Autor: Lotta Bracker

  • Cathy Marston über »Jane Eyre«

    Cathy Marston über »Jane Eyre«

    Am 3. Dezember bringt Cathy Marston mit »Jane Eyre« eines ihrer viel gelobten Literaturballette in Hamburg zur Premiere. In unserem Blog spricht die Choreografin und Intendatin des Balletts Zürich über die Idee zum Stück und die Einstudierung in Hamburg.

    In seiner letzten Saison als Intendant des Hamburg Ballett hat John Neumeier Sie für die Winterpremiere nach Hamburg eingeladen. Wie kam es zu der Auswahl von »Jane Eyre«?

    Cathy Marston: Wie in Hamburg üblich, hatte John ein abendfüllendes Ballett im Auge. »Jane Eyre« schien mir auf Anhieb passend.

    Es ist ein Ballett, das mich noch immer reizt, an dem ich immer neues Potential für Veränderungen und Verbesserungen wahrnehme – in choreografischen Details und im Design. Ich bin sehr glücklich, dass auch Patrick Kinmonth nochmals auf dieses Werk zurückkommen wollte. Ein weiterer Pluspunkt: Die technischen Abteilungen des Hamburg Ballett bauen die Produktion noch einmal völlig neu auf – großartig!

    Foto: Cathy Marston (c) Rick Guest & Olivia Pomp

    Was hat Sie an Charlotte Brontës Roman »Jane Eyre« besonders interessiert?

    »Jane Eyre« ist ein ikonischer britischer Roman. Ich nehme ein neu entfachtes Interesse an literarischen Klassikern wahr, vor allem an solchen von und über Frauen.

    Auch wenn ich nie den Vorsatz hatte, bevorzugt weibliche Protagonisten zu erkunden, bin ich auf diesem Feld seit über 20 Jahren aktiv. Stets war ich auf der Suche nach Figuren, die mich ansprechen und denen ich in meiner Kunstform eine Stimme geben könnte. Jane Eyre ist sicher eine der Titelheldinnen, die in unserem heutigen Frauenbild nachhallen. Auch in meiner Ballettfassung, obwohl ich die Handlung in ihrer Entstehungszeit belassen habe.

    Daniel de Andrade bei der Einstudierung von »Jane Eyre« in Hamburg – hier mit Ida Praetorius, Karen Azatyan und dem Ensemble (c) Kiran West

    Das Szenario von »Jane Eyre« haben Sie gemeinsam mit dem Designer Patrick Kinmonth ausgearbeitet. Wie darf man sich diesen grundlegenden Arbeitsschritt vorstellen?

    Patricks kreative Arbeiten sind ausgesprochen vielseitig. Er ist Bühnenbild- und Kostümdesigner, aber auch ein gefragter Opernregisseur und Architekt. Sein weitreichender Erfahrungshorizont bewog mich dazu, das Szenario gemeinsam mit ihm zu entwickeln. Er lebt in einem sehr alten Haus in Südengland – nicht ganz mit Thornfield Hall vergleichbar, aber immer noch beeindruckend und sehr passend für »Jane Eyre«. In den Tagen, die wir dort zusammengearbeitet haben, war es uns wichtig, den Handlungsverlauf möglichst flexibel zu konzipieren. Parallel machte Patrick erste Skizzen des Bühnenbilds – eine in sich bewegliche Welt.

    Jörn Rieckhoff
  • FBO-Intendant Hans-Georg Kaiser – inspirierende Projekte mit dem Hamburg Ballett

    FBO-Intendant Hans-Georg Kaiser – inspirierende Projekte mit dem Hamburg Ballett

    »Dona Nobis Pacem« ist John Neumeiers jüngstes Ballett zur Musik der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach. Im Festspielhaus Baden-Baden wird die Produktion erstmals mit dem Freiburger Barockorchester (FBO) aufgeführt, einem international renommierten Ensemble in der Tradition der historisch informierten Aufführungspraxis. Im Vorfeld der Festspielhaus-Premiere sprach Hamburg Ballett-Kommunikationsdirektor Dr. Jörn Rieckhoff über das aktuelle Projekt mit Hans-Georg Kaiser, dem Intendanten und Geschäftsführer des Orchesters.

    Welche Farbe bringt das Freiburger Barockorchester in die Baden-Badener Aufführungen ein? Kurz gesagt: Wie klingt der FBO-Bach?

