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  • 3 Fragen an Anna Laudere

    3 Fragen an Anna Laudere

    Anna Laudere hat als Erste Solistin in ihren 23 Jahren beim Hamburg Ballett viele große Hauptrollen getanzt und kreiert. Darunter unter anderem die Titelrolle in »Anna Karenina«, Marguerite Gautier in »Die Kameliendame« oder die Doppelrolle Hippolyta/Titania in »Ein Sommernachtstraum«. Beim Festival »The World of John Neumeier« in Baden-Baden 2024 verkörpert sie in den beiden Tennessee Williams-Balletten von John Neumeier eine der weiblichen Hauptcharaktere. Im Interview für unseren Blog verrät sie, was das Besondere an diesen Figuren ist und wie sie sich den künstlerischen Herausforderungen stellt.

    Anna Laudere bei ihrem Debüt als Amanda in »Die Glasmenagerie« © Kiran West

    Du tanzt bei »The World of John Neumeier« in Baden-Baden nicht nur die Hauptrolle der Blanche DuBois in »Endstation Sehnsucht«, sondern gibst auch dein Debüt als Amanda Wingfield in »Die Glasmenagerie«. Beides sind emotional intensive, komplexe Frauenfiguren, die aus der Feder von Tennessee Williams stammen. Was verbindet deiner Meinung nach diese beiden Figuren? Wo liegen ihre Unterschiede?

    Anna Laudere: „Ich denke, dass beide Frauen sehr starke Persönlichkeiten sind, die sich in einer schwierigen Situation befinden, in die das Leben sie gebracht hat. Sie gehen mit ihren Herausforderungen um, so gut sie es können, so gut sie es wissen. Beide Rollen sind sehr komplizierte und vielschichtige Charaktere, die viele verschiedene Emotionen in sich vereinen. Amanda habe ich noch nicht in ihrer Gänze kennengelernt, aber ich würde schon jetzt sagen, dass sie mir nahesteht. Ich freue mich also sehr auf die Zeit in Baden-Baden, auf die Proben und die Vorstellungen, um meine Reise mit Amanda zu vertiefen. Da wird Johns Unterstützung sicherlich eine große Hilfe sein, dass er mich anleitet, sie besser kennenzulernen um hoffentlich das Beste aus mir herauszuholen. Ich bin wirklich aufgeregt.“

    Anna Laudere als Blanche DuBois in »Endstation Sehnsucht« © Kiran West

    Sowohl die Rolle der Blanche, als auch die Rolle der Amanda erfordern nicht nur tänzerisches Können, sondern auch schauspielerisches Talent. Wie balancierst du diese beiden Aspekte während deiner Performance, und welche Techniken nutzt du?

    Anna Laudere: „Ich würde sagen, es ist Arbeit, Arbeit, Arbeit. Man muss viel proben, viel Zeit investieren. Denn man sollte die Schritte und die Musik so klar haben, dass man nicht darüber nachdenken muss. Sie müssen automatisch in deinem Körper sein. Außerdem sollte man wissen, was die einzelnen Schritte bedeuten, denn die meisten Schritte in Johns Balletten haben eine Bedeutung. Für die tiefe Darstellung der Emotionen ist es wichtig, immer mit vollem Einsatz zu proben. Sowohl körperlich als auch gefühlsmäßig. Nur so findet man über die Zeit hinweg den richtigen Weg. Johns Ballette sind meistens sehr komplex, weil die Figuren immer eine Menge Subtext haben. Es ist nicht notwendig, dass das Publikum diesen gesamten Subtext kennt, aber wenn man es selber richtig fühlt, dann kann auch das Publikum mitfühlen. Deshalb ist es so wichtig immer beide Seiten, also den Tanz und das Schauspielen zu kombinieren. Für mich ist Johns Anleitung in diesem Prozess absolut notwendig und schön. Denn er sieht jeden Künstler anders. Er sieht, wie er dich weiterentwickeln kann und führt dich in die richtige Richtung. Und auch wenn man eine Rolle schon oft getanzt hat, sollte man sich stetig reflektieren. Denn mit der Zeit verändert man sich und damit verändert sich auch die Rolle in einem selbst. Man kann immer etwas mehr in sie hineinlegen. Und ich denke, das ist das Wichtigste für uns Künstler: immer weiter zu wachsen.“

    Das Hamburg Ballett gastiert in diesem Jahr zum 27. Mal in Baden-Baden. Du bist bereits seit 2001 mit dabei, also zum 24. Mal! Wie hast die Kurstadt im Laufe der Jahre empfunden und gibt es Lieblingsorte von dir?

    „Ich muss ganz ehrlich sagen, dass Baden-Baden einer meiner absoluten Lieblingsorte ist. Wirklich. Es ist die Atmosphäre, die Natur, die Menschen, und auch das Festspielhaus ist einfach wunderbar. Jeder hier ist so freundlich, so offen und bereit zu helfen. Und das ist meiner Meinung nach alles, was für die Kreativität notwendig ist. Baden-Baden inspiriert mich als Künstlerin jedes Jahr aufs Neue. Und wir haben hier so schöne Ballette aufgeführt. Jedes einzelne Jahr war eine wunderbare Erfahrung. Es ist wirklich einer meiner Lieblingsorte.“

  • 3 Fragen an Artem Prokopchuk

    3 Fragen an Artem Prokopchuk

    Seit 2019 tanzt der gebürtige Ukrainer Artem Prokopchuk beim Hamburg Ballett und verkörperte seitdem viele verschiedene Rollen wie zum Beispiel Tybalt in »Romeo und Julia« und Der Goldene Sklave und Der Faun in »Nijinsky«. Im Rahmen des Gastspiels des Hamburg Ballett beim Festival »The World of John Neumeier« in Baden-Baden debütiert er in diesem Jahr nun in der Rolle des Stanley Kowalski in John Neumeiers Literaturballett »Endstation Sehnsucht«. Wir haben mit ihm über sein Debüt und seine Vorbereitungen auf die Rolle gesprochen.

    Herzlichen Glückwunsch, lieber Artem, zu deinem Debüt in Baden-Baden! Die Rolle des Stanley Kowalski aus Tennessee Williams‘ Drama »Endstation Sehnsucht« ist eine sehr komplexe Figur mit vielen Facetten. Was bedeutet es für Dich, diese Rolle zum ersten Mal zu tanzen und wie bereitest Du Dich auf die emotionalen Herausforderungen vor, die mit dieser Darstellung verbunden sind?

