Im »Steckbrief« stellen sich unsere Tänzerinnen und Tänzer vor, hier kommt Alice Mazzasette.
Name: Alice Mazzasette Geburtsdatum und -ort: 20.6.2000 in Hamburg, Deutschland Engagement: Hamburg Ballett seit 2019
Lieblingsfarbe: Alle Blautöne Lieblingsfilm: »Call Me by Your Name« von Luca Guadagnino. Lieblingssong: Ich könnte mich niemals für nur einen Song entscheiden, aber im Moment wahrscheinlich für »New Kid in Town« von den Eagles.
Wenn ich keine Tänzerin wäre, wäre ich … … mit Sicherheit in einem kreativen Beruf tätig. Wahrscheinlich wäre ich Schauspielerin, Musicaldarstellerin oder vielleicht Köchin.
Welche ist deine schönste Erinnerung mit dem Hamburg Ballett? Die Vorstellungen von »All Our Yesterdays« gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Es war wundervoll, zu dieser atemberaubenden Musik auf der Bühne zu tanzen.
Welche Rolle würdest du gerne tanzen? John Neumeiers Julia aus »Romeo und Julia« war schon als Kind meine Traumrolle, aber auch »Woman I« aus »Bernstein Dances«.
Dies oder Das …
Comedy oder Drama? Drama.
Bücher oder Filme? Filme.
Zuhören oder Sprechen? Sprechen.
Früher Vogel oder Nachteule? Nachteule.
Sommer oder Winter? Sommer (am liebsten immer).
Berge oder Meer? Beides natürlich.
Familie oder Freunde? Ich würde sagen UND nicht oder …
In unserer Reihe »Das Hamburg Ballett in Zahlen« veröffentlichen wir regelmäßig interessante Zahlen und Fakten rund um das Hamburg Ballett. Was verbirgt sich wohl hinter der heutigen Zahl?
Gustav Mahlers Werke faszinieren Choreografinnen und
Choreografen seit Jahrzehnten. Die Poesie seiner Sinfonien und Lieder verlangt geradezu
nach Gesten und Bewegungen. Auch für John Neumeier ist die Musik des
österreichischen Komponisten eine große Inspiration. Insgesamt 15 Ballette zu
Musik von Gustav Mahler hat er bis heute kreiert. Das ist eine ganze Menge!
Aber warum eigentlich Mahler?
»Vielleicht ist es die Gegensätzlichkeit, die mich an der Musik Mahlers reizt. Dieses Prinzip scheint mit ähnlich dem Grundprinzip des Tanzes. Mahler führt uns mit seiner Musik in Bereiche, die uns im tiefsten Inneren bekannt sind. Er verführt uns manchmal zuerst durch Trivialitäten (Walzer, Ländler usw.), die wir mögen, aber er benutzt sie wie Brücken, um auf eine metaphysische Ebene zu gelangen. Das ist es, was mich an Mahler fasziniert«, so John Neumeier.
Aufzeichnungen nach einem Gespräch, abgedruckt im Programmheft zu »Dritte Sinfonie von Gustav Mahler«
John Neumeiers Begeisterung für die Musik von Mahler begann 1965, als der Choreograf Kenneth McMillan mit dem Stuttgart Ballett »Das Lied von der Erde« kreierte. John Neumeier war damals noch Tänzer in Stuttgart, er tanzte in der Gruppe und wusste: Mahler ist meiner!
Wirklich los mit Mahler ging es 1974 mit einem Pas de Trois auf den vierten Satz aus der »Dritten Sinfonie«, als Erinnerung an John Cranko in Stuttgart. Nur ein Jahr später, John Neumeier war bereits Direktor in Hamburg, feierte seine Choreografie zur ganzen »Dritten Sinfonie von Gustav Mahler« Uraufführung. Mit der »Dritten Sinfonie« schuf John Neumeier eine neue Form des abendfüllenden Balletts, das sinfonische Ballett. Ein sinfonisches Ballett orientiert sich an einem Orchesterwerk und erzählt keine Geschichte; es sind Bewegungen zur Musik, die im Vordergrund stehen; John Neumeiers Gedanken, Emotionen und Assoziationen beim Hören der Musik von Mahler fließt in diese Kreationen mit ein.
Fast alle Sinfonien wurden von John Neumeier choreografiert, die 1., 3., 4., 5., 6., 7., 9. und 10, um genau zu sein. Immer wieder werden die vergleichsweise kurzen sinfonischen Ballette mit anderen Werken aus seinem Oeuvre kombiniert. Zum Beispiel »All Our Yesterdays«: John Neumeiers »Soldatenlieder (Des Knaben Wunderhorn)«, ebenso zu Musik von Mahler, trifft auf die »Fünfte Sinfonie.«
Dieser Ballettabend ist etwas Besonderes: Er wurde angeregt durch die schönen, hellen Räume des neuen Ballettzentrums, in welches das Hamburg Ballett und die angegliederte Ballettschule 1989 eingezogen sind. Die durchaus sehr anspruchsvolle Kreation war John Neumeiers Geschenk an seine Compagnie zur Einweihung. Immer wieder bestätigt sich, dass gerade die »Fünfte Sinfonie« ein Stück ist, das die Qualität und Kompetenz des gesamten Ensembles zum Strahlen bringt. Und gerade deshalb sollte man sich den Ballettabend »All Our Yesterdays« nicht entgehen lassen. Ein weiterer Grund ist das wunderbare Zusammenspiel von Musik und Tanz, Tanz und Musik. Dieser Eindruck wird zusätzlich verstärkt durch die beiden Sängerinnen und Sänger, die in »Soldatenlieder (Des Knaben Wunderhorn)« gemeinsam mit den Tänzerinnen und Tänzern auf der Bühne stehen und eine Auswahl an Mahlers Liedern aus der Volksliedsammlung »Des Knaben Wunderhorn« zum Klingen bringen. Der Abend ist poetisch und lyrisch, mal melancholisch und traurig, mal humorvoll, optimistisch und hoffnungsvoll. Und vor allem: Ein tänzerischer und musikalischer Hochgenuss!