    Hans-Georg Kaiser: Ich glaube sehr daran, dass man Aufführungen mit unserem und ohne unser Orchester unterscheiden kann. Es wird Johann Sebastian Bach in besonderer Weise gerecht, seine Musik auf historischen Instrumenten zu spielen. Unsere Streicher musizieren auf Darmsaiten, die Holz- und Blechbläser verwenden Instrumente ohne Klappen und Ventile. Als Hörer erlebt man auf diese Weise eine viel größere Palette an Klangfarben.

    Speziell zur h-Moll-Messe haben wir eine enge Verbindung, seit wir vor vielen Jahren eine szenische Produktion mit Achim Freyer realisierten. Es ist eines unserer Lieblingsstücke.

    Die Musikerinnen und Musiker des FBO bei einer Bühnenprobe im Festspielhaus © Kiran West

    Das Freiburger Barockorchester ist ein international präsentes Ensemble. Wie oft kannst Du als Intendant Musiktheater- und Tanzproduktionen einplanen?

    Ich freue mich jedes Mal, wenn wir von Opernhäusern oder jetzt vom Hamburg Ballett John Neumeier für derartige Produktionen angefragt werden. Bei unseren üblichen Tourneen sind wir heute in Paris, morgen in Brüssel, dann in Freiburg und Berlin – jeden Tag an einem anderen Ort. Natürlich ist es toll, dasselbe Programm in den großen Konzerthäusern aufzuführen. Ein noch tieferes Erlebnis aber stellt sich ein, wenn man ein Werk mehrfach auf einer Bühne und mit denselben künstlerischen Partnern musiziert. Im November etwa realisieren wir mit Simon Rattle die Charpentier-Oper »Médée« – solche Gelegenheiten nimmt unser Orchester gerne wahr.

    Welche Verbindung hat das FBO zum Publikum in Baden-Baden? Von Hamburg aus gesehen habt Ihr hier ein Heimspiel.

    Seit der Hauseröffnung kommen wir regelmäßig ins Festspielhaus. Ich erinnere mich an unvergessliche Konzerte, beispielsweise im Juni 2004 mit Cecilia Bartoli am Abend ihres Geburtstags. Ein anderes Mal haben wir Mozarts »Don Giovanni« mit René Jacobs szenisch aufgeführt. Jeder Auftritt hier ist ein besonderes Erlebnis, weil das Haus mit allen Abteilungen hinter der Veranstaltung steht und schaut, dass sie zu einem großen Erfolg für ein treues Publikum wird.

    Das FBO mit den Tänzern Aleix Martínez und Lennard Giesenberg bei Proben zu »Dona Nobis Pacem« © Kiran West

    Zuletzt haben Hamburg Ballett und FBO vor vier Jahren mit Glucks Oper »Orphée et Eurydice« gemeinsam die Intendanz von Benedikt Stampa eingeläutet. Wie hat sich das Orchester in den vier turbulenten Jahren seitdem entwickelt?

    Aktuell fühlen wir uns ganz hervorragend. Die Vielzahl unserer Konzerte lässt uns spüren, dass der Hunger nach Kultur ungebrochen groß ist. Auch haben wir die Möglichkeit, unsere vielfältige Arbeit von der Kammermusik bis zur Romantik umfassend zu dokumentieren, vor allem bei den Labels harmonia mundi und Deutsche Grammophon.

    Natürlich hat die Pandemie auch uns als freies Orchester hart getroffen. Aber wir haben die Zeit genutzt, um unsere Position im internationalen Kulturbetrieb und den allmählichen Generationswechsel unter unseren Mitgliedern zu reflektieren. Auch haben wir neue Wege der Kommunikation beschritten, um unser Publikum noch enger an uns zu binden. Uns ist sehr bewusst geworden, dass Live-Erlebnisse, bei dem das Orchester mit dem Publikum im Saal gemeinsam atmet, unersetzlich sind.

    Insofern sehe ich es als positives Zeichen, dass unsere Vorstellungen mit dem Hamburg Ballett John Neumeier und den jungen Sängerinnen und Sängern des Vokalensemble Rastatt in den kommenden Tagen ausverkauft sind. Übrigens übernimmt mit Cecilia Bernardini unsere neue Künstlerische Ko-Leiterin die Position als Konzertmeisterin. Sie und der Dirigent Holger Speck erweisen sich hierbei als hervorragende Partner. Gemeinsam bieten wir dem Festspielhaus-Publikum in der hochkarätigen Interpretation von Tanz und Musik einzigartige Erlebnisse. Daran sollten wir in der Zukunft anknüpfen – in Baden-Baden, gerne aber auch in Hamburg.