    Artem Prokopchuk: „Es fasziniert mich, in diese Rolle schlüpfen zu können und all das zu erleben, was Stanley zu bieten hat. Dabei ist es eine besondere Ehre und Hilfe, von so vielen Tänzer*innen umgeben zu sein, die ihre Rollen in »Endstation Sehnsucht« schon oft getanzt und tief erkundet haben. Ihre Erfahrungen geben mir Zuversicht. Sie sind zu einem wichtigen Teil der Vorbereitung auf diese Aufführung geworden, und ihr Wissen und Vertrauen haben uns zusammengeschweißt. Derzeit bin ich noch dabei herauszufinden, wie es sich schlussendlich anfühlen wird, Stanley zu verkörpern. Aber ich bin gespannt – und auch ein wenig ängstlich – es zu erfahren!“

    © Kiran West

    John Neumeiers Choreografie ist bekannt für ihre Ausdruckstiefe und musikalische Komplexität. Was ist für dich in Bezug auf die Figur des Stanley besonders wichtig?

    Artem Prokopchuk: „Ich fühle eine enorme Verantwortung, mit dieser Figur sorgsam umzugehen. Ich muss im Grunde in die Schuhe von jemandem schlüpfen, der zu ungeheurem Schaden, ungeheurer Gewalt fähig ist. Stanleys Gewalt ist nicht nur physisch; sie ist gleichzeitig auch psychologisch und emotional, und ich hoffe, dass ich das in jedem Blick und jeder Bewegung vermitteln kann. Es ist aufregend, mit einer so komplexen Figur betraut zu werden, und ich bin mit einer Mischung aus Nervosität und Aufregung erfüllt, während ich all die Emotionen durchlebe, die mit der Darstellung von Stanley einhergehen.“

    © Kiran West

    Verrätst Du uns dein persönliches Ritual, bevor Du auf die Bühne gehst?

    Artem Prokopchuk: „Bevor sich der Vorhang hebt und das Publikum eintrifft, verbringe ich gerne einen ruhigen Moment auf der Bühne nur für mich selbst. Ich schaue mir die Kulissen an, die mich umgeben, und das Kostüm, das ich trage, versuche die Energie zu spüren, die all das besitzt. Ich danke diesen Kulissen und Kostümen dafür, dass sie mir den Zugang zu einer anderen Seite von mir ermöglichen. Für mich bedeutet das Tanzen von solchen Balletten auch immer in der Zeit zu reisen. Ich versetze mich in eine andere Zeit im Raum, um andere Menschen zu treffen und in manchen Fällen ein anderer Mensch zu sein. Es ist eine Reise, für die ich sehr dankbar bin.“

    Vielen Dank für das Gespräch, Artem und TOI TOI TOI!

  • Cathy Marston über »Jane Eyre«

    Cathy Marston über »Jane Eyre«

    Am 3. Dezember bringt Cathy Marston mit »Jane Eyre« eines ihrer viel gelobten Literaturballette in Hamburg zur Premiere. In unserem Blog spricht die Choreografin und Intendatin des Balletts Zürich über die Idee zum Stück und die Einstudierung in Hamburg.

    In seiner letzten Saison als Intendant des Hamburg Ballett hat John Neumeier Sie für die Winterpremiere nach Hamburg eingeladen. Wie kam es zu der Auswahl von »Jane Eyre«?

    Cathy Marston: Wie in Hamburg üblich, hatte John ein abendfüllendes Ballett im Auge. »Jane Eyre« schien mir auf Anhieb passend.

    Es ist ein Ballett, das mich noch immer reizt, an dem ich immer neues Potential für Veränderungen und Verbesserungen wahrnehme – in choreografischen Details und im Design. Ich bin sehr glücklich, dass auch Patrick Kinmonth nochmals auf dieses Werk zurückkommen wollte. Ein weiterer Pluspunkt: Die technischen Abteilungen des Hamburg Ballett bauen die Produktion noch einmal völlig neu auf – großartig!

    Foto: Cathy Marston (c) Rick Guest & Olivia Pomp

    Was hat Sie an Charlotte Brontës Roman »Jane Eyre« besonders interessiert?

    »Jane Eyre« ist ein ikonischer britischer Roman. Ich nehme ein neu entfachtes Interesse an literarischen Klassikern wahr, vor allem an solchen von und über Frauen.

    Auch wenn ich nie den Vorsatz hatte, bevorzugt weibliche Protagonisten zu erkunden, bin ich auf diesem Feld seit über 20 Jahren aktiv. Stets war ich auf der Suche nach Figuren, die mich ansprechen und denen ich in meiner Kunstform eine Stimme geben könnte. Jane Eyre ist sicher eine der Titelheldinnen, die in unserem heutigen Frauenbild nachhallen. Auch in meiner Ballettfassung, obwohl ich die Handlung in ihrer Entstehungszeit belassen habe.

    Daniel de Andrade bei der Einstudierung von »Jane Eyre« in Hamburg – hier mit Ida Praetorius, Karen Azatyan und dem Ensemble (c) Kiran West

    Das Szenario von »Jane Eyre« haben Sie gemeinsam mit dem Designer Patrick Kinmonth ausgearbeitet. Wie darf man sich diesen grundlegenden Arbeitsschritt vorstellen?

    Patricks kreative Arbeiten sind ausgesprochen vielseitig. Er ist Bühnenbild- und Kostümdesigner, aber auch ein gefragter Opernregisseur und Architekt. Sein weitreichender Erfahrungshorizont bewog mich dazu, das Szenario gemeinsam mit ihm zu entwickeln. Er lebt in einem sehr alten Haus in Südengland – nicht ganz mit Thornfield Hall vergleichbar, aber immer noch beeindruckend und sehr passend für »Jane Eyre«. In den Tagen, die wir dort zusammengearbeitet haben, war es uns wichtig, den Handlungsverlauf möglichst flexibel zu konzipieren. Parallel machte Patrick erste Skizzen des Bühnenbilds – eine in sich bewegliche Welt.

    Jörn Rieckhoff
  • 3 Fragen an Matias Oberlin

    3 Fragen an Matias Oberlin

    Matias Oberlin ist seit Beginn der Saison 2023-24 neuer Erster Solist beim Hamburg Ballett. Für unseren Blog spricht er über die Rollen eines Bösewichts, die er aktuell in Hamburg (Stanley in »Endstation Sehnsucht«) und auf Gastspiel in Baden-Baden (Der Dorn in »Dornröschen«) verkörpert.

