Vor der Wiederaufnahme von John Neumeiers Ballett »Illusionen – wie Schwanensee« durften zwei junge BallettTesterinnen das Stück bereits vor allen anderen bei der Hauptprobe erleben. Wir freuen uns sehr, dass Marlene Hausen und Katia Marin ihre Eindrücke und Erlebnisse mit uns teilen:
Am 6. April 2018 durfte ich als BallettTesterin die Hauptprobe des Stückes
»Illusionen – wie Schwanensee« sehen. Darüber habe ich mich riesig gefreut! Ich
hatte zusammen mit einer anderen Balletttesterin tolle Plätze, von wo aus wir
alles genau sehen konnten. Ich war überrascht, dass in dem Stück so viele
akrobatische Hebefiguren gezeigt wurden; auch Räder wurden geschlagen und
Flickflacks rückwärts wurden gezeigt. Das hat mir besser gefallen und war
aufregender als in dem Originalstück »Schwanensee«. Sogar einige kleinere
Kinder haben in dem Stück mitgespielt. Da hätte ich am liebsten auch
mitgetanzt.
Alle Figuren wurden toll gespielt bzw. getanzt. Die Kostüme waren richtig
schön – besonders die der Schwäne. Das Stück ging ziemlich lang, aber es war an
keiner Stelle langweilig. Am Schluss fiel ein riesiges blaues Tuch über den
König und den Mann im Schatten und die beiden wurden verdeckt und der König
ertrank im See. Das war traurig, aber es sah toll aus!
Die Geschichte von Schwanensee in einem interessanten anderen Rahmen zu
sehen, hat mich bezaubert. Nach der Aufführung habe ich mich wie der König
gefühlt, der sich zwischen seinen Erinnerungen und der Realität verloren hat.
Ich hatte nicht das Gefühl, dass Menschen getanzt haben, sondern eher
märchenhafte Kreaturen. Es schien mir fast so, als hätten die Tänzer keine
Körper – für mich flogen sie in der Luft wie Schleier. Doch die menschlichen
Gefühle konnte ich gut erkennen und mich so in die Rollen hineinversetzen…
Die Kostüme der königlichen Zeit haben die Rollen gut dargestellt und die
Farben haben sich wunderbar ergänzt. Jedes Detail, jedes kleinste Ornament war
harmonisch. Das Kostüm der Schwanenprinzessin hat mich fasziniert, und die
Bewegungen und die Formen der Schwäne waren äußerst gut choreografiert. Ich war
mir sicher, dass vor mir Schwäne geschwommen sind und nicht Menschen, die
getanzt haben. Insgesamt war das klassisch und originell.
Das Bühnenbild ist wie ein Gemälde! Die Farben und die Musik passen zusammen
und jeder Ort der Träume und der Erinnerung kontrastiert wunderbar mit den
Orten der »Realität« im Stück, wo sogar das Licht, das durch die Fenster den
Raum erleuchtete, realistisch schien.
Die Geschichte sowie die Tänze von »Schwanensee« wurden respektiert, jedoch
persönlich und modern interpretiert. Ballett im zeitgenössischen Stil und mit
Geschmack. Die Musik von Tschaikowsky ist natürlich transzendent, aber im
Zusammenhang mit dem Licht, den Figuren und der leidenschaftlichen
Interpretation ist der atemberaubende Effekt garantiert.
Letztendlich kann man nicht alles in Worte fassen – man muss es erleben, um
zu verstehen. Wo die Worte aufhören, fängt die Kunst an. Dunkler Saal, Stille,
Vorhang auf und Musik!
Katia Marin, Erasmus-Studentin aus Frankreich, 18 Jahre
Am 8. April
steht die Wiederaufnahme von John Neumeiers Ballett »Illusionen – wie
Schwanensee« auf dem Spielplan des Hamburg Ballett. Damit das 1976
uraufgeführte Stück auf die Bühne der Hamburgischen Staatsoper zurückkehren
kann, wird in den Werkstätten seit Wochen intensiv am Bühnenbild gearbeitet.
