Schlagwort: Anna Karenina

  • Steckbrief: Greta Jörgens

    Steckbrief: Greta Jörgens

    Im »Steckbrief« stellen sich unsere Tänzerinnen und Tänzer vor, hier kommt Greta Jörgens.

    Name: Greta Jörgens
    Geburtsdatum und -ort: 19.10.96 in Bonn, Deutschland
    Engagement: Hamburg Ballett seit 2015

    Lieblingsfarbe: Blau
    Lieblingsfilm: »Meet Joe Black«
    Lieblingssong: Ich habe eigentlich keinen Lieblingssong … ich höre mir gerne, je nach
    Stimmung, fremde Playlists an, um neue Musik zu entdecken. Oder ich höre ganz alte
    Songs, die Erinnerungen an bestimmte Momente wachrufen. Ein Song, der es immer
    wieder schafft meine Stimmung zu heben ist »Dancing in the Moonlight«.

    Wenn ich keine Tänzerin wäre, wäre ich …
    Wenn ich keine Tänzerin wäre, dann hätte ich wahrscheinlich nach der Schule ein Studium begonnen. Da ich mir darüber aber nie finale Gedanken gemacht habe, kann ich nicht genau sagen, was ich gewählt hätte. Biologie fand ich immer sehr interessant, vielleicht aber auch etwas gesellschaftswissenschaftliches oder etwas in Richtung Jura. Aber wer weiß … ich bin sehr glücklich darüber, wie mein Weg mich schon etwas früher in eine ganz andere Richtung geführt hat.

    Greta Jörgens als Kitty, hier mit Félix Paquet, in »Anna Karenina« © Kiran West

    Welche ist deine schönste Erinnerung mit dem Hamburg Ballett?
    Die Tournee nach New York in meiner zweiten Spielzeit ist auf jeden Fall eine meiner schönsten Erinnerungen. Alle Tourneen sind immer aufregend, doch aus irgendeinem Grund, weckt diese bestimmte Tournee ganz besondere Erinnerungen in mir.

    Eine andere ganz besondere Erinnerung ist, als ich die Rolle der Kitty als zweite Besetzung in »Anna Karenina« tanzen durfte. Wahrscheinlich auch, weil ich von Beginn an bei der Kreation dabei sein konnte und über einen langen Zeitraum hinweg miterleben durfte, wie das Ballett und die Rollen entstanden.

    Greta Jörgens tanzt ein Solo aus »Sylvia« in einer Debüt-Ballett-Werkstatt © Kiran West  

    Du warst schon bei vielen Filmaufzeichnungen von John Neumeiers Balletten dabei. Zuletzt warst du am Dreh von »Ein Sommernachtstraum« beteiligt. Wie erlebst du solche Aufzeichnungen? Ist man da aufgeregter als sonst?
    Ich denke, man ist vielleicht auf eine etwas andere Art aufgeregt … doch eigentlich versucht man jedes Mal, wenn man die Bühne betritt, sein Bestes zu geben – ganz egal wer zuschaut, ob aufgezeichnet wird oder nicht.

    Die Aufzeichnung von »Ein Sommernachtstraum« war sehr besonders, da zum ersten Mal tatsächlich gar kein Publikum anwesend war und das Gefühl eines Filmdrehs sehr präsent war. In diesem Fall war es aber vor allem toll, nach so langer Zeit (wegen Corona) wieder auf der Bühne zu sein und ein Gefühl von »Vorstellung« zu haben.

    Dies oder das …

    Comedy oder Drama?
    Comedy.

    Bücher oder Filme?
    Bücher.

    Zuhören oder Sprechen?
    Richtig Zuhören zu können, ist sehr wichtig und man kann viel daraus lernen … das versuche ich immer im Kopf zu behalten. Je nachdem mit wem, kann ich aber auch sehr viel sprechen, glaube ich.

    Früher Vogel oder Nachteule?
    Früher Vogel.

    Sommer oder Winter?
    Herbst.

    Berge oder Meer?
    Berge.

    Familie oder Freunde?
    Ich hoffe, diese Entscheidung niemals treffen zu müssen.

    Tee oder Kaffee?
    Kaffee.

    Kochen oder Bestellen?
    Früher bestellen, mittlerweile koche ich auch ganz gern.

    Alster oder Elbe?
    Ich liebe den Hafen. Aber am allerbesten finde ich, dass man in Hamburg den Luxus hat, sich je nach Stimmung entscheiden zu können.

    Nathalia Schmidt

  • Jubiläum in der Requisite

    Jubiläum in der Requisite

    Als Requisitenmeister zeichnet Jürgen Tessmann verantwortlich für die Requisiten, Möbel, die Pyrotechnik und Waffen. Er ist bei allen Proben und Aufführungen des Hamburg Ballett dabei und reist mit der Compagnie um die ganze Welt. Nun feiert er sein 40-jähriges Dienstjubiläum. In einem Interview spricht er über besondere Herausforderungen, Lieblingsrequisiten und seine schönsten Erinnerungen.

    Seit 40 Jahren ist er schon dabei, unser Requisitenmeister Jürgen Tessmann. Für das Hamburg Ballett steht der Jubilar für große Verlässlichkeit, für Kontinuität und einen breiten Schatz an Erfahrung – aber auch für seine Herzlichkeit, mit der er Kolleginnen und Kollegen unterstützend zur Seite steht. Er ist eine maßgebliche Stütze für den Spielbetrieb. Ob er nun dafür sorgt, dass der Flügel in »Beethoven-Projekt II« auch wirklich aus der Zeit Beethovens stammt, die Requisiten pünktlich bereitstehen oder beim Einsatz von Pyrotechnik in »Die Möwe« die Rechtsvorschriften beachtet werden.

    Als Requisitenmeister zeichnet Jürgen Tessmann verantwortlich für die Requisiten, Möbel, die Pyrotechnik und Waffen. Auch die Organisation der Transporte von den Werkstätten zur Staatsoper und zurück, die Wartung, Lagerung und Neubeschaffung von Requisiten liegt in seinem Verantwortungsbereich. Er ist bei allen Proben und Aufführungen des Hamburg Ballett dabei und reist mit der Compagnie um die ganze Welt.

    Requisiteure Jürgen Tessmann und Peter Schütte mit dem Zugmodell aus »Anna Karenina« auf der Bühne des Festspielhaus Baden-Baden © Kiran West

    »Das Reisen habe ich immer geliebt, schon mit 16 Jahren bin ich getrampt«, erzählt er mir in einem persönlichen Gespräch im Ballettzentrum Hamburg. Sein erstes Gastspiel führte ihn 1984 nach Japan. Da war er noch für die Staatsoper tätig. 1999 folgte dann der Schritt ins Hamburg Ballett. Seitdem hat er alle Ballette von John Neumeier betreut, auch auf Gastspielen. Findet er überhaupt Zeit, etwas von den Städten zu sehen?

