50 Jahre »Romeo und Julia«
50 Jahre ist es her, dass John Neumeier am 14. Februar 1971 sein erstes großes abendfüllendes Handlungsballett uraufführte. Damals noch als Ballettdirektor am Ballett in Frankfurt am Main nahm er sich den weltberühmten Stoff von William Shakespeares »Romeo und Julia« vor und schuf zu Sergei Prokofjews Musik einen zeitlosen Klassiker, der sich bis heute großer Beliebtheit erfreut.
Bereits zu seiner Zeit als Tänzer am Stuttgarter Ballett tanzte er in der Inszenierung von John Cranko und war seither inspiriert den Stoff ein wenig anders aufzulegen: »Ich suchte meine Inspiration nicht in den bekannten Choreografien des >Romeo und Julia<-Ballett, sondern direkt bei Shakespeare und den Quellen, aus denen er den Stoff entwickelte.« So war es John Neumeier von Anfang an wichtig, neben der großen Liebesgeschichte auch die menschliche Seite der Charaktere zu beleuchten, und damit realistischere Figuren zu kreieren.
Neben den tragischen Geschehnissen um die verfeindeten Clans der Montagues und Capulets stehen in John Neumeiers Fassung vor allem die Lebenslust und die Liebe im Vordergrund: »Sehr wichtige Motive sind hier für mich z. B. die Hände: am Anfang zärtlich und scheu, am Ende sich verzweifelt aneinanderklammernd – so kann man durch dieses Motiv die Entwicklung der Beziehung von Romeo und Julia verfolgen.«
In Hamburg hatte das Handlungsballett drei Jahre nach der Uraufführung, am 6. Januar 1974, Premiere und setzte auch hier seine Erfolgsgeschichte fort. Wie es bei vielen Klassikern von John Neumeier üblich ist, hat das Stück seitdem immer wieder viele Veränderungen erfahren und entwickelt sich stetig weiter, wird der neuen Besetzung von Tänzerinnen und Tänzern angepasst und gemeinsam mit diesen erarbeitet: »Solange der Choreograf lebt, ist eine Choreografie nicht endgültig. Sie wird zusammen mit den jeweils neuen Interpreten der Rolle infrage gestellt, neu formuliert«, so John Neumeier.
Fotos © Archiv Hamburg Ballett
Fotos © Kiran West
Insbesondere das von Jürgen Rose 1981 überarbeitete Bühnenbild ließ die Inszenierung noch präziser und prägnanter werden: »Dem bis ins kleinste Detail überlegten Konzept des Choreografen entsprach eine starke architektonische Klarheit des Raumes. Übersichtlichkeit als Prinzip: sichtbare, schnelle Wechsel von großer Wirkung. Der Raum wird transparent, der Hintergrund reißt auf, die Menschen sind nur noch silhouettenhaft sichtbar, charakteristisch für Johns Arbeitsweise, auch in späteren Balletten«, so Jürgen Rose.
Weltweit erfreut sich »Romeo und Julia« in der Version von John Neumeier bis heute großer Beliebtheit und wurde in das feste Repertoire des Königlich Dänischen Balletts sowie des Tokyo Ballet übernommen. Auch das Hamburg Ballett tourte immer wieder mit der Liebesgeschichte um den Globus und war im Laufe der Jahre unter anderem in Granada, Genua, Sardinien und Baden-Baden zu Gast.
Auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper tanzten Romeo und Julia zuletzt im Rahmen der Gala »The World of John Neumeier« zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 2019.
Aufmacherfoto: John Neumeier und Marianne Kruuse © Archiv Hamburg Ballett
Friederike Adolph