    Matias, erst einmal gratuliere ich dir sehr herzlich zu deiner Beförderung zum Ersten Solisten, wohlverdient! Als neuer Erster Solist hast du dich Anfang dieser Spielzeit in Hamburg in der Rolle des Stanley Kowalski in »Endstation Sehnsucht« präsentiert. Was sind die besonderen Herausforderungen an dieser Rolle? Wie schaffst du es nach einer Vorstellung aus dieser Rolle des Bösewichts wieder herauszukommen?

    Matias Oberlin: Eine der Herausforderungen der Rolle besteht darin, dass ich mich nicht persönlich davon beeinflussen lasse. Ich liebe es jedoch, diese Art von Rollen zu interpretieren, und ich hatte in letzter Zeit mehrfach Gelegenheit, sie zu erkunden. Deshalb versetze ich mich auch sehr stark in sie hinein, denn als Künstler möchte ich Teile von mir entdecken, die ich noch nicht kenne. Ich glaube, dass wir alle eine »böse« Seite in uns verborgen haben, warum sollten wir sie also nicht ergründen, und wo könnte man das besser tun als in einer Rolle wie Stanley.

    Zu Beginn des Arbeitsprozesses für diese Rolle hat mich diese dunkle Seite sehr belastet, und ich habe mit meiner Mutter darüber gesprochen. Sie sagte, dass ich nach den Aufführungen oder Proben einfach mal kräftig durchatmen sollte, damit diese Facette wieder verschwindet. Und das hat wirklich gut funktioniert. Die Unterstützung meiner Freunde und Familie war eine große Hilfe.

    Matias Oberlin als Stanley Kowalski mit Anna Laudere als Blanche DuBois in »Endstation Sehnsucht« © Kiran West

    Jetzt sind wir hier in Baden-Baden und tanzen in unserer zweiten Gastspielwoche »Dornröschen« im Festspielhaus. Die Rolle des Dorns, die du bereits in Hamburg verkörpert hast, kann man auch zu den »bösen« Rollen in deinem Repertoire zählen. Wer ist der Dorn und welche Rolle spielt er in John Neumeiers Ballett?

    Der Dorn ist der Widersacher der Rose, die Aurora beschützt. Er stellt das Hindernis dar, gegen das der Prinz kämpfen muss, um den Zauber zu brechen und seine Liebe zu treffen, die 100 Jahre lang geschlafen hat. Er spielt eine sehr wichtige Rolle in der Geschichte, denn natürlich kann es das Gute nicht ohne das Böse geben.

    Der Dorn (Matias Oberlin in der Mitte) versucht mithilfe der Dornengestalten den Prinzen von seinem Weg abzubringen © Kiran West

    Baden-Baden hat für das Hamburg Ballett eine lange Tradition. Was gefällt dir besonders an der Stadt? Gibt es einen Lieblingsort, den du neben Proben und Vorstellungen im Theater immer wieder aufsuchst? 

    Baden-Baden ist für mich wie eine zweite Heimat. Seit ich vor 10 Jahren in der Compagnie anfing, komme ich immer wieder hierher, und so gibt es viele Orte, die ich Jahr für Jahr immer wieder gerne besuche. Ich bin ein bescheidener Mensch, daher finde ich, dass das Schönste an der Stadt die Stadt selbst ist. Ich liebe es, durch die Straßen zu ziehen und die schöne Natur zu genießen, die Baden-Baden umgibt.

    Vielen Dank für das Interview, lieber Matias, und viel Erfolg weiterhin in Baden-Baden!

    Hier kannst du mehr über Matias erfahren.

  • Jacopo Bellussi ist Armand Duval

    Jacopo Bellussi ist Armand Duval

    Im Rahmen des Venedig-Gastspiels gibt unser Erster Solist Jacopo Bellussi sein Debüt als Armand Duval in John Neumeiers »Die Kameliendame«. Kurz vor der Abreise beantwortet er mir meine drei Fragen:

    »Die Kameliendame« ist eines der beliebtesten und bekanntesten Ballette von John Neumeier, zahlreiche Compagnien weltweit haben dieses Werk in ihr Repertoire aufgenommen. Die Rolle des Armand Duval ist eine, nach der viele Tänzer in ihrer Karriere streben und die stets einen Höhepunkt darstellt. Was bedeutet es für dich, als Armand Duval zu tanzen? Und noch dazu dein Debüt in deinem Heimatland Italien zu geben?

    Jacopo Bellussi: »Die Kameliendame« ist ein ganz besonderes Ballett, es ist eng mit dem Namen John Neumeier verbunden. Es war schon immer ein großer Traum von mir die Rolle des Armand tanzen zu dürfen. Die »Kameliendame« ist eines der ersten Ballette von John Neumeier, die ich als Kind live erlebt habe. Als ich 11 Jahre alt war und nach Mailand zog, um an der Accademia del Teatro alla Scala zu studieren, durfte ich mit meinen Mitschüler*innen die Generalprobe von »Die Kameliendame« besuchen – es war Alessandra Ferris Abschiedsvorstellung. John Neumeiers »Sylvia«-Version war die erste Ballett-DVD, die ich geschenkt bekommen habe. Diese beiden Ballette haben also eine Vergangenheit in meinem Leben und waren mit dem Namen John Neumeier verbunden, bevor ich überhaupt wirklich wusste, wer er ist. Eigentlich waren es drei Ballette: Mein Ballettlehrer hatte ein Bild von »Romeo und Julia« in der Schule hängen. Wie ich später herausfand, war es ein Motiv aus John Neumeiers Ballettfassung!

    »Die Kameliendame« ist ein wunderschönes Ballett. Auch wenn es viele weitere schöne Ballette von John Neumeier gibt, so viele verschiedene Stilrichtungen. Es ist fast schon ein wenig traurig, wenn einige „nur“ die »Kameliendame« kennen.

