Autor: Nathalia Schmidt

  • »Illusionen – wie Schwanensee« aus den Augen junger Tänzer

    »Illusionen – wie Schwanensee« aus den Augen junger Tänzer

    »Illusionen – wie Schwanensee« ist seit dem 8. April wieder in der Hamburgischen Staatsoper zu sehen. Bereits vor der offiziellen Wiederaufnahme haben eine Ballettschülerin und ein Ballettschüler der Ballettschule des Hamburg Ballett die Hauptprobe des Stückes besucht. Ihre Eindrücke und Gedanken fassen sie für uns zusammen.

    Ich machte die Augen zu und atmete ein. Ich bin wieder ein kleines Kind, das die Musik von Schwanensee aus seiner Spieluhr hört. Die Tänzerin dreht sich in dem Schmuckkästchen und mich ergreift eine magische Atmosphäre. Dieses Mal brauchte ich meiner Fantasie keinen freien Lauf zu lassen, weil die Magie vor mir auf der Bühne ist.

    Schwanensee ist eines der wichtigsten Werke, welches die Ballettgeschichte geschrieben hat. Eines von denen, welches jeder Tänzer einmal in seiner Karriere gerne tanzen würde. »Illusionen-wie Schwanensee« von John Neumeier hat aber etwas Spezielles an sich, etwas Besonderes. Die komplizierte und mysteriöse Geschichte vom König Ludwig II, seine Vorstellungen, die dunkle Seele, die Schönheit der Schwäne und ihre Reinheit faszinieren die Zuschauer, die sich von der Geschichte in eine parallele Welt transportieren lassen. Das Ballett ist eine perfekte Kombination von Ausdruck, schönen Bühnenbildern, magischer Musik und wunderbaren Tänzern. Mein Lieblingsteil ist der originale zweite Akt, welcher in dieser Version von John Neumeier mit dem ersten verbunden wurde. Meine Augen glänzen, wenn ich die Magie, die Schönheit und die Leichtigkeit der Schwäne sehe. Ich mag ihre leichten Bewegungen der Arme und wie sie auch durch den Ausdruck ihre Zerbrechlichkeit und Scheu zeigen. Die Musik hebt all diese Aspekte noch mehr hervor.

    Ich bin deshalb sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit bekam, dieses sensationelle Werk zu genießen und in diese parallele Welt transportiert wurde. Die Vorhänge schließen sich wieder, das Licht geht an, das Ballett ist zu Ende. Aber in meinem Kopf spielt die Musik weiter und die Musik übermannt mich nach wie vor…

    Anna Zavalloni, Ballettschule des Hamburg Ballett, Klasse VI

    Edvin Revazov und im Hintergrund: Schülerinnen und Schüler der Ballettschule © Kiran West

    John Neumeiers »Illusionen – wie Schwanensee« feierte am 08. April seine Wiederaufnahme und kehrte zurück auf die Bühne der Hamburgischen Staatsoper. Auch 42 Jahren nach der Uraufführung 1976, zählt das Ballett weiterhin zu den beliebtesten Werken von John Neumeier und präsentiert sich mit einer neuen Tänzergeneration und vielen Rollendebuts.

    Vor der Wiederaufnahme hatte ich, als Schüler der Ballettschule des Hamburg Ballett, die wunderbare Möglichkeit, die Hauptprobe in voller Länge zu sehen. Es war spannend zu erleben, wie John Neumeier nach dem traditionellen »Schwanensee« eine eigene Fassung entwickelte und die Handlung um den bayerischen König Ludwig II aufbaute. Ich fand es faszinierend, wie er als halluzinierender König in einem großartigen Bühnenbild von Jürgen Rose in den Räumen seiner Schlösser dargestellt wird.

    Die Idee, diese Handlung mit dem traditionellen Schwan-Akt zu verbinden, ist zugleich eine tolle Kombination der klassischen Ballett-Tradition mit spannenden, neuen Ideen. So entsteht die Möglichkeit, die Schönheit der traditionellen Fassung in Verbindung mit einer neuen, ergreifenden Geschichte in einer unverwechselbaren Version zu erleben.