Eines der aufwendigsten Projekte, mit dem die Theatermalerinnen und -maler zurzeit
beschäftigt sind, ist der blau-goldene Schmuckvorhang. Wir haben die
Kolleginnen und Kollegen in den Werkstätten besucht und ihnen bei der Arbeit
über die Schulter geschaut.
Zeichnen, Tupfen, Malen, Schneiden, Kleben: Seit neun Wochen arbeiten die Theatermalerinnen und -maler in den Werkstätten in Hamburg-Barmbek am Schmuckvorhang für »Illusionen – wie Schwanensee«. Insgesamt fast 170 Quadratmeter Seide werden für die Neuanfertigung des Vorhangs aufwendig von Hand verziert. Denn der Originalvorhang hat nach 42 Jahren im Bühneneinsatz ausgedient. Die goldene Farbe hat an Glanz verloren und blättert langsam ab, die Seide franst aus und wird löchrig. Nun dient das Original, das für die Uraufführung des Balletts ursprünglich in München angefertigt wurde, als Vorlage für die Neugestaltung und hängt imposant im großen Malsaal der Opernwerkstätten.
Auf dem Boden davor liegt der neue Vorhang, an dem an allen Seiten fleißig gearbeitet wird. Die Theatermalerin Natalia Vottariello erklärt, wie man ein solches Großprojekt angeht: »Zunächst wurde der Stoff ausgesucht – wir brauchen eine sehr leichte und feine Seide, damit der Vorhang nicht zu steif wirkt und sich gut bewegen lässt. Nachdem der Stoff gefunden war, wurde er extra eingefärbt und an die Farbigkeit des Originalvorhangs angepasst und anschließend mit Essigwasser imprägniert. Das verhindert später, dass die aufgetragenen Farben auslaufen.«
Muster für die Schatten-Schablonen
Bevor mit den Verzierungen begonnen werden konnte, wurden
mehrere breite Streifen der Seide für die benötigte Größe des Tuchs
zusammengenäht. Damit sich die dabei entstehenden Nähte in das Muster einfügen,
wurde vorher anhand des Originaltuchs genau errechnet, wie breit die Streifen
sein müssen. Um das Muster der Verzierungen passgenau auf den neuen Vorhang zu
übertragen, haben die Theatermalerinnen und -maler den Stoff zunächst mithilfe
von Fäden in quadratische Raster eingeteilt und die Maße der Verzierungen des
Originalvorhangs übertragen. »Als diese Vorarbeit geschafft war, haben wir die
Lilien und Schwäne, die das Tuch verzieren, auf weißem Satin neu angefertigt.
Da aufgetragene weiße Farbe auf blauem Grund nicht so gut zur Geltung kommt,
werden diese Elemente nicht aufgemalt, sondern aus Stoff angefertigt und später
aufgeklebt«, erklärt Natalia Vottariello. Die Dekorateurinnen und Dekorateure
schneiden die insgesamt 160 Lilien und Schwäne dafür von Hand aus.
Im nächsten Schritt wurden die unterschiedlichen Ornamente
des Vorhangs auf Schablonierpapier übertragen, mithilfe der Schablonen wurde
dann die goldene Bordüre auf den Stoff gesetzt. Vergoldet wird nicht mit
Goldfarbe, sondern mit Schlagmetall, erläutert Theatermalerin Jezebel
Nachtigall, die ebenfalls am Schwanensee-Vorhang arbeitet: »Mit goldener Farbe
zu arbeiten, hätte uns sicher zwei bis drei Arbeitsschritte gespart, denn das
Auftragen des Schlagmetalls ist sehr aufwendig. Aber Goldfarbe ist matter und
hat nicht so viel Strahlkraft wie Schlagmetall. Das Ergebnis wird so viel
edler«, erklärt sie.