    »Der Kontakt zum Team vor Ort ist mir wichtig. Oft kommt es dann vor, dass wir gemeinsam die Mittagspause verbringen und Restaurants entdecken, die wir als Touristen so nie gefunden hätten!«. Ein guter Kontakt kommt letztendlich auch der Vorstellung zu Gute, »man kann sich dann schnell verständigen«. Auf Gastspiel gibt es zusätzliche Aufgaben, die man als Requisitenmeister im Blick haben muss. »Für Gastspiele im Ausland müssen Carnets erstellt werden. Außerdem muss sorgfältig geplant werden, welche Requisiten wo reinpassen und vor allem was überhaupt mitdarf. Waffen oder Pyrotechnik darf man nicht ausführen, dann muss ich sicherstellen, dass ich vor Ort Gleichwertiges beschaffen kann. John Neumeiers Anspruch ist sehr hoch und dem will ich auch gerecht werden!«

    Der Trecker wartet auf seinen großen Auftritt © Pressestelle Hamburg Ballett

    Wenn es um Requisiten geht, kommt Jürgen Tessmann schnell ins Schwärmen. Eine besondere Herausforderung und sicherlich eines der kuriosesten Requisiten ist der Trecker in »Anna Karenina«: »Ein grüner Oldtimer-Trecker auf der Bühne – ich habe lange nach einem passenden Modell gesucht, das man auch für die Ballettbühne umbauen konnte!«

    Einzelne Requisiten findet Jürgen Tessmann im Fundus. Meist kauft er sie von Händlern oder Privatpersonen, manchmal leiht er sie auch aus. »Für die ˃Josephs Legende˂ wollte John Neumeier drei Kelim-Teppiche in einem bestimmten Muster haben. Ich habe dann eine ganze Woche lang nach Kelims Ausschau gehalten. Ich bin täglich zum Zollhafen gefahren und habe mit einem Händler literweise Tee getrunken und mir dabei stapelweise Kelims vorführen lassen. Dabei habe ich auch alles über Kelims gelernt, wunderbar!«

    Edvin Revazov und Alexandre Riabko in »Josephs Legende«, mit auf dem Foto ist eines der Kelim-Teppiche © Holger Badekow  

    Manchmal fertigt Jürgen Tessmann Requisiten auch selbst an, so zum Beispiel den Teddy in »Parzival – Episoden und Echo«. Die Uraufführung fand in Baden-Baden statt, John Neumeier wünschte sich eine zweite Besetzung für sein Ballett. »Da der Teddy aber ein Unikat war, habe ich zwei Tage lang eine Kopie davon genäht!«

    Edvin Revazov mit Teddybär in »Parzival« © Holger Badekow

    Gibt es das Lieblingsrequisit?

    »Das Grammophon in ˃Die Glasmenagerie˂, das ist der Hammer gewesen! Ich habe einen alten Schallplattenspieler erstanden, dazu auch ein paar Platten aus der Entstehungszeit der Glasmenagerie. Und da habe ich tatsächlich die Musik getroffen, die John Neumeier für sein Ballett haben wollte, ich kann es immer noch nicht glauben …«

    Foto: Alina Cojocaru, Patricia Friza, Edvin Revazov und Félix Paquet in »Die Glasmenagerie«, im Hintergrund ist das Grammophon zu sehen © Kiran West  

    Wenn man Jürgen Tessmann zuhört, merkt man sofort die Begeisterung für seinen Beruf. Vermeintliche Schwierigkeiten halten ihn nicht auf, im Gegenteil, er hat Freude daran, alles zu ermöglichen. Dabei kann er auf die Unterstützung von seinen Kolleginnen und Kollegen zählen, ohne die das alles nicht möglich wäre. Wenn sich ihm dann später bei den Proben eröffnet, wie und wozu die Requisiten zum Einsatz kommen, ist ihm das jede Anstrengung wert. »40 Jahre vergingen wie im Fluge, ich kann das nicht ganz glauben, ich habe immer noch so viel Spaß bei der Arbeit«.

    Wir gratulieren zu diesem beeindruckenden Jubiläum!

    Nathalia Schmidt

  • Steckbrief: Jacopo Bellussi

    Steckbrief: Jacopo Bellussi


    Im »Steckbrief« stellen sich unsere Tänzerinnen und Tänzer vor, hier kommt Jacopo Bellussi.

    Name: Jacopo Bellussi
    Geburtsdatum und -ort:  27.3.93 in Genua. Italiener
    Engagement: Hamburg Ballett seit 2012, Solist ab 2017, Erster Solist ab 2019

    Lieblingsfarbe: Blau
    Lieblingsfilm: »Das Leben ist schön« von Roberto Benigni  
    Lieblingssong: Alle Songs von Fabrizio De André oder Francesco De Gregori  

    Wenn ich kein Tänzer wäre, wäre ich …
    Wenn ich kein Tänzer wäre, hätte ich gerne Jura studiert und wäre vielleicht Anwalt oder Richter geworden. Es war ein Traum, den ich hatte, noch bevor ich Tänzer werden wollte.

    Jacopo Bellussi und Madoka Sugai proben »Hamlet« © Kiran West

    Wie und womit verbringst du deine Zeit in Quarantäne? / Dein Corona DIY-Tipp?
    Die gesamte Quarantänezeit war ziemlich schwierig, da ich einen Großteil der Zeit in Italien feststeckte. Ich war in meinen Ferien zu Hause, als alles begann und die Situation dort besonders kritisch wurde. Glücklicherweise konnte ich viel Zeit mit meiner Familie verbringen und mich noch mehr mit ihnen verbinden.

    Ich durfte auch zum ersten Mal seit 14 Jahren meinen Geburtstag zu Hause verbringen, was für mich etwas ganz Besonderes war. Zu guter Letzt war es ein wahrer Genuss, mit meinem Lehrer in meiner alten Schule privat für Ballett und Pilates trainieren zu können. Das hat mir geholfen körperlich als auch geistig in Form zu bleiben. Jetzt, wo ich in Hamburg bin, mache ich weiterhin jeden Morgen seinen Pilates-Kurs via Zoom.

    Jacopo Bellussi und Xue Lin in »Anna Karenina« © Kiran West

    Welche Rolle hat dich am meisten herausgefordert und wie?
    Ich würde Alexej Wronski in »Anna Karenina« sagen. Vielleicht ist es technisch gesehen nicht die schwierigste Rolle, aber es ist voller unterschiedlicher Farben. Um sie gut darzustellen und glaubwürdig zu machen, erfordert es viel innere Forschung. Auch die Tatsache, dass ich diese Rolle sehr schnell lernen musste, machte sie zu einer persönlichen Herausforderung. Als ich Wronski in der letzten Saison zum ersten Mal tanzen durfte, hatte ich mit meiner Anna (Xue Lin) nur sechs Tage, um zu proben, da ich für diese Rolle zunächst nicht vorgesehen war. Es war eine sehr kurze Probenzeit, die wahnsinnig intensiv und so schön war, dass ich persönlich daran gewachsen bin.

    Dies oder Das …

    Comedy oder Drama?
    Drama.

    Bücher oder Filme?
    Filme.