    Philip Langen, Ballettschule des Hamburg Ballett, Klasse V

    Hélène Bouchet und Edvin Revazov – Prinzessin Natalia und der König im Ballsaal des Schlosses © Kiran West
  • BallettTester »Illusionen – wie Schwanensee«

    BallettTester »Illusionen – wie Schwanensee«

    Vor der Wiederaufnahme von John Neumeiers Ballett »Illusionen – wie Schwanensee« durften zwei junge BallettTesterinnen das Stück bereits vor allen anderen bei der Hauptprobe erleben. Wir freuen uns sehr, dass Marlene Hausen und Katia Marin ihre Eindrücke und Erlebnisse mit uns teilen:

    Am 6. April 2018 durfte ich als BallettTesterin die Hauptprobe des Stückes »Illusionen – wie Schwanensee« sehen. Darüber habe ich mich riesig gefreut! Ich hatte zusammen mit einer anderen Balletttesterin tolle Plätze, von wo aus wir alles genau sehen konnten. Ich war überrascht, dass in dem Stück so viele akrobatische Hebefiguren gezeigt wurden; auch Räder wurden geschlagen und Flickflacks rückwärts wurden gezeigt. Das hat mir besser gefallen und war aufregender als in dem Originalstück »Schwanensee«. Sogar einige kleinere Kinder haben in dem Stück mitgespielt. Da hätte ich am liebsten auch mitgetanzt. 

    Alle Figuren wurden toll gespielt bzw. getanzt. Die Kostüme waren richtig schön – besonders die der Schwäne. Das Stück ging ziemlich lang, aber es war an keiner Stelle langweilig. Am Schluss fiel ein riesiges blaues Tuch über den König und den Mann im Schatten und die beiden wurden verdeckt und der König ertrank im See. Das war traurig, aber es sah toll aus!

    Marlene Hausen, Schülerin, 10 Jahre

    © Kiran West

    Die Geschichte von Schwanensee in einem interessanten anderen Rahmen zu sehen, hat mich bezaubert. Nach der Aufführung habe ich mich wie der König gefühlt, der sich zwischen seinen Erinnerungen und der Realität verloren hat.

    Ich hatte nicht das Gefühl, dass Menschen getanzt haben, sondern eher märchenhafte Kreaturen. Es schien mir fast so, als hätten die Tänzer keine Körper – für mich flogen sie in der Luft wie Schleier. Doch die menschlichen Gefühle konnte ich gut erkennen und mich so in die Rollen hineinversetzen…

    Die Kostüme der königlichen Zeit haben die Rollen gut dargestellt und die Farben haben sich wunderbar ergänzt. Jedes Detail, jedes kleinste Ornament war harmonisch. Das Kostüm der Schwanenprinzessin hat mich fasziniert, und die Bewegungen und die Formen der Schwäne waren äußerst gut choreografiert. Ich war mir sicher, dass vor mir Schwäne geschwommen sind und nicht Menschen, die getanzt haben. Insgesamt war das klassisch und originell.

    Das Bühnenbild ist wie ein Gemälde! Die Farben und die Musik passen zusammen und jeder Ort der Träume und der Erinnerung kontrastiert wunderbar mit den Orten der »Realität« im Stück, wo sogar das Licht, das durch die Fenster den Raum erleuchtete, realistisch schien. 

    Die Geschichte sowie die Tänze von »Schwanensee« wurden respektiert, jedoch persönlich und modern interpretiert. Ballett im zeitgenössischen Stil und mit Geschmack. Die Musik von Tschaikowsky ist natürlich transzendent, aber im Zusammenhang mit dem Licht, den Figuren und der leidenschaftlichen Interpretation ist der atemberaubende Effekt garantiert. 

    Letztendlich kann man nicht alles in Worte fassen – man muss es erleben, um zu verstehen. Wo die Worte aufhören, fängt die Kunst an. Dunkler Saal, Stille, Vorhang auf und Musik!

    Katia Marin, Erasmus-Studentin aus Frankreich, 18 Jahre

  • Von Seide, Schwänen und Schlagmetall

    Von Seide, Schwänen und Schlagmetall

    Am 8. April steht die Wiederaufnahme von John Neumeiers Ballett »Illusionen – wie Schwanensee« auf dem Spielplan des Hamburg Ballett. Damit das 1976 uraufgeführte Stück auf die Bühne der Hamburgischen Staatsoper zurückkehren kann, wird in den Werkstätten seit Wochen intensiv am Bühnenbild gearbeitet. Eines der aufwendigsten Projekte, mit dem die Theatermalerinnen und -maler zurzeit beschäftigt sind, ist der blau-goldene Schmuckvorhang. Wir haben die Kolleginnen und Kollegen in den Werkstätten besucht und ihnen bei der Arbeit über die Schulter geschaut.

