Kategorie: Hinter den Kulissen

  • BallettTester*innen »Die kleine Meerjungfrau«

    BallettTester*innen »Die kleine Meerjungfrau«

    Als BallettTester*innen durften Ulukbek, Ning und Ruby unsere Neufassung von »Die kleine Meerjungfrau« bereits in der Hauptprobe erleben. Hier erzählen die BallettTester*innen von ihren Erlebnissen und Eindrücken.

    Ich bin Ulukbek, in einer Woche werde ich 28 – und studiere im Master PuNo an der Uni Hamburg. Ganz zufällig bin ich auf das Angebot gestoßen, als BallettTester bei John Neumeiers »Die kleine Meerjungfrau« dabei zu sein. Ballett fasziniert mich seit Langem, also sagte ich sofort zu.

    Die Probe heute hat mich tief bewegt. Direkt nach einem ganztägigen Blockseminar ins Opernhaus zu hetzen, war zwar anstrengend, aber ich wollte mir diese Chance nicht entgehen lassen. (Keine Sorge: Ich habe den Kurs nicht geschwänzt!) Nach dem Schlussapplaus sagte ich zu Nathalia [Dramaturgin Hamburg Ballett]: »Ich muss das zu Hause erst einmal verdauen.«

    Ehrlich gesagt war es mir fast ein bisschen peinlich, wie schwer es mir fiel, die Disney-Version mit Arielle aus dem Kopf zu verbannen, zumal ich das Original von Hans Christian Andersen nie vollständig gelesen habe. In der Pause tauschte ich mich mit anderen BallettTester*innen darüber aus: Wir alle hatten unsere eigenen Bilder im Kopf, und doch ist das, was wir auf der Bühne sehen, eine Interpretation des Choreografen. Dieses ständige Umschalten zwischen Kindheitserinnerung und Neumeiers vielschichtig-poetischer Umsetzung hat das Mitkommen nicht leichter gemacht.

    Lennard Giesenberg als Der Dichter in »Die kleine Meerjungfrau« © Kiran West

    Etwa nach 50 Minuten fand ich endlich meinen Rhythmus: Ich begriff, wer Hans Christian Andersen auf der Bühne ist, wer die Meerjungfrau, wer der Prinz und wie sich die Ebenen miteinander verweben. Dabei war ich gleichzeitig überwältigt von Choreografie, Licht, Kostümen und Bühnenbild. Alles griff ineinander, sodass ich manchmal gar nicht wusste, wohin zuerst schauen.

    In der Pause erzählte uns Nathalia noch eine biografische Anekdote über Andersen: seine Vormundschaft bei einer adligen Familie und seine tiefe, unerwiderte Zuneigung zu Edvard Collin. Plötzlich ergab die »Golfschläger Szene« – diese vom Prinzen – einen ganz neuen Sinn: Die vermeintliche »Bindung« war wohl nicht ernst gemeint, sondern vielleicht eher kleines Spiel, flüchtig, bedeutungslos. Ich spürte den Schmerz einer Liebe, die nie erwidert wird, und fragte mich, ob manche Menschen tatsächlich ihr Leben lang allein bleiben müssen.

    Diese Frage traf mich persönlich. Die Szene, in der die Meerjungfrau auf dem Schiff steht, noch ungeübt mit ihren neuen Beinen, während alle anderen mühelos tanzen, erinnerte mich an meine ersten Monate in Hamburg: neue Stadt, Pandemie, Online-Uni, fremde Sprache. Man fühlt sich unbeholfen, sehnt sich nach Zugehörigkeit.

    Am Ende blieb ein bittersüßer Nachhall: Entscheidet man selbst, ob man allein bleibt, oder hofft man weiter und wählt das Glück vielleicht auch im Alleinsein? Dieses Ballett hat in mir einen Sturm aus Kindheit, Gegenwart und Zukunft losgetreten. Ich weiß, dass ich in den nächsten Tagen viel darüber nachdenken werde und ich bin dankbar für jede einzelne Emotion, die es freigesetzt hat.

    Ulukbek, 27 Jahre

    Lennard Giesenberg, Xue Lin, Matias Oberlin und Ida Praetorius © Kiran West

    Im Ballett »Die kleine Meerjungfrau« geht es um eine junge Meerjungfrau, die einen Prinzen vor dem Ertrinken rettet. Er war auf dem Weg zu seiner Hochzeit, als sein Schiff unterging. Sie bringt ihn ans Ufer und beobachtet ihn heimlich, bis Menschen auftauchen und sie schnell zurück ins Meer muss. Ein Mädchen aus der Gruppe, die Prinzessin, bleibt bei dem bewusstlosen Prinzen. Als er aufwacht, denkt er, sie hätte ihn gerettet, und verliebt sich sofort in sie. Die Meerjungfrau beobachtet das aus der Ferne und wünscht sich, selbst ein Mensch zu sein. Also geht sie zu einer »Oktopushexe«, die sie in einen Menschen verwandelt. Doch der Prinz erkennt sie nicht. Sie versucht, ihm näherzukommen, aber es klappt nicht. Am Ende heiratet er die Prinzessin. Die Hexe will, dass die Meerjungfrau ihn tötet, damit sie ihre Flosse wieder bekommt, doch sie liebt ihn zu sehr. Am Schluss wird ihr klar, dass sie ihn loslassen muss.

    Louis Musin als Der Meerhexer mit Xue Lin (Die kleine Meerjungfrau) © Kiran West

    Ich fand das Ballett wunderschön. Die Choreografie war beeindruckend, und die Tänzer*innen konnten nicht nur toll tanzen, sondern auch stark schauspielern, ihre Emotionen waren richtig spürbar. Auch das Bühnenbild war super kreativ, mit wenigen Requisiten wurde viel gezeigt, z. B. die Wellen und das kleine Boot. Eine coole Ergänzung war der Erzähler, der dem Ganzen eine extra Ebene gegeben hat. Mein Lieblingsteil war die Szene, in der der Prinz Golf auf dem Schiff spielt, total witzig und irgendwie tiefsinnig. Insgesamt war das Stück eines meiner Highlights. Ich kann es nur weiterempfehlen!

    Ning, 14 Jahre

    Xue Lin als Die kleine Meerjungfrau und Ensemble © Kiran West

    Ich durfte am 04.07.25 bei der Hauptprobe der kleinen Meerjungfrau zuschauen und es war sehr toll. Was am Anfang schon extrem auffallend bzw. beeindruckend war, waren die Lichter, die teilweise auch bunt waren. Ich hatte mir eine Ballettaufführung immer so mit klassischer Musik und nur Frauen in rosa Kleidchen vorgestellt. Aber es war ganz anders, viel interessanter und beeindruckender. Es waren echt viele Tänzer*innen, und alle hatten so ihre eigene wichtige Rolle. Auch hier dachte ich, dass eher alles synchron getanzt wird, aber jede einzelne Rolle war bis ins Detail durchdacht und abgestimmt. Man musste immer darauf achten, was der oder diejenige, auf den das Licht gerichtet war, macht, während gleichzeitig eine andere Person im Hintergrund etwas genauso Grandioses gemacht hat. Die Kostüme waren auch sehr verschieden, besonders und vor allem bunt. Von der Schlabberhose bis zum Hochzeitskleid war alles dabei.

    Ensemble in »Die kleine Meerjungfrau« © Kiran West

    Es war auf der Bühne sehr viel los, und man musste immer gut aufpassen, um allem zu folgen, aber genau das hat es auch so spannend gemacht. Ich war sehr beeindruckt, wie man nur durch Tanzen so gut eine besondere Geschichte verstehen kann. Zumal ich das Buch vorher nicht gekannt/gelesen habe.

    In dem ganzen Tanzstück hat einen alles ein bisschen zum Nachdenken angeregt, und ich habe sehr stark gemerkt, wie viele Gedanken hinter dem Stück stecken.

    Die Musik hat alles sehr schön begleitet, und alleine durch sie hat man sich schon ein Bild von dem Ganzen machen können. Das Einzige, was ich kritisieren würde, ist, dass manche Stellen sehr lang waren. Etwas kürzer wäre vielleicht noch toller gewesen, in der Kürze liegt die Würze. Das gilt vor allem für jüngere Gäste. Ich dachte, dass die Meerjungfrau eher für junge Gäste ist, aber in Betracht der Länge und der Konzentration würde ich das Stück nicht für ganz junge Gäste empfehlen.

    Alles in allem fand ich es aber sehr atemberaubend. DANKE!

    Ruby, 13 Jahre

  • BallettTester*innen »Tod in Venedig«

    BallettTester*innen »Tod in Venedig«

    Als BallettTester*innen durften Elise, Nicolas und Mascha unsere Wiederaufnahme von »Tod in Venedig« bereits in der Hauptprobe erleben. Hier erzählen die BallettTester*innen von ihren Erlebnissen und Eindrücken.

    Es herrscht gespannte Konzentration im so ungewohnt leeren Saal der Hamburgischen Staatsoper. Drei Tänzer, noch in Trainingsmontur, darunter der herausragende Louis Musin, gehen im Stillen Schritte des Stücks durch, die sie dabei andeuten. Das Regiepult im Parkett wird gleich voll besetzt sein und in der Mitte die große Legende und der Schöpfer dieses Balletts und der Hamburger Ballettcompagnie sitzen und mit liebevollen, aber prüfenden Argusaugen über sie wachen: John Neumeier.

    Die Hauptprobe zur Wiederaufnahme von Neumeiers Stück »Tod in Venedig« steht an. Alle beteiligten Werkstätten sind anwesend für den kompletten Durchgang des Ballettabends, Licht, Bühnentechnik, Regie, Dramaturgie und Ballettmeister*innen. Dunkelheit legt sich über den Zuschauerraum und schon geht es los.

    Was folgt, ist ein überragendes, mitreißendes und emotionales Balletterlebnis!

    Man blickt auf ein reduziertes Bühnenbild, in dem nur Akzente gesetzt werden. Trotzdem füllt sich durch Requisite, Licht und besonders den Tanz das Bild mit Leben und zu der vollständigen Atmosphäre Venedigs. Fotografien, entstanden in der Lagunenstadt, zeigen schmale Details wie das blau-grüne Wasser oder die Spiegelung einer venezianischen Häuserwand und skizzieren so das mediterrane Lebensgefühl.

    Caspar Sasse (Tadzio), Charlotte Kragh und Javier Monreal in »Tod in Venedig« © Kiran West

    Die Rolle Aschenbachs wird in der A-Besetzung von Edvin Revazov getanzt und er geht völlig darin auf. Mit Hingabe und unglaublicher Authentizität porträtiert er diesen facettenreichen Charakter und berührt dabei jede*n zutiefst. Es scheint, als wäre ihm diese Rolle direkt auf den Leib geschneidert, doch es verhält sich eigentlich genau gegenteilig. Bei der Uraufführung des Stücks 2003 verkörperte er den jungen Tadzio, den Aschenbach so fasziniert. Er hat sich also zur Rolle hin entwickelt, ja mehr noch, er ist hineingewachsen und das mit absoluter Bravour! Die Entwicklung Aschenbachs in dem Verlauf des Stücks ist deutlich spürbar und durch feine choreografische Nuancen dargestellt. Ein besonderes Detail, das mir wahrlich eine Gänsehaut bereitet hat, waren seine Fäuste, die sich an mehreren Stellen des Balletts langsam öffneten, bedeutsam hervorgehoben. Genau so wird Gustav von Aschenbachs pedantische, korrekte und ehrgeizige Haltung zur Kunst und zum Leben im Buch beschrieben, und sein Wandel hin zum erlebten Leben mit all seinen Unberechenbarkeiten und großen Emotionen symbolisieren die entspannten Hände. Auch Tadzio wurde mit Caspar Sasse großartig besetzt. Mit seiner strahlenden, mystisch und mythisch anmutenden Schönheit und der so lebensnahen lebendigen Sprunghaftigkeit und Federkraft der Jugend ist er perfekt für diese Rolle und verleiht ihr gebührend Ausdruck! Die Jungsgruppe um ihn herum war ebenfalls herausragend mit ihrem perfekten Einklang von tänzerischer Höchstleistung und jugendlicher Lebhaftigkeit, beeindruckender Kraft und spielerischen Leichtigkeit.