    Zuhören oder Sprechen?
    Zuhören.

    Frühaufsteher oder Nachteule?
    Frühaufsteher.

    Sommer oder Winter?
    Sommer.

    Berge oder Meer?
    Meer.

    Familie oder Freunde?
    Familie.

    Tee oder Kaffee?
    Kaffee.

    Kochen oder Bestellen?
    Kochen.

    Alster oder Elbe?
    Alster.

    Nathalia Schmidt

  • Anna Laudere zu Anna Karenina

    Anna Laudere zu Anna Karenina

    Im Mai 2019 haben wir ein »Anna Karenina«-Festival in Hamburg gefeiert. Zum ersten Mal seit der Uraufführung im Juli 2017 hat unser Hamburg-Publikum die Gelegenheit gehabt, John Neumeiers jüngstes Handlungsballett in gleich vier verschiedenen Besetzungen zu erleben! Neben der ursprünglichen Hamburg-Besetzung mit Anna Laudere und Edvin Revazov als Anna Karenina und Alexej Wronski gab es ein Debüt von Xue Lin und Jacopo Bellussi und auch Svetlana Lunkina und Harrison James vom National Ballet of Canada sowie Olga Smirnova und Artem Ovcharenko vom Ballett des Bolschoi-Theaters waren als Besetzungen der Koproduktionspartner zu Gast in Hamburg.
    Am 19. Juni steht »Anna Karenina« noch einmal während der 45. Hamburger Ballett-Tage auf dem Programm. Wir haben mit Anna Laudere gesprochen, die die Rolle Anna Karenina für die Uraufführung mit John Neumeier kreiert hat. Im dritten Teil der Reihe »3 Fragen an Anna Karenina« erzählt sie uns, wie sie die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Besetzungen während des »Anna Karenina«-Festivals erlebt hat und wie es war, als sie im Mai das Ballett zum allerersten Mal aus dem Zuschauerraum gesehen hat.

    Anna, du hast die Rolle Anna Karenina zusammen mit John Neumeier für sein Ballett kreiert. Du bist quasi Anna Karenina! Wie hast du dich gefühlt, als du das Ballett zum ersten Mal aus der Perspektive des Publikums gesehen hast?

    Anna Laudere: Zuallererst möchte ich gerne John Neumeier Danke sagen, für das Vertrauen, das er mir entgegengebracht hat, indem er mich für diese Kreation, für die Rolle Anna Karenina ausgewählt hat. Denn ein Jahr lang habe ich wirklich einen Traum gelebt! Es war ein unglaublicher Prozess für mich!

    Und ich muss sagen, ich war wirklich sehr beeindruckt, als ich das Ballett zum ersten Mal gesehen habe! Ich finde, es ist wunderschön – das Licht, die Musik, einfach alles. Ich glaube, niemand hat die Geschichte besser erzählt als John. Es ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle und obwohl das Buch ja wirklich sehr dick ist, hat John alles auf den Punkt gebracht, jeden einzelnen Charakter.
    Schon als ich das Ballett getanzt habe, war es eine Achterbahnfahrt für mich, aber als ich es aus dem Zuschauerraum gesehen habe, wurde mir bewusst, wie vielschichtig jeder Charakter ist. Es war eine unglaubliche Erfahrung. Am Ende habe ich vor Rührung geweint und konnte gar nicht mehr aufhören. Ich war wirklich sehr berührt von der Performance, von den Tänzern, von dem ganzen Abend. Es war wundervoll anzusehen.

    Außerdem war es interessant, drei verschiedene Anna Kareninas zu sehen, denn jede von ihnen war unterschiedlich. Es war eine tolle Idee von John so ein Festival zu machen, damit wir und das Publikum das erleben können. Denn es ist immer spannend zu sehen, dass bei jeder Tänzerin die Arbeit mit John etwas anderes entstehen lässt – jeder hat seine eigene Art es zu zeigen. Deshalb war es für mich eine tolle Erfahrung, die drei Besetzungen zu sehen!

    Anna Laudere als Anna Karenina © Kiran West

    Xue und Jacopo sind deine Kollegen und ihr kennt euch gut. Svetlana Lunkina hast du zum ersten Mal getroffen. Xue und Svetlana haben uns schon von eurer Zusammenarbeit erzählt, aber wie hast du es erlebt, mit den verschiedenen Tänzerinnen zu arbeiten?

    Zu den Gasttänzerinnen kann ich sagen, dass sie natürlich bereits sehr gut vorbereitet waren. Sie wussten schon alles. Mit ein paar Dingen konnten Edvin und ich aber doch ein bisschen helfen – gerade bei anspruchsvolleren Teilen. Wenn man eine Rolle kreiert hat, dann weiß man genau, wie man an welcher Stelle fühlt. Aber das war wirklich nur ein kleiner Teil.

    Von Xue und Jacopo war ich total beeindruckt, denn sie mussten alles in einer Woche vorbereiten. Die Arbeit, die sie geleistet haben, war wirklich toll! Ich konnte in fast jeder Probe dabei sein und sie waren gut vorbereitet. Sie kannten ihre Schritte und die Musik und sie wurden nicht müde, es wieder und wieder zu probieren, damit es gelingt und genau so wird, wie es sein soll.

    Wir probten zunächst die anspruchsvollen Schritte und natürlich habe ich Xue alle Informationen gegeben, die mir John auch gegeben hatte, und ihr von den Partien, in denen er mich geleitet hat, erzählt. Den Rest habe ich ihr überlassen, denn ich denke, dass jeder seinen eigenen Charakter in der Rolle finden muss. Ich habe ihr manchmal erzählt, was ich darüber denke, aber ihr die Freiheit gegeben, selbst zu entscheiden. Das Ballett ist so toll gemacht, dass man beinahe die einzelnen Sätze aus dem Buch auf der Bühne sehen kann. Also habe ich sie einfach hier und da ein bisschen an die Hand genommen, aber eigentlich habe ich ihr hauptsächlich weitergegeben, was John mir gesagt hatte.

    Alle vier Hauptpaar-Besetzungen und Gäste mit John Neumeier während des
    »Anna Karenina«-Festivals © Kiran West

    In John Neumeiers »Anna Karenina« haben die Szenen teilweise sehr unterschiedlichen Settings. Auch die Musik ist vielseitig– es gibt drei Komponisten. Welche Szene ist deine Liebste im Ballett und warum?

    Ich kann nicht sagen, dass ich eine Lieblingsszene habe. Einmal angefangen durchlebe ich einfach die Geschichte. Jede Szene ist anders für mich und jedes Mal, wenn man sie tanzt, ist es wieder neu. Es gibt keinen Moment, den ich mehr oder weniger mag. Es ist einfach ein wunderbarer Trip!
    Das Besondere an dem Ballett ist für mich, dass sich jede Person darin selbst finden kann. Das ist der Grund, warum es so nah an jedem ist. Wenn man ehrlich zu sich ist, dann kann sich jeder in den Charakteren wiederfinden.