    Zeichnen, Tupfen, Malen, Schneiden, Kleben: Seit neun Wochen arbeiten die Theatermalerinnen und -maler in den Werkstätten in Hamburg-Barmbek am Schmuckvorhang für »Illusionen – wie Schwanensee«. Insgesamt fast 170 Quadratmeter Seide werden für die Neuanfertigung des Vorhangs aufwendig von Hand verziert. Denn der Originalvorhang hat nach 42 Jahren im Bühneneinsatz ausgedient. Die goldene Farbe hat an Glanz verloren und blättert langsam ab, die Seide franst aus und wird löchrig. Nun dient das Original, das für die Uraufführung des Balletts ursprünglich in München angefertigt wurde, als Vorlage für die Neugestaltung und hängt imposant im großen Malsaal der Opernwerkstätten.

    Auf dem Boden davor liegt der neue Vorhang, an dem an allen Seiten fleißig gearbeitet wird. Die Theatermalerin Natalia Vottariello erklärt, wie man ein solches Großprojekt angeht: »Zunächst wurde der Stoff ausgesucht – wir brauchen eine sehr leichte und feine Seide, damit der Vorhang nicht zu steif wirkt und sich gut bewegen lässt. Nachdem der Stoff gefunden war, wurde er extra eingefärbt und an die Farbigkeit des Originalvorhangs angepasst und anschließend mit Essigwasser imprägniert. Das verhindert später, dass die aufgetragenen Farben auslaufen.«

    Muster für die Schatten-Schablonen

    Bevor mit den Verzierungen begonnen werden konnte, wurden mehrere breite Streifen der Seide für die benötigte Größe des Tuchs zusammengenäht. Damit sich die dabei entstehenden Nähte in das Muster einfügen, wurde vorher anhand des Originaltuchs genau errechnet, wie breit die Streifen sein müssen. Um das Muster der Verzierungen passgenau auf den neuen Vorhang zu übertragen, haben die Theatermalerinnen und -maler den Stoff zunächst mithilfe von Fäden in quadratische Raster eingeteilt und die Maße der Verzierungen des Originalvorhangs übertragen. »Als diese Vorarbeit geschafft war, haben wir die Lilien und Schwäne, die das Tuch verzieren, auf weißem Satin neu angefertigt. Da aufgetragene weiße Farbe auf blauem Grund nicht so gut zur Geltung kommt, werden diese Elemente nicht aufgemalt, sondern aus Stoff angefertigt und später aufgeklebt«, erklärt Natalia Vottariello. Die Dekorateurinnen und Dekorateure schneiden die insgesamt 160 Lilien und Schwäne dafür von Hand aus.

    Im nächsten Schritt wurden die unterschiedlichen Ornamente des Vorhangs auf Schablonierpapier übertragen, mithilfe der Schablonen wurde dann die goldene Bordüre auf den Stoff gesetzt. Vergoldet wird nicht mit Goldfarbe, sondern mit Schlagmetall, erläutert Theatermalerin Jezebel Nachtigall, die ebenfalls am Schwanensee-Vorhang arbeitet: »Mit goldener Farbe zu arbeiten, hätte uns sicher zwei bis drei Arbeitsschritte gespart, denn das Auftragen des Schlagmetalls ist sehr aufwendig. Aber Goldfarbe ist matter und hat nicht so viel Strahlkraft wie Schlagmetall. Das Ergebnis wird so viel edler«, erklärt sie.

    Mit diesen Schablonen werden die goldenen Ornamente aufgetragen

    Warum das Auftragen des Schlagmetalls so aufwendig ist, demonstrieren Natalia Vottariello und Jezebel Nachtigall dann auch direkt: Bevor die hauchdünnen quadratischen Blättchen aufgelegt werden können, muss die sogenannte Anlegemilch in zwei Schichten auf den Stoff aufgetragen werden; sie dient als Kleber. Nach dem Auftragen der Anlegemilch muss diese jeweils ca. 10 Minuten trocknen, erst dann kann das empfindliche Schlagmetall aufgelegt und an die Form der Schablone angepasst werden. Die Goldblättchen dürfen dabei nur mit Handschuhen angefasst werden, da das Gold sonst durch den Schweiß der Hände oxidieren könnte. Sitzt das Gold perfekt, wird es mit einem Überzugslack fixiert. Zum Schluss werden mit dunklerer Stofffarbe Schatten auf die goldenen Ornamente gesetzt; für eine dreidimensionale Wirkung, die auch aus größerer Entfernung – wie aus dem Zuschauerraum – sichtbar ist.