    Jörn Rieckhoff

  • Always a Privilege

    Always a Privilege

    James Conlon is an internationally acclaimed conductor who is much in demand on both sides of the Atlantic Ocean. Since 2006, he has been LA Opera’s Music Director. For the current tour performances of John Neumeier’s “St. Matthew Passion”, he has accepted the musical direction of this ballet production – a rare incident, as he admits in his conversation with Jörn Rieckhoff.

    How did you experience the Covid restrictions since March 2020?

    James Conlon: There was almost exactly one year between my last performance in Europe (“Eugene Onegin” at the Rome Opera) and my first rehearsal in Europe. During this time, I stayed at home, and I must say, it was not all bad. My daughters came to us, and we, as a family, spent the year together. My little girl once said: “Papa, I have never seen you every night for dinner.” – So, there were many great things we experienced together.

    Then, projects started again last March, among others with the Deutsches Symphonie-Orchester in Berlin which was one of the few places that was trying to do something. It was still without live audience. But little by little, performances in public started. In Los Angeles, we re-opened the season with “Il Trovatore” and “Tannhäuser”. In most places where I conduct, the audience is between 50 and 60 % of the capacity. This is where we are, and it is our job to preserve classical music in a challenging time. Certainly, it will come back. And John is right: the sooner the better.

    James Conlon (c) Dan Steinberg

    When did you meet John for the first time? Obviously, I know about your collaboration on “Orpheus and Eurydice” at the LA Opera in 2018.

    It was before “Orpheus”. Of course, I knew all about him. I am not a ballet person, but everybody knows who John Neumeier is. I met him several years ago, when I conducted the New Year’s Eve concert of the NDR orchestra at the Elbphilharmonie in Hamburg. At the time, the Hamburg Ballet was doing performances of John’s “Christmas Oratorio I-VI”. Of course, I went to see it at the Hamburg State Opera, and there I actually met John backstage after the performance.

    Then came “Orpheus”. I enjoyed the collaboration very much. When the possibility came up that we would be able to do “St. Matthew Passion”, I completely jumped on it and said: “Yes, let’s do it!”

    Scene from John Neumeier’s „St. Matthew Passion“ at the Dorothy Chandler Pavilion in Los Angeles (c) Kiran West

    Both choreography and music have their own demands, and both you and John have enjoyed a tremendous international career. How can one imagine the working process of the two of you?

    The vocabularies of music and dance are different. They are almost like two different worlds. To be honest, I have almost systematically turned down any opportunity to conduct dance in any form. I had some experiences when I was very young, and I understood that the musical compromises that I felt I had to make, were just not to my taste. So, I avoided it all my life, but I made an exception for John – because he is John Neumeier, because the greatness of his art makes it worth surrendering a part of me in the service of this collaboration.

    “St. Matthew Passion” is a choreography that John created many decades ago. It was conceived with another conductor who had his ideas and feelings about tempi, and it is natural that mine are different.

    But let’s not talk so much about differences. With a lot of the tempi, I am able to do exactly what I would do anyway. They happened to work for John as well, and John has actually expressed flexibility. When it really matters to him, he tells me and says: “We cannot do this”, or: “We could do it, but it makes no sense and it does not project the feelings we need to have.” And then, I try to understand it, and I try to accommodate.

    The LA Opera Orchestra conducted by James Conlon, the ensemble of the Hamburg Ballet and the LA Opera Chorus during a performance of the „St. Matthew Passion“ at the Dorothy Chandler Pavilion in Los Angeles (c) Kiran West

    Can you describe the rehearsal process on the stage of the Dorothy Chandler Pavilion?

    We had relatively little time together on stage. The 48 hours were very, very challenging, because in the end, we had only one chance to get it all in place. Plus, the setup with the choruses placed at the back of the stage, is tremendously challenging for me and the orchestra, because we do not hear their sound directly.

    I would have preferred to put the choruses in the front of the public space by taking out the first few rows – or to have them on the side stages perform antiphonally. This would have been wonderful! Every alternative however, was taken away by the Covid restrictions of the County of Los Angeles. Anyway, in the course of the rehearsals, everybody was getting better and finally knew how to deal with the situation.

    James Conlon conducts performances of the „St. Matthew Passion“ in Los Angeles (c) Dan Steinberg

    We are very grateful for the energy and anticipation you put into planning our common project to invite John and the Hamburg Ballet to Los Angeles.

    Both Christopher Koelsch and I were passionate about the idea that this would take place. Now, that everybody has come together, it is a great moment for me. I love the collaboration with John! To conduct the “St. Matthew Passion”, is always a privilege. To do it in a way that you live with it for several weeks – this is truly wonderful!