    Edvin Revazov (Gustav von Aschenbach) und Caspar Sasse (Tadzio) © Kiran West

    »Tod in Venedig« ist ein detailreiches Ballett, das von seiner Vielseitigkeit lebt. Wahnsinnig anspruchsvolle Abfolgen von Hebefiguren, mehrere berührende Pas de troix und große Szenen mit vielen Tänzer*innen sprechen eine äußerst bildgewaltige Sprache und sind alle erstklassig choreografiert, absolut gelungen! All diesen Herausforderungen wird diese phänomenale Compagnie mehr als gerecht. Mit Herz, Leidenschaft und tänzerischem Können erweckt sie dieses Ballett zum Leben. Das Ensemble erschafft eine authentische venezianische Hotelgesellschaft mit all ihren Subebenen an Drama und Konflikten, die angedeutet werden. Und sie tanzt schließlich den Totentanz, eine spektakuläre Erfrischung untermalt mit Heavy Metal Sound, eine eindrucksvolle Hommage an mittelalterliche Vorlagen und mit schauderhaften Verweisen auf die Corona- Pandemie. Die beiden Boten dürfen nicht ungenannt bleiben, die mit ihrer enormen Versatilität überzeugen konnten, hier getanzt von Artem Prokopchuk und Louis Musin.

    Louis Musin und Artem Prokopchuk als Der Wanderer © Kiran West

    Raffiniert und clever kreierte Neumeier imaginäre Pas de deux von Aschenbach, bei dem Tadzios Blick stets entrückt schön bleibt und die Interaktion seltsam zufällig wirkt, doch so gefühlvoll ist. Höhepunkt findet dies in der stürmischen Umarmung, bei der Tadzio mit dem Rücken zum Publikum unerkennbar und irgendwie anonym bleibt, während wir Aschenbachs aufgewühltes Gesicht sehen, als er lange in dieser Umarmung verharrt. Wagners berührendes Stück, gespielt vom meisterhaften David Fray, läuft einfach weiter, bildet die große Bewegung in Aschenbachs Innerem ab, die seinen Körper erstarren lässt. Was eine unglaublich eindringliche, ergreifende Szene!

    Neumeiers Ballett ist eine Auseinandersetzung mit Kunstschaffung und ihrer Bedingungen, die in dem vollen Fühlen des Lebens bestehen, eine wirklich fantastische Adaption von Thomas Manns literarischem Werk.

    Und dabei zitiert er Nijinsky, der einst sagte: »Man soll Ballett nicht verstehen, man muss es fühlen!«

    Elisa, 22 Jahre

    Ein letztes Flüstern geht durch den Saal, das Licht dimmt sich und die ersten Töne von Bachs »Das Musikalische Opfer« durchdringen die Stille. Die Hamburgische Staatsoper präsentiert derzeit John Neumeiers Handlungsballett »Tod in Venedig«, eine freie Interpretation der Novelle von Thomas Mann. Ich hatte die Ehre, auf Einladung des Hamburg Ballett bei der Hauptprobe am Freitag, den 07. Februar 2025, dabei sein zu dürfen und als einer der ersten die Wiederaufnahme des Stückes bestaunen zu dürfen.

    In den nachfolgenden zweieinhalb Stunden wird eindrucksvoll mit viel tänzerischer Präzision die tragische Geschichte der Figur Gustav von Aschenbach (verkörpert durch Edvin Revazov) geschildert, einem intellektuellen, erfolgreichen, rationalen und alternden Choreografen. Getrieben von geistiger Erschöpfung reist dieser nach Venedig, wo er auf den schönen, jugendlichen Tadzio trifft (dargestellt von Caspar Sasse). Schnell zieht der wesentlich jüngere Tadzio diesen in seinen Bann. Fasziniert von Tadzios Anmut wächst Aschenbachs Bewunderung allmählich zu einer stillen, unerfüllten Liebe. In Tadzio sieht Aschenbach all das, was er an sich selbst vermisst. Während sich die Cholera in der Stadt ausbreitet, kann er sich trotz des Altersunterschieds nicht von dem Jungen trennen. Gefangen in seiner inneren Zerrissenheit verliert er sich zunehmend in seiner Sehnsucht, bis auch er schließlich der Cholera-Epidemie zum Opfer fällt und nach einem physischen und geistigen Verfall zu Tadzios Füßen verstirbt.

    Edvin Revazov (Gustav von Aschenbach) mit Alexandre Riabko (Aschenbachs Konzepte) © Kiran West

    Begleitet wird die Handlung durch eine geschickte Auswahl an Klaviermusik von Richard Wagner, an diesem Nachmittag ausdrucksstark und technisch brillant gespielt von David Fray, und von musikalischen Werken Johann Sebastian Bachs. Doch das Publikum wird nicht nur akustisch verwöhnt, sondern auch von einem ansprechenden, symbolträchtigen Bühnenbild begleitet. Dieses ist minimalistisch, stilvoll und mit ästhetischen naturverbundenen Farben gestaltet. Der Designer Peter Schmidt gestaltete es so, dass einzelne Handlungselemente auch bühnenbildtechnisch akzentuiert werden, ohne von der tänzerischen Leistung abzulenken. Besonders hervorzuheben ist sicherlich die gelungene Auswahl der Fotos, die eigens für die Produktion in Venedig aufgenommen wurden. Auch das Lichtkonzept verstärkt den Kontrast zwischen der Dekadenz Venedigs und Aschenbachs innerer Düsternis. Ebenfalls positiv zu erwähnen sind die schlichten, ästhetischen Kostüme, welche in Zusammenarbeit zwischen John Neumeier und Peter Schmidt entstanden sind.

    Neumeiers Interpretation hebt die universellen Themen der Novelle hervor und macht die inneren Konflikte Aschenbachs auch für ein heutiges Publikum greifbar. Dabei gelingt es ihm, zentrale Elemente der Novelle tänzerisch zu erfassen, wobei insbesondere das Spannungsverhältnis zwischen Aschenbach und Tadzio eindrucksvoll dargestellt wird. Jeder einzelne Tänzer und jede Tänzerin auf der Bühne erzählen eine eigene Geschichte, sodass beim ersten Betrachten des Stücks längst nicht alle Details erfasst werden können. Ein großes Lob gilt den Tänzer*innen, die ausdrucksstark auf einem hohen Niveau eine wunderschöne Choreografie zum Leben erwecken und dafür sorgen, dass Realität und Illusion auf der Bühne zu verschwimmen scheinen.

    Ich danke dem gesamten Team der Staatsoper Hamburg und des Hamburg Ballett dafür, dass ich nicht nur bei einer Hauptprobe dabei sein konnte, sondern auch bereits im Voraus diese rundum gelungene und kurzweilige Produktion sehen durfte!

    Nicolas, 24 Jahre

    Ensemble in »Tod in Venedig« © Kiran West

    Basierend auf der Novelle nach Thomas Mann aus dem Jahr 1912, deren Titel zunächst scheint, Unheilvolles zu verkünden, hat John Neumeier eine Ballettadaption auf die Bühne gebracht, welche die Seele berührt. Über das Ableben und das Abschiednehmen hinaus, spielen diverse Themen in dem Stück eine Rolle, die wohl dem ein oder anderen Zuschauenden bekannt vorkommen können: Von der Suche nach wahren Überzeugungen, dem stetigen Zweifel seiner selbst, der Leugnung eigener Sehnsüchte bis hin zur scheinbaren Selbstakzeptanz präsentiert Neumeiers Wiederaufnahme des Totentanzes »Tod in Venedig« ein Facettenreichtum an alltäglichen und lebensprägenden Themen.

    Eine wahre Stärke dieser Inszenierung liegt in den beeindruckenden Kostümen, die das Publikum in das Venedig der frühen 1900er Jahre entführen. Gepaart mit der darstellerischen Leistung und dem individuellen Ausdruck der Tänzer*innen wirkt es, als könnte jedes venezianische Pärchen eine ganz eigene Geschichte erzählen. Die detailverliebten Kreationen von Neumeier und Peter Schmidt vereinen Eleganz und Melancholie auf bemerkenswerte Weise und spiegeln so Gustav von Aschenbachs innere Zerrissenheit zwischen Melancholie und Sehnsucht wider. Auch das Spiel aus Bühnenbild und Lichtkomposition tragen maßgeblich zum Zauber dieser Aufführung bei. Die Bühne wird durch minimalistische, aber eindrucksvolle Elemente – beispielsweise projizierte Fotografien aus Venedig selbst – geprägt, welche das venezianische Flair perfekt einfangen und präsentieren. Die stimmungsvollen Lichteffekte verleihen dem Geschehen eine fast träumerische Qualität. Besonders in Erinnerung bleibt hier der klug eingesetzte Wechsel der Lichtfarbe. Befindet sich das Publikum in Aschenbachs Fantasien mit Tadzio, wird das Licht plötzlich blau und symbolisiert so, was der Wirklichkeit entspricht und was der Fantasie.

    Edvin Revazov (Gustav von Aschenbach), Silvia Azzoni und Alexandre Riabko (Aschenbachs Konzepte) © Kiran West

    Tänzerisch bewegt sich die Aufführung auf höchstem Niveau. Die präzisen und emotional aufgeladenen Bewegungen der Compagnie erwecken die inneren Konflikte der Figuren zum Leben. Besonders berührend sind die Interaktionen der Hauptrollen, verkörpert durch Edvin Revazov (Gustav von Aschenbach) und Caspar Sasse (Tadzio), welche die Gefühlswelten, Eigenschaften und Sehnsüchte der Figuren perfekt transportieren. Besonders das Pas de Deux, welches sich in Aschenbachs Fantasie abspielt, reißt das Publikum emotional mit:  Jede Geste und jede Drehung zeugen von dessen wachsendem inneren Aufruhr. Jede Begegnung mit Tadzio, elegant und kraftvoll getanzt, ist von einer zerbrechlichen Spannung, Bewunderung und Sehnsucht geprägt – Momente, in denen die Zeit auf der Bühne stillzustehen scheint. Hier zeigt sich Neumeiers Genie in der Choreografie: Er versteht es meisterhaft, psychologische Tiefe durch Körperbewegungen zu vermitteln.

    Edvin Revazov (Gustav von Aschenbach) mit Jacopo Bellussi (Friedrich der Große) © Kiran West

    Untermalt wird der Totentanz durch die liebevolle und prägnante Auswahl der Musik. Der Wechsel zwischen Stücken von Johann Sebastian Bach und Richard Wagner fängt die Atmosphäre des Balletts grandios ein und untermalt die Stimmung zwischen den Tänzer*innen. Gerade die Auswahl von Bachs »Das musikalische Opfer« verkörperte den royalen Anteil der Inszenierung – hier durch den Bezug zu Friedrich dem Großen – auf eindrucksvolle Weise. Demgegenüber wirkt die Auswahl der Wagner’schen Kompositionen, gespielt vom Pianisten David Fray, geradezu „intim“ – ein perfekter Gegensatz zu den imposanteren, orchestralen Stücken Bachs und eine fabelhafte Ergänzung für eine vollkommene musikalische Begleitung des gefühlvollen Balletts.

    Diese Adaption von »Tod in Venedig« bleibt noch lange im Gedächtnis haften. Sie verzaubert durch ihre ästhetische Perfektion, die meisterhafte tänzerische Leistung, klug eingesetzte moderne Elemente und die sensible, tiefgründige Regiearbeit Neumeiers. Ein Ballettabend, der sicherlich sowohl Liebhaber*innen klassischer Literatur als auch Tanzenthusiasten jeden Alters gleichermaßen begeistert.

    Vielen Dank für diesen unvergesslichen Nachmittag an das Hamburg Ballett und die Staatsoper Hamburg!