Mit diesen Schablonen werden die goldenen Ornamente aufgetragen
Warum das Auftragen des Schlagmetalls so aufwendig ist,
demonstrieren Natalia Vottariello und Jezebel Nachtigall dann auch direkt:
Bevor die hauchdünnen quadratischen Blättchen aufgelegt werden können, muss die
sogenannte Anlegemilch in zwei Schichten auf den Stoff aufgetragen werden; sie
dient als Kleber. Nach dem Auftragen der Anlegemilch muss diese jeweils ca. 10
Minuten trocknen, erst dann kann das empfindliche Schlagmetall aufgelegt und an
die Form der Schablone angepasst werden. Die Goldblättchen dürfen dabei nur mit
Handschuhen angefasst werden, da das Gold sonst durch den Schweiß der Hände
oxidieren könnte. Sitzt das Gold perfekt, wird es mit einem Überzugslack
fixiert. Zum Schluss werden mit dunklerer Stofffarbe Schatten auf die goldenen
Ornamente gesetzt; für eine dreidimensionale Wirkung, die auch aus größerer
Entfernung – wie aus dem Zuschauerraum – sichtbar ist.
Stück für Stück entstehen so die goldene Bordüre und die
kreisförmigen Ornamente des Tuchs, in die später die Stofflilien und -schwäne
geklebt werden. An einem Arbeitstag schaffen es die Malerinnen und Maler,
durchschnittlich 16 Quadratmeter Stoff zu vergolden – im Sitzen: »Größere
Muster wie die Schwäne können wir im Stehen mit langen Theatermalerpinseln
malen. Die meisten Ornamente des Tuchs sind aber so fein, dass sie im Sitzen
und mit kleineren Pinseln aufgetragen werden müssen. Eigentlich malen wir fast
alle Details auf dem Boden kriechend«, sagt Natalia Vottariello lachend. Dabei
darf das Tuch natürlich nicht mit Straßenschuhen betreten werden. Am Rand
liegen Schläppchen und Hausschuhe bereit, manche der Malerinnen und Maler haben
nur ihre Socken an. So arbeiten sie sich auf ihren Sitzkissen von Raster zu
Raster vorwärts.
Theatermalerin Natalia Vottariello trägt das Schlagmetall auf
Im direkten Vergleich der beiden Vorhänge wird deutlich, welche Spuren die
42 Jahre des Einsatzes am Original hinterlassen haben: Die Farben leuchten
nicht mehr so eindringlich, das Gold verblasst und an manchen Stellen haben
sich kleine Löcher in der Seide gebildet. Einerseits ist das ein natürlicher
Prozess in der Alterung des Stoffes. Andererseits wurden zur Zeit der
Anfertigung des Originaltuchs natürlich auch andere Materialen genutzt, erklärt
Jezebel Nachtigall: »Das Gold wurde beispielsweise mit einem Kleber
aufgetragen, der die Seide stärker angreift als neuere Produkte, die auf
Wasserbasis produziert werden und damit schonender für den Stoff sind.«
Als feststand, dass »Illusionen – wie Schwanensee« auf den Spielplan
zurückkehrt, war schnell klar, dass der Vorhang neu angefertigt werden muss, da
eine Restauration des Originals zu aufwendig gewesen wäre. Bis Ende März muss
die Arbeit abgeschlossen sein, da dann die technischen Einrichtungen auf der
Bühne der Staatsoper stattfinden und der Vorhang gehängt wird. Bis dahin müssen
noch Schwäne geklebt, Schattierungen gemalt, Ösen gestanzt und Ränder vernäht
werden. Wenn das Tuch erst einmal hängt, können sie nicht mehr viel verändern.
Betreten verboten! Es sei denn, man zieht die Schuhe aus …
Deswegen hoffen die Theatermalerinnen und -maler, dass das Ergebnis ihrer Arbeit am Ende alle überzeugen wird. In Hochphasen arbeiten momentan sechs Personen gleichzeitig am Tuch. Da muss man sich gut absprechen, damit niemand aus Versehen in noch nicht getrocknete Farbe tritt. Fehler lassen sich nur sehr schwer wieder beheben, erläutern die Theatermalerinnen, da der Stoff sehr empfindlich ist und nicht einfach ausgewaschen werden kann.
»Wir machen immer wieder Reparaturarbeiten an Bühnenbildern, das gehört zu unserem Alltag. Aber in dieser Dimension habe ich das noch nicht erlebt«, sagt Natalia Vottariello. Insgesamt werden sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dekorationswerkstätten 11 Wochen Arbeit in dieses eine Detail des Bühnenbildes investiert haben. Wie das fertige Tuch am Ende auf der Bühne wirkt – davon werden sich Jezebel Nachtigall und Natalia Vottariello auf jeden Fall selbst überzeugen.