    Stück für Stück entstehen so die goldene Bordüre und die kreisförmigen Ornamente des Tuchs, in die später die Stofflilien und -schwäne geklebt werden. An einem Arbeitstag schaffen es die Malerinnen und Maler, durchschnittlich 16 Quadratmeter Stoff zu vergolden – im Sitzen: »Größere Muster wie die Schwäne können wir im Stehen mit langen Theatermalerpinseln malen. Die meisten Ornamente des Tuchs sind aber so fein, dass sie im Sitzen und mit kleineren Pinseln aufgetragen werden müssen. Eigentlich malen wir fast alle Details auf dem Boden kriechend«, sagt Natalia Vottariello lachend. Dabei darf das Tuch natürlich nicht mit Straßenschuhen betreten werden. Am Rand liegen Schläppchen und Hausschuhe bereit, manche der Malerinnen und Maler haben nur ihre Socken an. So arbeiten sie sich auf ihren Sitzkissen von Raster zu Raster vorwärts.

    Theatermalerin Natalia Vottariello trägt das Schlagmetall auf

    Im direkten Vergleich der beiden Vorhänge wird deutlich, welche Spuren die 42 Jahre des Einsatzes am Original hinterlassen haben: Die Farben leuchten nicht mehr so eindringlich, das Gold verblasst und an manchen Stellen haben sich kleine Löcher in der Seide gebildet. Einerseits ist das ein natürlicher Prozess in der Alterung des Stoffes. Andererseits wurden zur Zeit der Anfertigung des Originaltuchs natürlich auch andere Materialen genutzt, erklärt Jezebel Nachtigall: »Das Gold wurde beispielsweise mit einem Kleber aufgetragen, der die Seide stärker angreift als neuere Produkte, die auf Wasserbasis produziert werden und damit schonender für den Stoff sind.«

    Als feststand, dass »Illusionen – wie Schwanensee« auf den Spielplan zurückkehrt, war schnell klar, dass der Vorhang neu angefertigt werden muss, da eine Restauration des Originals zu aufwendig gewesen wäre. Bis Ende März muss die Arbeit abgeschlossen sein, da dann die technischen Einrichtungen auf der Bühne der Staatsoper stattfinden und der Vorhang gehängt wird. Bis dahin müssen noch Schwäne geklebt, Schattierungen gemalt, Ösen gestanzt und Ränder vernäht werden. Wenn das Tuch erst einmal hängt, können sie nicht mehr viel verändern.

    Betreten verboten! Es sei denn, man zieht die Schuhe aus …

    Deswegen hoffen die Theatermalerinnen und -maler, dass das Ergebnis ihrer Arbeit am Ende alle überzeugen wird. In Hochphasen arbeiten momentan sechs Personen gleichzeitig am Tuch. Da muss man sich gut absprechen, damit niemand aus Versehen in noch nicht getrocknete Farbe tritt. Fehler lassen sich nur sehr schwer wieder beheben, erläutern die Theatermalerinnen, da der Stoff sehr empfindlich ist und nicht einfach ausgewaschen werden kann.

    »Wir machen immer wieder Reparaturarbeiten an Bühnenbildern, das gehört zu unserem Alltag. Aber in dieser Dimension habe ich das noch nicht erlebt«, sagt Natalia Vottariello. Insgesamt werden sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dekorationswerkstätten 11 Wochen Arbeit in dieses eine Detail des Bühnenbildes investiert haben. Wie das fertige Tuch am Ende auf der Bühne wirkt – davon werden sich Jezebel Nachtigall und Natalia Vottariello auf jeden Fall selbst überzeugen.

    Frieda Fielers

  • Auf Tour in Japan

    Auf Tour in Japan

    Bereits zum achten Mal ist das Hamburg Ballett auf Tour in Japan. Im Gepäck befinden sich drei große Ballettproduktionen von John Neumeier: »Die Kameliendame« und »Nijinsky« sowie das Galaprogramm »The World of John Neumeier«. Das Gastspiel beginnt mit drei Vorstellungen der »Kameliendame« im Theater Bunka Kaikan. Ulrike Schmidt, Ballettbetriebsdirektorin und Stellvertreterin des Ballettintendanten John Neumeier, berichtet uns von der Ankunft der Compagnie in Tokio, von den letzten Proben und von weiteren schönen Erlebnissen vor Ort:
    TAG 1

    Bei sonnigem, aber kaltem Wetter, sind wir gegen 11 Uhr in Tokio gelandet. Vom Flughafen Haneda aus sind wir mit drei Bussen zu unserem Hotel gefahren. Eine schöne und neue Entdeckung ist das Hotel Okura – eines der ältesten Hotels in Tokio! In der Lobby des Hotels wurden wir sehr herzlich von unseren Gastspielpartnern der Japan Performing Arts Foundation (NBS) empfangen und alles war – wie fast immer in Japan – sehr gut organisiert, sodass alle nach diesem langen und auch anstrengenden Flug sehr schnell auf ihre Zimmer konnten. Ich selbst habe nur kurz das Zimmer bezogen und bin dann sofort weiter zum Theater Bunka Kaikan gefahren. Unsere Technik-Crew ist einen Tag vor uns nach Japan geflogen und hat – gemeinsam mit der uns schon bekannten und hoch geschätzten japanischen Crew – die technische Einrichtung unseres ersten Balletts auf dieser Tournee, »Die Kameliendame«, vorgenommen.