    Jacopo Bellussi mit Ida Praetorius bei den Proben im Ballettsaal (c) Kiran West

    Die Rolle des Armand zu tanzen ist mit vielen Emotionen verbunden. Die Erinnerungen an meine Kindheit und meine ersten Berührungspunkte mit John kommen hoch. Gleichzeitig ist es für mich als Italiener natürlich auch besonders in meinem Heimatland zu tanzen. Nicht, weil ich mich hierfür mehr anstrenge, ich gebe auf der Bühne immer mein Bestes. Es ist wie die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Ein großer Schritt in meiner Karriere, den ich nie vergesse werde. Viele Familienmitglieder und Freunde werden zu meiner Debütvorstellung ins Teatro La Fenice kommen. Ich spüre Aufregung, auch Druck, und fühle mich geehrt, dass John Neumeier mir diese Gelegenheit gibt. Heute Vormittag hatten wir einen ersten Probedurchlauf im Ballettstudio – es wird also passieren!

    Im Mittelpunkt der »Kameliendame« stehen drei zentrale Pas de deux, die John Neumeier im 1., 2. und 3. Akt platziert. Sie verdeutlichen die unterschiedlichen Stadien der Liebe zwischen Marguerite und Armand. Du tanzt an der Seite von Ida Praetorius, die mit dem Hamburg Ballett ihr Debüt in der Titelrolle gibt. Was ist das Herausfordernde an John Neumeiers Partnering? Und wie bereitet ihr euch auf euer gemeinsames Debüt vor?

    Eigentlich hat Ida Praetorius die Titelrolle schon einmal getanzt, in Kopenhagen mit dem Royal Danish Ballet. Aber du hast schon Recht, es ist sicherlich anders die »Kameliendame« mit dem Hamburg Ballett zu tanzen, insofern ist es irgendwie auch ein Debüt.

    In der »Kameliendame« ist Marguerite die Erfahrene im Leben. Armand ist in gewisser Weise viel naiver, er entdeckt bestimmte Aspekte des Lebens erst durch sie. Es ist hilfreich, dass ich mit Ida eine Partnerin habe, die diese Rolle schon kennt und die mich führen kann – das passt zur Geschichte, die wir erzählen. Ida konnte mir zum Beispiel sagen, welche Dinge Ballettmeister*innen mit ihr besprochen haben, als sie die Rolle zum ersten Mal einstudiert hat.

    Jacopo Bellussi und Ida Praetorius im Ballettsaal (c) Kiran West

    Ich habe auch außerhalb der Bühne eine gute Beziehung zu Ida. Das ist immer hilfreich, vor allem auch für das Partnering, das du in deiner Frage ansprichst. Die Partnerarbeit in Johns Balletten ist knifflig und technisch sehr anspruchsvoll, Ida und ich vertrauen uns gegenseitig. Tatsächlich haben wir gerade erst das White-Pas de deux zusammen in Italien getanzt.

    Wir hatten nur wenig Zeit das ganze Ballett einzustudieren. Also haben wir auch in der Freizeit gemeinsam gearbeitet und uns die Zeit genommen, an den drei Pas de deux zu arbeiten. Auch Kevin Haigen hat uns sein Wissen über das Ballett weitergegeben. Das Erstaunliche an der »Kameliendame« ist: Du kannst 20 verschiedene Paare in den Hauptrollen sehen, und erlebst dabei 20 ganz unterschiedliche Interpretationen.   

    Dass wir nur wenig Zeit zum Proben hatten, ist am Ende gar nicht schlecht. Armand ist vor allem im ersten Teils des Balletts ein junger Mann, dem Dinge passieren, die so nicht geplant waren und die er sicher so nicht erwartet hätte. Die kurze Vorbereitungszeit hilft mir, diese Spontaneität zu bewahren, mich quasi in die Rolle zu stürzen und die Dinge auf mich zukommen zu lassen.

    Proben im Ballettsaal des Teatro La Fenice für »Die Kameliendame« (c) Kiran West

    Du initiierst viele eigene Projekte, zuletzt eine Charity-Gala für Kinder mit Herzproblemen in deiner Heimatstadt Genua. Erzähl uns, wie hat das angefangen und was sind die nächsten geplanten Projekte?

    Ich habe immer gesagt, dass ich eines Tages Ballettdirektor werden möchte, das ist immer noch mein Traum. Alles begann im August 2018, als in meiner Heimatstadt Genua der Ponte Morandi einbrach. 43 Menschen starben bei dem Unglück, Hunderte, die in Häusern unter der Brücke wohnten, wurden obdachlos. Die Brücke verband den Ost- mit dem Westteil der Stadt, jede*r in Genua fährt über sie. Ich wollte den betroffenen Familien meine Anteilnahme zeigen und organisierte meine erste Wohltätigkeitsgala mit dem Titel »Hommage an Genua«, deren Erlös dem Viertel und den Familien zugutekam, die vom Einsturz der Morandi-Brücke betroffen waren. Die Gala kam gut an – eine der Personen, die gekommen war, um die Familien der Opfer zu vertreten, bat mich zu einer Gedenkveranstaltung fünf Jahre nach dem Unfall wiederzukommen.

    Ich habe diese Idee, jedes Jahr eine Benefiz-Gala in Genua zu organisieren. Ich möchte helfen in zweierlei Hinsicht: Zum einen möchte ich den großen Tanz wieder in meine Heimatstadt Genua zurückzubringen. Das Nervi Festival war eine der wichtigsten Festivals in Italien, Compagnien aus aller Welt waren zu Gast. Im Laufe seiner Geschichte tanzten hier die berühmtesten Künstler, darunter Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew. Diese Tanz-Tradition möchte ich weiter fortführen.

    Zum anderen möchte ich jährlich eine bestimmte Organisation oder ein bestimmtes Projekt unterstützen, durch Benefiz-Tanzgalas. 2022 wurde ich zum »Ambasciatore di Genova nel mondo« (Botschafter Genuas in der Welt) ernannt, und das ehrt mich und motiviert, diese Wohltätigkeitsprojekte für meine Heimatstadt auch in Zukunft weiterzuführen. Die nächsten Projekte sind bereits in Planung!

    Vielen Dank für das Interview, lieber Jacopo, und ein herzliches Toi, toi, toi für dein Debüt in »Die Kameliendame«!

    Nathalia Schmidt

  • 3 Fragen an Ida Stempelmann

    3 Fragen an Ida Stempelmann

    Das Hamburg Ballett eröffnet im Festspielhaus Baden-Baden die erste Ausgabe des Tanzfestivals »The World of John Neumeier« mit drei Vorstellungen von »Beethoven-Projekt II« (1.-3. Oktober). Ida Stempelmann, Ensemblemitglied beim Hamburg Ballett, tanzt eine führende Solorolle in diesem Ballett von John Neumeier. In unserem Blog spricht sie über die Kreation und über ihre weiteren Auftritte in Baden-Baden.