    Mascha, 24 Jahre

  • BallettTester*innen »Slow Burn«

    BallettTester*innen »Slow Burn«

    Als BallettTester*innen durften Melanie, Franziska und Nina unsere Ballettpremiere bereits in der Hauptprobe erleben. Der zweiteilige Ballettabend SLOW BURN präsentiert zwei Stücke von den Choreograf*innen Aszure Barton und William Forsythe. In der Hauptprobe wurde die Reihenfolge der Choreografien umgedreht, sodass die Tester*innen im ersten Teil der Probe Forsythes »Blake Works V (The Barre Project)« erleben durften, nach einer Pause folgte Aszure Bartons »Slow Burn«. Hier erzählen die BallettTester*innen von ihren Erlebnissen und Eindrücken.

    »Blake Works V (The Barre Project)« und »Slow Burn«zwei ganz unterschiedliche Choreografien, die Raum für Interpretationen lassen, die Zuschauer*innen aber nicht weniger in ihren Bann ziehen als ein klassisches Handlungsballett.

    In »Blake Works V (The Barre Project)« von William Forsythe wird das Publikum mit präzisen, dynamischen Bewegungen konfrontiert. 15 Tänzer*innen führen in unterschiedlichen Konstellationen teils große Bewegungen aus, die wie eine Welle durch den Körper gehen. Auffällig ist, dass die Bewegungen bis zum Maximum ausgeführt werden und die Tänzer*innen ihre Bewegung – meistens eindrucksvolle Positionen mit Beinhebungen häufig kurz halten, bevor sie in die nächste übergehen. Daneben enthält die Choreografie aber auch viele kleine Schritte, die vor allem durch die ungewöhnliche Musik mit wenigen Takten und kurzen Pausen schwer auszuführen sind. Denn die Musik würden die meisten im ersten Moment nicht mit Ballett in Verbindung bringen: Songs von James Blake. (Daher auch der Name des Stücks »Blake Works V«). Doch die einzelnen Songs von Blake sind nicht aufdringlich oder ablenkend, im Gegenteil, sie unterstützen die tänzerischen Bewegungen und passen perfekt zur Reduktion auf das Wesentliche: Das Bühnenbild ist einfach gehalten, die Kostüme lenken nicht von den Bewegungen der Tänzer*innen ab. Lediglich eine Ballettstange steht auf der Bühne, welche nach der Projektion einer solchen eingeführt wird: Mehrere Hände legen sich auf die Stange, berühren sich und legen sich wieder ab. Auch in der anschließenden Choreografie ist die Ballettstange das verbindende Element zwischen den Konstellationen und Soli der Tänzer*innen.

    Charlotte Larzelere in William Forsythes »Blake Works V (The Barre Project)«, Foto Kiran West

    Das zweite Stück, »Slow Burn« von Aszure Barton, ist eine Auftragskomposition des Musikers Ambrose Akinmusire und wurde gerade vom Hamburg Ballett uraufgeführt. Auch hier ist das Bühnenbild einfach gehalten, hauptsächlich das Licht bildet unterschiedliche Formen und Effekte. Die Kostüme der Tänzer*innen erstrahlen in verschiedenen Orangetönen, die ein lebendiges und vor allem warmes Farbenspiel ergeben. Besonders bei den Sprüngen fliegt der Tüll der Kostüme durch die Luft, was die Leichtigkeit der Bewegungen unterstreicht. Das Zusammenspiel aus Farbe, Kostüm und Bewegung führt zu einer positiven Stimmung, die durch warmes Licht unterstützt wird. Im Gegensatz zu »Blake Works V (The Barre Project)« sind die Bewegungen in »Slow Burn« fließender und zum Teil auch langsamer. Vor allem zu Beginn führen die Tänzer*innen als Gruppe kleine wiederholende Bewegungen auf dem Boden aus.

    Die Choreografie wird von einem Orchester begleitet, in dem neben den Streichern auch die Bläser deutlich zu hören sind. Besonders die Querflöten schaffen ein leitendes Motiv, das sich wie ein roter Faden durch das Stück zieht und bei zwei Tänzer*innen immer wiederkehrt. »Slow Burn« endet schließlich, wie es angefangen hat: mit der Gemeinschaft der Tänzer*innen, die wie ein Dominoeffekt die gleichen Bewegungen ausführen und wellenförmig ineinander übergehen.

    Nina, 23 Jahre
    Ensemble in Aszure Bartons »Slow Burn«, Foto Kiran West

    Ein Ballettabend mit den Werken von William Forsythe mit »Blake Works V (The Barre Project)« und Aszure Barton mit »Slow Burn«.

    Vorab zu meiner Person: Ich favorisiere klassische Ballettstücke, da diese eine Handlung haben und kaum Spielraum für Interpretationen lassen. Ich liebe es, die klassischen Bewegungen selbst auszuüben oder sie auf der Bühne von Profitänzer*innen sehen zu dürfen. Deshalb habe ich mich auch sehr gefreut, dabei sein zu können.

    Die beiden Ballettstücke sind Gegensätze, die auf ihre eigene Art und Weise ganz individuelle Geschichten des Lebens darstellen. Erlebnisse sowie positive wie auch negative Emotionen wurden verkörpert und in zwei unterschiedlichen Choreografien präsentiert, die sich dennoch gut miteinander kombinieren ließen.

    Im ersten Teil sah man drei verschiedene neuzeitliche Musikstücke. Insgesamt waren 15 Tänzer*innen auf der Bühne, die das Stück getanzt haben. Die erste Musik, die aus den Lautsprechern kam, war gewollt verzerrt, was die Neuzeit verdeutlicht hat – womit ich mich gut identifizieren konnte. Die Tänze waren angelehnt am klassischen Ballettstil, was mir außerordentlich gut gefallen hat. Manchmal setzte die Musik aus, und die Tänzer*innen mussten ihre Choreografie dennoch so fortsetzen, dass sie immer noch im Takt waren, als die Musik wieder zu spielen begann. Das hat mich persönlich beeindruckt und fasziniert, da es manchmal ausdrucksstarke und anspruchsvolle Posen waren, in der sie verharren mussten. Auch mussten sie ihre Sprünge so koordinieren und ihre Kraft so einteilen, dass der Einstieg mit der Musik wieder passte. Die klassischen Bewegungen wurden fließend und übertrieben, aber dennoch geschmeidig dargestellt, sodass ich beeindruckt und mitgerissen wurde. Die »Barre« wurde mit eingebracht, was die tägliche harte Ballettarbeit widerspiegelt. Passend dazu waren die Tänzer*innen in schwarzen Balletttrikots gekleidet, was ebenfalls verdeutlicht, wie der Ballettalltag hinter den Kulissen ausschaut.

    Alexandre Riabko, Joaquin Angelucci, Ida Praetorius, Moisés Romero und Francesco Cortese in »Blake Works V (The Barre Projekt)«, Foto Kiran West

    Im zweiten Teil sah man 26 Tänzer*innen, die teilweise zeitgleich auf der Bühne mitgewirkt und so zu einer lebhaften Atmosphäre beigetragen haben. Der zweite Teil wurde von einem Streichorchester begleitet, was mir gefiel, da damit den Gegensatz zum vorherigen Ballett verdeutlicht wurde. Die Tänzer*innen trugen unterschiedliche orangefarbene Kleider, die in drei Farbnuancen Freude zum Ausdruck gebracht haben. Der Titel »Slow Burn« war optimal auf die Bewegungen der Tänzer*innen und die Kleiderwahl abgestimmt. Optisch waren die Hebefiguren schön zu beobachten. Es sah sehr anspruchsvoll aus, wie sie ihre Körperspannung so einteilen mussten, dass es synchron und im Takt passte. Manchmal sah man, dass sie nicht immer synchron waren, was ich daran erkannt habe, dass die Tänzer*innen in zwei Gruppen zeitgleich auf der Bühne waren und dasselbe dargestellt haben. Dennoch war die Darbietung sehr anspruchsvoll und faszinierend. Der zweite Teil hat mich allerdings persönlich nicht so angesprochen, da der Stil zu modern war und für mich zu viele akrobatische Elemente sowie Inhalte wie das Kriechen auf dem Boden enthalten waren.  

    Insgesamt hat mir der Abend sehr gefallen, da der Kontrast zwischen den zwei unterschiedlichen Balletten verdeutlicht wurde. Die Formationen wurden klar dargestellt, sodass eine schöne Dynamik in den jeweiligen Choreografien entstand. Es herrschte eine lebhafte Stimmung, die mich hineinzog.  

    Melanie
    Lormaigne Bockmühl und Ensemble in »Slow Burn«, Foto Kiran West

    Der Ballettabend »Slow Burn« zeigt zwei Stücke: William Forsythes »Blake Works V (The Barre Project)« und das Stück »Slow Burn« der Choreografin Aszure Barton. Beides sind Werke, die ganz auf ihre eigene Art das klassische Ballett interpretieren.

    William Forsythes Stück, entstanden während der Corona Pandemie, ist ein Wechselspiel aus Ruhe und explosiver Energie. Die Zuschauer*innen sehen sich in der Bewegung vorsichtig annähernde Tänzer*innen, untermalt von fragmentarischer Musik und, im Gegensatz dazu, wummernden Bässen, begleitet von extrovertierten Bewegungen. Die Choreografie bewegt sich um die »Barre«, die Ballettstange, die für das Balletttraining verwendet wird. Das Bühnenbild ist sehr minimalistisch in Schwarz-Weiß gehalten und so zeichnen sich die Bewegungen der Tänzer*innen präzise davor ab. Die von Forsythe teilweise kantig interpretierten Ballettpositionen der Arme kommen ebenfalls durch das geradlinige Kostümbild gut zur Geltung. Den Wechsel von Ruhe und freudiger Aufgeregtheit bestimmt am Ende die Freude am Tanz, die sich auf die Zuschauenden überträgt. Zu den wummernden Bässen fängt der ein oder andere Fuß an zu wippen, und man möchte gerne selbst auf die Bühne und mittanzen.

    Aleix Martínez in »Blake Works V (The Barre Project)«, Foto Kiran West

    Aszure Bartons Choreografie stellt zwei Tänzerinnen in den Mittelpunkt, deren Bewegungen von der Weisheit, Stärke und Geduld älterer Frauen inspiriert sind. Die Choreografie zeigt verschiedene zwischenmenschliche Dynamiken. Mal interagieren kleinere Gruppen von 2-5 Tänzer*innen auf der Bühne, und mal nehmen 26 Tänzer*innen den gesamten Bühnenraum ein. Barton experimentiert mit der Gruppe und dem Individuum, das sich manchmal aus der Menge herausschält und losgelöst davon einen eigenen Bewegungsablauf verfolgt.

    Silvia Azzoni, Madoka Sugai und Ensemble in »Slow Burn«, Foto Kiran West

    Die Kostüme erinnern an buddhistische Mönche. Die Tänzer*innen sind in weite, wallende, orangefarbene Kostüme gekleidet, die Barton mit der Kostümdesignerin Michelle Jank aus dem Fundus zu neuen Kreationen umgestaltet hat. Im Buddhismus steht die Farbe Orange unter anderem für die höchste Erleuchtung und Weisheit. Damit kann vielleicht eine Parallele zum Kern der Choreografie gezogen werden.

    Beide Choreografien sind abstrakte Stücke, die Raum für Interpretationen aus individueller Sichtweise bieten. Sie ergänzen sich zu einem schönen Ballettabend, der auf großartige Weise das Spektrum menschlicher Emotionen und Interaktion widerspiegelt.

    Franziska, 29 Jahre
  • BallettTester*innen »The Times Are Racing«

    BallettTester*innen »The Times Are Racing«

    Als BallettTester*innen durften Lale, Franziska und Sehri unsere Ballettpremiere bereits in der Hauptprobe erleben. Hier erzählen sie von ihren Erlebnissen und Eindrücken.

    Der Ballettabend beginnt mit »Adagio« von Pina Bausch. Ohne Bühnenbild, ohne Requisiten und ohne eindeutige Handlung. Dafür mit wehenden Haaren und – einem Stuhl. Im Fokus scheinen stattdessen die Beziehungen zu stehen, die sich auf der Bühne vor unseren Augen entfalten. Und obwohl es keine klare Handlung gibt, vermittelt das Stück eine unglaubliche Emotionalität. Dadurch, dass keine Geschichte vorgegeben wird, konnte ich mich selbst in dem, was auf der Bühne passiert, wiederfinden. Beziehungen sind ja schließlich etwas, das wir alle erleben. Wir alle erleben Nähe, Distanz, Versuchung, Trauer – all das konnte ich auf der Bühne wiederfinden. Für mich war das das Schöne an dem Stück: Irgendwie versteht man es. Man versteht es eben im Kontext seines eigenen Lebens, seiner eigenen Erfahrungen. Man versteht es vermutlich anders als seine Sitznachbar*innen, aber man versteht es.