In John Neumeiers neuester Kreation »Anna Karenina« steht ein ganz besonderes Requisit auf der Bühne: Der Trecker. In zwei Szenen des Balletts kommt der grüne Oldtimer-Trecker zu Einsatz – dabei ist er jedoch nicht nur schmückendes Beiwerk im Bühnenhintergrund, sondern fährt auch von Tänzern gesteuert über die Bühne.
Wie findet man einen Trecker fürs Ballett? Und wie wird solch ein spezielles
Requisit für den Bühneneinsatz aufbereitet? Gemeinsam mit einem Fernsehteam des
NDR haben wir uns auf Spurensuche begeben und mit den Mitarbeitern aus den
Dekorationswerkstätten, der Requisite und der Technik gesprochen, um herauszufinden:
Wie kommt der Trecker auf die Bühne?
Teil 2: Probenbesuch – Mit dem Trecker hinter den Kulissen
Man sieht ihn schon von weitem, wenn man in die Kleine Theaterstraße
einbiegt: Vor dem Bühneneingang der Staatsoper wartet der grüne Trecker aus
»Anna Karenina« auf seinen Einsatz. Es ist Samstagmorgen und auf der Bühne
beginnt gleich die Probe für John Neumeiers neuestes Ballett, das am Abend zum
ersten Mal nach der Sommerpause gezeigt wird. Wir sind wieder verabredet mit
einem Kamerateam vom NDR, das die verschiedenen Stationen des Treckers für die
Sendung »Treckerfahrer dürfen das« dokumentiert. Ihren eigenen roten Trecker
»Brunhilde«, der beim letzten Besuch in den Werkstätten mit dabei war, haben
sie heute aber in Hannover gelassen. Denn auf der Bühne ist nur Platz für den
grünen Deutz D25.
Frank Zöllner und Jürgen Tessmann backstage mit dem Trecker
Gerade wird noch der große Tisch, an dem Anna Karenina und Graf Wronski zu
Beginn des zweiten Aktes sitzen, von Bühnenmitarbeitern über den Kalkhof in den
Lastenaufzug gerollt, dann erscheint auch schon Frank Zöllner, der Technische
Leiter, um den Trecker auf die Bühne zu fahren. Von den Werkstätten in Barmbek
wurde der Trecker am Morgen im Lastwagen zur Staatsoper transportiert. Mit dem
großen Aufzug geht es nun auf die Bühne. »Für uns ist das schon etwas Besonderes:
ein Trecker auf der Bühne«, sagt Frank Zöllner. Nicht nur beim Publikum, auch
bei den Bühnenmitarbeitern kommt das Requisit gut an: »Ob Tänzer oder
Techniker, von den Kollegen würden am liebsten eigentlich alle einmal mit dem
Trecker fahren. Leider ist das aber nicht jedem gestattet.«
Gesucht und gefunden wurde der Oldtimer-Trecker vom Leiter
der Requisite Jürgen Tessmann. Es gab einige Bedingungen, die der Trecker für
den Einsatz auf der Bühne erfüllen musste: Alt sollte er sein und einen kleinen
Wendekreis haben, damit er auf und hinter der Bühne gefahren werden kann, er
durfte nicht zu viel Gewicht haben – und er musste schön sein. »Und schön ist
er ja wirklich!«, sagt Jürgen Tessmann, der selbst auf dem Land und mit
Traktoren großgeworden ist. Nach einigen Telefonaten fand er das richtige
Modell bei einem Landmaschinenbauer in Niedersachsen. Dort stand der grüne
Trecker mit Baujahr 1961 in einer großen Lagerhalle und wirkte ganz klein
zwischen den anderen modernen Maschinen. Nach einer Probefahrt wurde der Kauf
sogleich per Handschlag besiegelt – und zwei Tage später stand der Trecker
schon in den Werkstätten der Staatsoper für den Umbau bereit. Den
Original-Fahrzeugbrief hat Jürgen Tessmann auch dabei. Dort steht, dass der
Trecker zwei Vorbesitzer hatte und tatsächlich als Hoftrecker benutzt wurde:
»Der Trecker hat ein richtiges Leben hinter sich; der hat Seele und das soll
