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Wie kommt der Trecker auf die Bühne? Teil I

Wer im Juli bereits John Neumeiers neueste Kreation »Anna Karenina« sehen konnte, kennt ein ganz besonderes Requisit des Stücks: Den Trecker. In zwei Szenen des Balletts, die auf dem Landgut des Grafen Lewin spielen, kommt der grüne Oldtimer-Trecker zu Einsatz – dabei ist er jedoch nicht nur schmückendes Beiwerk im Bühnenhintergrund, sondern fährt auch von Tänzern gesteuert über die Bühne.

Wie findet man einen Trecker fürs Ballett? Und wie wird solch ein spezielles Requisit für den Bühneneinsatz aufbereitet? Gemeinsam mit einem Fernsehteam des NDR haben wir uns auf Spurensuche begeben und mit den Mitarbeitern aus den Dekorationswerkstätten, der Requisite und der Technik gesprochen, um herauszufinden: Wie kommt der Trecker auf die Bühne?

Teil 1: Zu Besuch in den Dekorationswerkstätten der Hamburgischen Staatsoper

Typisches Hamburger Wetter begrüßt uns am Mittwochvormittag, als wir im Stadtteil Barmbek das Gelände der Dekorationswerkstätten der Staatsoper betreten. Doch der graue Himmel dämpft die neugierige Stimmung nicht: Wir besuchen heute den Ort, an dem der Trecker aus »Anna Karenina« für seinen Bühnenauftritt umgebaut und an dem er auch über die Sommerpause gelagert wurde. Vor kurzem hat die neue Spielzeit begonnen und bald steht John Neumeiers jüngste Kreation wieder auf dem Spielplan – für den Trecker heißt das: Raus aus dem Fundus und rauf auf die Bühne. Wie er dafür präpariert wird, erklären uns die Leiterin der Werkstätten Stefanie Braun und ihre Mitarbeiter, die bereits vor den großen Werkhallen auf uns warten.

Der erste Trecker, den wir heute sehen, ist aber gar nicht der uns bekannte grüne Oldtimer aus dem Ballett, sondern ein rotes Modell namens »Brunhilde«, das zusammen mit weiteren Besuchern angereist ist. Denn nicht nur wir sind neugierig darauf, mehr über den Ballett-Trecker zu erfahren; ein Fernsehteam des NDR hat sich ebenfalls angemeldet, um einen Beitrag für die Sendung »Treckerfahrer dürfen das« zu drehen. In der Sendung reist Moderator Sven Tietzer mit seinem knallroten Trecker durch Norddeutschland, um Treckerliebhaber und -experten zu treffen. Heute ist er mit »Brunhilde« extra aus Hannover angereist. Denn einen Trecker im Theater – so etwas haben selbst Sven Tietzer und sein Team noch nicht gesehen.

Werkstättenleiterin Stefanie Braun begrüßt Sven Tietzer und »Brunhilde«

Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu einer Lagerhalle, in der ›unser‹ Trecker über den Sommer eingelagert wurde. Vier Mitarbeiter der Werkstätten schieben den grünen Deutz D25 aus der Halle und fahren ihn in die Werkstatt, wo er für den Transport in die Staatsoper und den Bühnenauftritt vorbereitet wird. Dabei macht unser Ballett-Trecker auffällig weniger Geräusche als »Brunhilde«. Das liegt daran, erklärt Stefanie Braun, dass der eigentlich eingebaute Dieselmotor gegen einen Elektromotor ausgetauscht werden musste. Auf einer Theaterbühne ist der Einsatz eines Dieselmotors nicht erlaubt, aus brandschutztechnischen Gründen. Außerdem wären die Lautstärke und der Abgasgeruch auch eher störend beim Ballettgenuss. Jetzt versorgen vier Autobatterien den Elektromotor mit Strom, die nach der langen Sommerpause erst einmal wieder aufgeladen werden müssen, bevor der Trecker seinen nächsten Auftritt hat. Acht Stunden dauerte das Laden, dann ist der Trecker für eine Stunde fahrbereit.

Am Umbau haben die Mitarbeiter ungefähr vier Wochen gearbeitet – neben des Motoraustauschs wurde der Trecker auch noch leichter gemacht, damit er vom Bühnenboden getragen werden kann. Außerdem wurde zur Sicherheit seine Geschwindigkeit gedrosselt, sodass er selbst bei versehentlich durchgedrücktem Gaspedal nicht von der Bühne rasen kann.

Stefanie Braun erklärt den Trecker-Umbau in der Werkstatt

Viele staunende Gesichter scharen sich um den Trecker, als Stefanie Braun und ihre Mitarbeiter den Umbau und die neue Funktionsweise erklären. Nicht nur die Treckerfans vom NDR sind begeistert vom schicken Deutz, auch John Neumeier hat sich gleich in den Trecker verliebt, verrät Stefanie Braun. Und auf das Ergebnis sind alle stolz.

Einen Trecker für die Ballettbühne umbauen – was für Außenstehende ungewöhnlich anmutet, ist für Stefanie Braun und ihre Mitarbeiter Alltag. Auf die Frage, ob der Trecker das kurioseste Requisit sei, dass sie in den Werkstätten präpariert hätten, antwortet sie trocken: »Für das Ballett ›Liliom‹ haben wir ein komplettes Karussell gebaut, auf dem getanzt und musiziert wird. Wir machen ständig solche Sachen!«

Wie der Trecker von unserer Requisite gefunden wurde und wie er auf der Bühne eingesetzt wird, erfahrt ihr im nächsten Teil des Blogs.
Die ganze Geschichte über den Trecker in »Anna Karenina« erzählt die NDR Sendung »Treckerfahrer dürfen das«.

Frieda Fielers