    Ebenfalls reduziert, aber doch ganz anders wirkt das zweite Stück von Hans van Manen. In »Variations for Two Couples« scheinen zwei Paare tänzerisch miteinander zu wetteifern – kraftvoll, ausdrucksstark und poetisch zugleich. Die Tänzer*innen tragen schlichte Balletttrikots als Kostüme, auch hier gibt es kein Bühnenbild. Stattdessen stehen die Bewegungssprache und die Körper im Vordergrund, durch die die Tänzer*innen so viel zu vermitteln vermögen. Hier war ich vor allem beeindruckt von dem puren tänzerischen Können, das so völlig ohne Ablenkung durch Kostüme oder Bühnenbild präsentiert wurde.

    Jack Bruce und Alessandro Frola in Demis Volpis »The thing with feathers«, Foto (c) Kiran West

    »The thing with feathers« ist das dritte Stück, dessen Name eine Anspielung auf das Gedicht von Emily Dickinson ist, in dem sie die Hoffnung mit einem Vogel vergleicht. Genau wie das Gedicht hat mich auch das Stück von Demis Volpi sehr gerührt. Das Stück sah für mich aus, wie sich das Gedicht anfühlt: voller Schwere, Wissen und Hoffnung. In dem Stück kommt es immer wieder vor, dass die Tänzer*innen sich in die Arme fallen. Dabei kam mir der Gedanke an eine spezifische Komponente von Hoffnung: andere Menschen. „Die Hölle, das sind die Anderen“, wusste Sartre – die Hoffnung aber eben auch. Für mich war dieses Stück ein Zeugnis davon, dass wir füreinander die größte Quelle von Hoffnung sind. Davon, dass wir uns trotz aller Schwierigkeiten gegenseitig haben und halten können, uns auffangen und stützen, so wie die Tänzer*innen auf der Bühne.

    Meine Melancholie wurde dann durch das letzte Stück von Justin Peck gebrochen. Das Stück »The Times Are Racing« ist so mitreißend wie unkonventionell. In Sneakers und Straßenkleidung, mit Elementen von Stepptanz und Breakdance, nehmen uns die Tänzer*innen mit auf eine Reise durch … was eigentlich? So ganz weiß ich es auch nicht, aber es fühlt sich wie eine Reise an. Auch hier ist wieder jede Menge Raum, seine eigenen Themen in dem zu finden, was auf der Bühne passiert. Ich konnte beim Zuschauen nicht mehr aufhören zu lächeln und wollte einfach nicht, dass es vorbei geht (was ich am Ende von so manchem dreistündigen Handlungsballett nicht behaupten kann). Ich habe den Zuschauerraum gerührt, euphorisiert und beeindruckt verlassen.

    Dadurch, dass vier sehr unterschiedliche Stücke gezeigt wurden, war der Abend für mich ungewöhnlich kurzweilig. Es mag ein Problem meiner Generation sein, die sich durch Instagram und Co. ihre Aufmerksamkeitsspanne zerschossen hat, dass so ein Ballettabend oder ein Theaterstück zwischendurch seine Längen hat. Das war an diesem Abend zu keinem Zeitpunkt der Fall. Im Gegenteil, es hätte von mir aus noch ewig so weitergehen können!

    Insgesamt werden also vier Stücke gezeigt, die in sehr unterschiedliche Richtungen gehen. Für mich ist dieser neue Ballettabend eine Demonstration dessen, was Tanz alles sein kann: Theater, sportliche Höchstleistung, poetisch und mitreißend zugleich.

    Lale, 23 Jahre
    Ensemble des Hamburg Ballett in Justin Pecks »The Times Are Racing«, Foto (c) Kiran West

    Als Ballett-Neuling freute ich mich riesig über die Möglichkeit, bei der Hauptprobe von „The Times Are Racing“ dabei zu sein.

    Anfangs beeindruckte mich die Anzahl aller Beteiligten. Von Tänzer*innen über Techniker*innen bis hin zum Orchester – es war faszinierend zu sehen, wie viele Menschen zusammenarbeiten, um solch einen Ballettabend zu ermöglichen. Umgeben von allen Mitwirkenden konnte ich dann ganz in die Proben eintauchen.

    Mit vier unterschiedlichen Werken von Pina Bausch, Hans van Manen, Demis Volpi und Justin Peck war der Abend wahnsinnig beeindruckend. Ob Spitzenschuhe, Sneakers oder barfuß – die Werke verdeutlichten eindrucksvoll die Vielfalt und Ausdruckskraft der einzelnen Stücke und weckten unterschiedliche Gefühle.

    Den krönenden Abschluss bildete Pecks modernes Werk »The Times Are Racing«. Die Energie und die Lebendigkeit hinterließen bei mir ein Gefühl voller Freude und Begeisterung. Mit genau diesem Gefühl erinnere ich mich an den großartigen Probenabend.

    Der Ballettabend „The Times Are Racing“ ist definitiv ein Must-See … auch für Neulinge!

    Franziska, 27 Jahre
    Charlotte Kragh, Lennard Giesenberg, Lormaigne Bockmühl, Olivia Betteridge und Ensemble in Pina Bauschs »Adagio«, Foto (c) Kiran West

    Vom Ballett in Sneakers bis hin zu einem wunderschönen Pas de Deux zwischen zwei Paaren, all das bietet uns der Ballettabend »The Times Are Racing«, den uns der neue Intendant des Hamburg Ballett in seiner ersten Spielzeit präsentiert. Doch bei diesem Ballettabend werden nicht nur Volpis eigene Stücke präsentiert, sondern auch drei andere sorgfältig ausgewählte Stücke von verschiedensten Choreograf*innen. Jedes Stück hatte einen eigenen Fokus und ein eigenes Thema, das wunderschön getanzt wurde. Genau das macht es auch so unmöglich zu sagen, welches Stück mir am besten gefallen hat; eins kann ich aber sagen: Jedes war unglaublich schön zu sehen.

    Fangen wir bei Pina Bauschs »Adagio« an: Für mich hat sich »Adagio« sehr mit dem Übernatürlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt, da es teilweise so aussah, als würde der in der Mitte liegende Tänzer tot sein und nur zum Tanzen „aufwachen“. Vielleicht ist es aber auch gerade das, was das Stück so eindrucksvoll macht. Die Bühne war, abgesehen von einem Stuhl, vollkommen leer, aber trotzdem füllte der Tanz die ganze Bühne, sodass ein Bühnenbild fast schon überflüssig war.

    Als Nächstes möchte ich gerne über »Variations for Two Couples« von Hans van Manen schreiben. Dieses Pas de Deux wurde von zwei Paaren getanzt und war wie eine Art Wettbewerb zwischen den beiden. Jedes Paar übertrumpfte das andere immer wieder mit noch beeindruckenderen Schritten, zwischen beiden Paaren lag eine Art Spannung in der Luft, ich war vom Pas de Deux völlig mitgerissen.

    Madoka Sugai, Alexandr Trusch, Ida Praetorius und Matias Oberlin in »Variations for Two Couples« von Hans van Manen, Foto (c) Kiran West

    Das vorletzte Stück war »The thing with feathers« von Demis Volpi. Auf dieses Stück war ich schon die ganze Zeit gespannt, weil es von Emily Dickinsons Gedicht »Hope is the thing with feathers« inspiriert ist, und ich das Gedicht sehr gerne mag. Um es kurz zu fassen: Dieses Stück hat mich keinesfalls enttäuscht! Es war wunderschön und befasste sich meiner Meinung nach mit der Hoffnung. Man sieht die Tänzer*innen als eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig in Liebe, Trauer und Freude unterstützen und es gemeinsam schaffen, aus der Trauer Hoffnung zu gewinnen.

    Auch »The Times Are Racing« von Justin Peck befasst sich mit dem Thema Zusammenhalt, aber eher in dem Sinne, gemeinsam etwas zum Guten zu verändern. Die Kostüme waren für mich das Beste aus all den Stücken, weil sie die Botschaft der Choreografie stark unterstützt haben. Dieses Stück war alles andere als klassisch, aber so schön anzusehen und ein gelungener Abschluss für einen wunderbaren Ballettabend.

    Sehri, 14 Jahre
  • BallettTester*innen »Odyssee«

    BallettTester*innen »Odyssee«

    Als BallettTester*innen durften Linn, Fabien und Dionissios unsere Wiederaufnahme bereits in der Hauptprobe erleben. Hier erzählen sie von ihren Erlebnissen und Eindrücken.

    Am 23.02.24 durfte ich mir die Hauptprobe zu »Odyssee«, inszeniert von John Neumeier und nach dem Epos des Homer, ansehen. Zu Anfang des Stückes sah man unten auf der Bühne Odysseus mit seinem Sohn Telemachos und oben auf den Kulissen des Bühnenbilds die griechischen Götter auf dem Olymp. Ich habe eine Weile gebraucht, um in die Handlung hineinzukommen, auch da sie von Odysseus in der Rückblende erzählt wird. Als ich jedoch verstanden hatte, was gerade passierte, wurde ich vollständig in den Bann gezogen. Die Tänze waren unfassbar beeindruckend und brachten, im Zusammenspiel mit der Musik und dem Licht, die Atmosphäre der Geschehnisse perfekt rüber. Die Musik war besonders und es gab einen Sänger, welcher an einigen Stellen auf Griechisch sang. Auch die Kostüme fand ich wirklich toll. Sie waren sehr unterschiedlich, von wunderschön bis fast schon bizarr war alles dabei. Besonders beeindruckt hat mich das Kostüm des Meeres, das aus Kleidern mit sehr langen Schleppen bestand. Wenn sich die Tänzerinnen darin bewegten, haben sie wirklich den Eindruck kleiner Wellen vermittelt. Und wenn sie darin getanzt haben, habe ich mich oft gefragt, wie sie das überhaupt schaffen.

    Yun-Su Park als Das Meer und Louis Musin als Telemachos © Kiran West

    Ähnlich ging es mir mit dem Kyklopen, auch da fand ich es erstaunlich, wie er in seinem Kostüm so gut tanzen konnte. Die Szenen, die mich am meisten beeindruckten, waren der Überfall auf Ismaros und das anschließende Lazarett. Die Stimmung war sehr bedrückend, was durch die lauter werdenden Geräusche und die Bilder, die auf dem kleinen Bildschirm oben auf dem Olymp gezeigt wurden, noch verstärkt wurde. Ebenfalls sehr toll – und sehr viel fröhlicher – war auch die Szene, als sich Odysseus und sein Sohn, welcher zuvor immer wieder auf der Suche nach seinem Vater zu sehen war, erkennen. Auch das Wiedersehen zwischen dem als Bettler verkleideten Odysseus und seiner Frau Penelope ist toll dargestellt, da man merkt, wie sie immer vertrauter zusammentanzen. Das Ende des Stückes wird von einer großen Gruppe Tänzer:innen rund um Telemachos gebildet, welche in die Verbeugungen übergeht und damit einen tollen Abschluss für das Stück bildet.