    Es ist eine große Freude, viele liebe Freunde im Theater wiederzusehen. Die Bühne mit der Dekoration von Jürgen Rose sieht sehr schön aus. Viele der wunderbaren Kostüme, die in der »Kameliendame« getragen werden, wurden extra für diese Tournee neu gemacht und begeistert von John Neumeier aufgenommen – ein großes Lob geht an die Kostümabteilung des Hamburg Ballett! Mit der Bahn ging es dann zurück ins Hotel, nun habe ich Zeit meinen Koffer auszupacken. Sehr müde gehe auch ich ins Bett. Die erste Nacht ist, durch die Zeitverschiebung von 8 Stunden, sehr unruhig, aber das kenne ich schon!

    Alina Cojocaru und Alexandr Trusch in »Die Kameliendame« © Kiran West
    TAG 2

    Nach einem herrlichen Frühstück – westlich oder japanischer Art – fahren wir mit der U-Bahn und Bus ( in Tokio bewegt man sich am schnellsten mit der U-Bahn) in das Gebäude des Tokyo Ballet, welches uns großzügigerweise einen Ballettsaal für unsere Proben zur Verfügung gestellt hat (im Theater selbst wird heute das Licht eingerichtet). Den gesamten Tag über proben die beiden Besetzungen der »Kameliendame« mit John Neumeier und seinem Ballettmeisterteam.

    TAG 3

    Heute ist der erste Probentag im Theater. Zunächst findet eine Platzierungsprobe mit der B-Besetzung statt. Die Ersten Solisten Anna Laudere und Edvin Revazov tanzen die Hauptrollen. Das Bunka Kaikan hat eine sehr große Bühne. John Neumeier inspiriert dies sehr und er hat viele neue Dinge speziell für dieses Theater kreiert. Diese Bühne kennt er nur zu gut – bereits sieben Mal war das Hamburg Ballett hier zu Gast! Die Tänzerinnen und Tänzer und die technischen Mitarbeiter lieben diese kreative und konzentrierte Arbeit mit ihm sehr

    Am Nachmittag beginnt die erste Bühnenorchesterprobe. Jetzt probt die A-Besetzung mit Alina Cojocaru und Alexandr Trusch in den Hauptrollen gemeinsam mit dem Tokyio Philharmonic Orchestra. Unser Erster Solist Alexandr Trusch gibt hier in Tokio sein Rollendebüt als Armand! Den uns wohlvertrauten Dirigenten Markus Lehtinen und den Pianisten Michal Bialk haben wir mit nach Japan gebracht. Nach einem langen Probentag bleibt John Neumeier noch im Theater, um die bereits eingerichteten Lichtstimmungen anzuschauen.

    Edvin Revazov und Alexandre Riabko in »Die Kameliendame« © Kiran West
    TAG 4

    Heute Abend ist die erste Vorstellung der »Kameliendame«! Davor findet aber noch eine Durchlaufprobe für die B-Besetzung statt. Es wird viele Rollendebüts geben, u.a. von der Japanerin Madoka Sugai, die erstmals die Rolle der Prudence tanzen wird. Hier in Tokio ist das für sie natürlich etwas ganz Besonderes! Unsere ehemalige Tänzerin Yuka Oishi sendet uns zur Begrüßung einen japanischen Baumkuchen, der hier Liebesbaum genannt wird – eine von vielen wunderbaren Gesten der Japaner!

    Langsam steigert sich die Aufregung und dann ist es auch soweit: Es war eine unglaubliche Vorstellung vor ausverkauftem Haus (das Theater hat insgesamt 2300 Sitzplätze). Unter den Zuschauern befand sich der deutsche Botschafter Herr Dr. Hans Carl von Werthern und seine Frau. Am Ende der Vorstellung gab es minutenlangen Applaus und Standing Ovations für John Neumeier und das gesamte Ensemble! Alle sind sehr glücklich und zufrieden. An diesem Abend lerne ich Peter Sayn-Wittgenstein kennen, er ist der Vice President von deutschen Restaurants in Japan mit dem Namen »Schmatz Beer Dining« – vielleicht können wir unsere japanischen Freunde einmal dorthin einladen!