    Ida, in Baden-Baden tanzt du dieses Jahr in mehreren Theatern. Im Festspielhaus sehen wir dich dieses Wochenende in John Neumeiers »Beethoven-Projekt II«. In deinem Steckbrief für unseren Blog sagtest du, dass deine schönste Erinnerung mit dem Hamburg Ballett der gesamte Kreationsprozess von »Beethoven-Projekt II« war. Was war so besonders daran? 

    Ida Stempelmann: Erstmal war es natürlich sehr besonders, weil es meine allererste Kreation mit John Neumeier war und es immer eine Überraschung war, was wir als Nächstes machen würden. Es ist wirklich eine besondere Zeit, die man da im Studio verbringt und ich konnte sehen und Teil davon sein, wie ein Ballett von John Neumeier zu Stande kommt!

    Dann fiel die Kreation auch in eine Zeit, wo endlich etwas mehr Normalität in die Theater zurück gekehrt ist nach den sehr strengen Corona-Regelungen. Wir durften uns beim Tanzen wieder berühren. Die Uraufführung von »Beethoven-Projekt II« war die erste Aufführung, wo das Orchester uns wieder begleiten durfte, in diesem Ballett spielte das Orchester sogar mit uns auf der Bühne.

    Ida Stempelmann und Atte Kilpinen, im Hintergrund das Orchester in »Beethoven-Projekt II« (c) Kiran West

    Es war so schön das Orchester spielen zu hören und auf der Bühne zu sehen. Nachdem Corona-bedingt die Premiere (ganze 7-mal!) verschoben werden musste, unsere Vorfreude endlich wieder vor Publikum zu tanzen immer mehr wuchs, war es wirklich ein ganz besonderes Gefühl unsere Freude am Tanzen wieder mit Menschen teilen zu können.  

    Du tanzt auch in »Die Unsichtbaren« für das Bundesjugendballett im Theater Baden-Baden. Erzähl mal, wie wurdest du überhaupt Teil des Projekts? Wen verkörperst du in »Die Unsichtbaren«?  

    Nach einer »Matthäus-Passion«-Probe im April rief John Neumeier mich zu ihm und erzählte mir von dem Projekt, erklärte worum es gehen würde und fragte mich, ob ich bei der Produktion mitmachen wollen würde. Darüber musste ich keine Sekunde nachdenken, ich habe sofort ja gesagt! 

    Es ist ein sehr interessantes und wichtiges Thema und ich liebe das BJB. Wir haben etwas über einen Monat fast täglich mit John Neumeier im Studio verbracht und sehr intensiv an dem Werk gearbeitet. Es war für mich eine große Bereicherung, so tiefgründig zu arbeiten und in die Geschichte unserer Kunstform in Deutschland einzutauchen.

    Ida Stempelmann mit dem Bundesjugendballett in »Die Unsichtbaren« (c) Kiran West

    In dem Stück verkörpere ich keine bestimmte Figur. Die einzige Figur, die durchgehend derselbe Charakter bleibt, ist Isabella Vértes-Schütter als Mary Wigman. Sie ist es auch, die uns wie ein roter Faden durch den Abend führt. Wir Tänzer verkörpern verschiedene Situationen, Erinnerungen und Personen, die eine Rolle in Mary Wigmans Leben gespielt haben. Manchmal agieren wir als wir selbst – als das BJB, eine Gruppe, die sich mit dem Thema des Abends auseinandergesetzt hat.  

    Zwischen Proben und Vorstellungen ist oft nicht sehr viel Zeit, aber gibt es etwas an Baden-Baden, was dir besonders gefällt? Einen Ort, Platz, Café, das du noch besuchen möchtest?

    Letztes Jahr sind wir einen Berg hochgewandert und haben dort einen Stand gefunden, wo man Honig von einem lokalen Imker kaufen kann. Es ist schön von so viel Natur umgeben zu sein. Und die Kartoffelsuppe bei Café König ist superlecker! 

    Nathalia Schmidt

  • 3 Fragen an Ida Praetorius

    3 Fragen an Ida Praetorius

    Ida Praetorius ist seit Dezember Erste Solistin des Hamburg Ballett und tanzt übermorgen in »The Winter´s Tale« bereits zum zweiten Mal eine Premieren-Hauptrolle in der Hamburgischen Staatsoper. Dem Hamburger Publikum war die dänische Tänzerin, die zuvor beim Royal Danish Ballet engagiert war, bereits durch Auftritte in der Nijinsky-Gala oder zum 80. Geburtstag von John Neumeier bekannt. Ein Kurzinterview über die Arbeit mit John Neumeier und Christopher Wheeldon und ihre neue Heimatstadt Hamburg.

    Ida, wir sind sehr froh dich hier bei uns in Hamburg zu haben. Du hast sowohl in Kopenhagen als auch in Hamburg in vielen John Neumeier-Balletten getanzt. Wie würdest du die Erfahrung beschreiben, mit John Neumeier zu arbeiten?

    Ida Praetorius: Für mich ist John Neumeier einer der inspirierendsten Künstler, mit denen ich je gearbeitet habe. Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, was ihn so einzigartig macht, denn wenn ich mit ihm arbeite, vergesse ich alles andere. Es ist unglaublich, wie er dich in seine Welt einlässt, dich an seiner Vision teilhaben lässt und dich in die von ihm gewünschte Richtung führt.

    John Neumeier mit Ida Praetorius und dem Ensemble bei den Proben zu »Dornröschen« im Ballettstudio © Kiran West

    Was ist die Essenz der Bewegung, die Essenz dessen, was wir zu sagen versuchen? John Neumeier ist im Studio sehr präsent und sieht die Person, die vor ihm steht. Ich verliere mich in dem Moment und fühle mich gleichzeitig ganz ich selbst.

    Jetzt im Juni tanzt du eine der Hauptrollen in »The Winter´s Tale«, kein Stück von John Neumeier, sondern von dem ebenso sehr bekannten Choreografen Christopher Wheeldon. Hast du schon einmal in einem Stück von Wheeldon getanzt? Gibt es einen Unterschied zwischen beiden Choreografen in ihrem Bewegungsvokabular?

