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40 Jahre »Die Kameliendame«

Am 16. Oktober 2018 war der Intendant und Chefchoreograf des Hamburg Ballett John Neumeier gemeinsam mit Kommunikationschef Dr. Jörn Rieckhoff erstmals zu Gast in der Elbphilharmonie. Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des Balletts sprachen sie gemeinsam mit Moderatorin Nina Amon über die Entstehung und Hintergründe des Ballettfilms »Die Kameliendame«. Über diese erste Kooperation freute sich auch der Generalintendant der Elbphilharmonie Christoph Lieben-Seutter, der es sich nicht nehmen ließ John Neumeier, Jörn Rieckhoff und alle Zuschauenden persönlich zu begrüßen und in der Elbphilharmonie willkommen zu heißen.

1978 wurde John Neumeiers Erfolgsballett mit Marcia Haydée in der Titelrolle in Stuttgart uraufgeführt. Vor 40 Jahren begann damit die Geschichte eines Balletts, das bis heute von Compagnien auf der ganzen Welt einstudiert und aufgeführt wird. Mit Frédéric Chopins Musik schuf John Neumeier eine Bühnenadaption von Alexandre Dumas d.J. Roman, die das Publikum seit beinahe einem halben Jahrhundert begeistert.

John Neumeier selbst erzählte am Dienstag im Kaistudio 1 der Elbphilharmonie: »Die Kameliendame ist von mir als Ballett konzipiert, aber schon immer als Film gedacht worden.« Acht Jahre nach der Uraufführung setzte er diesen Plan in die Tat um und zeigte die Weltpremiere seines Ballettfilms »Die Kameliendame« im September 1987 beim Hamburger Filmfest. Obwohl die Technik streikte und die Vorführung alles andere als geplant ablief, waren die Zuschauenden begeistert. Im Filmgespräch mit Jörn Rieckhoff, moderiert von Nina Amon, verrät John Neumeier den anwesenden Zuschauerinnen und Zuschauern: »Alles, was Sie heute Abend hören, hat bisher keiner gehört.«

Nina Amon, Dr. Jörn Rieckhoff und John Neumeier im Kaistudio 1 © Kiran West

In der Vorbereitung der Kreation des Balletts erwies sich die Musikauswahl als schwieriges Thema. Schnell stellte John Neumeier fest, dass ihm die Übernahme von Verdis Musik zu »La Traviata« nicht genug wäre. »Wenn ich diese Musik zu einem reinen Orchesterstück mache und damit die Stimme, die Sprache wegfällt, dann ist das nicht mehr vollkommen, dann fehlt ein Großteil der Wirkung«. John Neumeier stand damals unter großem Zeitdruck, denn die Uraufführung sollte bereits Monate später stattfinden. Schlussendlich entschied er sich für Frédéric Chopin. »Seine Musik war zur Zeit der Kameliendame salonfähig. Zu ihr konnte man sich unterhalten und essen«. Gleichzeitig liege darin eine Tiefe, die vielleicht aus Chopins Wissen über seine unheilbare Krankheit rührt. Diese Verschmelzung von Leichtigkeit und Melancholie und die damit verbundene Vielschichtigkeit mache diese Musik zum Spiegel der Figur der Marguerite.

Zu seinem Film sagt er: »Es handelt sich dabei nicht nur um eine Aufnahme des Balletts auf der Bühne, sondern wurde wie ein Spielfilm gedreht.« So sei auch das Filmset extra für die Verfilmung gebaut worden und keine Bühnenkulissen übernommen worden. Schon die Bühnenfassung zeichnete sich durch gleichsam »filmische« Wechsel der Zeitebenen aus. Bei der Konzeption der Filmfassung war es John Neumeier wichtig, diese Eigenart mit filmtypischen Mitteln wie Rück- oder Überblenden weiterzuführen.

Sein Ballett entwickelte John Neumeier über die Jahre immer weiter, veränderte von sich aus und in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Tänzerinnen und Tänzern einzelne Elemente oder interpretierte die Figuren für sich weiter. Jede Einstudierung wird damit schon alleine durch die verschiedenen Darstellerinnen und Darsteller zu einem neuen Erlebnis, auch für den Choreografen. Am Ende verrät er: »Wenn ich den Film jetzt wieder sehe, möchte ich eigentlich auch darin Dinge anders machen.« Dass das nicht mehr geht, macht vielleicht gerade den Reiz des Ballettfilms als solchen aus. Das muss auch John Neumeier mit einem Schmunzeln akzeptieren.

»Die Kameliendame« von John Neumeier auf der Bühne mit Alina Cojocaru und Alexandr Trusch © Kiran West

Das Filmgespräch zu »Die Kameliendame« präsentierte sich den Zuschauenden als interessante Perspektiverweiterung der bevorstehenden Aufführung von Verdis »La Traviata« unter Teodor Currentzis, die am kommenden Wochenende in der Elbphilharmonie stattfindet. Nichtsdestotrotz macht der Abend mit eindrucksvollen Filmausschnitten und all den Hintergrundinformationen definitiv Lust, sich den Film (erneut) anzusehen. Ein schöner Auftakt auch mit Aussicht auf den Spielplan des Hamburg Ballett im November: John Neumeiers Bühnenfassung »Die Kameliendame« ist mit einer Vorstellungsreihe von fünf Terminen im Repertoire. Die Compagnie des Hamburg Ballett tanzt in unterschiedlichen Besetzungen mit der Ersten Solistin Anna Laudere oder Gastsolistin Alina Cojocaru in der Titelrolle das Ballett mit 40-jähriger Erfolgsgeschichte!

Lisa Zillessen