Als BallettTesterinnen durften Jona und Evelyn unsere Wiederaufnahme »All Our Yesterdays« bereits am Freitag in der Hauptprobe erleben. Hier erzählen sie von ihren Eindrücken.
Die langen Treppen, die roten, samtigen Sessel, die Logen und das tönende Orchester. Und ich mitten im Raum, die Bühne nur verschwommen sichtbar, alles wirkte groß und unreal auf mich. Die Bühne so weit weg und ich erwartete, dass die Tänzer genau so weit entfernt und klein aussehen würden. Doch dann kamen die ersten Tänzer und die Musik, alles war auf einmal anders, sehr groß und überwältigend. Die Melodie und der Gesang schallten laut durch den ganzen Raum und drangen bis tief in meine Ohren. Die Tänzer wirkten erhaben, sie nahmen die gesamte Bühne ein.
Ich versuchte, eine Handlung wahrzunehmen und Zusammenhänge zu erschließen. Zwar nahm ich so etwas wie Soldaten und Mädchen wahr und ihre Verbindungen zueinander, erschuf in meinen Gedanken eine Handlung. Jedoch wurden diese immer wieder verworfen durch neue szenische Darstellungen.
In der Pause
nahm ich mir das Programmheft und begann zu lesen. Es stellte sich heraus, dass
sich mein Bewusstsein nicht geirrt hatte, da das Stück tatsächlich keine
greifbare Handlung hat. Mit dem Wissen begann ich, mich anders auf das Stück
einzulassen, mehr auf die Tänze und die Darstellung und weniger auf die
Handlung zu fixieren.
Im zweiten Teil wurde auf die stimmliche Begleitung verzichtet, was mir persönlich sehr gut gefallen hat. Die gesamte Inszenierung hat mir mehr zugesagt, vor allem die eleganten Kleider. Die Solos und die Paare waren wunderbar und haben toll harmoniert, insbesondere eins hat mich stark beeindruckt. Mit welcher Leichtigkeit sie sich durch den Raum bewegt haben, war magisch.
Die Ballettprobe am Freitagabend war eine neuartige Erfahrung für mich. Als Austauschschülerin aus China ist Ballett kein üblicher Teil meines Lebens. Als ich 14 Jahre alt war, habe ich meine bisher erste und einzige Ballettaufführung in China gesehen. Das war »Schwanensee«, getanzt von einer russischen Tanzcompanie. In Hamburg war ich jetzt als BallettTester das erste Mal bei einer Ballettprobe in einem richtigen Theater.
Das Stück »All Our Yesterdays« setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Sie bestehen sowohl aus klassischem als auch modernem Ballett, was ich ganz besonders fand. In jedem Stück waren viele verschiedene, ausgezeichnete Balletttänzer und -tänzerinnen zu sehen. Als etwas ganz Besonderes habe ich die musikalische Begleitung durch das Orchester und die beiden Sänger erlebt. Diese Livemusik erzeugte bei mir ein ganz anderes Gefühl als Musik vom Tonband.
Ich selber
tanze kein Ballett und kann daher nur erahnen, wie schwierig die Darbietung für
die Tänzer war. Bei den Darstellern wirkte jedoch nichts schwer, sondern alles
war elegant. Besonders die graziösen Fuß- und Handstellungen haben mich
fasziniert. An den erstaunlichen Sprüngen und Drehungen konnte ich erkennen,
dass es ein Ballett von sehr hohem Niveau war.
Von den zwei
Teilen war mein persönlicher Favorit der erste: »Soldatenlieder«. Verglichen mit
dem zweiten Teil, bei dem ich keine zusammenhängende Handlung erkennen konnte,
hat »Soldatenlieder« für mich eine Geschichte, die ich verstanden habe. Auch
hat mir hier die sehr emotionale Darstellung gefallen. Die Musik wirkte
zunächst leicht und glücklich, ist dann immer schwerer und schwerer geworden
und am Ende war sie richtig traurig. Dazu passend hat sich auch der Tanz
verändert: Die Gruppentänze wirkten fröhlich, die Solotänze melancholisch.
Besonders die Choreografie der Gruppentänze hat mich beeindruckt.
Bühnenbild
und Licht waren sehr schlicht. Auch die Kostüme waren nicht so typisch, wie ich
sie bei einer Ballettaufführung erwartet hätte. Ich empfand sie als eher
unauffällig, wobei die Farbzusammenstellungen durchaus interessant waren und
Rückschlüsse auf die Geschichte zuließen. Bei dem zweiten Teil »Fünfte Sinfonie
von Gustav Mahler« gab es die auffälligsten Kostüme, die mit ihren Farben und
Schnitten besonders bei den Sprüngen einen tollen Bühneneffekt produziert
haben.
Insgesamt war der Abend ein tolles Erlebnis für mich und ich bin dankbar, dass ich BallettTester sein konnte. Gerne würde ich weitere Stücke des Hamburg Ballett sehen und freue mich auf meinen nächsten Besuch.