    Jörn Rieckhoff

  • Jedes Mal ein Privileg

    Jedes Mal ein Privileg

    James Conlon wird als international gefragter Dirigent auf beiden Seiten des Atlantiks hochgeschätzt. Seit 2006 ist er »Music Director« der Los Angeles Opera. Für das aktuelle Gastspiel mit John Neumeiers »Matthäus-Passion« hat er die musikalische Leitung dieser Ballettproduktion übernommen. Ein Ereignis mit Seltenheitswert, wie er in seinem Büro gegenüber Jörn Rieckhoff bekennt.

    Wie haben Sie die Corona-Beschränkungen seit März 2020 empfunden?

    James Conlon: Es verging fast auf den Tag genau ein Jahr zwischen meiner letzten Aufführung in Europa (»Eugen Onegin« an der Oper in Rom) und meiner ersten Probe in Europa. In dieser Zeit war ich zu Hause, und ich muss sagen, es hatte auch sein Gutes. Meine Töchter kamen zu uns und wir verbrachten das Jahr zusammen als Familie. Einmal sagte meine jüngere Tochter: »Papa, ich habe Dich noch nie jeden Tag zum Abendessen gesehen.« – Es gab also viele tolle Momente, die wir gemeinsam erlebten.

    Im vergangenen März fingen die Projekte wieder an, unter anderem mit dem Deutschen Symphonie-Orchester in Berlin, einem der wenigen Orte, wo man versuchte, etwas zu machen. Es war noch ohne Live-Publikum. Aber nach und nach gab es auch wieder Konzerte mit Publikum im Saal. In Los Angeles führten wir am Saisonbeginn zur Wiedereröffnung »Il Trovatore« und »Tannhäuser« auf. In den meisten Häusern, in denen ich dirigiere, liegt die Auslastung zwischen 50 und 60 %. Das ist der derzeitige Stand, und es ist unsere Aufgabe, klassische Musik in einer herausfordernden Zeit zu bewahren. Sie wird sicher zurückkommen. Und John hat recht: je eher, desto besser.

    James Conlon (c) Dan Steinberg

    Wann haben Sie John zum ersten Mal getroffen? Natürlich weiß ich von Ihrer Zusammenarbeit bei »Orpheus and Eurydice« 2018 an der LA Opera.

    Das war vor »Orpheus«. Selbstverständlich wusste ich alles über ihn. Ich bin kein Ballettmensch, aber jeder weiß, wer John Neumeier ist. Ich traf ihn vor etlichen Jahren, als ich das Silvesterkonzert des NDR-Orchesters in der Elbphilharmonie in Hamburg dirigierte. Zu jener Zeit gab das Hamburg Ballett Aufführungen von Johns »Weihnachtsoratorium I-VI«. Natürlich habe ich es mir in der Hamburgischen Staatsoper angesehen, und dort traf ich nach der Aufführung John auf der Bühne.

    Dann kam »Orpheus«. Ich hatte viel Freude an der Zusammenarbeit. Als sich die Möglichkeit abzeichnete, dass wir die »Matthäus-Passion« zusammen aufführen könnten, habe ich sofort und mit Begeisterung reagiert: »Ja, das müssen wir unbedingt machen!«

    Momentaufnahme aus John Neumeiers »Matthäus-Passion« im Dorothy Chandler Pavilion in Los Angeles (c) Kiran West

    Choreographie und Musik haben jeweils ihre eigenen Ansprüche, und sowohl Sie als auch John können auf eine erfolgreiche internationale Karriere zurückblicken. Wie kann man sich die Zusammenarbeit von Ihnen beiden vorstellen?

    Das Vokabular von Musik und von Tanz sind unterschiedlich. Es sind beinahe zwei verschiedene Welten. Um ehrlich zu sein, habe ich fast systematisch jede Anfrage abgelehnt, Tanz in irgendeiner Form zu dirigieren. Als junger Mann habe ich meine Erfahrungen gemacht, und ich verstand, dass die musikalischen Kompromisse, die meinem Empfinden nach nötig wären, mir einfach nicht zusagten. Ich vermied das mein Leben lang, aber für John habe ich eine Ausnahme gemacht – weil er John Neumeier ist, weil die Bedeutung seiner Kunst es wert ist, einen Teil von mir im Dienst dieser Zusammenarbeit aufzugeben.

    »Matthäus-Passion« ist eine Choreografie, die John vor mehreren Jahrzehnten kreiert hat. Sie wurde mit einem anderen Dirigenten konzipiert, der seine Ideen und Gefühle zu Tempofragen hatte, und es ist ganz natürlich, dass das nicht meine sind.

