: Es gibt mobile Wände, die nach einer eigenen Choreografie von Schülern der Abschlussklassen unserer Ballettschule gedreht und verschoben werden. Was ist notwendig, damit diese Abläufe auf einer neuen Bühne reibungslos funktionieren?

    Klebeband! Wir helfen unseren sogenannten ›House-Movern‹ mit unterschiedlichen farblichen Markierungen am Boden. Die Markierungen zeigen den korrekten Stand der Wände in verschiedenen Szenen an – natürlich haben unsere Ballettschüler nach einigen Vorstelllungen schon ein Gespür für die richtigen Drehungen und korrekten Platzierungen bekommen. Die Markierungen sind eine zusätzliche Hilfestellung, falls im Eifer des Gefechts Verwirrung aufkommt. Dieses Mal sind außerdem einige Ballettschüler dabei, die zum ersten Mal als ›Mover‹ im Einsatz sind. Sie müssen erst einmal ein Gespür für die Beweglichkeit des Bühnenbildes bekommen; das üben wir in den Proben. Außerdem werden sie in Hamburg bereits unglaublich gut von ihrer Lehrerin Ann Drower darauf vorbereitet: Sie erklärt ihnen die Raumwege und benutzt Hilfsmittel wie Stangen oder Tische, um die Drehungen zu erläutern.

    Alte und neue Markierungen für »Anna Karenina« © Pressestelle

    Wie haben sich die Markierungen für die Vorstellungen in Baden-Baden verändert?

    Zuerst orientiert man sich an den ursprünglichen Markierungen aus den Hamburg-Vorstellungen und prüft dann, was sich aufgrund der anderen Bühnenmaße verändern muss. Die Bühnengassen, das Seitenlicht, die Wände etc. geben uns Orientierung. Für jedes Requisit, das platziert wird, gibt es auch eine Markierung am Boden: Ob es die Stühle sind, die Treppe im Haus von Anna Karenina, der lange Tisch im zweiten Akt… da kommt einiges zusammen. Allein für die Platzierungen der beweglichen Wände gibt es ca. 28 unterschiedliche Markierungen! Das ist schon ein eigenständiges Zeichensystem. Und um das auf die neue Bühne zu übertragen, haben wir sechs Stunden lang geklebt. Dann beginnen die Proben, in denen sich wiederum viel verändern kann. Herr Neumeier arbeitet in Baden-Baden oft an seinen Stücken, auch damit sie auf der etwas größeren Bühne richtig zur Geltung kommen. Wir sind jederzeit auf Änderungen eingestellt: Notieren, übertragen, weitermachen. Bis am Ende alles stimmig ist.

    Die Bühne mit Markierungen von oben © Kiran West

    Frieda Fielers

  • Sebastian Knauer zu Leonard Bernstein

    Sebastian Knauer zu Leonard Bernstein

    Auf Gastspiel in Baden-Baden: An diesem Wochenende tanzt das Hamburg Ballett John Neumeiers Ballettrevue »Bernstein Dances« im Festspielhaus. Den solistischen Klavierpart übernimmt der Pianist Sebastian Knauer, der schon bei der Uraufführung des Balletts mit dabei war und nun auch in der aktuellen Wiederaufnahme zu erleben ist. Für die Blogreihe hat er meine persönlichen drei Fragen beantwortet.

    Herr Knauer, am 14. Juni 1998 feierte John Neumeiers Ballettrevue »Bernstein Dances« ihre Uraufführung in der Hamburgischen Staatsoper. Sie selbst haben den Klavierpart übernommen. Wie haben Sie die Uraufführung erlebt und wie kam es überhaupt zu der Zusammenarbeit mit John Neumeier?

    Sebastian Knauer: Ich habe das Vergnügen gehabt, mit John Neumeier und der Compagnie noch vor dem Projekt »Bernstein Dances« zusammenzuarbeiten. Unser erstes gemeinsames Projekt war das Ballett »Kinderszenen« zu Musik von Robert Schumann. Zwischendurch habe ich auch einmal mit Kevin Haigen zusammengearbeitet, der ein Ballett zu Musik von Mendelssohn kreiert hat. Und dann kam in den 90er-Jahren die Anfrage, ob ich nicht Lust auf das Projekt »Bernstein Dances« hätte. Es war ein tolles Erlebnis! Es ist immer auch etwas ganz Besonderes, selbst mit auf der Bühne und Teil des Geschehens zu sein. Bei einem Ballett sitzt man als Pianist ja meistens im Graben. Da aber das Klavier in John Neumeiers Balletten immer wieder eine zentrale Rolle spielt, hatte ich die Ehre und das Vergnügen auf der Bühne tätig zu sein. Ich habe die Zusammenarbeit mit John Neumeier und dem gesamten Ensemble in bester Erinnerung. Genauso schön ist es jetzt nach 20 Jahren bei der Wiederaufnahme von »Bernstein Dances« wieder mit dabei sein zu dürfen.