    Als Dämonen verkleidete Techniker © Kiran West
    TAG 5

    Die zweite Vorstellung beginnt heute schon um 14 Uhr und es tanzt die Besetzung mit Anna Laudere und Edvin Revazov. Viele weitere Rollendebüts sind zu erleben, darunter Ivan Urban als Monsieur Duval, Armands Vater. Auch die heutige Vorstellung ist ausverkauft. Es war eine sehr bewegende Vorstellung und die Zuschauer waren sehr begeistert. Hinterher gibt es für uns eine Überraschung: Heute, so erklärt man uns, feiert man das Fest »Setsubun«. Es bedeutet wörtlich »Trennung der Jahreszeiten« – nämlich die zwischen Winter und Frühling. Um den Winter und die bösen Dämonen zum Frühlingsbeginn zu vertreiben, werden Sojabohnen gestreut. Und so dürfen wir alle die Techniker, die sich als böse Geister Masken aufgesetzt haben, mit den Bohnen bewerfen – eine Freude für uns alle!

    Ein schöner Brauch: Das Hamburg Ballett vertreibt die bösen Geister © Kiran West

    Ulrike Schmidt

  • Wie kommt der Trecker auf die Bühne? Teil II

    Wie kommt der Trecker auf die Bühne? Teil II

    In John Neumeiers neuester Kreation »Anna Karenina« steht ein ganz besonderes Requisit auf der Bühne: Der Trecker. In zwei Szenen des Balletts kommt der grüne Oldtimer-Trecker zu Einsatz – dabei ist er jedoch nicht nur schmückendes Beiwerk im Bühnenhintergrund, sondern fährt auch von Tänzern gesteuert über die Bühne.

    Wie findet man einen Trecker fürs Ballett? Und wie wird solch ein spezielles Requisit für den Bühneneinsatz aufbereitet? Gemeinsam mit einem Fernsehteam des NDR haben wir uns auf Spurensuche begeben und mit den Mitarbeitern aus den Dekorationswerkstätten, der Requisite und der Technik gesprochen, um herauszufinden: Wie kommt der Trecker auf die Bühne?

    Teil 2: Probenbesuch – Mit dem Trecker hinter den Kulissen

    Man sieht ihn schon von weitem, wenn man in die Kleine Theaterstraße einbiegt: Vor dem Bühneneingang der Staatsoper wartet der grüne Trecker aus »Anna Karenina« auf seinen Einsatz. Es ist Samstagmorgen und auf der Bühne beginnt gleich die Probe für John Neumeiers neuestes Ballett, das am Abend zum ersten Mal nach der Sommerpause gezeigt wird. Wir sind wieder verabredet mit einem Kamerateam vom NDR, das die verschiedenen Stationen des Treckers für die Sendung »Treckerfahrer dürfen das« dokumentiert. Ihren eigenen roten Trecker »Brunhilde«, der beim letzten Besuch in den Werkstätten mit dabei war, haben sie heute aber in Hannover gelassen. Denn auf der Bühne ist nur Platz für den grünen Deutz D25.

    Frank Zöllner und Jürgen Tessmann backstage mit dem Trecker

    Gerade wird noch der große Tisch, an dem Anna Karenina und Graf Wronski zu Beginn des zweiten Aktes sitzen, von Bühnenmitarbeitern über den Kalkhof in den Lastenaufzug gerollt, dann erscheint auch schon Frank Zöllner, der Technische Leiter, um den Trecker auf die Bühne zu fahren. Von den Werkstätten in Barmbek wurde der Trecker am Morgen im Lastwagen zur Staatsoper transportiert. Mit dem großen Aufzug geht es nun auf die Bühne. »Für uns ist das schon etwas Besonderes: ein Trecker auf der Bühne«, sagt Frank Zöllner. Nicht nur beim Publikum, auch bei den Bühnenmitarbeitern kommt das Requisit gut an: »Ob Tänzer oder Techniker, von den Kollegen würden am liebsten eigentlich alle einmal mit dem Trecker fahren. Leider ist das aber nicht jedem gestattet.«