    Wir sollten aber nicht nur über Unterschiede sprechen. Bei vielen der Tempi kann ich genau das machen, was ich mir ohnehin vorstelle. Zufällig entsprachen sie auch Johns Vorstellungen, und John hat sich seinerseits flexibel gezeigt. Wenn ihm etwas wirklich wichtig ist, sagt er es mir, etwa: »Wir können das nicht machen«, oder: »Wir könnten es machen, aber es ergibt keinen Sinn und drückt nicht die Gefühle aus, die wir benötigen.« Und dann versuche ich, es zu verstehen und mich anzupassen.

    Das LA Opera Orchestra unter der Leitung von James Conlon, das Ensemble des Hamburg Ballett und der LA Opera Chor bei einer Aufführung der »Matthäus-Passion« im Dorothy Chandler Pavilion in Los Angeles (c) Kiran West

    Bitte beschreiben Sie den Probenprozess auf der Bühne des Dorothy Chandler Pavilion.

    Wir hatten vergleichsweise wenig Zeit auf der Bühne. Die 48 Stunden waren extrem herausfordernd, denn wir hatten am Ende nur eine Probe, um alles zusammenzubringen. Dazu ist die Aufstellung mit den Chören im hinteren Teil der Bühne eine enorme Herausforderung für mich und das Orchester, weil wir den Chorklang nicht direkt hören.

    Ich hätte es vorgezogen, die Chöre direkt vor dem Publikum zu platzieren, anstatt der ersten Sitzreihen – oder auf den Seitenbühnen für eine bessere Raumwirkung. Das wäre wunderbar gewesen! Jede Alternative ließ sich jedoch aufgrund der Corona-Beschränkungen des Los Angeles County nicht umsetzen. Glücklicherweise hat es sich im Laufe der Proben allmählich eingespielt und inzwischen weiß jede und jeder, mit der Situation umzugehen.

    James Conlon dirigiert die Aufführungen der »Matthäus-Passion« in Los Angeles (c) Dan Steinberg

    Wir sind sehr dankbar für Ihre Energie und Vorfreude, die Sie in die Planung unseres gemeinsamen Projekts eingebracht haben, John und das Hamburg Ballett nach Los Angeles einzuladen.

    Christopher Koelsch und ich waren sofort Feuer und Flamme. Jetzt, da alle zusammengekommen sind, erlebe ich es als einen großartigen Moment. Ich liebe die Zusammenarbeit mit John! Die »Matthäus-Passion«zu dirigieren, ist jedes Mal ein Privileg. So etwas über mehrere Wochen zu erleben – das ist wirklich wunderbar!

    Jörn Rieckhoff

  • Incredibly Inspiring!

    Incredibly Inspiring!

    LA Opera’s President and CEO Christopher Koelsch reveals why he made every effort to invite John Neumeier and the Hamburg Ballet to Los Angeles.

    The Hamburg Ballet performs in Los Angeles two ballets by John Neumeier: “St. Matthew Passion” and “Bernstein Dances”. Both productions are presented in the same theater, the Dorothy Chandler Pavilion in Downtown LA, the city’s center and business district with its impressive skyscrapers.

    The six performances of “St. Matthew Passion” are presented by Los Angeles Opera which is directed by Christopher Koelsch since 2012.

    The full title of his position is: Sebastian Paul and Marybelle Musco President and Chief Executive Officer.

    In an interview, he explains that he had strived for decades to bring John Neumeier to Los Angeles. He remembers that the co-production of Gluck’s “Orpheus and Eurydice” which was also presented at the Lyric Opera of Chicago and the Hamburg State Opera, was “a massive success” in Los Angeles. Alongside the rehearsals, he established serious negotiations about bringing John back to LA: “He had a ton of ideas.” Eventually, it was agreed to work on guest performances of “St. Matthew Passion” – the ballet with which John Neumeier and the Hamburg Ballet had caused a sensation during four tours of the US in the 1980s.

    Marc Jubete and Ensemble in „St. Matthew Passion“. In the background sings the LA Opera choir (c) Kiran West

    When thinking about the current performance series, Koelsch becomes quite enthusiastic: “Bach’s St. Matthew Passion is an unrivaled masterpiece and one of his greatest works. The seriousness of the work and the clarity of his vision are incredibly inspiring! This level of integrity really comes across to the audience.” During opening night, one could watch this expectation become true. The audience celebrated all artists involved with standing ovations.

    Jörn Rieckhoff

  • Unglaublich inspirierend!