    Linn, 13 Jahre

    Im Rahmen des BallettTester*innen-Angebots des Hamburg Ballett wurde ich zu einer Hauptprobe für das Ballett »Odyssee« eingeladen. Ich war auf diese Probe sehr gespannt, weil ich als Kind eine CD über Odysseus und seine Abenteuer hatte und diese sehr gern und auch häufig hörte. Danach war ich mit dem Mythos von Odysseus eigentlich nur im Lateinunterricht in Kontakt gekommen, der jetzt auch schon ein bisschen zurückliegt. Darum freute ich mich darauf wieder die Sagen von Odysseus erleben und diesmal in einer tänzerischen Interpretation sehen zu können. Die Veranstaltung begann im Foyer der Staatsoper. Nach einer kurzen und sehr freundlichen Begrüßung, in der wir ermutigt wurden, jederzeit Fragen zu stellen, wenn uns etwas interessierte, gingen wir in den Vorführungssaal. Auf der Bühne, die mittig über den Orchestergraben bis hin zu den ersten Sitzreihen des Parketts verlängert worden war, sah man bereits Tänzer, die sich auf die Probe vorbereiteten. In der Mitte des Saals war ein Pult mit verschiedenen Bildschirmen aufgebaut, von dem die Probe geleitet wurde. All diese Eindrücke traten aber schnell in den Hintergrund, als die Lichter gedämmt wurden, die Probe begann und Odysseus und Telemachos auf Fahrrädern über die Bühne fuhren. Diese Idylle war dann bald unterbrochen, als Odysseus in den trojanischen Krieg ziehen musste, dabei trug er nicht Lederrüstung und Kupferschwert, sondern Uniform und Schusswaffe.

    Alexandr Trusch als Odysseus und Louis Musin als Telemachos © Kiran West

    Über die nächsten zwei Stunden hielten die Choreografie, die Tänzer und Tänzerinnen und die Musik mich dann in einem Zustand andauernder Faszination und Anspannung. Fasziniert war ich, weil ich all die Geschichten wiedererkannte, die mir aus meiner Kindheit vertraut waren und die jetzt in tollen Kostümen großartig vertanzt wurden. Es war Penelope zu sehen, wie sie sich gegen ihre Freier wehrt und auf Odysseus wartend an einem roten Tuch webt und Kirke, die Odysseus Gefährten in Schweine verwandelt, für den Zuschauer durch lautes Grunzen vernehmbar, und Odysseus Kampf gegen den einäugigen Kyklopen Polyphemos. Es waren darüber hinaus auch Szenen aus der »Odyssee« dargestellt, die ich bisher noch nicht kannte, die dadurch aber nicht weniger stark auf mich wirkten. Diese Abenteuer wurden in einer Art Rückblende erzählt und immer wieder stellte sich bei Odysseus Heimkehr das Meer, symbolisiert von Tänzerinnen in langen blauen Kleidern, in den Weg.

    Alexandr Trusch als Odysseus und Ensemble © Kiran West

    Dabei war das Meer aber nicht Odysseus einziges Hindernis. Die meist bunt und leichtmütig dargestellten Abenteuer von Odysseus, wurden immer wieder unterbrochen von harten, martialischen Szenen von uniformierten Männern, die auch Odysseus immer wieder in seinen kriegerischen, uniformierten Zustand vom Anfang zurückzehrten. Diese Szenen und ein Bildschirm auf der Bühne, der gelegentlich explodierende Gebäude zeigte, führte dazu, dass ich die Abenteuer von Odysseus zwar mit viel Interesse und Freude verfolgte, aber die ganze Zeit auch eine Spannung darüber empfand, wann die nächste gewaltsame Unterbrechung dieser Abenteuer stattfinden würde. Dieser kriegerische Aspekt von Odysseus war eine sehr interessante Ergänzung zu dem Bild vom lustigen und listenreichen Abenteurer, das ich als Kind von Odysseus hatte.
    Es war eine wirklich tolle Erfahrung, einer Probe beiwohnen zu dürfen und das Ballett hat mir sehr gut gefallen.

    Fabien, 25 Jahre

    Am Freitag, den 23.02.2024 durfte ich als BallettTester bei der Hauptprobe der Neueinstudierung des Stückes »Odyssee« in der Ballettfassung von John Neumeier zugucken. Das Stück war zunächst ungewöhnlich aufgebaut und hatte eine interessante Atmosphäre. Die Gesten und Bewegungen wirkten rau und teilweise hektisch. Die Reihenfolge, in der das Geschehen erzählt wird, wurde in Hinblick auf das Originalepos von Homer verändert. Ich fand es aufregend dem Stück zuzugucken, denn die Balletttechnik war super. Jedoch fand ich das Verändern der Sicht als Rückblende der Ereignisse auf der Insel eher verwirrend. Wenn man das Stück »Odyssee« nicht schon viele Male geschaut und die Ereignisse im Stück alle schon kennt, ist es schwer zu folgen. An manchen Stellen war es schwer zu verstehen, in welchem Teil man sich gerade befand. Die Interpretation an sich fand ich jedoch super. Schon vor dem Ballettstück gab John Neumeier Auskunft über seine Ansicht auf das Thema Krieg und im Ballett wurde es deutlich. Die Idee, dass Odysseus gebrochen vom Krieg sein musste und seinen Zustand mit dem Krieg heutzutage zu verknüpfen, fand ich einmalig. Somit wirkte das Stück nicht nur schön, sondern auch aktuell. Normalerweise mag ich moderne Umsetzungen von klassischen Stoffen nicht so gerne, dieses war aber gut umgesetzt. Auch die traditionelle Musik hat da gut hereingespielt. Das Stück hat nicht nur von der schönen Technik gelebt, sondern auch von der Idee. Zu sagen, dass das, was ich auf der Bühne sah, mich schon im Moment der Probe in Staunen verursacht hat, wäre generell falsch. Es ist einer der Auftritte, die erst im Laufe der Zeit sacken und einen Denkanstoß geben. Die modernen Ansätze fielen natürlich sofort auf.

    Florian Pohl als Kyklop © Kiran West

    Der kleine Bildschirm mit den modernen Kriegsaufzeichnungen, der Kyklop mit dem beeindruckenden Monsterkostüm und die Maschinengewehre in den Händen, haben das Ballettstück bereichert. Dass auch die antike griechische Musik miteingebracht werden konnte, spricht für die einmalige Umsetzung. Zudem war das Bühnenbild in einem einfachen, aber passenden Stil gestaltet.
    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mir die Neueinstudierung von John Neumeier sehr gefallen hat, sie meiner Meinung nach gut umgesetzt wurde und tiefgründig ist. Die technische Leistung war auf dem höchsten Niveau. Das Stück braucht auf jeden Fall Zeit, damit man es überdenken kann.

    Dionissios, 16 Jahre

  • Die Ahnengalerie in »Dornröschen«

    Die Ahnengalerie in »Dornröschen«

    John Neumeiers Ballette sind voller Details. Während man als Zuschauer*in vorrangig auf Bühnenbild, Kostüme, die Musik und die Choreografie achtet, werden einzelne Requisiten und Kulissenteile erst auf dem zweiten Blick wahrgenommen. Kennt Ihr in »Dornröschen« die sechsköpfige Ahnengalerie? 

    »Dornröschen«, Erster Teil. Während Prinz Désiré immer tiefer in sein rätselhaftes Erlebnis eintaucht, beobachtet er Szenen aus Auroras Kindheit und Jugend. Im Hintergrund ist eine sechsköpfige Ahnengalerie sichtbar. Aber wer sind die abgebildeten Portraitierten? Natürlich sind hier keine zufälligen Personen zu sehen, sondern sechs Abbildungen von historischen Persönlichkeiten des Tanzes, die eng verknüpft sind mit dem Ballett »Dornröschen« und dessen Schöpfer Marius Petipa. 

    Wir blicken zuerst von links oben nach unten: Das Gesicht der ersten Dame ist Olga Preobrajenska (1871-1962) zuzuordnen. Sie war Primaballerina am Mariinski Theater in St. Petersburg und wichtige Lehrerin zahlloser Tänzerinnen von Weltruf, darunter Margot Fonteyn. Ausgebildet wurde sie an der kaiserlichen Ballettschule in St. Petersburg, zu ihren Lehrer*innen gehörte u.a. Marius Petipa, der Choreograf von »Dornröschen«. Ihr wurde übrigens auch schon in einem anderen John-Neumeier Ballett eine Hommage gesetzt: Eine der Solo-Ballerinen im Ballets Russes Teil in »Nijinsky« ist inspiriert von Preobrajenska, im Besetzungszettel zur Uraufführung des Balletts im Jahr 2000 wurde sie zudem namentlich aufgeführt. Aber auch wenn wir ihren Namen auf den Programmzetteln nicht mehr finden, ihr Geist bleibt weiterhin auf der Bühne präsent. Und das hat auch einen guten Grund: Preobrajenska hatte eine enge Verbindung zu den Ballets Russes: Ihre Schülerinnen Tamara Toumanova, Tatiana Riabouchinska und Irina Baronova wurden im Alter von nur 13 Jahren zu Stars der Ballets Russes-Compagnie; als sogenannte »Baby-Ballerinas« begann ihre aufsteigende Karriere.

    Vor der Ahnengalerie wird getanzt – hier verkleidet sich die 11-jährige Aurora als Königinmutter © Kiran West

    Weiter geht es mit dem mittleren Portrait auf der linken Seite der Ahnengalerie: Nicht viel schreiben muss man über Peter Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893), der unvergessliche Ballettmusik komponiert hat, unter anderem zu »Dornröschen«, »Der Nussknacker« und »Schwanensee«, drei Ballettklassiker in der Choreografie von Marius Petipa.

    Die dritte Portraitierte links unten ist Carlotta Brianza (1867-1930). Sie war eine italienische Primaballerina aus Mailand mit internationaler Karriere, gefeiert wurde sie für ihre virtuose italienische Technik. Berühmtheit erlangte sie, weil sie 1890 von Marius Petipa ausgewählt wurde, um in der Uraufführung von »Dornröschen« die Hauptrolle der Prinzessin Aurora zu tanzen.

    Foto: Stiftung John Neumeier (c) Theater Museum, St. Petersburg

    Während ihres Engagements am kaiserlichen Mariinski-Theater in St. Petersburg tanzte sie weitere führende Rollen in Balletten von Petipa. 1891 verließ sie Russland und setzte ihre Karriere in Italien, Wien, Paris und London fort. Wie auch Olga Preobrajenska unterrichtete sie nach ihrem Rückzug von der Bühne als Ballettpädagogin.  

    Drei Portraits sind noch unbekannt? Wir blicken nach rechts oben zu einem Mann, der lange an der Seite von Marius Petipa gearbeitet hat: Lew Iwanow (1834-1901). Er war ein außerordentlicher Tänzer, später Ballettmeister, Choreograf und Assistent von Petipa in Sankt Petersburg am Mariinski Theater. Als langjähriger Assistent übernahm er 1892 von dem erkrankten Petipa die Arbeit an »Der Nussknacker«, der berühmte Schneeflockenwalzer gilt als typisch für seinen lyrischen Stil. Für eine Neufassung von »Schwanensee«, die er gemeinsam mit Petipa erarbeitete, schuf er eine neue Choreografie für den zweiten Akt. Der sogenannte »Weiße Akt«, den John Neumeier in seiner Version »Illusionen – wie Schwanensee« rekonstruiert, beruft sich auf Iwanows Choreografie.

    v.l.o.n.r.u.: Olga Preobrajenska, Peter I. Tschaikowsky, Carlotta Brianza, Lew Iwanow, Pierina Legnani, Marius Petipa © M. Reidemeister

    In der Mitte der rechten Spalte ist Pierina Legnani (1868-1930) zu sehen, Primaballerina assoluta der Mailänder Scala, später im Mariinski-Theater in St. Petersburg, dessen Ballettdirektor Marius Petipa war. Sie ging in die Ballettgeschichte als beste Tänzerin ihrer Zeit ein, Petipa selbst ließ sich mehrmals von ihr inspirieren und kreierte für sie wichtige Rollen oder änderte Choreografien so um, dass sie ihre technischen Fähigkeiten zeigen konnte. So wurden zum Beispiel im Coda-Teil des Grand Pas de deux im dritten Akt von »Schwanensee« 32 fouettés en tournant eingefügt, zu diesem Zeitpunkt beherrschte nur sie diese Drehungen.

    Der Name des letzten Portraitierten auf der Ahnengalerie fiel des Öfteren: Marius Petipa (1818-1910). Ein bedeutender Choreograf, aus Marseille kommend, der 1847 als Tänzer nach St. Petersburg ging und blieb. Er wurde zum Ersten Ballettmeister ernannt, was bedeutete, dass er für jede Spielzeit des Mariinski Theaters einige neue Ballette kreieren sollte. Über 50 Jahre lang war Petipa in Russland tätig. Mit über 70 Jahren schuf er, gemeinsam mit dem Komponisten Peter Tschaikowksy, seine vielleicht besten Ballette, darunter »Dornröschen«.