    Karen Azatyan, Anna Laudere und Edvin Revazov in »Anna Karenina« © Kiran West

    Ihr wollt mehr über Anna Laudere erfahren? Schaut euch ihren Steckbrief an!

    Lisa Zillessen

    Im ersten Teil der Serie »3 Fragen an Anna Karenina« haben wir mit unserer Solistin Xue Lin über ihr Debüt als Anna Karenina gesprochen. Im zweiten Teil der Serie »3 Fragen an Anna Karenina« hat Svetlana Lunkina vom National Ballet of Canada ihre Eindrücke zur Rolle Anna Karenina mit uns geteilt.

  • Svetlana Lunkina zu Anna Karenina

    Svetlana Lunkina zu Anna Karenina

    John Neumeiers »Anna Karenina« entstand als Koproduktion zwischen dem Hamburg Ballett, dem Ballett des Bolschoi Theaters und dem National Ballet of Canada. Die russische Startänzerin Svetlana Lunkina war die Premierenbesetzung der Anna Karenina beim National Ballet of Canada. Am 11. Mai ist sie gemeinsam mit ihren kanadischen Kollegen Harrison James als Alexej Wronski und Félix Paquet als Lewin zu Gast in der Hamburgischen Staatsoper. In einem Gespräch erzählt sie uns von ihren Eindrücken zur Rolle Anna Karenina.

    Svetlana, John Neumeier hat dir die Titelrolle seiner Ballettadaption von »Anna Karenina« für die Premiere am National Ballet of Canada im November letzten Jahres in Toronto anvertraut. Wie hast du die Zusammenarbeit mit John Neumeier erlebt?

    Svetlana Lunkina: Mit John zusammenzuarbeiten ist auf so viele Arten sehr besonders. Jedes Mal kann ich es kaum erwarten, dass er in das Studio kommt und ich mit ihm arbeiten kann. »Anna Karenina« war ja nicht die erste Zusammenarbeit mit ihm. Ich habe davor »Nijinsky« und »Endstation Sehnsucht« mit ihm gemacht. Es ist immer wieder herausfordernd, sehr interessant und emotional. Mit John erlebe ich alle Emotionen, die ich aus meinem Leben kenne, an einem Tag. Wenn man mit ihm arbeitet, dann muss man lernen, natürlich, emotional und menschlich zu sein, aber trotzdem in der Rolle zu bleiben.

    Wenn ich dann nach den Proben alleine bin, fühlt es sich so an, als wäre er immer noch bei mir. Ich denke weiter darüber nach, was er gesagt hat, über jedes Detail. Wenn ich mit John zusammenarbeite, dann gibt es nichts anderes mehr. Unterwegs auf der Straße oder zuhause im Bett denke ich: »Was haben wir heute gemacht? Was kann ich morgen besser machen? Wie kann ich wachsen? Wie kann ich mich noch besser ausdrücken?«
    Ich weiß jedes Mal, dass es nicht einfach wird. Es ist eine Herausforderung – im positivsten Sinne! Es ist wichtig, offen zu bleiben und fähig zu sein, selbst wenn man die Schritte kann, jedes Mal mehr zu wagen, Tag für Tag. Ich liebe es einfach, mit John zu arbeiten!

    Svetlana Lunkina und Harrison James tanzen Anna Karenina und Alexej Wronski am 11. Mai in Hamburg © Kiran West

    Es gibt verschiedene Film-, Theater- und choreografische Adaptionen des Romans von Leo Tolstoi. Darunter ist ein Ballett, das 1974 vom Ballett des Bolschoi-Theaters mit Maya Plisetskaya und Alexander Godunov in den Hauptrollen gezeigt wurde. Die Rolle der Anna Karenina ist sehr komplex und facettenreich – emotional und physisch. Wie bist du an diese Rolle herangegangen und worin liegt für dich die Herausforderung in der Interpretation der Figur?

    Wir haben uns natürlich die Filme, die unterschiedlichen Ballette und das Buch angesehen. Aber das Interessante an Johns Ballett ist, dass er nicht einfach das Buch in ein Ballett verwandelt hat. Leo Tolstoi war zwar seine Inspiration, aber das Ballett ist seine Interpretation, es sind Johns Gefühle.

    John konnte nicht jedes Detail über jeden Charakter in seinem Ballett ausarbeiten. Er hat immer wieder gesagt: »Ich habe keine fünf oder sechs Stunden Zeit!« Das Ballett ist sein Blick auf die Charaktere und erzählt die Geschichte sehr kompakt. Daher hat er mir klargemacht, dass ich in jeder Szene sehr anders sein muss. Weil keine Übergänge oder Entwicklungen auf der Bühne dargestellt werden, gibt es in jeder Szene eine neue Anna mit neuen Gefühlen in neuen Situationen. Das war am Anfang wirklich nicht einfach für mich, denn Anna ist fast immer auf der Bühne.

    Und weil die Bewegungen natürlich sein sollen, kann man die verschiedenen Reaktionen und Gefühle nicht einfach »spielen«, ich muss die Emotionen wirklich fühlen. Das hat seine Zeit gebraucht und diese Entwicklung hört nicht auf. Ich muss immer wieder einen neuen Weg finden, um das, was Anna erlebt, auszudrücken. Besonders wenn John dabei ist, ist es unglaublich: Seine Anwesenheit und auch eine neue Compagnie verändert alles. Ich kann manche Dinge nicht genau gleich machen wie zuvor, weil die unterschiedlichen Tänzer neue Impulse geben. Jeder ist in seinem Charakter und man reagiert aufeinander. Weil jeder Tänzer einzigartig ist, führt das zu neuen Reaktionen – auch bei mir. Ich denke mir dann: »Wow, du hast gerade total anders reagiert!«

    John sagt: »Ich will nicht das sehen, was ich gestern gesehen habe. Ich will mehr!« Man muss sich immer weiterentwickeln, jeden Tag sein Bestes geben. Selbst wenn du heute das Beste gegeben hast, sieht dein Bestes von morgen vielleicht anders aus.

    Eine Szene aus »Anna Karenina« mit Svetlana Lunkina und Harrison James als Hauptpaar © Kiran West

    John Neumeier überträgt die Geschichte der Figur Anna Karenina aus dem 19. Jahrhundert in die Gegenwart. Worin liegt deiner Meinung nach die moderne Relevanz und Zeitlosigkeit von »Anna Karenina«?

    Jeden Moment aus »Anna Karenina« können wir in irgendeiner Form in unserem eigenen Leben finden – so geht es auf jeden Fall mir. Als ich das Ballett zum ersten Mal getanzt habe, musste ich an mein eigenes Leben denken und wie ich auf Dinge, die mir passiert sind – gut und schlecht – reagiert habe. Die Emotionen, die in der Geschichte vorkommen, kennt jeder, egal in welcher Zeit – sie sind zeitlos. Ich mag es, dass John das Ballett in unserer Zeit angelegt hat. Man muss als Tänzer nicht über historische Kostüme oder sowas nachdenken. Es ist so viel näher an einem selber dran, näher an dem eigenen Leben, am eigenen Herz, näher an dem, was man ist. Dadurch kann man die Gefühle stärker transportieren.