    Gesucht und gefunden wurde der Oldtimer-Trecker vom Leiter der Requisite Jürgen Tessmann. Es gab einige Bedingungen, die der Trecker für den Einsatz auf der Bühne erfüllen musste: Alt sollte er sein und einen kleinen Wendekreis haben, damit er auf und hinter der Bühne gefahren werden kann, er durfte nicht zu viel Gewicht haben – und er musste schön sein. »Und schön ist er ja wirklich!«, sagt Jürgen Tessmann, der selbst auf dem Land und mit Traktoren großgeworden ist. Nach einigen Telefonaten fand er das richtige Modell bei einem Landmaschinenbauer in Niedersachsen. Dort stand der grüne Trecker mit Baujahr 1961 in einer großen Lagerhalle und wirkte ganz klein zwischen den anderen modernen Maschinen. Nach einer Probefahrt wurde der Kauf sogleich per Handschlag besiegelt – und zwei Tage später stand der Trecker schon in den Werkstätten der Staatsoper für den Umbau bereit. Den Original-Fahrzeugbrief hat Jürgen Tessmann auch dabei. Dort steht, dass der Trecker zwei Vorbesitzer hatte und tatsächlich als Hoftrecker benutzt wurde: »Der Trecker hat ein richtiges Leben hinter sich; der hat Seele und das soll man auch auf der Bühne sehen. Wir machen hier schließlich keine halben Sachen.«

    Jürgen Tessmann zeigt den Original-Fahrzeugbrief

    In den Vorstellungen wird der Trecker von Emilie Mazon und Eliot Worrell gefahren. Beide sind in den Proben das erste Mal mit einem Trecker in Berührung gekommen: »Ich bin in Georgia aufgewachsen, man sollte meinen, dass ich Erfahrungen mit Traktoren habe«, sagt Emilie lachend. Eliot ergänzt: »Ich bin in einem kleinen Dorf in England großgeworden und wurde morgens von Treckergeräuschen geweckt. Gesehen habe ich sie täglich, aber vorher wurde mir nie zugetraut, auch selbst einen Trecker zu fahren. Dabei ist es ja kein kompliziertes Raumschiff. Wenn man weiß, wo man Gas gibt und stoppt, ist es ganz leicht.«

    Ursprünglich hatte der Trecker noch Handgas und einen Dieselmotor. Doch beides musste für den Einsatz auf der Bühne umgebaut werden. Nach dem Umbau hat der Trecker noch 5 PS, erzählt Jürgen Tessmann. Seine Geschwindigkeit musste aus Sicherheitsgründen gedrosselt werden, auch wenn man das Gaspedal durchdrückt, kann der Trecker nicht schneller als 5 km/h fahren.

    Langsam neigt sich die Probe dem Ende zu. Auch nach der langen Sommerpause hat heute alles geklappt, Tänzer und Trecker haben ihre Auftritte gemeistert. Bis zur Aufführung am Abend haben sie nun Pause. Als wir uns verabschieden, verrät Jürgen Tessmann noch ein kleines Detail. Nicht nur der rote Trecker vom NDR hat einen Namen, auch unser Ballett-Trecker wurde getauft: »Ich nenne ihn Rolf. Nach einem großen Mann, der hier an der Staatsoper gearbeitet hat«, sagt er mit einem Augenzwinkern.

    Die ganze Geschichte über den Trecker in »Anna Karenina« erzählt die NDR Sendung »Treckerfahrer dürfen das«. Den ersten Teil des Blogs gibt es hier zum Nachlesen!

    Frieda Fielers

  • Wie kommt der Trecker auf die Bühne? Teil I

    Wie kommt der Trecker auf die Bühne? Teil I

    Wer im Juli bereits John Neumeiers neueste Kreation »Anna Karenina« sehen konnte, kennt ein ganz besonderes Requisit des Stücks: Den Trecker. In zwei Szenen des Balletts, die auf dem Landgut des Grafen Lewin spielen, kommt der grüne Oldtimer-Trecker zu Einsatz – dabei ist er jedoch nicht nur schmückendes Beiwerk im Bühnenhintergrund, sondern fährt auch von Tänzern gesteuert über die Bühne.

    Wie findet man einen Trecker fürs Ballett? Und wie wird solch ein spezielles Requisit für den Bühneneinsatz aufbereitet? Gemeinsam mit einem Fernsehteam des NDR haben wir uns auf Spurensuche begeben und mit den Mitarbeitern aus den Dekorationswerkstätten, der Requisite und der Technik gesprochen, um herauszufinden: Wie kommt der Trecker auf die Bühne?