    Unglaublich inspirierend!

    Der Intendant der LA Opera Christopher Koelsch verrät im Gespräch mit Jörn Rieckhoff, weshalb er alles daransetzte, John Neumeier und das Hamburg Ballett nach Los Angeles einzuladen.

    Das Hamburg Ballett zeigt in Los Angeles die beiden Ballette »Matthäus-Passion« und »Bernstein Dances« von John Neumeier. Beide Produktionen werden im Dorothy Chandler Pavilion gezeigt – in »Downtown LA«, dem Zentrum und Geschäftsviertel der Stadt mit seinen beeindruckenden Wolkenkratzern.

    Veranstalter der insgesamt sechs Aufführungen von »Matthäus-Passion« ist die Los Angeles Opera, die Christopher Koelsch seit 2012 leitet.

    In Deutschland würde man sagen: als Intendant. Hier lautet sein voller Titel: Sebastian Paul and Marybelle Musco President and Chief Executive Officer.

    Im Interview berichtet Christopher Koelsch, er hätte sich seit Jahrzehnten darum bemüht, John Neumeier nach Los Angeles zu locken. Die Koproduktion von Glucks »Orpheus and Eurydice«, an der sich neben der Lyric Opera of Chicago auch die Hamburgische Staatsoper beteiligte, war in Los Angeles »ein Riesenerfolg«. Parallel zu den Proben kam es zu ernsthaften Gesprächen: »John hatte unglaublich viele Ideen!« Letztlich einigte man sich auf seine »Matthäus-Passion«das Ballett, mit dem John Neumeier und seine Compagnie bereits in den 1980er Jahren bei vier US-Gastspielen für Furore gesorgt hatten.

    Marc Jubete und das Ensemble des Hamburg Ballett in »Matthäus-Passion«- Im Hintergrund singt der Chor der LA Opera (c) Kiran West

    Beim Gedanken an die derzeitigen Aufführungen gerät Koelsch regelrecht ins Schwärmen: »Bachs ›Matthäus-Passion‹ ist ein unvergleichliches Meisterwerk. Die Ernsthaftigkeit von Johns Arbeit und die Klarheit seiner Vision sind unglaublich inspirierend! Diese Wahrhaftigkeit spürt auch das Publikum.« Am Premierenabend konnte man beobachten, dass diese Erwartung tatsächlich in Erfüllung ging: Mit Standing Ovations feierte das Publikum alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler.

    Jörn Rieckhoff

  • Back to Live Ballet Performances

    Back to Live Ballet Performances

    Since the closure of theaters as part of the Covid restrictions in March 2022, there were no indoor ballet performances in Los Angeles – until the Hamburg Ballet performed John Neumeier’s “Bernstein Dances” on the stage of the Dorothy Chandler Pavilion. Rachel S. Moore, president and CEO of The Music Center, explains in a conversation with Jörn Rieckhoff why this guest appearance is particularly important for her.

    In Los Angeles, the Hamburg Ballet presents two ballets by John Neumeier. Although both are performed in the same theater, the productions are invited by two entirely independent presenters. For “Bernstein Dances”, it is “The Music Center”. This performing arts center manages a campus in Downtown LA that includes, among others, the Walt Disney Concert Hall. In spring, The Music Center also presents its own dance series, “Glorya Kaufman Presents Dance at The Music Center”, which is curated by its President and CEO Rachel Moore.

    In her past position as the CEO of American Ballet Theatre, Moore once already succeeded in inviting John Neumeier: as guest choreographer of her former company for the staging of his ballet “Lady of the Camellias”. Still, she well remembers this event: “It was just incredible to see that ballet on the stage of the Metropolitan Opera House in New York!”

    John Neumeier at the premiere reception of „Bernstein Dances“ (c) Shannon West

    Even though Moore successfully reached new audiences with digital arts programs during the past two years, she is deeply convinced that live performances are of vital significance: “It is core to our humanity.” When being asked how she took the courageous decision to invite the Hamburg Ballet to an overseas tour already during the current season, she takes a clear stance: “We are not going to let this virus keep us from the work we consider essential. We are convinced that the performing arts make people’s life better. They are critical for our mental health, critical for our sense of community – critical also for a prospering economy.”

    It is with great joy that Rachel Moore experiences the current reunion with John Neumeier in Los Angeles: “There is no one like John. He is an incredible artist and an incredible human being – and I am honored that he is a friend.”

    Jörn Rieckhoff

  • Endlich wieder Live-Ballett!

    Endlich wieder Live-Ballett!