    Lisa Zillessen und Katerina Kordatou

    Im ersten Teil der Serie »3 Fragen an Anna Karenina« haben wir mit unserer Solistin Xue Lin über ihr Debüt als Anna Karenina gesprochen.

  • Xue Lin zu Anna Karenina

    Xue Lin zu Anna Karenina

    Seit dem 29. April und noch bis zum 11. Mai 2019 feiern wir ein regelrechtes »Anna Karenina«-Festival. Zum ersten Mal seit der Hamburg-Premiere im Juli 2017 hat unser Publikum die Gelegenheit John Neumeiers jüngstes Handlungsballett in gleich vier verschiedenen Besetzungen zu erleben! Neben der ursprünglichen Hamburg-Besetzung mit Anna Laudere und Edvin Revazov als Anna Karenina/Alexej Wronski, werden auch die Besetzungen der Koproduktionspartner aus Kanada und Russland zu Gast in der Hamburgischen Staatsoper sein.
    Sehr gelungen ist bereits das Debüt der neuen Besetzung aus unserer Compagnie: am 1. und 2. Mai tanzten unsere Solisten Xue Lin und Jacopo Bellussi das Hauptpaar und ernteten dafür gebührenden Applaus! Im ersten Teil der Reihe »3 Fragen an Anna Karenina« haben wir mit Xue Lin über ihr Debüt und die Rolle der Anna Karenina gesprochen.

    Xue, Anna Karenina ist die tragische Titelfigur in Leo Tolstois Roman und John Neumeiers Ballettadaption. Sie ist eine Figur, die in den unterschiedlichsten Medien interpretiert wurde und kulturübergreifende literarische Bedeutung hat. Wie setzt man sich als Tänzerin mit solchen Charakteren auseinander und wie hast du dich auf die Rolle der Anna Karenina vorbereitet?

    Xue Lin: Ich hatte schon zu Beginn der Saison angefangen die Schritte zu lernen und bevor wir zur Tournee nach China gereist sind, bestätigte John Neumeier, dass ich auf jeden Fall zwei Vorstellungen tanzen werde. Das führte dazu, dass ich mir viele Gedanken über die Geschichte machte. Ich habe das Buch von Leo Tolstoi mit nach China genommen und es gelesen. Außerdem habe ich mir den »Anna Karenina«-Film mit Keira Knightley gleich zwei Mal angeschaut.

    Die Schritte zu können ist nicht so schwer wie zu lernen, die Geschichte zu erzählen. Also musste ich irgendwie eine Idee davon bekommen, wie ich den Charakter spiele. Nachdem ich mir viele Videos angesehen hatte, bekam ich ein Bild von Anna Karenina. Aber als ich tanzte, habe ich gemerkt, dass es mir am leichtesten fällt sie zu verkörpern, indem ich ich selbst bin. Ich habe nicht daran gedacht »In diesem Moment muss ich dies tun, jetzt das spielen.« – Ich musste nichts spielen. Auch unsere Ballettmeister sagen immer: »Lass dich von der Geschichte leiten und spreche mit deinem Herzen, tanze mit deiner Seele!« Das habe ich versucht.

    Xue Lin und Carsten Jung als Anna Karenina und Alexej Karenin © Kiran West

    Anna Karenina ist ein vielseitiger und emotionaler Charakter. Wie bringst du die Emotionen auf die Bühne und was war die größte Herausforderung für dich?

    Ich versuchte mich in Anna Kareninas Situation hineinzuversetzen – das hat mir geholfen, die Geschichte zu verstehen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich in den Situationen fühlen würde. Ich bin der Meinung, dass man mit den Erfahrungen, die man in seinem eigenen Leben macht, sich manches vorstellen kann. Zum Beispiel ein Kind zu vermissen – ich habe zwar selbst kein Kind – aber ich versuchte mir vorzustellen, wie es sich anfühlen würde das Kind zu verlassen oder von der Person, die man am meisten liebt, verlassen zu werden. Ich stellte mir vor, wie ich mich verhalten würde, wenn mein ganzes Leben zusammenbricht.

    Was mich herausforderte, war vor allem der Anfang des Balletts. Ich hatte Bedenken, dass ich nicht wie eine Mutter oder Ehefrau oder ›Frau‹ aussehe. Aber durch die Proben lernte ich, wie ich stehen und mich positionieren muss. Das fiel mir anfangs nicht leicht, aber am Ende habe ich mich wohl gefühlt.

    Anna Karenina (Xue Lin) besucht ihren Sohn Serjoscha (Marià Huguet) © Kiran West

    Für das Hamburger Publikum warst du die erste Neubesetzung der Anna Karenina. Du folgst auf Anna Laudere, die an der Kreation der Anna Karenina beteiligt war. Wie war das für dich und warst du dadurch nervöser als sonst?

    Tatsächlich habe ich nicht so viel darüber nachgedacht, dass Anna Laudere bisher die einzige Anna Karenina in Hamburg war. Ich hatte aber auch keinen Druck, denn die Ballettmeister und Anna selbst haben mir ihr vollstes Vertrauen gegeben und mir sehr geholfen! Anna war in fast jeder Probe dabei – sie hat mir so viel Selbstvertrauen gegeben! Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass es schlecht laufen könnte. Ich sagte mir, dass ich ich selbst sein muss und mit meiner Seele tanzen muss, denn das ist das Wichtigste! Ich hatte die beste Unterstützung von Anna und bin so dankbar, dass sie da war! Sie war so nett und hat mir von Anfang bis zum Ende mit Allem geholfen. Sie hat bei der Vorstellung zugesehen und ich habe zu ihr gesagt, dass es mir Ruhe und Selbstvertrauen gibt, dass sie da ist. Auch Anna sagte, dass sie da sei um mich zu unterstützen.

    Es war auch schön mit Jacopo zu arbeiten. Er lernt so schnell und ist ein guter Freund. Dadurch waren wir sehr entspannt und nicht nervös. Dann kam der erste Durchlauf mit John: Es war eine Herausforderung für uns, denn wir hatten plötzlich so viele Dinge im Kopf – der explodierte fast durch die ganzen Informationen und den Input. Aber dennoch blieben wir beide sehr entspannt, denn am Ende ist das, was zählt, am Abend die Geschichte zu erzählen!

    Xue Lin und Jacopo Bellussi debütierten als Anna Karenina und Alexej Wronski © Kiran West

    Ihr wollt mehr über Xue Lin erfahren? Schaut euch ihren Steckbrief an!

    Lisa Zillessen

    Im zweiten Teil der Serie »3 Fragen an Anna Karenina« sprechen wir mit Gasttänzerin Svetlana Lunkina vom National Ballet of Canada über die Rolle Anna Karenina und ihre Zusammenarbeit mit John Neumeier.

