Anna Laudere zu Anna Karenina
Im Mai 2019 haben wir ein »Anna Karenina«-Festival in Hamburg gefeiert. Zum ersten Mal seit der Uraufführung im Juli 2017 hat unser Hamburg-Publikum die Gelegenheit gehabt, John Neumeiers jüngstes Handlungsballett in gleich vier verschiedenen Besetzungen zu erleben! Neben der ursprünglichen Hamburg-Besetzung mit Anna Laudere und Edvin Revazov als Anna Karenina und Alexej Wronski gab es ein Debüt von Xue Lin und Jacopo Bellussi und auch Svetlana Lunkina und Harrison James vom National Ballet of Canada sowie Olga Smirnova und Artem Ovcharenko vom Ballett des Bolschoi-Theaters waren als Besetzungen der Koproduktionspartner zu Gast in Hamburg.
Am 19. Juni steht »Anna Karenina« noch einmal während der 45. Hamburger Ballett-Tage auf dem Programm. Wir haben mit Anna Laudere gesprochen, die die Rolle Anna Karenina für die Uraufführung mit John Neumeier kreiert hat. Im dritten Teil der Reihe »3 Fragen an Anna Karenina« erzählt sie uns, wie sie die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Besetzungen während des »Anna Karenina«-Festivals erlebt hat und wie es war, als sie im Mai das Ballett zum allerersten Mal aus dem Zuschauerraum gesehen hat.
Anna, du hast die Rolle Anna Karenina zusammen mit John Neumeier für sein Ballett kreiert. Du bist quasi Anna Karenina! Wie hast du dich gefühlt, als du das Ballett zum ersten Mal aus der Perspektive des Publikums gesehen hast?
Anna Laudere: Zuallererst möchte ich gerne John Neumeier Danke sagen, für das Vertrauen, das er mir entgegengebracht hat, indem er mich für diese Kreation, für die Rolle Anna Karenina ausgewählt hat. Denn ein Jahr lang habe ich wirklich einen Traum gelebt! Es war ein unglaublicher Prozess für mich!
Und ich muss sagen, ich war wirklich sehr beeindruckt, als ich das Ballett zum ersten Mal gesehen habe! Ich finde, es ist wunderschön – das Licht, die Musik, einfach alles. Ich glaube, niemand hat die Geschichte besser erzählt als John. Es ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle und obwohl das Buch ja wirklich sehr dick ist, hat John alles auf den Punkt gebracht, jeden einzelnen Charakter.
Schon als ich das Ballett getanzt habe, war es eine Achterbahnfahrt für mich, aber als ich es aus dem Zuschauerraum gesehen habe, wurde mir bewusst, wie vielschichtig jeder Charakter ist. Es war eine unglaubliche Erfahrung. Am Ende habe ich vor Rührung geweint und konnte gar nicht mehr aufhören. Ich war wirklich sehr berührt von der Performance, von den Tänzern, von dem ganzen Abend. Es war wundervoll anzusehen.
Außerdem war es interessant, drei verschiedene Anna Kareninas zu sehen, denn jede von ihnen war unterschiedlich. Es war eine tolle Idee von John so ein Festival zu machen, damit wir und das Publikum das erleben können. Denn es ist immer spannend zu sehen, dass bei jeder Tänzerin die Arbeit mit John etwas anderes entstehen lässt – jeder hat seine eigene Art es zu zeigen. Deshalb war es für mich eine tolle Erfahrung, die drei Besetzungen zu sehen!
Xue und Jacopo sind deine Kollegen und ihr kennt euch gut. Svetlana Lunkina hast du zum ersten Mal getroffen. Xue und Svetlana haben uns schon von eurer Zusammenarbeit erzählt, aber wie hast du es erlebt, mit den verschiedenen Tänzerinnen zu arbeiten?
Zu den Gasttänzerinnen kann ich sagen, dass sie natürlich bereits sehr gut vorbereitet waren. Sie wussten schon alles. Mit ein paar Dingen konnten Edvin und ich aber doch ein bisschen helfen – gerade bei anspruchsvolleren Teilen. Wenn man eine Rolle kreiert hat, dann weiß man genau, wie man an welcher Stelle fühlt. Aber das war wirklich nur ein kleiner Teil.
Von Xue und Jacopo war ich total beeindruckt, denn sie mussten alles in einer Woche vorbereiten. Die Arbeit, die sie geleistet haben, war wirklich toll! Ich konnte in fast jeder Probe dabei sein und sie waren gut vorbereitet. Sie kannten ihre Schritte und die Musik und sie wurden nicht müde, es wieder und wieder zu probieren, damit es gelingt und genau so wird, wie es sein soll.
Wir probten zunächst die anspruchsvollen Schritte und natürlich habe ich Xue alle Informationen gegeben, die mir John auch gegeben hatte, und ihr von den Partien, in denen er mich geleitet hat, erzählt. Den Rest habe ich ihr überlassen, denn ich denke, dass jeder seinen eigenen Charakter in der Rolle finden muss. Ich habe ihr manchmal erzählt, was ich darüber denke, aber ihr die Freiheit gegeben, selbst zu entscheiden. Das Ballett ist so toll gemacht, dass man beinahe die einzelnen Sätze aus dem Buch auf der Bühne sehen kann. Also habe ich sie einfach hier und da ein bisschen an die Hand genommen, aber eigentlich habe ich ihr hauptsächlich weitergegeben, was John mir gesagt hatte.
In John Neumeiers »Anna Karenina« haben die Szenen teilweise sehr unterschiedlichen Settings. Auch die Musik ist vielseitig– es gibt drei Komponisten. Welche Szene ist deine Liebste im Ballett und warum?
Ich kann nicht sagen, dass ich eine Lieblingsszene habe. Einmal angefangen durchlebe ich einfach die Geschichte. Jede Szene ist anders für mich und jedes Mal, wenn man sie tanzt, ist es wieder neu. Es gibt keinen Moment, den ich mehr oder weniger mag. Es ist einfach ein wunderbarer Trip!
Das Besondere an dem Ballett ist für mich, dass sich jede Person darin selbst finden kann. Das ist der Grund, warum es so nah an jedem ist. Wenn man ehrlich zu sich ist, dann kann sich jeder in den Charakteren wiederfinden.
Ihr wollt mehr über Anna Laudere erfahren? Schaut euch ihren Steckbrief an!
Lisa Zillessen
Im ersten Teil der Serie »3 Fragen an Anna Karenina« haben wir mit unserer Solistin Xue Lin über ihr Debüt als Anna Karenina gesprochen. Im zweiten Teil der Serie »3 Fragen an Anna Karenina« hat Svetlana Lunkina vom National Ballet of Canada ihre Eindrücke zur Rolle Anna Karenina mit uns geteilt.