    Ja, ich habe Christopher Wheeldons »Alice’s Adventures in Wonderland« in Kopenhagen getanzt. Ich habe so wunderbare Erinnerungen an dieses Ballett und an die Arbeit mit Chris, dass es für mich etwas ganz Besonderes ist, ein weiteres seiner großen Werke mit dem Hamburg Ballett zu erleben.

    Ida Praetorius und Félix Paquet in Christopher Wheeldons »The Winter´s Tale« © Kiran West

    John Neumeier und Christopher Wheeldon haben beide eine sehr klare Vision für ihre Arbeit und nehmen uns auf außergewöhnliche Weise mit auf ihre künstlerische Reise. Sie haben eine sehr unterschiedliche Bewegungssprache und eine individuelle Art, Geschichten zu erzählen. Ich finde es sehr interessant zu sehen, wie ihre künstlerische Stimme auch durch die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne durchscheint.

    Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass ich sehr dankbar dafür bin, mit diesen unglaublichen Meistern arbeiten zu dürfen!

    Eine persönliche Frage zum Schluss: Hamburg war dir als Stadt schon vor deinem Umzug hierher bekannt – gefällt dir die Stadt und hast du dich mittlerweile gut eingelebt?

    Ich habe Hamburg schon immer sehr gemocht. Meine Familie hat eine Verbindung zu der Stadt, deshalb war ich schon oft zu Besuch. Aber jetzt, wo ich in Hamburg lebe, habe ich so viele weitere Seiten der Stadt gesehen. Ich liebe es, dass die verschiedenen Stadtteile so viele unterschiedliche Atmosphären zu bieten haben. Ich bin überrascht, wie schnell sich die Stadt wie ein Zuhause anfühlen kann.

    Vielen Dank für das Interview, liebe Ida, und ein herzliches Toi, toi, toi für die Premiere von »The Winter´s Tale«!

    Nathalia Schmidt

  • 3 Fragen an 2 »Maries«

    3 Fragen an 2 »Maries«

    Heute beginnt die »Nussknacker«-Saison an der Hamburgischen Staatsoper mit einem besonderen Jubiläum: John Neumeiers beliebte Ballettfassung wird 50 Jahre alt! Die Rolle der Marie wird in diesem Jahr von zwei Tänzerinnen verkörpert: Giorgia Giani und Emilie Mazoń. Im Interview sprechen sie über die Magie des »Nussknackers«-Balletts, die Rolle der Marie und ihre schönsten Weihnachtstraditionen.

    »Der Nussknacker« ist für viele Familien eine alljährliche Weihnachtstradition, und er scheint nicht alt zu werden. Was glaubst du, warum das Ballett die Fantasie der Menschen so sehr anregt?

    Emilie Mazoń: Ich denke, dass das Ballett »Der Nussknacker« eine so beliebte Familientradition ist, weil es das Publikum an die Faszination, Freude, Unschuld und Ausgelassenheit der Jugend erinnert. Ich glaube, dass jeder einen Teil von Marie in sich trägt und sich daher mit ihrer Reise identifizieren kann. Es ist eine wunderbare Erinnerung für alle, die Welt so zu sehen, wie wir sie als Kinder gesehen haben. Eine ehrliche und aufregende Welt, die man oft vergisst, wenn man an Erfahrung und Reife gewinnt.

    Marie (Emilie Mazoń) feiert ihren 12. Geburtstag © Kiran West

    Giorgia Giani: John Neumeiers »Der Nussknacker« ist ein Ballett ist, das jedermanns Fantasie anregt, weil es leicht nachzuvollziehen ist. Es geht um die Aufregung, etwas zum ersten Mal zu sehen und auszuprobieren! Die unschuldige Neugier eines Kindes, die Schönheit des Verliebtseins und die Magie des Träumens. Es geht darum, sich etwas von ganzem Herzen zu wünschen. Es geht um harte Arbeit und Hingabe und es geht um Fantasie und Bewunderung. Jeder kann sich in diesen grundlegenden menschlichen Themen wiedererkennen. Ich denke, das ist der Grund, warum John Neumeiers »Nussknacker« nie alt werden wird.

    Wie ist es für dich die Rolle der Marie in John Neumeiers »Nussknacker«-Ballett zu tanzen und hat sich die Rolle verändert, seit du sie verkörperst?

    Giorgia: Für mich ist die Rolle der Marie eine ziemliche Herausforderung, sie zu interpretieren. Sie erfordert, dass man so rein, ehrlich und impulsiv ist wie ein Kind. Wenn man erwachsen wird, läuft man Gefahr, das impulsive Denken und Handeln zu verlieren. Kinder hingegen sehen die Welt mit Augen voller Faszination und Neugier, ohne die Angst, verurteilt zu werden. Die Rolle der Marie zu tanzen, bringt mich dazu, mein inneres Kind ganz neu zu entdecken.

    Marie ist, seit ich sie das letzte Mal getanzt habe, ein anderes Mädchen für mich. Jedes Jahr und bei jeder Aufführung versuche ich mir vorzustellen, dass ich alles zum ersten Mal erlebe. Wie aufregend es ist, mein erstes Paar Spitzenschuhe anzuziehen, wie erstaunlich es ist, sich zum ersten Mal zu verlieben und wie magisch es ist, zu träumen. Marie ist authentisch, deshalb ist jede Vorstellung anders, ich muss jeden Moment spüren und nicht versuchen, etwas zu reproduzieren.

    Marie (Giorgia Giani) tanzt zum ersten Mal mit Günther (Christopher Evans) und verliebt sich in ihn © Kiran West

    Emilie: Die Rolle der Marie hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. Sie war eine der ersten Rollen, die ich hier in Hamburg getanzt habe, und dies ist nun meine neunte Spielzeit in der Compagnie. Es ist also die Rolle, die ich am meisten erlebt und am längsten getanzt habe. Das schafft eine besondere Situation für mich, da ich diese Gelegenheit nutzen kann, um damit zu experimentieren, wer Marie in einer bestimmten Aufführung sein kann. Die Schritte sind ein Teil von mir geworden, was mir die Freiheit gibt, mich zu entspannen und jeden Abend neue Situationen zu entdecken.