    Seit den Theaterschließungen im Zuge der Corona-Beschränkungen im März 2020 gab es in Los Angeles keine Ballettvorstellungen in Innenräumen – bis das Hamburg Ballett am 11. März John Neumeiers »Bernstein Dances« im Dorothy Chandler Pavilion auf die Bühne brachte. Rachel S. Moore, Intendantin des Music Centers, erzählt im Gespräch mit Jörn Rieckhoff, weshalb ihr dieses Gastspiel besonders am Herzen liegt.

    Obwohl das Hamburg Ballett zwei Ballette im gleichen Theater von Los Angeles zeigt, werden die Produktionen von zwei völlig unabhängigen Veranstaltern betreut. Für die Aufführungen von »Bernstein Dances« wird das Hamburg Ballett präsentiert von »The Music Center«. Diese Kultur-Organisation verwaltet im Auftrag des Los Angeles County ein großes Areal in Downtown LA, zu dem auch die Walt Disney Concert Hall gehört. Daneben veranstaltet das Music Center die Frühlingsserie »Glorya Kaufman Presents Dance at The Music Center«, die von Rachel Moore als Intendantin und Geschäftsführerin auch kuratiert wird.

    Schon einmal gelang es Moore als CEO des American Ballet Theatre, John Neumeier in die USA einzuladen: als Gastchoreograf ihrer damaligen Compagnie für die Einstudierung seines Balletts »Die Kameliendame«. Nur allzu gut kann sie sich an dieses Ereignis erinnern: »Es war einfach wunderbar, dieses Ballett auf der Bühne der Metropolitan Opera in New York zu erleben!«

    John Neumeier beim Premierenempfang von »Bernstein Dances« (c) Shannon West

    Obwohl Moore im Zuge der Pandemie neue Zielgruppen mithilfe digitaler Angebote erschließen konnte, ist sie überzeugt von der fundamentalen Bedeutung von Live-Aufführungen: »Es gehört zum Wesen unseres Menschseins.« Auf die Frage, woher sie den Mut nahm, das Hamburg Ballett schon in dieser Saison zu einer Überseetournee einzuladen, gibt sie sich kämpferisch. »Wir werden diesem Virus nicht erlauben, uns von der Arbeit abzuhalten, die wir als wesentlich empfinden. Wir sind überzeugt, dass die Bühnenkünste das Leben der Menschen verbessern. Sie sind entscheidend für unsere geistige Gesundheit, entscheidend für unseren Gemeinschaftssinn – entscheidend auch für eine florierende Wirtschaft.«

    Mit großer Freude erlebt sie nun das Wiedersehen mit John Neumeier in Los Angeles: »John ist einzigartig. Er ist großartig als Künstler wie als Mensch, und – das ehrt mich – er ist auch ein Freund.«

    Jörn Rieckhoff

  • Off to LA!

    Off to LA!

    In March, the Hamburg Ballet dances a total of nine performances in Los Angeles at the Dorothy Chandler Pavilion: John Neumeier’s “St. Matthew Passion” and “Bernstein Dances”. Jörn Rieckhoff reports on the logistical challenges of a guest performance in Corona times.

    The company is packing its bags because it’s off to Los Angeles! © Kiran West

    As a U.S. American, John Neumeier has always attached great importance to being artistically present in the country of his birth: as a guest choreographer with the major companies and also with „his“ Hamburg Ballet. Despite the considerable effort involved, he has even increased his commitment in recent years: the trip to Los Angeles planned for March will already be the fifth US guest performance since 2013.

    Nevertheless, a tour of this kind is anything but a matter of course, because in the U.S. there is no system of state funding for culture comparable to Germany. Traditional sponsorship money, however, is dependent on the economic environment, so the cultural sector was hit with full force by the Corona pandemic. The invitation of the Hamburg Ballet to Los Angeles at a time when U.S. theaters are struggling to find their bearings in a „new normal“ is ultimately due to the legendary reputation that John Neumeier enjoys worldwide.