    Seine Bedeutung für die Balletthistorie kann an dieser Stelle nur angerissen werden: Petipa kreierte das klassische Repertoire für die Zukunft, alles was wir aus dem 19. Jahrhundert kennen – mit Ausnahme der Inszenierungen von August Bournonville, der in Dänemark tätig war – kennen wir durch seine Augen, er hat das klassische Ballett kodifiziert. Die Tänzer*innen trainieren jeden Vormittag noch dieselben Exercises wie die Tänzer*innen im 19. Jahrhundert, sie bedienen sich quasi derselben Codes. Natürlich hat sich einiges geändert, aber im Kern ist das immer noch die Sprache des klassischen Balletts. Petipas Choreografien sind in der Ausbildung klassischer Tänzer*innen auf der ganzen Welt nach wie vor gängig. Und auch Choreograf*innen setzen sich immer wieder mit seinen Stücken auseinander. So auch John Neumeier, der mit seinem »Dornröschen«-Ballett das Erbe Marius Petipas aufs Sorgsamste integriert und gleichzeitig ein eigenes Werk geschaffen hat, das sich bis heute größter Beliebtheit erfreut.

    Am 6., 7., 8. und 10. Oktober kann John Neumeiers »Dornröschen« im Festspielhaus Baden-Baden erlebt werden – die Ahnengalerie selbstverständlich auch.

    Nathalia Schmidt

  • Making-Of: Zwei neue Bühnenprospekte für »Dornröschen«

    Making-Of: Zwei neue Bühnenprospekte für »Dornröschen«

    Für die Premiere der Neufassung von John Neumeiers »Dornröschen«-Ballett (Dezember 2021) überarbeitete John Neumeier seine Choreografie neu. In den Theaterwerkstätten wurden die Bühnenbilder und Kostüme von Jürgen Rose einzeln durchgesehen und teilweise neu angefertigt, so sind im Malsaal sind zwei neue Bühnenprospekte in anspruchsvoller Handarbeit entstanden.

    Es ist ein modernes Gebäude mit großzügigen Proportionen im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort, in dem seit November 2018 auf knapp 20.000 m2 Fläche die Werkstätten und Fundi der Hamburgischen Staatsoper beheimatet sind. In diesem Gebäudekomplex befindet sich auch der Malsaal, hier werden Bühnendekorationen wie zum Beispiel Bühnenprospekte in allen gewünschten Stilrichtungen und Größen gestaltet.

    Die Theatermaler*innen haben an zwei brandneuen Prospekten für die Premiere der Neufassung von John Neumeiers »Dornröschen« gearbeitet. Die beiden Bühnenprospekte »Nacht« und »Sommer-Winter« sind Teil des Bühnenbildes und wurden nach den Vorgaben des Bühnen- und Kostümbildners Jürgen Rose in den Werkstätten angefertigt. Jürgen Rose hat seine Idee in klein und per Hand vorgemalt. Der Vorteil gegenüber einer digitalen Vorlage ist, dass sie 1:1 mithilfe eines Beamers vergrößert werden kann. Das erleichtert die Arbeit der Theatermaler*innen enorm, die beide Prospekte nach Roses Vorlage auf dem Boden des Malsaals liegend malen.

    Making-Of: Das Sommer-Winter-Prospekt für »Dornröschen« © Malsaal

    Die Auswahl des Materials richtet sich nach der Wirkung, die der Prospekt auf der Bühne haben soll. Die Herstellung von Tüllprospekten, die auf der Bühne, im Zusammenwirken mit der Theaterbeleuchtung, eine transparente Wirkung erzielen, ist die »Hohe Schule« der Theatermalerei. Die Anforderungen an den »Sommer-Winter«-Prospekt sind anspruchsvoll: Er soll zum einen eine sommerliche Baumlandschaft repräsentieren, je nach Bedarf aber auch eine kahle Winterszenerie. Hier kommt ein klassischer Theaterstoff zum Einsatz, der so Einiges kann: Gobelin-Tüll.

    Der Winter gemalt auf Gobelin-Tüll © Malsaal

    Wird der auf Gobelin-Tüll bemalte Prospekt von hinten beleuchtet, ist die Winterstimmung sichtbar: Dunkle Baumsilhouetten mit wenig Blättern, die Landschaft kühl und karg. Wird der Prospekt hingegen von vorne beleuchtet, ist der Sommer erlebbar mit blühenden Bäumen und sattgrünen Blättern (wie auf dem Aufmacherbild zu sehen).

    Das ist Theatermagie »at its best«: Allein mit der Projizierung der richtigen Lichtverhältnisse können einzelne Elemente des Prospektes erscheinen oder wieder verschwinden. Die beiden Theatermaler Mariano Larrondo und Yorjander Capetillo Hernández haben rund fünf Wochen an dem technisch anspruchsvollen »Sommer-Winter«-Prospekt gearbeitet.

    Der Nacht-Prospekt auf Schirting gemalt © Malsaal

    Der »Nacht«-Prospekt wurde auf Schirting gemalt. Die Silhouetten der Bäume sind schwarz, das tiefe Blau des Nachthimmels erzeugt eine geheimnisvolle und mystische Stimmung. An diesem Bühnenprospekt arbeiteten die beiden Theatermaler circa dreieinhalb Wochen.

    Am 19. Dezember 2021 kommen die beiden neuen Prospekte endlich zum Einsatz und können ihre Magie auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper entfalten. Wir alle sind gespannt darauf, sie als Teil der neuen »Dornröschen«-Fassung bestaunen zu können.

    Nathalia Schmidt

  • BallettTester*innen »Endstation Sehnsucht«

    BallettTester*innen »Endstation Sehnsucht«

    Als BallettTester*innen durften Sophie, Judith und Sammy unsere Wiederaufnahme bereits in der Hauptprobe erleben. Hier erzählen sie von ihren Erlebnissen und Eindrücken.

    In der Staatsoper durfte ich das erste Mal bei einer Hauptprobe eines professionellen Ballettstückes zuschauen. Das Stück von Tennessee Williams kannte ich vorher nicht, weshalb ich umso aufgeregter war, die Geschichte auf mich zukommen zu lassen. Wir werden in den Saal geführt und dürfen gemeinsam mit den Fotografen, Technikern und John Neumeier selbst Platz nehmen. Die Stimmung ist ganz anders als bei einer ausverkauften Vorstellung. Irgendwie entspannter, aber deshalb auch umso spannender. Und dann geht der Vorhang auf. Die starken Emotionen von Blanche kommen mit jeder Szene mehr und mehr zum Vorschein. Besonders ihre Wut am Tage ihrer Hochzeit sowie ihr großer Schmerz im 2. Akt, am Höhepunkt des Geschehens, gehen einem sehr unter die Haut. Mit einer Mischung aus klassischem und modernem Ballett wird ihr Charakter und ihre Geschichte verkörpert, was mir sehr gefiel.

    Anna Laudere als Blanche DuBois © Kiran West

    Der Ausdruck ihrer inneren Gefühle wird nochmal verstärkt durch das Zusammenspiel aus Musik und Stille. Die Musik baut sich immer mehr auf, bis sie zu einem ohrenbetäubenden Klang wird und im nächsten Moment herrscht Schweigen. An einigen Höhepunkten hört man nur einen Schuss, der so laut ist, dass man nicht anders kann, als sich zu erschrecken. Je weiter das Stück voranschreitet, desto mehr gehen Realität und Illusion ineinander über. Das Bühnenbild schmilzt dahin und fällt in sich zusammen, was die Situation des Geschehens und der Charaktere sehr gut widerspiegelt und zu einem eindrücklichen Bild führt. Bühnenbild und Requisite sind nicht nur im Hintergrund des Stücks, sondern werden wichtige Teile der Geschichte, wodurch ein emotionales Gesamtbild entsteht. Das Ende ist eher simpel, aber ergreifend. Die Erzählung macht einen Bogen und schließt wieder an den Anfang an, auf den man nun mit anderen Augen schaut. Man versteht jetzt die Umstände von Blanches Situation und ihre Vergangenheit, doch die Zukunft bleibt offen. Insgesamt ein zutiefst ergreifendes und emotionales Erlebnis.

    Sophie, 21 Jahre

    »Endstation Sehnsucht« ist ein sehr emotionales Ballettstück. Beginnend in der Irrenanstalt lernt man Blanche kennen. Sie so zu Beginn und am Ende zu sehen, ist für den Zuschauer sehr schockierend. Hingegen die Hochzeit in Belle Rêve verzaubert den Zuschauer: Für diesen Moment taucht man in eine andere, sehr pompöse und friedliche Welt ein. Die festliche Kleidung und die harmonische Stimmung auf dem Ball imponieren sehr. Besonders beeindruckend wirkte der Auftritt von ihrem Mann Allan Gray. Eine wirklich romantische Hochzeit und doch nimmt der Hochzeitstag ein tragisches Ende.

    Charlotte Larzelere als Blanches Schwester Stella © Silvano Ballone

    Der Tod ist plötzlich allgegenwärtig und das beachtliche Familienanwesen wird verloren. Die tatsächlich fallenden Schüsse sowie die Sirene haben die Dramatik des Stücks nochmals verstärkt. Im zweiten Teil ist der Wechsel der Kulisse sowie insbesondere der Musik sehr auffällig. Hier ist es den Darsteller*innen gelungen, die intimen Momente, die Gewalt und die damit einhergehenden Emotionen aufzuzeigen. Die Szene an den Straßenbahnschienen vermittelt dem Zuschauer das Gefühl, zur damaligen Zeit in New Orleans zu sein.

    Blanche DuBois (Ida Praetorius) bei ihrer Ankunft in New Orleans © Kiran West

    Mit der erneuten Darstellung der Irrenanstalt, schlicht durch das eine Bett als Hauptrequisite, endet das Drama. Hier zeigt die Hauptdarstellerin erneut auf beeindruckende Weise, wohin sie das Drama schließlich brachte. John Neumeier ist mit seinen Künstler*innen eine erfolgreiche Wiederaufnahme des Stücks gelungen!

    Judith, 30 Jahre

    John Neumeier, einer der renommiertesten Ballettchoreografen unserer Zeit, hat wieder sein Können mit »Endstation Sehnsucht« unter Beweis gestellt. Dieses Ballett, das auf Tennessee Williams‘ gleichnamigem Theaterstück basiert und von Sergej Prokofjews und Alfred Schnittkes Musik begleitet wird, entführt das Publikum in eine Welt der zerrissenen Träume, der Leidenschaft und des emotionalen Aufruhrs.

    Matias Oberlin als Stanley Kowalski mit Anna Laudere als Blanche DuBois © Kiran West

    Die Hauptdarsteller waren sehr gut. Die Primaballerina verkörperte Blanche DuBois mit einer tiefen Emotionalität und einer kraftvollen Bühnenpräsenz. Ihr Tanz war anmutig und gleichzeitig zutiefst ausdrucksstark. Der männliche Hauptdarsteller brachte Stanley Kowalskis animalische Energie und Brutalität in jeder Bewegung zum Ausdruck. Die Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren war spürbar.

    Die eindringliche Musik verlieh der Handlung eine emotionale Tiefe. Die schweren, melancholischen Melodien schufen eine bedrückt-angespannte Atmosphäre, die die emotionalen Nuancen der Handlung unterstrich. Ich schätze dieses Ballett wegen seiner emotionalen Unverfälschtheit. Es hinterlässt Eindruck.

    Sammy, 20 Jahre

  • BallettTester*innen »Romeo und Julia«

    BallettTester*innen »Romeo und Julia«

    Als BallettTester*innen durften Taissija, Julien und Youyou unsere Wiederaufnahme bereits in der Hauptprobe erleben. Hier erzählen sie von ihren Erlebnissen und Eindrücken.