  • Vladimir Kocić zu »Anna Karenina« auf Reisen

    Vladimir Kocić zu »Anna Karenina« auf Reisen

    Das erste Gastspiel des Balletts »Anna Karenina« hat die bühnentechnischen Mitarbeiter vor einige Herausforderungen gestellt. Im Kurzinterview erzählt der technische Produktionsleiter des Hamburg Ballett, Vladimir Kocić, wie man ein Ballett auf eine andere Bühne bringt und warum Klebeband dabei eine wichtige Rolle spielt.

    Vladimir, Freitagbend wurde »Anna Karenina« zum ersten Mal in Baden-Baden aufgeführt. Wie geht die technische Abteilung an das erste Gastspiel eines Balletts heran?

    Vladimir Kocić: Man überlegt natürlich bereits bevor das Gastspiel anbricht, was die neue Bühnensituation für das Stück bedeutet. In Baden-Baden sind wir bereits seit 20 Jahren zu Gast – wir kennen die Bühne dementsprechend gut und wissen, was auf uns zukommt. Für mich beginnt die eigentliche Arbeit aber erst, wenn man vor Ort ist und seine Ideen in die Tat umsetzt. Was hier anders ist als in Hamburg: Die Bühne des Festspielhauses hat ein etwas breiteres Portal und nur eine Seite, die für die ›Verwandlung‹, also für den Wechsel von Bühnenbild und größeren Requisiten, genutzt werden kann. Die andere Seite ist so schmal, dass dort nur die Tänzer auf- und abgehen können. Alle Abläufe wie z.B. der Wechsel des Bühnenbilds, müssen an diese andere Bühnensituation angepasst werden.

    »Anna Karenina« verlangt nach absoluter Präzision und Disziplin. Es gibt so viele Verwandlungen des Bühnenbilds, die nahtlos funktionieren müssen. Doch, wenn man gut plant, probt und mit so tollen, engagierten Leuten, wie wir sie haben, zusammenarbeitet, lässt sich alles umsetzen. Wir überlegen ja im Vorhinein nicht, welches Stück sich in Baden-Baden gut aufbauen und zeigen lassen könnte, und fällen so die Entscheidung. Im Vordergrund steht immer die künstlerische Wahl: Welches Stück möchte das Hamburg Ballett mit nach Baden-Baden bringen? Und wir, die technischen Mitarbeiter, finden dann zusammen mit Herrn Neumeier Wege, dies möglich zu machen. Alles ist eine Frage der Vorbereitung und des Timings. Schwierig ist relativ – man muss flexibel sein.

    Ein Ballettschüler als ›House-Mover‹ und Emilie Mazoń © Kiran West

    In »Anna Karenina« bewegt sich auch das Bühnenbild auf der Bühne: Es gibt mobile Wände, die nach einer eigenen Choreografie von Schülern der Abschlussklassen unserer Ballettschule gedreht und verschoben werden. Was ist notwendig, damit diese Abläufe auf einer neuen Bühne reibungslos funktionieren?

    Klebeband! Wir helfen unseren sogenannten ›House-Movern‹ mit unterschiedlichen farblichen Markierungen am Boden. Die Markierungen zeigen den korrekten Stand der Wände in verschiedenen Szenen an – natürlich haben unsere Ballettschüler nach einigen Vorstelllungen schon ein Gespür für die richtigen Drehungen und korrekten Platzierungen bekommen. Die Markierungen sind eine zusätzliche Hilfestellung, falls im Eifer des Gefechts Verwirrung aufkommt. Dieses Mal sind außerdem einige Ballettschüler dabei, die zum ersten Mal als ›Mover‹ im Einsatz sind. Sie müssen erst einmal ein Gespür für die Beweglichkeit des Bühnenbildes bekommen; das üben wir in den Proben. Außerdem werden sie in Hamburg bereits unglaublich gut von ihrer Lehrerin Ann Drower darauf vorbereitet: Sie erklärt ihnen die Raumwege und benutzt Hilfsmittel wie Stangen oder Tische, um die Drehungen zu erläutern.

    Alte und neue Markierungen für »Anna Karenina« © Pressestelle

    Wie haben sich die Markierungen für die Vorstellungen in Baden-Baden verändert?

    Zuerst orientiert man sich an den ursprünglichen Markierungen aus den Hamburg-Vorstellungen und prüft dann, was sich aufgrund der anderen Bühnenmaße verändern muss. Die Bühnengassen, das Seitenlicht, die Wände etc. geben uns Orientierung. Für jedes Requisit, das platziert wird, gibt es auch eine Markierung am Boden: Ob es die Stühle sind, die Treppe im Haus von Anna Karenina, der lange Tisch im zweiten Akt… da kommt einiges zusammen. Allein für die Platzierungen der beweglichen Wände gibt es ca. 28 unterschiedliche Markierungen! Das ist schon ein eigenständiges Zeichensystem. Und um das auf die neue Bühne zu übertragen, haben wir sechs Stunden lang geklebt. Dann beginnen die Proben, in denen sich wiederum viel verändern kann. Herr Neumeier arbeitet in Baden-Baden oft an seinen Stücken, auch damit sie auf der etwas größeren Bühne richtig zur Geltung kommen. Wir sind jederzeit auf Änderungen eingestellt: Notieren, übertragen, weitermachen. Bis am Ende alles stimmig ist.

    Die Bühne mit Markierungen von oben © Kiran West

    Frieda Fielers

  • Ein Zug für Anna Karenina

    Ein Zug für Anna Karenina

    In Baden-Baden findet an diesem Wochenende das erste Gastspiel von John Neumeiers Ballett »Anna Karenina« statt. Mit aus Hamburg angereist ist dafür neben Bühnenbild, Kostümen und Schwingboden auch ein ganz besonderes Requisit: Der Modellzug, der während des Stücks am vorderen Bühnenrand entlangfährt. Nach der ersten Bühnenprobe erklärt Requisiteur Peter Schütte, woher die Eisenbahn kommt und wie sie auf der Bühne zum Fahren gebracht wird.

    Herr Schütte, was für ein Zug ist bei »Anna Karenina« im Einsatz?

    Peter Schütte: Die Eisenbahn aus »Anna Karenina« ist eine sogenannte ›Gartenbahn‹, die größte elektrische Modelleisenbahn. Unser Zug setzt sich allerdings aus unterschiedlichen Zugteilen mehrerer Hersteller zusammen. Wir haben uns das Angebot angeschaut, getestet und dann verschiedene Modelle für unseren Zug kombiniert: Schienen, Lok, Waggons – jeweils nur das Beste vom Besten sozusagen. Denn das ganze System soll natürlich so zuverlässig wie möglich fahren, sich nicht entkuppeln, nicht zwischendrin stehen bleiben oder entgleisen. Dafür müssen wir die Gleise jedes Mal besonders sorgfältig verlegen. Man kann schon sagen, dass der Zug eines der anspruchsvolleren Requisiten ist.

    Requisiteure Jürgen Tessmann und Peter Schütte bei der Einrichtung © Kiran West

    Wie viel Meter legt der Zug von einer Bühnenseite zur anderen zurück?