    Zahlreiche Gäste kommen zu Maries Geburtstagsparty, darunter der exzentrische Ballettmeister Drosselmeier (Alexandre Riabko) © Kiran West

    Ein wunderbarer Teil von Marie ist, dass sie fast den ganzen Abend auf der Bühne steht und sich mit allen anderen Figuren auf der Bühne auseinandersetzt. Ich liebe es zu entdecken, wie die Energie und die Aktionen meiner Kolleginnen und Kollegen mich inspirieren, bei jeder Aufführung anders zu reagieren. Marie lässt auch die Freude daran wiederaufleben, wie wir das Tanzen gelernt haben und was für ein heiliger Ort die Bühne für uns Künstler ist. Wir dürfen nie die ersten Schritte vergessen, die wir auf einer Bühne gemacht haben …

    Was ist deine liebste Weihnachtstradition?

    Emilie: Meine liebste Weihnachtstradition ist es, mit meiner Familie zusammen zu sein und die Weihnachtsfreude mit ihnen zu teilen. Für mich ist das der wichtigste Aspekt dieser Zeit des Jahres – die Möglichkeit, mit den Menschen, die wir lieben, zusammen zu sein und darüber nachzudenken, was im Leben am wichtigsten ist.

    Marie (Emilie Mazoń) ist fasziniert von den farbenfrohen Tänzen im 2. Akt, sie mischt sich unter die Narren, um mit ihnen zu tanzen © Kiran West

    Giorgia: Ich LIEBE Weihnachten, ich liebe einfach alles, was mit Weihnachten zu tun hat.

    Die Lichter, die Musik, den Baum, das Essen. Es ist die perfekte Gelegenheit, um den Menschen, die man liebt, zu sagen, dass man sie liebt, um Geschenke für sie zu finden und Zeit mit ihnen zu verbringen.

    Ich glaube, meine liebste und obligatorische Weihnachtstradition ist genau das: mich mit den Menschen zu umgeben, die ich liebe. Familie und enge Freunde. Panettone essen, Brettspiele spielen und quatschen, bis es Nacht wird!

    … Und natürlich ist der Baum ein Muss! Ich habe ihn schon seit Anfang November aufgestellt und geschmückt, und wenn es nach mir ginge, könnte er das ganze Jahr über dort stehen bleiben!

    Nathalia Schmidt

  • 4 Fragen an vier »Puck«

    4 Fragen an vier »Puck«

    John Neumeiers Ballett »Ein Sommernachtstraum« erlebte seine Uraufführung vor über 44 Jahren und ist bis heute ein beliebter Klassiker im Repertoire des Hamburg Ballett. In all der Zeit haben unterschiedliche Tänzergenerationen das Ballett getanzt. Eine der zentralsten Figuren des Stücks ist der schelmische Elf »Puck«, der mit einer Zauberrose alles gehörig durcheinander bringt. Wir haben vier verschiedene Tänzer des »Puck« über die Rolle, deren Verständnis und Erlebnisse mit dem Fabelwesen gefragt.

    Kevin Haigen: Im Jahr 1977 kam das Ballett »Ein Sommernachtstraum« zur Uraufführung. Sie waren damals als Tänzer maßgeblich an der Produktion beteiligt und haben zusammen mit John Neumeier die Rolle des schelmischen Elfen »Puck« kreiert. Können Sie von dieser Kreation erzählen? Was ist aus Ihrer Sicht die Essenz der Rolle?

    Kevin Haigen: Es war eine meiner ersten Kreationen mit John und sie war sehr interessant! Ich denke an Puck als Robin Goodfellow. Für mich repräsentiert er das Licht. Und was ist Licht? Licht ist Güte, Reinheit und Liebe. Für mich geht es darum, rein, wahrhaftig und nicht berechnend zu sein. Ich weiß, dass viele Pucks in der Kunst und in Theaterstücken von vielen Schauspielern auf eine diabolische Art gespielt werden, aber ich glaube nicht, dass Puck ein Faun ist! Er ist eine Fee! Und was er tut, das tut er alles aus Unschuld. Es ist sehr wichtig, dass der Tänzer das Bewegungsvokabular von Puck als das einer Fee interpretiert: er ist kein Clown! Außerdem muss man sehr darauf achten, dass es nie langweilig, nie »programmiert« aussieht. Dass es für den Moment ist, im Moment ist, aber auch innerhalb des Stücks. Puck tanzt nicht für das Publikum, sondern mit dem Publikum.

    Kevin Haigen in der Rolle des »Puck« im Jahr 1977 © Gert von Bassewitz

    Lloyd Riggins: Sie haben über viele Jahre hinweg den »Puck« in »Ein Sommernachtstraum« getanzt und ihn damals selbst mit »dem allerersten Puck« Kevin Haigen einstudiert. Nun bringen Sie als Ballettmeister selber neuen Tänzergenerationen des Hamburg Ballett diese Rolle bei. Wie gehen Sie die Vermittlung der Rolle an und was ist wichtig dabei?

    Lloyd Riggins: Wir haben beim Hamburg Ballett das große Glück, dass der ursprüngliche Schöpfer der Rolle noch mit uns zusammenarbeitet. Normalerweise fange ich bei einem neuen Puck damit an, das erste Solo in der Feenwelt zu unterrichten und bitte dann so schnell wie möglich Kevin Haigen zu kommen und den Tänzer zu coachen. Es gibt wirklich keinen Ersatz für diese Erfahrung, dass das »Original« das gesamte Konzept einer Rolle an die nächste Generation weitergibt. Der Tänzer erfährt, wo jede Bewegung beginnt und was Johns Absicht war und ist. Und auch, wie die Rolle in das größere Schema des Stücks als Ganzes passt. Ich habe viele Jahre lang Puck getanzt, und nach jeder Aufführung war Kevin mit einer neuen Korrektur oder Anregung, mit Nuancen und Schattierungen zur Klärung und Vertiefung meiner Interpretation zur Stelle. Die Arbeit ist nie zu Ende – und das ist unsere Wahrheit: Die Reise ist alles! Mit Kevin (und natürlich mit John) versuche ich weiterhin, alles über die Rolle und das ganze Ballett zu lernen, was ich kann. Als Ballettmeister sorge ich dafür, dass eine neue Inszenierung kreativ bleibt. Unser Ziel ist es nicht, zu wiederholen, was war, sondern die Essenz und den Geist des Balletts mit den Tänzern von heute NEU zu erschaffen. Mit den Kenntnissen und mit großem Respekt vor dem, woher wir kommen, schaffen wir ein tiefes Fundament, aus dem das Stück neu geboren wird – im Jetzt. Man sagt, »nur wenn wir unsere Wurzeln kennen, können wir wirklich weiter wachsen«.