    In »Romeo und Julia« geht es um die ganz große Liebe. Das weiß jeder, ohne es auf der Bühne vorgetanzt zu bekommen. Lässt man sich aber doch auf das Ballettstück »Romeo und Julia« von John Neumeier ein, wird einem schnell klar, dass man zwar wohl nicht unrecht, aber auch nicht ganz recht hatte. Es geht in diesem »Romeo und Julia« nämlich in erster Linie nicht um die Liebe, sondern um die Verliebtheit – diese wabernde Vorahnung großer Gefühle, welche erst mit viel Zeit und Pflege in die echte Liebe keimt. Wie könnte es denn auch anders sein, bei dem pubertären Pärchen, das im Zentrum der Handlung steht.

    Die Julia in dieser Inszenierung wirkt jung und das ist auch kein Wunder. Die Tänzerin ist gerade mal fünfzehn Jahre alt. Diese Kindlichkeit zieht sich durch jeden Tanz und jede Geste. Sie springt, nur in ein Tuch gewickelt, mit ihren Freundinnen im Bad umher, nur um bei dem Ball den Takt und ihren Mut zu verlieren. Sie schmeißt sich auf den Rücken des Vaters, schubst ihre schuldlose Amme herum, nur um für einen Augenblick von den Erwachsenen gehört zu werden. Julia ist eben keine Frau in einem Nachthemd, sondern noch ein Kind.

    Azul Ardizzone als Julia und Louis Musin als Romeo © Kiran West

    Gegen diese jugendhafte Julia wirkt ihr Verlobter zu groß, zu breitschultrig, zu erwachsen. Es scheint einem ganz abartig, dass ihre Eltern sie aus der Unbekümmertheit ihrer Jugend entreißen und in die Arme dieses Mannes geben wollen. Da macht die plötzliche Liebe für Romeo wieder mehr Sinn. Auch er ist blutjung. Er blödelt mit seinen Freunden rum, ist in einem Akt unsterblich in Rosalinde verliebt, im nächsten turnt er vor Julia, um ihr seine Liebe zu offenbaren. All diese Gefühle könnten leicht melodramatisch wirken. Schließlich geht es um zwei Jugendliche, die sich quasi auf den ersten Blick verlieben und am Ende, vor lauter Liebe, einen doppelten Suizid begehen.

    Wenn es in diesem »Romeo und Julia« um noch etwas anderes geht, dann sind es die Menschen von Verona. Diese existieren nämlich nicht nur, um den Raum um Romeo und Julia mit Bewegung zu füllen, sie leben selber auch. Sie tun sogar noch mehr als leben – sie haben sehr viel Spaß. Man ist überrascht, wie viel Komik das Ballett tragen kann, wenn man es ihm zutraut. Dieses Stück gewinnt den Bewohnern Veronas viel Lustiges ab: da sind die lüsternen Jünglinge Veronas, die mal betrunken herumalbern, mal den Frauen nachschmachten. Da ist die Schauspieltruppe mit ihren farbenfrohen Tänzen und überzogenen Aufführungen. Dann sind da Romeos übermütige Freunde, Mercutio und Benvolio, die keinen Spaß sein lassen können, vor allem wenn es darum geht, Julias hochmütigen Cousin Tybalt zu ärgern. Überhaupt erscheint die Fehde zwischen den Montagues und Capulets vor allem in den gegenseitigen Sticheleien der halbstarken Jünglinge beider Seiten weiterzuleben.

    Romeo im Kampf mit Tybalt (Artem Prokopchuk) © Kiran West

    Diese spielerische Grundstimmung offenbart sich umso klarer, wenn sie dann einmal umschlägt. Das Stück ist nie melodramatisch – unheilvoll kann es aber gut. Da ist wieder die Schauspieltruppe mit dem Skelett, das auf Spitzenschuhen Vorahnungen der Zukunft tanzt. Da ist der immer lustige Mercutio, wie er seinen Kampf mit Tybalt einem Publikum übertrieben-klamaukig vorspielt und dann, unter ihrem anhaltenden Applaus, tödlich getroffen zusammenbricht. Da sind Julias Zofen, die ihren Hochzeitstag vorbereiten, Kleid und Schleppe zu ihrem Bett tragen, in welchem sie bewusstlos liegt.

    Am Ende muss noch etwas zu Bühnenbild und Kostümen gesagt werden. Sie sind schlicht und zurückhaltend, aber bleiben in ihren Formen der italienischen Renaissance treu. So gelingt es die Brücke zwischen Klassik und Moderne zu schlagen, die schon der Komponist des Stückes, Sergei Prokofjew, mit seiner Musik überquerte. Das Stück wird nicht in die Gegenwart, aber auch nicht in eine ferne Vergangenheit gezerrt. Stattdessen findet man in einer Liebesgeschichte des mittelalterlichen Verona das Moderne und das Menschliche.

    Taissija, 24 Jahre

    Am 09. Juni durfte ich bei der Hauptprobe für »Romeo und Julia«, ein Ballett von John Neumeier nach William Shakespeare, als BallettTester dabei sein. Als ich mich auf den Weg zur Hamburgischen Staatsoper machte, erwartete ich keine große Menschenansammlung, da ich ja zu einer Hauptprobe eingeladen wurde. Als ich dort jedoch ankam, wurde ich vom Gegenteil überrascht. Ich begab mich ins Foyer, wo ich bereits von Friederike und Nathalia erwartet wurde. Ich wurde darüber aufgeklärt, dass heute eine besondere Situation sei, da zu der Hauptprobe, zu der sich sonst nur ausgewähltes Publikum einfindet, auch alle ehemaligen Tänzer, die mal unter John Neumeier getanzt haben, eingeladen waren. Es war unglaublich beeindruckend, so viele noch aktive und ehemalige Tänzer sehen zu dürfen. Auf dem Weg zu unseren Plätzen fanden wir heraus, dass wir im 1. Rang nur wenige Plätze hinter John Neumeier und einem Teil seines Teams sitzen durften. Während der Hauptprobe war es auch immer wieder spannend zu beobachten, wie die Verantwortlichen für das Licht letzte Verbesserungen vornahmen. Als es dann zum dritten Mal klingelte, die Türen zu gingen und das Orchester anfing zu spielen, ging es mit der Hauptprobe los.

    Die beiden verfeindeten Häuser Montague und Capulet in Verona © Kiran West

    Ich hatte bereits einmal zuvor das Ballett »Romeo und Julia« gesehen, jedoch in einer anderen Inszenierung. Deshalb war ich gespannt auf die von John Neumeier. Gleich bei einer der ersten Szenen waren unglaublich viele Tänzer auf der Bühne. Die meisten Charaktere des Stückes wurden hier bereits vorgestellt. Es war unglaublich lebhaft, die Musik und die vielen Ereignisse auf der Bühne ließen einen sofort in das Stück eintauchen. Die Tänzer führten einen durch die Handlung bis zum tragischen Ende. Mich persönlich beeindruckt vor allem immer die Leistung der Tänzer. Sie schaffen es eine Handlung ohne Worte nur mit dem Tanz zu erzählen. Zudem schaffen es die Balletttänzer mit einer unglaublichen Eleganz und Leichtigkeit zu tanzen. Wer schon mal einen Blick hinter die Kulissen geworfen hat, weiß, dass Ballett ein Hochleistungssport ist und im Gegensatz zum gewöhnlichen Hochleistungssportler muss der Balletttänzer bei der Aufführung stets darauf achten, elegant und mit der richtigen Mimik zu performen. Der Charme am Ballett ist das ganze Event mit allem drumherum, vom Saal, bis zur Musik und der Darbietung der Tänzer.

    Julien, 22 Jahre

    Mein üblicher Eindruck von der Staatsoper: ungekünstelt, jedoch vornehm und geschliffen. Und eigentlich bestand das Bild von einem Hauptprobe-Erlebnis, das ich mir ausgemalt hatte, aus nichts Weiterem als uns BallettTestern allein im Saal mit Friederike. Mein zusätzlicher Eindruck bei meiner Ankunft diesmal: Heut’ ist was los! Bereits vor Beginn der Aufführung bekam ich viele bekannte Gesichter unfassbar nah zu erblicken, die ich vorher immer nur als kleine Figuren auf der Bühne kannte. Nachdem John Neumeier von der Bühne aus dem (komplett) gefüllten Saal erläutert hat, aus welchem Anlass diese Versammlung hier tagt, spürte selbst ich eine Freude der (Wieder-) Vereinigung, obwohl ich weder eine gegenwärtige Ballerina/Mitarbeiterin der Oper, noch eine Ehemalige bin.

    Danach hob sich der Vorhang: am frühen Morgen Neckerei bis zur Eskalation zwischen zwei Haushalten; ein hüpfendes, junges Geschöpf im Bad, dem plötzlich mitgeteilt wird, dass es nun Zeit ist, sich zu vermählen; ein Ensemble mit einer rot bekleideten Dame im Mittelpunkt, würdevoll und selbstbewusst, beinahe einschüchternd; das zarte Geschöpf wieder, diesmal voller Vorsicht und Scheu; Zusammenstoß mit einem jungen Mann in Blau mit Maske (wohl aus Versehen?), Berührung ihrer Hände, anschließend Erkenntnis seiner Identität; am Ende des Aktes die sternenhelle Nacht, sie auf dem Balkon, er unten belauschend, dann enthusiastische Schritte nach oben und nicht nur Berührung, sondern auch Zusammenschluss beider Hände. Darauf folgend ein sorgloser, befreiter, fast wie Improvisation vorkommender Pas de Deux bis zum Morgenlicht.

    Julia und Romeo bei ihrer ersten Begegnung auf dem Maskenball © Kiran West

    Schon in diesem ersten Akt wird das Bedürfnis nach Liebe von Julia augenfällig, während sie in der Badehalle immer wieder versucht ihrer Mutter näher zu sein, die sie im Gegenteil auf würdigen Abstand hält. Ich finde, dass die junge Darstellerin von Julia (Azul Ardizzone) ihre Lebendigkeit im weitesten Sinne in Bewegungen zum Ausdruck gebracht hat; die hat sie nicht NACHGESPIELT, denn sie ist wahrhaftig ein Teil von ihr selbst! Zudem ist ein Kontrast zwischen den Szenen im Ballsaal der Capulets und der Balkonszene zu spüren: ein Kontrast zwischen Kontrolle, Manieren im roten Hintergrund und Freiheit in Blau. Ich bewundere außerdem all die bedachten Details, auf die man üblicherweise nicht achtet und die das ganze Stück noch realistischer machen, z.B. welche umständlichen Ausschnitte des Alltags auf dem Marktplatz im Hintergrund vorgehen. In dieser Version John Neumeiers finden sich wahrscheinlich so häufig wie bei keiner anderen ursprüngliche Elemente von Shakespeares Werk wieder: Koketterie und sexuelle Hänselei überall; Mercutios Spott und Provokation gegenüber Tybalt; die Handgesten des jungen Paares, welche ihre Liebe versinnbildlichen; sowie Julias anfängliche Hemmung davor, viel zu rasch in eine Beziehung hineinzustolpern, die im späteren Verlauf gleichfalls zu begieriger Eile wird.

    Die Schauspieltruppe © Kiran West

    Im Nachhinein führt eine Schauspieltruppe nicht bloß uns, dem Publikum, sondern auch denen auf der Bühne ein kleines Trauerspiel vor, welches Konformität mit der Realität aufweist und das Los von Romeo und Julia auf heitere und sorglose Weise vorherzusagen scheint. Nun also abrupter Wechsel von Komödie auf Tragödie, wobei Romeo anfänglich Versöhnung mit Tybalt gesucht hat und Mercutio vielmehr selber blind in Tybalts Degen hineingerannt ist, als von ihm erstochen wird; die vorhin noch zusammengemischten Diener beider Haushalten spalten wieder auf. Eine Dame im Nachthemd, dieses Mal außer sich, alles andere als stattllich vor Verzweiflung und Schmerz.

    Im letzten Akt der Morgen nach der ersten (und letzten) Liebesnacht; Seligkeit, Sinnlichkeit vermischt mit der Betrübnis des Abschieds. Nach ihrer Trennung erscheint Romeo in Julias Gedanken wieder: Verzweiflung entweicht der Entschlossenheit und Beherztheit, und die Musik verleiht den Eindruck, als würde alles wahrhaftig gut enden. Ihr Mut wird so tastbar wie noch nie zuvor, während sie sich hervorragend und fast still beherrscht und der Last auf bewundernswerte Weise widersteht. Der Trank löst einen Traum aus, der mit Visionen des toten Tybalts und Romeos ihr innerliches Dilemma reflektiert – Treue zu Familie oder zu Liebe? Solche Visionen, Sehnsüchte, und Dimensionen werden alle auf unkomplizierte, ungekünstelte, dennoch wirklichkeitsnahe Weise dargestellt.  