    Hier in Baden-Baden sind es schätzungsweise 25 bis 26 Meter. Die Schienen führen über die gesamte Portalbreite und ein paar Meter hinter die Kulissen. Weil das Bühnenportal in Baden-Baden etwas breiter ist als in Hamburg, ist die Strecke auch entsprechend länger. Auf jeder Bühnenseite sitzt während der Vorstellung ein Kollege der Requisite; man verständigt sich über Funk darüber, wann der Zug losfahren und wie schnell er fahren soll. Die Steuerung erfolgt über einen Trafo.

    Am Ende des Balletts verunglückt der Zug – wie wird dieser Effekt erzeugt?

    In der Mitte der Bühne gibt es eine Weiche. Die ist während der gesamten Zeit für eine gerade Fahrt eingestellt. Vor dem ›Unfall‹ stellen wir die Weiche auf Kurvenfahrt um. So fährt der Zug, wenn er die Weiche erreicht, nicht mehr auf die andere Bühnenseite zu, sondern macht eine kleine Drehung in Richtung der Szenerie. Dort fährt er auf einen kurzen verbogenen Gleisstumpf auf, der extra so präpariert ist, dass der Zug entgleist. Dazu kommt noch ein pyrotechnischer Effekt mit einem Knall, Funken und Rauch, den wir per Fernsteuerung auslösen.

    Der entgleiste Zug am Ende der Vorstellung © Kiran West

    Fährt während der Vorstellung eigentlich immer der gleiche Zug?

    Am Anfang hatten wir tatsächlich nur einen Zug im Einsatz, der nach jeder Fahrt von Hand auf den Schienen umgedreht werden musste, damit er wieder in die entgegengesetzte Richtung fahren konnte. Nun arbeiten wir mit drei Zügen parallel, was die Arbeit leichter macht. Die drei Züge sind übrigens alle schon im ersten Teil zu sehen. Sie werden aber weiterhin analog von uns gesteuert, digital programmiert ist dabei nichts – komplette Handarbeit also.

    Frieda Fielers

  • Wie kommt der Trecker auf die Bühne? Teil II

    Wie kommt der Trecker auf die Bühne? Teil II

    In John Neumeiers neuester Kreation »Anna Karenina« steht ein ganz besonderes Requisit auf der Bühne: Der Trecker. In zwei Szenen des Balletts kommt der grüne Oldtimer-Trecker zu Einsatz – dabei ist er jedoch nicht nur schmückendes Beiwerk im Bühnenhintergrund, sondern fährt auch von Tänzern gesteuert über die Bühne.

    Wie findet man einen Trecker fürs Ballett? Und wie wird solch ein spezielles Requisit für den Bühneneinsatz aufbereitet? Gemeinsam mit einem Fernsehteam des NDR haben wir uns auf Spurensuche begeben und mit den Mitarbeitern aus den Dekorationswerkstätten, der Requisite und der Technik gesprochen, um herauszufinden: Wie kommt der Trecker auf die Bühne?

    Teil 2: Probenbesuch – Mit dem Trecker hinter den Kulissen

    Man sieht ihn schon von weitem, wenn man in die Kleine Theaterstraße einbiegt: Vor dem Bühneneingang der Staatsoper wartet der grüne Trecker aus »Anna Karenina« auf seinen Einsatz. Es ist Samstagmorgen und auf der Bühne beginnt gleich die Probe für John Neumeiers neuestes Ballett, das am Abend zum ersten Mal nach der Sommerpause gezeigt wird. Wir sind wieder verabredet mit einem Kamerateam vom NDR, das die verschiedenen Stationen des Treckers für die Sendung »Treckerfahrer dürfen das« dokumentiert. Ihren eigenen roten Trecker »Brunhilde«, der beim letzten Besuch in den Werkstätten mit dabei war, haben sie heute aber in Hannover gelassen. Denn auf der Bühne ist nur Platz für den grünen Deutz D25.

    Frank Zöllner und Jürgen Tessmann backstage mit dem Trecker

    Gerade wird noch der große Tisch, an dem Anna Karenina und Graf Wronski zu Beginn des zweiten Aktes sitzen, von Bühnenmitarbeitern über den Kalkhof in den Lastenaufzug gerollt, dann erscheint auch schon Frank Zöllner, der Technische Leiter, um den Trecker auf die Bühne zu fahren. Von den Werkstätten in Barmbek wurde der Trecker am Morgen im Lastwagen zur Staatsoper transportiert. Mit dem großen Aufzug geht es nun auf die Bühne. »Für uns ist das schon etwas Besonderes: ein Trecker auf der Bühne«, sagt Frank Zöllner. Nicht nur beim Publikum, auch bei den Bühnenmitarbeitern kommt das Requisit gut an: »Ob Tänzer oder Techniker, von den Kollegen würden am liebsten eigentlich alle einmal mit dem Trecker fahren. Leider ist das aber nicht jedem gestattet.«

    Gesucht und gefunden wurde der Oldtimer-Trecker vom Leiter der Requisite Jürgen Tessmann. Es gab einige Bedingungen, die der Trecker für den Einsatz auf der Bühne erfüllen musste: Alt sollte er sein und einen kleinen Wendekreis haben, damit er auf und hinter der Bühne gefahren werden kann, er durfte nicht zu viel Gewicht haben – und er musste schön sein. »Und schön ist er ja wirklich!«, sagt Jürgen Tessmann, der selbst auf dem Land und mit Traktoren großgeworden ist. Nach einigen Telefonaten fand er das richtige Modell bei einem Landmaschinenbauer in Niedersachsen. Dort stand der grüne Trecker mit Baujahr 1961 in einer großen Lagerhalle und wirkte ganz klein zwischen den anderen modernen Maschinen. Nach einer Probefahrt wurde der Kauf sogleich per Handschlag besiegelt – und zwei Tage später stand der Trecker schon in den Werkstätten der Staatsoper für den Umbau bereit. Den Original-Fahrzeugbrief hat Jürgen Tessmann auch dabei. Dort steht, dass der Trecker zwei Vorbesitzer hatte und tatsächlich als Hoftrecker benutzt wurde: »Der Trecker hat ein richtiges Leben hinter sich; der hat Seele und das soll man auch auf der Bühne sehen. Wir machen hier schließlich keine halben Sachen.«

    Jürgen Tessmann zeigt den Original-Fahrzeugbrief

    In den Vorstellungen wird der Trecker von Emilie Mazon und Eliot Worrell gefahren. Beide sind in den Proben das erste Mal mit einem Trecker in Berührung gekommen: »Ich bin in Georgia aufgewachsen, man sollte meinen, dass ich Erfahrungen mit Traktoren habe«, sagt Emilie lachend. Eliot ergänzt: »Ich bin in einem kleinen Dorf in England großgeworden und wurde morgens von Treckergeräuschen geweckt. Gesehen habe ich sie täglich, aber vorher wurde mir nie zugetraut, auch selbst einen Trecker zu fahren. Dabei ist es ja kein kompliziertes Raumschiff. Wenn man weiß, wo man Gas gibt und stoppt, ist es ganz leicht.«

    Ursprünglich hatte der Trecker noch Handgas und einen Dieselmotor. Doch beides musste für den Einsatz auf der Bühne umgebaut werden. Nach dem Umbau hat der Trecker noch 5 PS, erzählt Jürgen Tessmann. Seine Geschwindigkeit musste aus Sicherheitsgründen gedrosselt werden, auch wenn man das Gaspedal durchdrückt, kann der Trecker nicht schneller als 5 km/h fahren.