    Alexandr Trusch versteckt sich als »Puck« bei den Filmaufzeichnungen vor den Handwerkern © Kiran West

    Alexandr Trusch: Sie tanzen nun seit einigen Jahren sehr erfolgreich die Rolle des »Puck« und sind sogar in dem 2021 entstandenen Ballettfilm und dementsprechend auch auf der DVD/Blu-Ray zu sehen. Was genau mögen Sie besonders an dieser Rolle? Mit welchen Aspekten identifizieren Sie sich?

    Meiner Meinung nach erfordert jede Rolle eine gewisse Selbstidentifikation. Das Tolle an Puck ist, dass man auf der Bühne »richtig die Sau rauslassen kann«. Sie ist voll von kleinen (manchmal auch geheimen) Witzen, sei es auf der technischen oder auch theatralischen Ebene. Die Rolle erfordert viel Kreativität und ein Vermögen, sich den Tänzern und ihren Reaktionen anzupassen. Da ich das Stück in all der Zeit glücklicherweise mit so vielen tollen Besetzungen getanzt habe, konnte ich mir eine gewisse Flexibilität als Tänzer aneignen. Dafür bin ich sehr dankbar. 

    Atte Kilpinen bei seinem Puck-Debüt mit der Zauberrose © Kiran West

    Atte Kilpinen: Sie debütieren beim Gastspiel in Baden-Baden in der Rolle des »Puck« und treten dabei in die Fußstapfen von großen Tänzern wie Kevin Haigen oder Lloyd Riggins. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet und wie fühlt es sich an, diese zu tanzen?

    Ich erinnere mich noch sehr gut an meine erste Probe. Lloyd Riggins begann mir die Schritte des Puck beizubringen und ziemlich schnell kam auch Kevin Haigen dazu und gab mir verschiedene Ideen und Impulse. Später kam dann sogar noch John Neumeier zu der Probe, sodass alle drei dabei waren. Ich hatte also einen tollen Start in meine Puck-Reise und es ist sehr wertvoll, gleich am Anfang schon so viele Perspektiven zu bekommen. Es ist schön, dass es so großartige Tänzer wie Lloyd, Sasha und Kevin gibt, die den Puck schon getanzt haben und von denen ich so viele Informationen bekommen kann. Diese Informationen versuche ich zu nutzen und sie mir zu eigen zu machen. Meine Art der Herangehensweise für Puck ist, nicht zu viel zu planen. Natürlich sind die Schritte und alles choreografiert, aber es muss immer authentisch sein. Deshalb gehe ich hin und fühle, wie für mich und für Puck alles neu ist. Darauf freue ich mich schon!

  • Christopher Evans ist Theseus und Oberon

    Christopher Evans ist Theseus und Oberon

    Diesen Sonntag feiert John Neumeiers Ballettklassiker »Ein Sommernachtstraum« seine Wiederaufnahme in einer neuen jungen Besetzung. Unser Erster Solist Christopher Evans, gerade mal 25 Jahre alt, wird am 8. September die männliche Hauptrolle Theseus/Oberon erstmals auf der Bühne tanzen. Mitten in den Endproben hat er sich Zeit genommen und meine persönlichen drei Fragen beantwortet:  

    In »Ein Sommernachtstraum« wirst du den Theseus und den Oberon tanzen. Stellt diese Doppelrolle eine besondere Herausforderung dar?

    Christopher Evans: Theseus/Oberon sind zwei sehr unterschiedliche Charaktere. Einer ist der Elfenkönig und der andere ein Herzog in der »realen« menschlichen Welt. Die Bewegungen von Oberon sind modern und voller elektrischer Spannung. Theseus´ Bewegungen dagegen sind der Sprache der Menschen nachempfunden, in John Neumeiers Version sind diese sehr klassisch. Diese beiden Charaktere an einem Abend darzustellen ist sehr aufregend und herausfordernd.

    Christopher Evans als Oberon mit Alina Cojocaru als Titania © Kiran West

    Wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet? Hast du dich schon vorher mit der Geschichte von »Ein Sommernachtstraum« auseinandergesetzt?

    In unserer Sommerpause kaufte ich mir das Shakespeare-Stück und tauchte sofort in diese Welt ein. Die Sprache Shakespeares ist nicht einfach zu lesen. Meine Ausgabe enthielt jedoch viele Fußnoten und Kommentare zum Stück sowie Erläuterungen zu den speziellen Worten, die Shakespeare verwendet. Es hat mir wirklich sehr dabei geholfen, die Motivation der einzelnen Charaktere zu verstehen.

    In der ersten Probenwoche habe ich nicht nur daran gearbeitet alle Schritte zu lernen, sondern auch den Charakter von Theseus/Oberon zu entwickeln. Meine Partnerin Alina Cojocaru, die die Doppelrolle Hippolyta/Titania tanzen wird, hat schon einmal mit der Compagnie den »Sommernachtstraum« getanzt. Es ist wirklich wunderbar, sie als erfahrene Tänzerin an meiner Seite zu haben und hat mir auch sehr beim Lernprozess geholfen. 

    Als ich noch in der Ballettschule war, durfte ich bereits in »Ein Sommernachtstraum« mittanzen. So konnte ich schon viele wunderbare Tänzer in der Rolle des Theseus/Oberon erleben. Jetzt selbst diese Doppelrolle zu tanzen ist für mich eine große Ehre!  

    Christopher Evans als Theseus an der Seite von Alina Cojocaru als Hippolyta © Kiran West

    Eine letzte persönliche Frage: Wie und wann kamst du zum Tanz?

    Als ich vier Jahre alt war, sah ich eine Produktion von Riverdance auf Video und habe mich sofort in den Tanz verliebt! Ich tanzte im Wohnzimmer und tat so, als wäre ich selbst einer der Tänzer auf der Bühne. Ich habe auch Mikhail Baryshnikov in »Der Nussknacker« auf Video gesehen und war fasziniert von seinen Sprüngen und Drehungen. Als ich noch sehr jung war, wusste ich, dass ich tanzen wollte. Tanzen ist in meiner Seele.  

    Vielen Dank, lieber Christopher, für das Interview!

    Nathalia Schmidt