    Weder John Neumeier noch Shakespeare (meiner Intepretation nach) hat die Feindschaft der Familien als die eigentliche Quelle des Schicksals der Verliebten angebracht, sondern lediglich als eins der Fundamente für den Handlungsverlauf. Romeo und Julia sind in John Neumeiers Fassung aktiv und passiv zugleich, so wie in Shakespeares; beide können die Gegebenheiten ihrer Umgebung kaum beeinflussen, haben jedoch innerhalb des festgesteckten Rahmens ihre Optionen. Hast und Impulsivität, vor allem Romeos, sind dabei aus meiner Sicht das Ausschlaggebende. Obgleich er am Anfang eindeutig der reifere, erfahrenere Charakter war, entwickelt sich die noch jüngere Julia durch die Herausforderungen, die ihr entgegengestellt werden, zu der Rolle, die alles selber in die Hand nimmt. Ich finde es wirklich großartig, dass und wie John Neumeier dies in seiner Inszenierung betont.   

    Romeo an Julias Grab in der Gruft der Capulets © Kiran West

    Die letzte Szene: Melodie der Erinnerung, Pas de Deux, wo sich nur einer der beiden bewegt; noch nicht aufgegeben, ihre Hand noch einmal hoch – und runter; vollkommene Realisierung, Dolch, letzter Griff ihrer Hand. Diese Finger rühren… Finsternis, Tod, ein schwarzes Band für Verstorbene auf ihrem Leib. Tybalt. Aber wer liegt noch dort? Seine Hand einmal hoch, und fällt. Sie schaut nach oben, zu Gott, zu ihm? Ihre gemeinsame Melodie ertönt, ohne zu verstummen, verlischt in Luft… Sie scheint ihn rufen zu hören. Beruhigt und resigniert erblickt sie ihren Ausweg, greift nach seiner Hand, und spürt in ihr den Dolch. Hinein, und hinunter mit ihrem Leib. Beide Hände zusammen, Augen zu. Alles nun dunkel, allein ein heller Schein auf ihre Hände.

    Das mitreißende Stück, eine Mischung aus Freude und Trauer, endete für mich nicht mit Trauer, denn der allerletzte Ton, welcher ertönte, klang für mich nach.

    Youyou, 15 Jahre

  • BallettTester*innen »Illusionen – wie Schwanensee«

    BallettTester*innen »Illusionen – wie Schwanensee«

    Als BallettTester*innen durften Liliane, Miroslav und Lotte unsere Wiederaufnahme bereits in der Hauptprobe erleben. Hier erzählen sie von ihren Erlebnissen und Eindrücken.

    Am 9. Februar 2023 durfte ich bei der Hauptprobe für »Illusionen – wie Schwanensee« als BallettTesterin dabei sein. Als ich am frühen Abend zur Staatsoper kam, waren schon mehrere Gäste im Foyer, die auch zuschauen wollten. Es gab noch zwei weitere Balletttester*innen, Lotte (13), die selber gerne tanzt, und Miroslav (19), der schon öfter bei Ballettaufführungen zugeschaut hat. Außerdem gab es noch eine Schüler*innengruppe aus der Ballettschule von John Neumeier und viele Erwachsene, die für die neuen Schwanenkostüme für »Illusionen – wie Schwanensee« gespendet hatten. Abgeholt wurden Lotte, Miroslav und ich von Friederike, die uns direkt mit in den Opernsaal nahm. Im Saal konnten wir uns Plätze aussuchen und warteten sehr gespannt auf die Aufführung.  

    Das Bühnenbild von Jürgen Rose ist inspiriert von den Schlössern von König Ludwig II © Kiran West

    Als der Vorhang sich dann öffnete, hat mich das Bühnenbild sofort begeistert. Eine Mauer, die wohl zu einem Schloss gehörte und wie eine echte alte Mauer aussah, und weiter seitlich konnte man ein Fenster erahnen, durch das warmes Sonnenlicht fiel. Bei den Tanzszenen, die alle unglaublich schön waren, hat mir am meisten eine Festszene gefallen. Bei der Szene wurde viel getanzt und gefeiert und es haben auch Kinder mitgemacht. Mir hat die Szene so gut gefallen, weil die Musik und das Tanzen richtig gute Laune verbreitet haben.

    In der Pause, die dann folgte, durften wir uns im Opernhaus umsehen und dann wurde von Lotte, Miroslav und mir noch ein Foto gemacht. Nach der Pause gab es eine Szene wie aus einem Märchen, in der bestimmt zwanzig Schwäne in unglaublich prächtigen Kostümen getanzt haben. Das war sehr beeindruckend. Auch der Maskenball hat mir gut gefallen, besonders die schillernden, bunten Kostüme fand ich sehr gelungen.

    Alexandr Trusch als König und David Rodriguez als Mann im Schatten © Kiran West

    Erwähnen möchte ich noch die Schlussszene, in der der König im See ertrank. Das war tragisch und das Licht war ganz besonders. Das hat irgendwie gut zum Ende gepasst. Insgesamt war es ein ganz toller Abend in der Staatsoper. Mit haben die Tänzer so gut gefallen, die wunderschönen Kostüme, die Musik, das Licht und das Bühnenbild. Einfach alles!

    Liliane, 13 Jahre

    Ich habe am 9.2. als BallettTester in der Hamburgischen Staatsoper eine Probe zu »Illusionen – wie Schwanensee« gesehen, inszeniert von John Neumeier. Der erste Eindruck begann mit dem Vorhang, der vor der Bühne hängt. Zwei Engel sind zu sehen, sie blasen in ihre Trompeten; es ist ein beeindruckender Anblick. Der golden und silbern strahlende Stoff regt zu hohen Erwartungen an. Der Vorhang fällt und der Thronsaal wird mit seinen sich öffnenden Türen gezeigt. Der König (Alexandr Trusch) tritt mit seinem Freund Graf Alexander (Jacopo Bellussi) herein und enthüllt sein Schmuckstück, das Schloss Neuschwanstein. Und der Mann im Schatten (David Rodriguez) verfolgt ihn mit ausladenden Bewegungen.

    Den König verfolgen seine Erinnerungen, er sieht das Richtfest wieder vor seinem inneren Auge. Das farbenfrohe Richtfest wird durch eine bunte Masse an Arbeitern und vielen Kränzen geschmückt. Die Arbeiter, die sich über den Erfolg des Baus freuen und ihn ausgelassen feiern, der kleine Junge, der den Älteren durch seinen Tanz seine Freude und seinen Ehrgeiz zeigt, indem er den Arbeiter nacheifert. Der König zeigt nun seine Schönheit und bedankt sich mit graziöse Bewegungen beim Volke. So kommen die Adeligen, die Königinmutter (Patricia Friza) und seine Verlobte (Madoka Sugai) herein. Sie feiern die Verlobung des Paares und tanzen dazu. Im ganzen Durcheinander ist die Musik fröhlich und rein.

    Alexandr Trusch als König beim Richtfest © Kiran West

    So sind in diesem Fest viele unterschiedliche Begebenheiten mit den jeweiligen Menschen passiert, doch Freude ist die einzige Emotion, die zu sehen war. Die Darstellung der Freude war dennoch in unterschiedlichen Formen vorhanden, die Adligen zeigten sich in eleganten Tänzen, die Arbeiter waren hingegen mit ihren Volkstänzen zu sehen und alle gemeinsam ergaben ein Bild. Da war die Erinnerung schon wieder vorüber und der König wieder im Thronsaal. Er rang mit dem Schatten, sie warfen sich aufeinander, es war der Schatten seiner selbst. In immer geschmeidigeren Bewegungen. Dunkel in dunklen Lichtern und Tanz. So ist es ein besonderes Erlebnis die Hauptfigur, den König, zu sehen, seine Geschichte zu erleben und die Liebe zu entdecken, die in ihm innewohnt. Durch viele ineinander verwobene Elemente des Balletts, die hier mit der Musik harmonieren und sich doch an manchen Stellen widersprechen.

    Eine Kunst, die mit Körper und Geist dem Zuschauer gezeigt wird. Mal wird es dunkler, mal wird es heller. So sind auch die Kostüme von eindeutiger Pracht, sie verfließen und vereinen sich immer mehr mit den Tänzern zu einer Figur, in ihren unterschiedlichen Farben vom reinen Weiß bis zu den kunterbuntesten Tönen des Maskenballs. Das ist die Art von Verführung, der man ausgeliefert ist, wenn man in diese Welt der Illusionen eintaucht. Das ist also die große Geschichte eines noch größeren Königs, die jeder für sich interpretieren und miterleben kann.

    So habe ich einen sehr erlebnisreichen Abend gehabt und Ihr sollt ihn auch noch erleben, daher habe ich Euch nur die Hälfte der Handlung aus meiner Sicht beschrieben, damit Ihr Euch immer noch etwas Neues vorstellen könnt. Und achtet bitte auf die Kinder, sie zeigen besondere Figuren, die sich faszinierend von den Solisten und dem Ensemble abheben. Diese Wiederaufnahme ist sehr zu empfehlen. Das war eine wunderbare Vorstellung und wenn Ihr in meinem Alter seid und ihr einmal die Möglichkeit habt als Tester oder einfach so ins Ballett zu gehen, dann würde ich euch raten das zu machen.

    Miroslav, 19 Jahre

    Rote Samtsessel, hölzerne Balkone und ein großer Orchestergraben empfangen einen, wenn man den großen Konzertsaal der Hamburger Staatsoper betritt. Ein einteiliger, königsblauer Vorhang mit goldenen Ranken und einem hübschen weißen Schwan in der Mitte verdeckt noch das Bühnenbild. Langsam füllt sich der Saal mit den Leuten, die sich bis eben unten im Foyer begrüßt haben. Darunter sind Eltern, deren Kinder im Ballett tanzen, Sponsoren, Fotografen und graziös wirkende Schüler der Hamburger Ballettschule. Nach einiger Zeit haben sich alle einen Platz gesucht und das Licht wird heruntergedimmt. Die Gespräche verstummen, die Blicke richten sich nach vorne und dann fällt der Vorhang und das Orchester beginnt zu spielen.

    Die Schwäne © Kiran West

    Einer dramatischen Szene in einem Schlosszimmer folgt ein heiteres Dorffest, auf dem getanzt, gesungen, gegessen, getrunken und ein mit Schleifen behangener Kranz aufgehängt wird. Eine feine Gesellschaft taucht zwischen den »einfachen« Leuten auf. Unter ihnen der König mit seiner in ein hübsches, blaues Kleid gekleideten Verlobten, Prinzessin Natalia. Außerdem der Freund des Königs, Graf Alexander mit seiner hübschen Braut Prinzessin Claire. Die feinen Paare tanzen mit den begeisterten Bürgern als Zuschauern. Später befindet sich der König an einem See und begegnet dort der Schwanenkönigin. Es wird schnell klar, dass er sich besonders zu ihr hingezogen fühlt. Dann senkt sich der Vorhang und das Licht wird wieder angemacht.

    Nach der Pause beginnt die zweite Hälfte mit einem Ball im Schloss. Wie im ersten Teil werden Musik und Licht passend auf die einzelnen Geschehnisse abgestimmt. Schließlich gibt es eine starke Wendung in der Geschichte. Ein überraschend, dramatisches Ende schließt eine, wie ich finde, gelungene Vorstellung von »Illusionen – wie Schwanensee« ab.

    Lotte, 13 Jahre

    »Illusionen – wie Schwanensee« wird auch in der kommenden Spielzeit 2023/2024 im Repertoire des Hamburg Ballett sein (25., 28., 31. Januar 2024 | 2., 7., 8. Februar 2024 | 1., 7. Juni 2024)
    Der allgemeine Vorverkauf für die Vorstellungen beginnt am 15. Mai 2023.