man auch auf der Bühne sehen. Wir machen hier schließlich keine halben Sachen.«
Jürgen Tessmann zeigt den Original-Fahrzeugbrief
In den Vorstellungen wird der Trecker von Emilie Mazon und
Eliot Worrell gefahren. Beide sind in den Proben das erste Mal mit einem
Trecker in Berührung gekommen: »Ich bin in Georgia aufgewachsen, man sollte
meinen, dass ich Erfahrungen mit Traktoren habe«, sagt Emilie lachend. Eliot
ergänzt: »Ich bin in einem kleinen Dorf in England großgeworden und wurde
morgens von Treckergeräuschen geweckt. Gesehen habe ich sie täglich, aber
vorher wurde mir nie zugetraut, auch selbst einen Trecker zu fahren. Dabei ist
es ja kein kompliziertes Raumschiff. Wenn man weiß, wo man Gas gibt und stoppt,
ist es ganz leicht.«
Ursprünglich hatte der Trecker noch Handgas und einen Dieselmotor. Doch beides musste für den Einsatz auf der Bühne umgebaut werden. Nach dem Umbau hat der Trecker noch 5 PS, erzählt Jürgen Tessmann. Seine Geschwindigkeit musste aus Sicherheitsgründen gedrosselt werden, auch wenn man das Gaspedal durchdrückt, kann der Trecker nicht schneller als 5 km/h fahren.
Langsam neigt sich die Probe dem Ende zu. Auch nach der langen Sommerpause
hat heute alles geklappt, Tänzer und Trecker haben ihre Auftritte gemeistert.
Bis zur Aufführung am Abend haben sie nun Pause. Als wir uns verabschieden,
verrät Jürgen Tessmann noch ein kleines Detail. Nicht nur der rote Trecker vom
NDR hat einen Namen, auch unser Ballett-Trecker wurde getauft: »Ich nenne ihn
Rolf. Nach einem großen Mann, der hier an der Staatsoper gearbeitet hat«, sagt
er mit einem Augenzwinkern.
Die ganze Geschichte über den Trecker in »Anna Karenina« erzählt die NDR Sendung »Treckerfahrer dürfen das«. Den ersten Teil des Blogs gibt es hier zum Nachlesen!
Wer im Juli bereits John Neumeiers neueste Kreation »Anna Karenina« sehen konnte, kennt ein ganz besonderes Requisit des Stücks: Den Trecker. In zwei Szenen des Balletts, die auf dem Landgut des Grafen Lewin spielen, kommt der grüne Oldtimer-Trecker zu Einsatz – dabei ist er jedoch nicht nur schmückendes Beiwerk im Bühnenhintergrund, sondern fährt auch von Tänzern gesteuert über die Bühne.
Wie findet
man einen Trecker fürs Ballett? Und wie wird solch ein spezielles Requisit für
den Bühneneinsatz aufbereitet? Gemeinsam mit einem Fernsehteam des NDR haben
wir uns auf Spurensuche begeben und mit den Mitarbeitern aus den
Dekorationswerkstätten, der Requisite und der Technik gesprochen, um
herauszufinden: Wie kommt der Trecker auf die Bühne?
Teil 1: Zu Besuch in den Dekorationswerkstätten der Hamburgischen
Staatsoper
Typisches Hamburger Wetter begrüßt uns am Mittwochvormittag, als wir im Stadtteil Barmbek das Gelände der Dekorationswerkstätten der Staatsoper betreten. Doch der graue Himmel dämpft die neugierige Stimmung nicht: Wir besuchen heute den Ort, an dem der Trecker aus »Anna Karenina« für seinen Bühnenauftritt umgebaut und an dem er auch über die Sommerpause gelagert wurde. Vor kurzem hat die neue Spielzeit begonnen und bald steht John Neumeiers jüngste Kreation wieder auf dem Spielplan – für den Trecker heißt das: Raus aus dem Fundus und rauf auf die Bühne. Wie er dafür präpariert wird, erklären uns die Leiterin der Werkstätten Stefanie Braun und ihre Mitarbeiter, die bereits vor den großen Werkhallen auf uns warten.