    Marc Jubete and the ensemble in „St. Matthew Passion“ © Kiran West

    For the management of the Hamburg Ballet, planning this tour of several weeks under corona conditions is a challenge. The organization of the entry permit for the 110-member team proved to be particularly sensitive. Tour Manager Leonie Miserre relates, „For the U.S., we need special visas, which were particularly difficult to obtain in the current situation.“

    As if that was not enough, all tour members without U.S. passports had to travel in person to the U.S. consulate in Frankfurt so that visas could be issued. Also due to the Corona pandemic is the international transportation crisis. As early as October, it became apparent that not only the Port of Los Angeles but also the alternate ports on the West Coast would be permanently overloaded. As a result, Leonie Miserre, with the support of a long-standing logistics partner, had the containers with the stage set, the transport crates and further technical equipment landed in Charleston, South Carolina: „The 4,000 km on trucks across the USA was the safest way to ensure that our material would arrive in Los Angeles on time.“

    The transport boxes have already come a long way © Press Office

    Within three weeks, Hamburg Ballet will present John Neumeier’s ballets „Bernstein Dances“ and „St. Matthew Passion“ at the Dorothy Chandler Pavilion in Los Angeles. The technical crew of the Hamburg Ballet traveled to Los Angeles a few days in advance to supervise the construction of the stage for the two so different productions. The dancers, ballet masters and administration followed them to California’s largest city on March 5. We will report from Los Angeles!

    Jörn Rieckhoff

  • Auf nach Los Angeles!

    Auf nach Los Angeles!

    Im März tanzt das Hamburg Ballett in Los Angeles insgesamt neun Aufführungen im Dorothy Chandler Pavilion: John Neumeiers »Matthäus-Passion« und »Bernstein Dances«. Jörn Rieckhoff berichtet über die logistischen Herausforderungen, die ein Ballett-Gastspiel in Corona-Zeiten mit sich bringt.

    Für die Compagnie heißt es Koffer packen, denn es geht nach Los Angeles! © Kiran West

    Als US-Amerikaner legt John Neumeier seit jeher großen Wert darauf, in seinem Geburtsland künstlerisch präsent zu sein: als Gastchoreograf bei den bedeutenden Compagnien und auch mit »seinem« Hamburg Ballett. Ungeachtet des erheblichen Aufwands hat er sein Engagement in den letzten Jahren sogar verstärkt: Die für März geplante Reise nach Los Angeles ist bereits das fünft­e US-Gastspiel seit 2013.

    Trotzdem ist eine derartige Tournee alles andere als selbstverständlich, denn in den USA gibt es kein mit Deutschland vergleichbares System staatlicher Kulturfinanzierung. Die traditionellen Sponsorengelder aber sind abhängig vom wirtschaft­lichen Umfeld, sodass die Kulturbranche von der Corona-Pandemie mit voller Wucht getroffen wurde. Die Einladung des Hamburg Ballett nach Los Angeles in einer Phase, in der sich die US-Theater mühsam in einer »neuen Normalität« orientieren, verdankt sich letztlich dem legendären Ansehen, das John Neumeier weltweit genießt.

    Marc Jubete und das Ensemble in »Matthäus-Passion« © Kiran West  

    Für das Management des Hamburg Ballett ist die Planung dieser mehrwöchigen Tournee unter Corona-Bedingungen eine Herausforderung. Als besonders sensibel erwies sich die Organisation der Einreiseerlaubnis für das 110-köpfige Team. Gastspielleiterin Leonie Miserre erzählt: »Für die USA benötigen wir spezielle Visa, die in der aktuellen Situation besonders schwer zu bekommen waren.«

    Damit nicht genug: Alle Tour-Mitglieder ohne US-Reisepass mussten persönlich zum US-Konsulat nach Frankfurt reisen, damit die Visa ausgestellt werden konnten. Ebenfalls der Corona-Pandemie geschuldet ist die internationale Transportkrise. Bereits im Oktober wurde offensichtlich, dass nicht nur der Hafen von Los Angeles, sondern auch die Ausweichhäfen an der Westküste dauerhaft­ überlastet sein würden. Daraufhin ließ Miserre mit der Unterstützung eines langjährigen Logistikpartners die Container mit dem Bühnenbild, den Transportkisten und weiterem technischen Equipment in Charleston, South Carolina anlanden: »Die 4.000 km auf Trucks quer durch die USA waren der sicherste Weg, damit unser Material rechtzeitig in Los Angeles eintreffen würde.«

    Die Transportkisten haben bereits einen weiten Weg hinter sich © Pressestelle    

    Innerhalb von drei Wochen zeigt das Hamburg Ballett John Neumeiers Ballette »Bernstein Dances« und »Matthäus-Passion« im Dorothy Chandler Pavilion in Los Angeles. Die technische Crew des Hamburg Ballett reiste schon wenige Tage im Vorfeld nach Los Angeles, um den Aufbau der Bühne für die zwei so unterschiedlichen Produktionen zu betreuen. Die Tänzer*innen, Ballettmeister*innen und die Administration folgten ihnen am 5. März in die größte Stadt Kaliforniens. Wir werden aus Los Angeles berichten!

    Jörn Rieckhoff