    Teil 1: Zu Besuch in den Dekorationswerkstätten der Hamburgischen Staatsoper

    Typisches Hamburger Wetter begrüßt uns am Mittwochvormittag, als wir im Stadtteil Barmbek das Gelände der Dekorationswerkstätten der Staatsoper betreten. Doch der graue Himmel dämpft die neugierige Stimmung nicht: Wir besuchen heute den Ort, an dem der Trecker aus »Anna Karenina« für seinen Bühnenauftritt umgebaut und an dem er auch über die Sommerpause gelagert wurde. Vor kurzem hat die neue Spielzeit begonnen und bald steht John Neumeiers jüngste Kreation wieder auf dem Spielplan – für den Trecker heißt das: Raus aus dem Fundus und rauf auf die Bühne. Wie er dafür präpariert wird, erklären uns die Leiterin der Werkstätten Stefanie Braun und ihre Mitarbeiter, die bereits vor den großen Werkhallen auf uns warten.

    Der erste Trecker, den wir heute sehen, ist aber gar nicht der uns bekannte grüne Oldtimer aus dem Ballett, sondern ein rotes Modell namens »Brunhilde«, das zusammen mit weiteren Besuchern angereist ist. Denn nicht nur wir sind neugierig darauf, mehr über den Ballett-Trecker zu erfahren; ein Fernsehteam des NDR hat sich ebenfalls angemeldet, um einen Beitrag für die Sendung »Treckerfahrer dürfen das« zu drehen. In der Sendung reist Moderator Sven Tietzer mit seinem knallroten Trecker durch Norddeutschland, um Treckerliebhaber und -experten zu treffen. Heute ist er mit »Brunhilde« extra aus Hannover angereist. Denn einen Trecker im Theater – so etwas haben selbst Sven Tietzer und sein Team noch nicht gesehen.

    Werkstättenleiterin Stefanie Braun begrüßt Sven Tietzer und »Brunhilde«

    Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu einer Lagerhalle, in der ›unser‹ Trecker über den Sommer eingelagert wurde. Vier Mitarbeiter der Werkstätten schieben den grünen Deutz D25 aus der Halle und fahren ihn in die Werkstatt, wo er für den Transport in die Staatsoper und den Bühnenauftritt vorbereitet wird. Dabei macht unser Ballett-Trecker auffällig weniger Geräusche als »Brunhilde«. Das liegt daran, erklärt Stefanie Braun, dass der eigentlich eingebaute Dieselmotor gegen einen Elektromotor ausgetauscht werden musste. Auf einer Theaterbühne ist der Einsatz eines Dieselmotors nicht erlaubt, aus brandschutztechnischen Gründen. Außerdem wären die Lautstärke und der Abgasgeruch auch eher störend beim Ballettgenuss. Jetzt versorgen vier Autobatterien den Elektromotor mit Strom, die nach der langen Sommerpause erst einmal wieder aufgeladen werden müssen, bevor der Trecker seinen nächsten Auftritt hat. Acht Stunden dauerte das Laden, dann ist der Trecker für eine Stunde fahrbereit.

    Am Umbau haben die Mitarbeiter ungefähr vier Wochen gearbeitet – neben des Motoraustauschs wurde der Trecker auch noch leichter gemacht, damit er vom Bühnenboden getragen werden kann. Außerdem wurde zur Sicherheit seine Geschwindigkeit gedrosselt, sodass er selbst bei versehentlich durchgedrücktem Gaspedal nicht von der Bühne rasen kann.

    Stefanie Braun erklärt den Trecker-Umbau in der Werkstatt

    Viele staunende Gesichter scharen sich um den Trecker, als Stefanie Braun und ihre Mitarbeiter den Umbau und die neue Funktionsweise erklären. Nicht nur die Treckerfans vom NDR sind begeistert vom schicken Deutz, auch John Neumeier hat sich gleich in den Trecker verliebt, verrät Stefanie Braun. Und auf das Ergebnis sind alle stolz.

    Einen Trecker für die Ballettbühne umbauen – was für Außenstehende ungewöhnlich anmutet, ist für Stefanie Braun und ihre Mitarbeiter Alltag. Auf die Frage, ob der Trecker das kurioseste Requisit sei, dass sie in den Werkstätten präpariert hätten, antwortet sie trocken: »Für das Ballett ›Liliom‹ haben wir ein komplettes Karussell gebaut, auf dem getanzt und musiziert wird. Wir machen ständig solche Sachen!«

    Wie der Trecker von unserer Requisite gefunden wurde und wie er auf der Bühne eingesetzt wird, erfahrt ihr im nächsten Teil des Blogs.
    Die ganze Geschichte über den Trecker in »Anna Karenina« erzählt die NDR Sendung »Treckerfahrer dürfen das«.

    Frieda Fielers