Der erste Trecker, den wir heute sehen, ist aber gar nicht der uns bekannte grüne Oldtimer aus dem Ballett, sondern ein rotes Modell namens »Brunhilde«, das zusammen mit weiteren Besuchern angereist ist. Denn nicht nur wir sind neugierig darauf, mehr über den Ballett-Trecker zu erfahren; ein Fernsehteam des NDR hat sich ebenfalls angemeldet, um einen Beitrag für die Sendung »Treckerfahrer dürfen das« zu drehen. In der Sendung reist Moderator Sven Tietzer mit seinem knallroten Trecker durch Norddeutschland, um Treckerliebhaber und -experten zu treffen. Heute ist er mit »Brunhilde« extra aus Hannover angereist. Denn einen Trecker im Theater – so etwas haben selbst Sven Tietzer und sein Team noch nicht gesehen.
Werkstättenleiterin Stefanie Braun begrüßt Sven Tietzer und »Brunhilde«
Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu einer Lagerhalle, in
der ›unser‹ Trecker über den Sommer eingelagert wurde. Vier Mitarbeiter der
Werkstätten schieben den grünen Deutz D25 aus der Halle und fahren ihn in die
Werkstatt, wo er für den Transport in die Staatsoper und den Bühnenauftritt
vorbereitet wird. Dabei macht unser Ballett-Trecker auffällig weniger Geräusche
als »Brunhilde«. Das liegt daran, erklärt Stefanie Braun, dass der eigentlich
eingebaute Dieselmotor gegen einen Elektromotor ausgetauscht werden musste. Auf
einer Theaterbühne ist der Einsatz eines Dieselmotors nicht erlaubt, aus
brandschutztechnischen Gründen. Außerdem wären die Lautstärke und der
Abgasgeruch auch eher störend beim Ballettgenuss. Jetzt versorgen vier
Autobatterien den Elektromotor mit Strom, die nach der langen Sommerpause erst
einmal wieder aufgeladen werden müssen, bevor der Trecker seinen nächsten
Auftritt hat. Acht Stunden dauerte das Laden, dann ist der Trecker für eine
Stunde fahrbereit.
Am Umbau haben die Mitarbeiter ungefähr vier Wochen
gearbeitet – neben des Motoraustauschs wurde der Trecker auch noch leichter
gemacht, damit er vom Bühnenboden getragen werden kann. Außerdem wurde zur
Sicherheit seine Geschwindigkeit gedrosselt, sodass er selbst bei versehentlich
durchgedrücktem Gaspedal nicht von der Bühne rasen kann.
Stefanie Braun erklärt den Trecker-Umbau in der Werkstatt
Viele staunende Gesichter scharen sich um den Trecker, als Stefanie Braun
und ihre Mitarbeiter den Umbau und die neue Funktionsweise erklären. Nicht nur
die Treckerfans vom NDR sind begeistert vom schicken Deutz, auch John Neumeier
hat sich gleich in den Trecker verliebt, verrät Stefanie Braun. Und auf das
Ergebnis sind alle stolz.
Einen Trecker für die Ballettbühne umbauen – was für Außenstehende ungewöhnlich
anmutet, ist für Stefanie Braun und ihre Mitarbeiter Alltag. Auf die Frage, ob
der Trecker das kurioseste Requisit sei, dass sie in den Werkstätten präpariert
hätten, antwortet sie trocken: »Für das Ballett ›Liliom‹ haben wir ein
komplettes Karussell gebaut, auf dem getanzt und musiziert wird. Wir machen
ständig solche Sachen!«
Wie der Trecker von unserer Requisite gefunden wurde und wie er auf der Bühne eingesetzt wird, erfahrt ihr im nächsten Teil des Blogs. Die ganze Geschichte über den Trecker in »Anna Karenina« erzählt die NDR Sendung »Treckerfahrer dürfen das«.