    Dazwischen gab es aber immer mal wieder Aufführungen, in Hamburg, in New York, und sogar auch hier in Baden-Baden! Es ist schön zu sehen, dass diejenigen, die damals bei der Uraufführung Solotänzer in der Compagnie waren, jetzt hinter den Kulissen für das Hamburg Ballett arbeiten, als Ballettmeister zum Beispiel oder als Assistenz der Direktion. Jetzt sind es nur noch zwei, die auch bei der Wiederaufnahme des Balletts auf der Bühne stehen: Hélène Bouchet, die die weibliche Hauptrolle tanzt, und ich. Pianisten haben ja eine andere Halbwertszeit als Tänzer. Auch nach 20 Jahren war es für mich ein großes Vergnügen mit den Tänzerinnen und Tänzern auf der Bühne zu stehen. Ich bin sehr froh, dass die »Bernstein Dances« wieder gezeigt werden und habe es insgeheim gehofft – schließlich ist 2018 das Bernstein-Jahr und ich habe viele Konzerte mit Musik von Bernstein gespielt. Die Termine für die Vorstellungen der »Bernstein Dances« in Hamburg und Baden-Baden passten alle wie durch ein Wunder in meinen Kalender. Ich bin sehr glücklich darüber!

    Sebastian Knauer und Ensemble © Kiran West

    Leonard Bernstein wäre diesen August 100 Jahre alt geworden. Sie selbst haben mit mehreren Konzerten an den berühmten Künstler erinnert. Was ist es denn aus Ihrer Sicht, das Bernsteins Musik so besonders macht?

    Die Gesamterscheinung Leonard Bernsteins ist besonders. Er war zum einen ein phänomenaler Dirigent und Musiker. Nebenbei war er – ich als Pianist kann das gut beurteilen – ein sensationeller Klavierspieler. Er spielte das Klavierkonzert von Maurice Ravel ebenso wie Klavierwerke von Wolfgang Amadeus Mozart oder die »Rhapsody in Blue« von George Gershwin. Er konnte alles, und das mit einer unglaublichen Leichtigkeit, Professionalität, Ernsthaftigkeit und Genauigkeit. Zum anderen war er ein begnadeter Komponist. Da gibt es die berühmte »West Side Story« mit Melodien, die jedem bekannt sind.

    Da gibt es aber auch die Werke, die eher unbekannt sind. Zum Beispiel sein Klavierwerk: Leonard Bernstein hat 29 »Anniversaries« geschrieben. Fünf davon sind im Ballett »Bernstein Dances« zu hören. In dieser Saison habe ich die »Anniversaries« ein paar Mal komplett aufgeführt, zum einen allein, zum anderen gemeinsam mit Jamie Bernstein, der Tochter von Leonard Bernstein. Ich habe die Stücke gespielt und sie hat über das Leben ihres Vaters erzählt. Die »Anniversaries« tragen alle eine Widmung; es sind kleine musikalische Portraits, die Leonard Bernstein zum Geburtstag enger Freunde komponiert hat. Jamie Bernstein hat dem Publikum erklärt, wer diese Personen waren und hat dabei auch private Fotos gezeigt. Die »Anniversaries« klingen nicht wie die »West Side Story«, sie sind in sich gekehrter und viel persönlicher. Aber gerade das macht die Musik von Leonard Bernstein aus, diese Vielseitigkeit! Er schrieb Werke für den Broadway und das Musical, aber auch symphonische und instrumentale Musik. Die früheren Werke klingen teilweise sehr experimentell. Die Violinsonate zum Beispiel ist viel dissonanter im Klang, ganz anders als die »Anniversaries«. Ich habe auch einmal die zweite Sinfonie »The Age of Anxiety« gespielt, was übrigens auch Ballettmusik ist – ein extrem schweres Stück, aber es macht sehr viel Spaß! Ja, Leonard Bernstein war ein herausragender Dirigent, Komponist und Pianist …

    Wann wurde Ihnen klar, dass die Musik zu Ihrem Beruf wird?

    Angeblich habe ich bereits mit vier Jahren gesagt, dass ich Pianist werden will. Das war mein erster Aufruf an die Eltern und an meine Familie. Ich weiß nicht genau warum, aber ich soll als Säugling immer geschrien haben, wenn ich Musik hörte. Eigentlich gab es ja nur zwei Lösungen auf die Frage »Warum?«. Entweder ich hasste Musik oder ich liebte sie. Auf jeden Fall hatte mich Musik schon sehr früh angesprochen. Mittlerweile sitze ich schon über vier Jahrzehnte am Klavier. Ich habe das Glück, mein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Es ist ein harter Job, nicht immer nur Vergnügen. Zudem gibt es eine große Konkurrenz – man muss sich immer wieder unglaublich reinhängen, sich immer wieder neu erfinden und neue Ideen haben. Aber gerade das macht diesen Beruf so spannend: Jeden Tag warten neue Herausforderungen, die ich nicht missen möchte.

    Nathalia Schmidt