    Langsam neigt sich die Probe dem Ende zu. Auch nach der langen Sommerpause hat heute alles geklappt, Tänzer und Trecker haben ihre Auftritte gemeistert. Bis zur Aufführung am Abend haben sie nun Pause. Als wir uns verabschieden, verrät Jürgen Tessmann noch ein kleines Detail. Nicht nur der rote Trecker vom NDR hat einen Namen, auch unser Ballett-Trecker wurde getauft: »Ich nenne ihn Rolf. Nach einem großen Mann, der hier an der Staatsoper gearbeitet hat«, sagt er mit einem Augenzwinkern.

    Die ganze Geschichte über den Trecker in »Anna Karenina« erzählt die NDR Sendung »Treckerfahrer dürfen das«. Den ersten Teil des Blogs gibt es hier zum Nachlesen!

    Frieda Fielers

  • Wie kommt der Trecker auf die Bühne? Teil I

    Wie kommt der Trecker auf die Bühne? Teil I

    Wer im Juli bereits John Neumeiers neueste Kreation »Anna Karenina« sehen konnte, kennt ein ganz besonderes Requisit des Stücks: Den Trecker. In zwei Szenen des Balletts, die auf dem Landgut des Grafen Lewin spielen, kommt der grüne Oldtimer-Trecker zu Einsatz – dabei ist er jedoch nicht nur schmückendes Beiwerk im Bühnenhintergrund, sondern fährt auch von Tänzern gesteuert über die Bühne.

    Wie findet man einen Trecker fürs Ballett? Und wie wird solch ein spezielles Requisit für den Bühneneinsatz aufbereitet? Gemeinsam mit einem Fernsehteam des NDR haben wir uns auf Spurensuche begeben und mit den Mitarbeitern aus den Dekorationswerkstätten, der Requisite und der Technik gesprochen, um herauszufinden: Wie kommt der Trecker auf die Bühne?

    Teil 1: Zu Besuch in den Dekorationswerkstätten der Hamburgischen Staatsoper

    Typisches Hamburger Wetter begrüßt uns am Mittwochvormittag, als wir im Stadtteil Barmbek das Gelände der Dekorationswerkstätten der Staatsoper betreten. Doch der graue Himmel dämpft die neugierige Stimmung nicht: Wir besuchen heute den Ort, an dem der Trecker aus »Anna Karenina« für seinen Bühnenauftritt umgebaut und an dem er auch über die Sommerpause gelagert wurde. Vor kurzem hat die neue Spielzeit begonnen und bald steht John Neumeiers jüngste Kreation wieder auf dem Spielplan – für den Trecker heißt das: Raus aus dem Fundus und rauf auf die Bühne. Wie er dafür präpariert wird, erklären uns die Leiterin der Werkstätten Stefanie Braun und ihre Mitarbeiter, die bereits vor den großen Werkhallen auf uns warten.

    Der erste Trecker, den wir heute sehen, ist aber gar nicht der uns bekannte grüne Oldtimer aus dem Ballett, sondern ein rotes Modell namens »Brunhilde«, das zusammen mit weiteren Besuchern angereist ist. Denn nicht nur wir sind neugierig darauf, mehr über den Ballett-Trecker zu erfahren; ein Fernsehteam des NDR hat sich ebenfalls angemeldet, um einen Beitrag für die Sendung »Treckerfahrer dürfen das« zu drehen. In der Sendung reist Moderator Sven Tietzer mit seinem knallroten Trecker durch Norddeutschland, um Treckerliebhaber und -experten zu treffen. Heute ist er mit »Brunhilde« extra aus Hannover angereist. Denn einen Trecker im Theater – so etwas haben selbst Sven Tietzer und sein Team noch nicht gesehen.

    Werkstättenleiterin Stefanie Braun begrüßt Sven Tietzer und »Brunhilde«

    Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu einer Lagerhalle, in der ›unser‹ Trecker über den Sommer eingelagert wurde. Vier Mitarbeiter der Werkstätten schieben den grünen Deutz D25 aus der Halle und fahren ihn in die Werkstatt, wo er für den Transport in die Staatsoper und den Bühnenauftritt vorbereitet wird. Dabei macht unser Ballett-Trecker auffällig weniger Geräusche als »Brunhilde«. Das liegt daran, erklärt Stefanie Braun, dass der eigentlich eingebaute Dieselmotor gegen einen Elektromotor ausgetauscht werden musste. Auf einer Theaterbühne ist der Einsatz eines Dieselmotors nicht erlaubt, aus brandschutztechnischen Gründen. Außerdem wären die Lautstärke und der Abgasgeruch auch eher störend beim Ballettgenuss. Jetzt versorgen vier Autobatterien den Elektromotor mit Strom, die nach der langen Sommerpause erst einmal wieder aufgeladen werden müssen, bevor der Trecker seinen nächsten Auftritt hat. Acht Stunden dauerte das Laden, dann ist der Trecker für eine Stunde fahrbereit.

    Am Umbau haben die Mitarbeiter ungefähr vier Wochen gearbeitet – neben des Motoraustauschs wurde der Trecker auch noch leichter gemacht, damit er vom Bühnenboden getragen werden kann. Außerdem wurde zur Sicherheit seine Geschwindigkeit gedrosselt, sodass er selbst bei versehentlich durchgedrücktem Gaspedal nicht von der Bühne rasen kann.

    Stefanie Braun erklärt den Trecker-Umbau in der Werkstatt

    Viele staunende Gesichter scharen sich um den Trecker, als Stefanie Braun und ihre Mitarbeiter den Umbau und die neue Funktionsweise erklären. Nicht nur die Treckerfans vom NDR sind begeistert vom schicken Deutz, auch John Neumeier hat sich gleich in den Trecker verliebt, verrät Stefanie Braun. Und auf das Ergebnis sind alle stolz.

    Einen Trecker für die Ballettbühne umbauen – was für Außenstehende ungewöhnlich anmutet, ist für Stefanie Braun und ihre Mitarbeiter Alltag. Auf die Frage, ob der Trecker das kurioseste Requisit sei, dass sie in den Werkstätten präpariert hätten, antwortet sie trocken: »Für das Ballett ›Liliom‹ haben wir ein komplettes Karussell gebaut, auf dem getanzt und musiziert wird. Wir machen ständig solche Sachen!«

    Wie der Trecker von unserer Requisite gefunden wurde und wie er auf der Bühne eingesetzt wird, erfahrt ihr im nächsten Teil des Blogs.
    Die ganze Geschichte über den Trecker in »Anna Karenina« erzählt die NDR Sendung »Treckerfahrer dürfen das«.

    Frieda Fielers